19.20

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Außenministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es liegt uns der Be­richt der Europaministerin über das EU-Arbeitsprogramm 2019 vor. Ich möchte hier gleich zu Beginn sagen, dass wir diesen Bericht nicht zur Kenntnis nehmen werden, weil wir der Meinung sind, dass wichtige politische Themen in diesem Bericht schlicht und ergreifend nicht vorkommen.

Ein ganz zentrales Thema ist natürlich das Thema der Steuerflucht. Wir sind der Mei­nung, dass es nicht sein kann, dass uns jedes Jahr in Europa 1 000 Milliarden Euro an Steuern entgehen. Stellen Sie sich einmal vor, was wir mit diesem Geld alles machen könnten, wie stark wir in Bildung investieren könnten, wie sehr wir unseren Sozialstaat absichern könnten! Daher können wir heute nicht einfach zur Tagesordnung überge­hen, solange Steuerhinterziehung in der Europäischen Union gang und gäbe ist. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Der Bericht behandelt aber unter anderem auch das Thema Brexit, weshalb ich mir er­laube, hier besonders darauf einzugehen. Mir ist es in diesem Zusammenhang beson­ders wichtig, darzulegen, wer die Verantwortung für diesen Brexitschlamassel trägt. (Abg. Haider: Die Engländer! Die Sozialisten!) – Na, nicht die Sozialisten! (Abg. Hai­der: Na wer denn?) Ja, ich frage Sie: Wer hat dieses Chaos verursacht? (Abg. Haider: Die Sozialisten sind am Brexit schuld! Das ist doch völlig logisch!) Nennen wir das Kind beim Namen! Sie können sich sicher sein, dass wir bei jeder Brexitdebatte immer wieder daran erinnern werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haider: Die Sozialisten!) Es waren die verantwortungslosesten Politiker der letzten Jahrzehnte, die zufälligerwei­se alle aus dem konservativen und rechtspopulistischen Lager kamen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wurm.) Was für ein Zufall! Bei diesem Referendum rund um die Frage des Austritts oder des Nichtaustritts aus der Europäischen Union, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es um alles gegangen, nur nicht um die Politik der Europäischen Union. Und das laste ich diesen Politikern an. (Abg. Wurm: Schulz!)

Politiker wie Cameron haben einfach mit dem Feuer gespielt, weil sie dachten: Es ist eh egal, der Brexit wird sowieso nie passieren! Damit haben sie aber die Büchse der Pandora geöffnet. Ich frage Sie: Wo sind die Johnsons und die Farages dieser Welt? (Abg. Hafenecker: Das müssen Sie im englischen Parlament fragen, nicht hier!) Die haben in Wirklichkeit einen Scherbenhaufen hinterlassen und sich letztlich aus dem Staub gemacht. (Beifall bei der SPÖ.) Das Schlimme ist: Es hat für diese Politiker, die schuld an diesem Chaos sind, keine Konsequenzen gehabt.

Warum sage ich das, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Weil ich der Meinung bin, dass wir in Österreich aus diesem Brexitschlamassel die politischen Lehren ziehen müssen. Sie, meine Damen und Herren von der FPÖ – (in Richtung FPÖ weisend:) da sitzen Sie (Abg. Kassegger: Ja, genau!) –, Sie kommen mir nicht so leicht davon. (Heiterkeit und Oh-Rufe bei der FPÖ.) Sie waren nämlich diejenigen, die sich hinge­stellt haben und, als die Brexitentscheidung da war, in Jubelchöre ausgebrochen sind. (Abg. Haider: Ich komme gleich als Nächster!)

Ich erspare Ihnen jetzt wirklich, Ihnen Ihre Öxitanträge und Ihre Öxitzitate vorzulesen. (Abg. Gudenus: Weil es keine gibt!) Sie haben im Nationalrat sogar einen Antrag auf eine Volksbefragung gestellt. Es gibt sogar einen EU-Spitzenkandidaten aus Ihren Rei­hen, der damals ein vehementer Befürworter des Öxits war. Tun Sie also jetzt nicht so, als ob Sie von nichts wüssten! (Beifall bei der SPÖ.)

Alle, die glauben, dass der Brexit eine rein britische Angelegenheit ist, sind leider im Irrtum, denn er hat Konsequenzen für die Zukunft Europas, er hat aber auch Konse­quenzen für die Zukunft Österreichs. Wenn heute ein Mitgliedsland aus der Europäi­schen Union, aus der Gemeinschaft austritt, dann sind wir natürlich auch betroffen. Erstens gibt es nicht wenige Österreicher und Österreicherinnen, die in Großbritannien leben; deren Rechtssituation ist bis zum heutigen Tag unklar.

Zweitens gibt es nicht wenige Briten und Britinnen, die in Österreich leben, die nicht wissen, wie es weitergeht. (Abg. Haider: Alles geregelt!) Da gibt es eine sogenannte Brexithotline, die kann in Wirklichkeit null Auskunft über die wesentlichen Fragen, die die Menschen betreffen, geben. (Abg. Wurm: Was machen wir jetzt? Lösungsvor­schlag!) Sie wissen bis zum heutigen Tag nicht, ob sie an der Wahl zum Europäischen Parlament teilnehmen dürfen oder nicht.

