20.25

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Da ich das Wort zum ersten Mal ergreife, mittlerweile einen schönen guten Abend! Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kollegin­nen und Kollegen aus dem Außenministerium, die auch noch da sind! Ja, ich habe sehr aufmerksam die Ausführungen des Abgeordneten Graf verfolgt, weiß um dein In­teresse am lateinamerikanischen Raum insgesamt und darf hier kurz zwei Dinge er­wähnen.

Zum einen ist das Thema Venezuela meines Erachtens auch im Rat für Auswärtige Beziehungen viel zu spät, nämlich erst letztes Jahr im Juni, erstmals richtig behandelt worden, eine Behandlung, die es schon sehr, sehr viel früher verdient hätte. Wer waren die wesentlichen Akteure, es einzubringen? – Italien, Spanien und Portugal, und das schon aus dem einen Grund: Diese drei Staaten haben gemeinsam über 1 Million Dop­pelstaatsbürger in Venezuela.

Das heißt, es ist kein Thema, das jetzt nur eine regionalpolitische Dimension hat, son­dern es ist ein Thema, das zur größten Flüchtlingskrise unserer Zeit führte, seit zwei Jahren haben wir nämlich mittlerweile in Venezuela mehr Flüchtlinge, die das Land verlassen, als Flüchtlinge, die Syrien verlassen, und das hat sich auch erst mit einer gewissen Verspätung bis nach Europa herumgesprochen.

Genau aus diesem Grund haben wir auch in meinem Ressort letztes Jahr 1 Million Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds für die Aufnahme venezolanischer Flüchtlin­ge in Kolumbien bereitgestellt. Auch das kann nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Wie bereits gesagt wurde: Es bedarf einer politischen Lösung. Diese politische Lösung steht meines Erachtens insofern auch auf einer Kippe, als eine internationale Dimension hier ganz, ganz schwer ins Gewicht fällt, und die nennt sich Erdölreichtum.

Venezuela ist das Land Nummer eins betreffend konventionelle und unkonventionelle Reserven, Stichwort Fracking. Ölsande und Schiefergas, Schieferöl sind Rohstoffe, um die mittlerweile nicht nur die USA und Russland ihre Konflikte austragen, sondern sie sind natürlich ein Objekt der Begierde vor allem der Volksrepublik China geworden. Ve­nezuela befindet sich hier seit Jahren nicht nur in einem gewaltigen innenpolitischen, gesellschaftspolitischen, menschlich mehr als tragischen Patt und Drama, sondern Ve­nezuela ist mittlerweile auch ein Spielball internationaler Rohstoffinteressen geworden, die in die Opec, in die Organisation für erdölexportierende Länder, hineinspielen, die auch in Wien entsprechend erörtert werden.

Der Kampf um den Zugang zu diesen unkonventionellen Erdöl- und Erdgasreserven ist etwas, das diese Pattsituation meines Erachtens verschärfen könnte, weil wir da eben internationale Interessen haben, wo die Europäische Union einer von vielen Akteuren ist, aber natürlich China, Russland und die USA ihre entsprechende Rolle spielen. Aber umso mehr gilt es, das Augenmerk auf dem Drama Venezuela zu belassen. Wir wer­den diesen Entschließungsantrag und unser Engagement entsprechend weitertragen, ob innerhalb der Europäischen Union oder eben in der nächsten UNO-Generalver­sammlung, in der Hoffnung, dass vielleicht bis dahin eine politische Lösung in diesem Patt gefunden ist.

Wenn Sie mir erlauben, möchte ich ganz gerne auch kurz noch auf die Brexitthematik und einiges andere, was zuvor aufkam, eingehen. Der Parlamentspräsident des House of Commons hat für morgen Abend ein drittes meaningful vote ermöglicht. Wir stehen jetzt neuerlich vor dem Szenarienpfad: Wird es morgen zu einer positiven Abstimmung des Austrittsabkommens, wie es am 25. November vom Europäischen Rat abgesegnet wurde, kommen, dann haben wir die Frist bis 22. Mai und haben sozusagen diesen weichen Austritt des britischen Königreiches. Kommt es morgen zu einem negativen Votum, dann wird der 12. April schlagend.

Das heißt, es ist nicht der von uns immer wieder anvisierte 29. März, sondern der 12. April eben diese cliff edge für einen harten Brexit, sollte morgen ein negatives Vo­tum stattfinden.

Wir haben uns für das eine wie auch für das andere Szenario entsprechend vorbe­reitet. Sollte es zu einem harten Brexit kommen, dann wird unser Augenmerk in erster Linie natürlich den österreichischen Bürgern in Großbritannien, 25 000 an der Zahl, be­ziehungsweise den 12 000 Briten in Österreich gelten. Dafür haben wir die Maßnah­men gesetzt, dafür sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen auf den Weg gebracht, ob auf Gesetzesebene oder auf dem Verordnungswege. Das heißt, wir haben diesbe­züglich im Laufe des letzten Jahres alle möglichen Maßnahmen getroffen, eben noch nicht wissend, ob harter oder weicher Brexit.

