12.50

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Blümel! Hallo an die Gäste! Herr Minister, Sie haben sich heute lang und breit der Metapher des Wilden Westens bedient. Die Frage, die ich mir allerdings stelle: Wenn Sie sich schon mit dem digitalen Wilden Westen auseinan­der­setzen, ist Ihr Ziel tatsächlich, den anscheinend digitalen Wilden Westen zum digitalen Ostblock zu machen?

Sehen wir uns einmal den Wilden Westen an, von dem Sie gesprochen haben: Dieser Wilde Westen, das sind 4,4 Milliarden Menschen, die weltweit online sind. Da geht es darum, dass sich 3,1 Milliarden Menschen in sozialen Netzwerken aufhalten und 1,9 Milliarden Webseiten online sind. Das heißt, das ist nicht nur ein kleiner Ort, das ist nicht nur eine kleine Gruppe – das ist ein Ort, den zum Beispiel der 13-jährige Alexander, der heute hier ist, auch als sein zweites Zuhause betrachtet. Das ist ein Ort, wo sich die Jugend aufhält, sich zu Hause fühlt, der ihr einerseits Wissen, Bildung und Inspiration beschert, andererseits Freundschaften und Bekanntschaften. Natürlich kommt es an einem solchen Ort auch zu Hass. Man darf das nicht kleinreden, hier kommt es auch zu Situationen, die man verhindern muss.

Sehen wir uns dennoch einmal an, was der Grundgedanke des sogenannten WWW ist! Die Worte des Begründers Berners-Lee sind: Das Web ist dafür designt worden, dass es Menschen zusammenbringt und Wissen frei verfügbar macht. – Menschen zusam­menbringen und Wissen frei verfügbar machen, ist das der Wilde Westen?

Jeder und jede hat die Verantwortung, dass das Web der Menschheit dient, das sind auch die Worte des Begründers. Das heißt, jeder und jede hier trägt die Verant­wor­tung. Das bedeutet für mich, dass ich und jedes Individuum jeden Tag darauf achten müssen, dazu beizutragen, dass das Internet ein Ort bleibt, wo Menschen selbstbe­stimmt und frei Informationen beziehen und sich vernetzen können und sich Neues entwickeln kann.

Wir haben das Thema Uploadfilter bereits ziemlich ausführlich diskutiert – ja, es kommt, wenn dieser in der Form umgesetzt wird, zur Zensur, und es ist nicht mehr möglich, in der Form Neues zu entwickeln. Ich bin der Überzeugung, dass wir hier im Hohen Haus eine Verantwortung haben – nicht nur Sie in der Regierung, auch wir in der Opposition, wir alle hier im Hohen Haus, Google, Facebook und die Bevölkerung an sich.

Aber was macht die Regierung? – Wenn man sich den Ausweiszwang ansieht, ist dieses Gesetz ein Frontalangriff auf das Mitmachinternet. Anstatt Hass im Netz zu bekämpfen, werden die Communitys in Österreich unter Beschuss genommen, in denen am ehesten ein demokratischer Diskurs stattfindet. Die Regierung hat sich nicht dazu durchgerungen, ehrliche Ansätze wie zum Beispiel Deradikalisierung und Bera­tungsangebote für Opfer zu fördern oder weniger politische Hetze gegen Minderheiten vorzuschlagen. Da ist nichts passiert.

Dieses Gesetz verfehlt sein eigentliches Ziel und bringt einen enormen Kollateral­schaden für unseren demokratischen Diskurs, und wir werden alles tun, um das zu verhindern. (Beifall bei JETZT.)

All diese Regelungen, die zum Großteil von Ihrer Seite kommen, dienen in erster Linie nicht den Menschen, dienen nicht der Menschheit. Diese Regelungen, werte Regie­rung, dienen zum einen dem Profit weniger Einzelner und zum anderen dem Macht­ausbau weniger Einzelner. Diese Regelungen werfen das gesamte Web, all seine NutzerInnen und ProduzentInnen in einen Topf. Wir reden hier von Millionen, Milliarden Menschen. Dabei verliert derjenige, für den das Web designt wurde: der Mensch und seine Chance, sich frei zu informieren und zu vernetzen. – Ja, da sind wir wahr­scheinlich derselben Meinung, Herr Sheriff Blümel: Es braucht immer neue Standards, um das Miteinander im Web zu regeln.

Wir brauchen ein modernes Urheberrecht, aber dieses können wir auch herbeiführen, indem wir Lösungen entwickeln, ohne dabei auf den Faktor Mensch zu vergessen – natürlich nur, wenn es nicht unsere ausschließliche Intention ist, mehr Geld zu machen oder unsere Machtstellung zu stärken. Es wird uns nur gelingen, das Web zu einem Ort zu machen, der den Menschen dient – ganz nach dem Erfinder des WWW –, wenn wir uns bei jeder noch so kleinen Neuerung zuerst fragen, was sie mit den Menschen da draußen macht.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (fortsetzend): Das ist eine Frage, die können Sie sich, werte Regierung, genauso gut stellen wie ich und jeder andere hier im Saal. (Beifall bei JETZT.)

12.56

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Niss. – Bitte.