Drittens wissen wir nach wie vor nicht, welche wirtschaftspolitischen Auswirkungen der Brexit auf Österreich hat.

Daher bin ich der Meinung, Frau Ministerin, wir brauchen in Österreich eine Strategie, wir brauchen einen runden Tisch, der alle Akteure zusammenbringt und der gemein­sam mit der Sozialpartnerschaft und der Opposition hier gemeinsam Klarheit schafft. Ich ersuche Sie daher: Wirken Sie auf Ihren Kollegen Blümel und auf den Bundeskanz­ler ein! Bringen Sie in der Brexitfrage Licht ins Dunkel! Schaffen Sie Klarheit für die Ös­terreicherinnen und Österreicher!

Ich bringe in diesem Zusammenhang folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bre­xit – Österreichs Interessen sichern – Runder Tisch gefordert“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres werden aufgefordert

einen zeitnahen runden Tisch mit allen Parteien, den Sozialpartnern, Bundesländern und etwaigen anderen Interessensvertretern einzuberufen und im Rahmen dessen:

- die Fragen rund um die wirtschaftlichen Auswirkungen,

- die Frage der BritInnen in Österreich,

- die Situation rund um die ÖsterreicherInnen in UK sowie

- die Fragen rund um die Wahl und das Wahlrecht betreffend zu klären.“

*****

Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hafenecker: Sind Sie die Postbo­tin vom Herrn Schieder?)

19.26

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder,

Genossinnen und Genossen

eingebracht in der 68. Sitzung des Nationalrates im Zuge des Berichts des Außen­politischen Ausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeitsprogramm 2019 (III-251/524 d.B.) (TOP5)

betreffend Brexit – Österreichs Interessen sichern – Runder Tisch gefordert

Der Europäische Rat hat in seiner Tagung am 21.03.2019 einer Verlängerung des Bre­xit Austritts zugestimmt und damit einen ganz kleinen Schritt gesetzt um seinerseits ei­nen hard brexit zu verhindern bzw. zu verzögern. Die innenpolitische Situation in Groß­britannien ist derzeit jedoch so festgefahren, dass keine Perspektive für einen kons­truktiven Ausweg aus der aktuellen Lage möglich scheint. Dies liegt jedoch vorrangig in der Verantwortung der britischen Regierung, die es verabsäumt hat, alle relevanten ge­sellschaftlichen Kräfte des Landes auf eine gemeinsame Vorgehensweise festzulegen. Stattdessen sind die britischen Konservativen vor allem damit beschäftigt, ihre internen Streitigkeiten zu Lasten des Wohles des Landes auszutragen, während Europas Rechts­parteien weiterhin entgegen aller Fakten die Wiedererlangung der britischen Souverä­nität bejubeln.

Die Europäische Union sollte auf diese Situation angemessen reagieren: die Entschei­dung des Vereinigten Königreichs, die EU zu verlassen, ist zu respektieren. Gleichzei­tig sollte jede Möglichkeit, diesen für alle Beteiligten nachteiligen Entschluss umzukeh­ren, unterstützt werden. Solche Perspektiven liegen derzeit aber nicht vor, wonach nur zwei Möglichkeiten bestehen: entweder, das Vereinigte Königreich verlässt zum selbst­gewählten Zeitpunkt auch ohne Austrittsabkommen die Union, oder es tritt eine grund­legende Neubewertung der britischen Position, etwa durch Neuwahlen oder ein zwei­tes Referendum, ein. Auch wenn niemand einen hard brexit befürwortet, muss irgend­wann Klarheit herrschen. Ansonsten macht sich die EU unglaubwürdig.

Der Brexit zeigt, dass die unheilige Allianz von Konservativen und Nationalisten drama­tische Folgen hat und zu Unsicherheit, Chaos und Wohlstandsverlusten führt. Das trifft nicht nur Großbritannien, sondern uns alle: laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung bei einem Hard-Brexit einen Wohlstandsverlust von über 720 Mio. Euro er­leiden würde.

Demnach sollte auch die Österreichische Bundesregierung endlich angemessen auf diese verfahrene Situation reagieren, Klarheit über die etwaigen Folgen für Österreich unter der Einbindung aller Parteien, der Bundesländer und Sozialpartner schaffen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres werden aufgefordert

einen zeitnahen runden Tisch mit allen Parteien, den Sozialpartnern, Bundesländern und etwaigen anderen Interessensvertretern einzuberufen und im Rahmen dessen:

- die Fragen rund um die wirtschaftlichen Auswirkungen,

- die Frage der BritInnen in Österreich,

- die Situation rund um die ÖsterreicherInnen in UK sowie

- die Fragen rund um die Wahl und das Wahlrecht betreffend zu klären“.

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Roman Haider. – Bitte. (Abg. Wurm: Roman, bitte Aufklärung!)