Das andere ist: Sollte es zu einem harten Brexit kommen, dann geht es nicht nur um das Schicksal der Bürger, sondern es geht um den Frieden in Irland und es geht um das Budget. Es werden nach einem harten Brexit viele Milliarden britischer Zahlungen im EU-Budget fehlen. Das heißt, dafür bedarf es dann natürlich auch einer Neuordnung der Nettozahler, aber wir wissen noch nicht, wie das Votum morgen ausgeht. Das heißt – der schwarze Peter, wem auch immer er zugespielt werden kann –, wir wissen bis morgen Abend nicht, in welche Richtung diese Weggabelung, Erweiterung bis 22. Mai oder 12. April, gehen wird, aber wir sind de facto für beide Szenarien entspre­chend vorbereitet.

Zur Frage der Unionsbürger: Auch bei einem harten Brexit werden unsere Bürger wei­terhin im Vereinigten Königreich verbleiben können. Was die britischen Bürger in Ös­terreich anbelangt, so haben wir ein Brexit-Sammelgesetz mit Novellen aller relevanten Gesetze ausgearbeitet, und ein ganz wesentlicher Punkt ist die Novelle des Niederlas­sungs- und Aufenthaltsgesetzes, damit britische Staatsbürger eben in Österreich weiter leben und arbeiten können. Sie müssen – da kommt mein Ressort ins Spiel –, was die Integration anbelangt, nicht die Sprach- und Wertekurse absolvieren, dafür haben wir Ausnahmen. Die Rot-Weiß-Rot-Karte plus, die für die britischen Staatsbürger erarbeitet wurde, erfasst sämtliche Rahmenbedingungen entsprechend.

Ich darf noch ganz kurz auf den Einwurf eingehen, dass die Regierung, dass wir uns im Arbeitsprogramm Europäische Union um das wesentliche Thema Waffenexporte et cetera nicht entsprechend kümmern würden. Ich darf auf eines hinweisen: Wir haben gerade heute in der Europäischen Union eine ganz massive Debatte zwischen Berlin und Paris wegen deutscher Waffenembargos, beispielsweise betreffend die Arabische Halbinsel. Wir hatten, als ich Ihnen hier das letzte Mal Ende Oktober Rede und Antwort stehen durfte, die Debatte rund um die Ausfuhr militärischer Rüstungsgüter in Richtung Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate. Es ist ein Thema in der Europäi­schen Union, es ist sogar eines, das eben zu unterschiedlichen Linien zwischen den wichtigen Partnern Paris und Berlin betreffend Exporte führt.

Aber was Österreich an Beitrag leisten kann, da seien Sie versichert, dass wir unserer Neutralitätspolitik entsprechend Rechnung tragen und uns dieser Thematik weiterhin annehmen, gerade wenn es um offene Kriege wie im Jemen geht.

Das Thema Desinformazija, Trollfabriken und Cybersicherheit ist ein wichtiges Thema, ich erinnere mich an die Debatte mit Nikolaus Scherak vom letzten Mal. Die Zuständig­keit für die Einhaltung der Sicherheit, des Sicherheitsverlaufs der Wahlen, das ist wie immer im Rahmen der Wahlbehörden, und da hat das Innenministerium die oberste Hoheit, was die reine Sicherheit des Wahlablaufes anbelangt.

Was die Programme anbelangt, die in den letzten Monaten auch unter österreichi­schem Vorsitz zur Erweiterung von Cybersicherheit erarbeitet wurden, vor allem was Wahlabläufe anbelangt, da ist die Umsetzung im Gange. Also da haben wir zwischen letztem Sommer und Dezember im Rahmen des Vorsitzes allerhand eingebracht. Die Desinformazija-Situation haben wir zuletzt im Februar auch in Bukarest umfassend erörtert. Aber es ist eine nationalstaatliche Angelegenheit, wo die Europäische Union nur bedingt mitwirken kann, aber das, was wir an Arbeitsprogrammen einbringen konn­ten, haben wir gemacht. Und wo legislative Maßnahmen auf EU-Ebene vorhanden sind: die sind in Umsetzung begriffen.

Ich darf kurz mit der Frage Klimawandel und unser Einsatz diesbezüglich schließen. Das World Economic Forum sieht den Klimawandel seit Anfang der Nullerjahre als si­cherheitspolitisches Thema, und entsprechend haben wir das auch bei Beratungen, wie auch beim letzten World Economic Forum, getan. Aber dass wir den Kampf gegen den Klimawandel jetzt nicht in unserer tagtäglichen Außenpolitik entsprechend umset­zen können, ist auch eine andere Realität, zu der wir ebenso stehen müssen – wie dennoch die Frage der Migration infolge des Klimawandels natürlich etwas ist, das wir im Rahmen unserer EZA auch entsprechend handhaben.

Also in unseren Schwerpunktländern – ich hatte erst gerade heute Nachmittag Gäste im Vorfeld des morgigen humanitären Kongresses – ist das ein Thema, wo wir versu­chen, im Rahmen des Umsetzens von anderen Formen von Landwirtschaft auch ein Verbleiben der Menschen in ihren Heimatregionen zu ermöglichen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.36

Präsidentin Doris Bures: Das war jetzt noch in Ergänzung zum vorangegangenen Tagesordnungspunkt und zum Handelsabkommen.

Herr Klubobmann Mag. Bruno Rossmann gelangt nun zu Wort. – Bitte.