18.42

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Bevor ich zu meiner eigentlichen Rede komme, möchte ich Folgendes festhalten: Packen wir doch das Problem an der Wurzel und beschäftigen wir uns mit Jugendlichen, und wir werden sehr bald positive Effekte bei der Entradikalisierung bemerken – sowohl in den Gefängnissen als auch draußen! Setzen wir uns jetzt zusammen, nicht erst dann, wenn es zu spät ist, und arbeiten wir miteinander an einer Lösung! Was gewisse Kreise nämlich bewusst verschweigen: Die Musliminnen und Muslime in Österreich treten überwiegend, zum Großteil gegen Extremismus an, sie lehnen Extremismus ab. Terror kennt keine Religion, keine Ethnie, keine Hautfarbe.

Jetzt zum eigentlichen Antrag: Ich bedanke mich bei meinen Kolleginnen, den Dok­torinnen Gudrun Kugler und Susanne Fürst, für diesen Entschließungsantrag. Ich werde ihn mit meiner Stimme unterstützen. Dieser Antrag fordert die Regierung auf, Schritte gegen die Radikalisierung und die Herausbildung von Parallelgesellschaften zu unternehmen.

Ich möchte nun einen ganz konkreten Vorschlag unterbreiten, mit welcher Maßnahme genau das erreicht werden kann, nämlich mit einer Aufstockung des Budgets für mus­limische Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger. Gefängnisse sind und waren nämlich immer schon Rekrutierungsgebiet für Radikalisierung, und gerade für die Präventionsarbeit ist die muslimische Gefängnisseelsorge von größter Bedeutung. Die Bedeutung von Religion nimmt in Haft zu, und wenn die SeelsorgerInnen nicht vor Ort sind, ist die Gefahr groß, dass die Inhaftierten radikale Inhalte von anderen Inhaftierten übernehmen.

Wir haben in den österreichischen Gefängnissen derzeit 2 000 muslimische Inhaftierte, die Mehrheit dieser Häftlinge ist seelsorgerisch unbetreut in Bezug auf ihre religiösen Belange. Da spart der Staat an der falschen Stelle. Gefängnisseelsorge ist wirksame Präventionsarbeit. Es geht auch um seelischen Beistand und um ethische Wertever­mittlung. Seelsorge ist Menschenrecht. Unsere muslimischen Mitbürgerinnen und Mit­bürger wollen und verdienen diesbezüglich Gleichbehandlung. Die katholischen Seel­sorger bekommen pro Jahr sechs volle Personalstellen für Gefängnisseelsorge vom Staat finanziert. Die muslimische Gefängnisseelsorge bekommt nicht einmal eine volle Stelle, nämlich nur 20 320 Euro im Jahr; das reicht nicht einmal für einen hauptberuf­lichen Seelsorger. Dieses wenige Geld wird nämlich unter anderem für die Fahrtkosten der ehrenamtlichen Seelsorger verwendet. Im letzten Jahr haben die ehrenamtlichen Gefängnisseelsorger sogar eine Sammelaktion gestartet und während der Freitags­gebete in den Moscheen Geld gesammelt. Immerhin kam da Geld für die Anstellung eines Gefängnisseelsorgers in Wien zusammen. Mit dem neuen Islamgesetz trat ja das Auslandsfinanzierungsverbot in Kraft, und daher benötigen die österreichischen muslimischen Gefängnisseelsorger dringend Unterstützung vom Staat.

Ich habe hier zwei Wortmeldungen von inhaftierten muslimischen Jugendlichen, denn auch Häftlinge vertreten wir hier im Hohen Haus, auch sie sind Teil unserer Gesellschaft.

Häftling 1: Es fehlt, dass wir fühlen, dass sich jemand um uns kümmert. Ich sage Ihnen ehrlich: Ich fühle mich hier einsam, ich habe keinen bei mir. Verstehen Sie? Das ist es. Ja, das ist zum Beispiel so, als würde ich ein Außenseiter sein. – Zitatende.

Häftling 2: Also ja, wie gesagt, in der Justizanstalt Josefstadt gibt es da zum Beispiel halt eine Seelsorge, einen Raum für Muslime zum Beten. Es kommt jeden Freitag oder jede zweite Woche ein Seelsorger: zusammen beten, ein bisschen über Islam reden und so. Dass da jede Woche ein Seelsorger zu uns kommt, mit uns redet, also das wäre schon etwas Gutes, wenn wir das hier auch hätten. – Zitatende.

Gefängnisseelsorge ist wirksame Deradikalisierungsarbeit, sie ist enorm wichtig, um dem Anliegen dieses Entschließungsantrages entgegenzukommen, nachzukommen. Experten sagen, dass es in Österreich vier volle muslimische Gefängnisseel­sor­gerstellen braucht, um wirksam Entradikalisierungsarbeit, aber auch Resozialisierungs­arbeit für die Zeit nach der Haft betreiben zu können. Eine Stelle wäre aber auch schon ein großer Fortschritt. Budgetmäßig bewegen wir uns da in einem Rahmen von 50 000 bis 200 000 Euro – für das Staatsbudget Peanuts, aber ein großer Beitrag für die Problemlösung.

Also packen wir das Problem an der Wurzel, kümmern wir uns um die Jugendlichen! Liebe Gudrun, ich schätze dich sehr, ich freue mich, wenn wir uns bald zusam­mensetzen und gemeinsam etwas ausarbeiten können. Überparteiliche Zusammen­arbeit ist gerade bei diesem Thema enorm wichtig. – Vielen Dank.

18.47

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Efgani Dönmez. – Bitte.