17.21

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Kollegin! Sehr geehrte Frau Klubobfrau Rendi-Wagner! Ich möchte mich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie dieses Thema wiederum aufgebracht haben. Die Debatte hat gezeigt, dass es wichtig ist, sich gerade jetzt mit dem Thema Pflege auseinanderzusetzen, da man in der Vergangenheit Planungen bei Weitem nicht einhalten konnte – das gilt auch für die Länder. Das heißt, man hat immer geplant, dass die Kosten um 4 bis 6 Prozent steigen werden, gestiegen sind sie teilweise aber um 12 oder mehr Prozent.

Das Thema muss daher angegangen werden, auch weil die Demografie – Entwicklung des Älterwerdens – schlagend wird. Es ist auch richtig, was in dem Zusammenhang der ehemalige Gesundheitsminister Steger gesagt hat (Rufe bei der SPÖ: Stöger!) – Stöger, Entschuldigung , dass sehr viel passiert ist. Es wurde einiges getan. Es hat sich aber in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass die bestandenen Probleme nicht ausreichend angegangen worden sind und dass man die Potenziale des Pflege­systems nicht genützt hat.

Ich möchte nur ein Beispiel erwähnen, weil Sie die Einführung des Pflegegeldes 1993 angesprochen haben: Das war sehr wichtig, aber es hat mit der Zeit dazu geführt, dass eine Bürokratie aufgebaut worden ist, die in sich nicht schlüssig war, die in sich nicht vernetzt war, wo man in dem Fall über 200 Stellen gehabt hat, die für Pflegegeld­zuerkennungen eingesetzt gewesen sind, mit der Folge, dass teilweise bis zu 6 Prozent der Pflegebedürftigen, die Anträge gestellt haben, gestorben sind, bevor der Antrag überhaupt erledigt worden ist. Das hat in letzter Konsequenz dazu geführt, dass man aus den über 200 Stellen fünf Stellen gemacht hat und dementsprechend Potenzial gehoben hat.

Sie haben erwähnt, wie gut das System ist. Ich möchte in dem Zusammenhang auch erwähnen, was Ihre Klubobfrau richtigerweise in ihrer Begründung gesagt hat, nämlich dass wir immer noch enorme Probleme im Pflegesystem haben und diese nur dann lösen können, wenn wir das Effizienzpotenzial, das in der Pflege vorhanden ist, auch heben.

Das heißt, wir haben aktuell die Problematik, dass die Pflege immer noch zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt ist, mit der Folge, dass die Deckung jener Kosten, die tatsächlich anfallen, nicht bei den Bedürftigen ankommt. Wir haben das System, dass der Bund zwar Geldleistungen erbringt, die Länder aber Sachleistungen bezahlen und da Vermischungen herbeigeführt werden. – Das ist ein Problem.

Das zweite Problem ist, dass die Länder die Kosten ersetzen und die Heimbeiträge festlegen. Diesen Beträgen liegen aber im Wesentlichen nicht die tatsächlichen Kosten zugrunde, sondern sie sind ein Verhandlungsergebnis zwischen dem Land und dem Pflegeheimbetreiber.

Gleichzeitig besteht die Problematik, dass die Kosten nicht transparent sind und nicht sichergestellt ist, dass das aufgewendete Geld tatsächlich bei den Betroffenen an­kommt – ein Umstand, der seinerzeit, als der Pflegefonds eingeführt worden ist, auch dazu geführt hat, dass man in die Richtung gehen wollte, Betreuungsschlüssel, Zimmergrößen und Qualitätskriterien festzulegen, damit eben die Betroffenen, die in der Vergangenheit mehr als 1 Milliarde Euro eingezahlt haben, auch zu ihren überprüf­baren Leistungen kommen. Das war nicht der Fall, und das ist nach wie vor nicht der Fall.

Wir brauchen daher eine zusammengefasste, über alle Betreuungsformen gehende, regional differenzierte Angebotsplanung, sodass wir uns in einer Region anschauen: Was wird in dem Zusammenhang gebraucht? Ich glaube, wir sind alle einer Meinung, dass wir sehr wohl jeden Betroffenen mobil und nicht stationär in einem Heim versorgen möchten, das noch dazu 30 000 Euro pro Jahr mehr kostet als eine mobile Betreuung. Das erfordert aber eine zusammengefasste Planung und eine gewisse Qualität, die festzulegen ist, die es derzeit aber nicht gibt.

Das heißt, es gibt ein System, das Sie, Frau Klubobfrau, angesprochen haben, das eingeführt worden ist, aber gleichzeitig ist es so, dass sich in der Vergangenheit eine Struktur gebildet hat, die nicht jene Transparenz aufweist, die nötig wäre, damit der Bedürftige auch zu der Leistung kommt, die er braucht. Deshalb erfolgt jetzt diese Reform unter Einbindung aller, auch unter Einbindung der Länder. Wir werden das auch in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe behandeln.

Zu dem, was der Herr Bundeskanzler angesprochen hat: Ja, logisch, wir alle haben die Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, dass Pflege finanziert wird, und zwar eine Pflege, die natürlich aus öffentlichen Geldern finanziert wird. Das ist unsere Aufgabe, das ist unsere Verantwortung in dem Bereich. Bevor wir aber wieder darüber reden, wie wir das Geld verteilen und die Mittel aufstocken, haben wir die Verantwortung, dass das Geld – derzeit mehr als 6 Milliarden Euro pro Jahr – tatsächlich so eingesetzt wird, dass es bei den Betroffenen ankommt.

Das erfordert eine gesamthafte Planung. Das erfordert auch, dass wir Qualitäts­maß­stäbe festlegen, was bis dato nicht der Fall war. In letzter Konsequenz erfordert es auch, dass mehr Transparenz bei den Pflegetarifen besteht. Ich glaube, es ist nicht bewältigbar, dass es derzeit allein in einem Bundesland bei gleicher Pflegestufe und gleichem Betreuungsaufwand über 200 Tarife gibt. Dementsprechend beträgt auch der Kostenunterschied mehr als 600 Euro. Wenn man sich anschauen möchte, welche Leistung man wofür bekommt, sieht man das nicht.

Man muss sich dieser Thematik auch hinsichtlich der Benchmarkbetrachtung anneh­men: Eine mobile Stunde kostet in einem Bundesland 12 Euro und in einem anderen Bundesland 30 Euro. Das heißt also, man soll das Potenzial, das sich daraus ergibt, heben, nicht nur, um die Pflege der Bedürftigen leistbar zu machen, was die öffentliche Hand betrifft, sondern auch, um eine Qualität zu bieten, die bei den Betroffenen an­kommt.

Genau das ist der Weg, den wir gehen. Genau das ist der Weg, in den wir alle einbeziehen, und es ist hervorragend, dass – das wurde angesprochen – alle Frak­tionen bereit sind, diesen Weg mitzugehen, weil es in letzter Konsequenz ein Weg ist, der uns alle betrifft. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.27

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Klubobmann August Wöginger. – Bitte.