13.19

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (JETZT): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minis­ter! Meine Damen und Herren! Dass ein Vergleich hinkt, das ist ihm quasi wesens­eigen, sonst wäre es Isomorphie oder etwas anderes. Kennzeichnend sind Vergleiche aber natürlich schon. Wenn Sie, Herr Minister, sich hier als Sheriff gerieren, kann ich nur sagen: Ich wollte immer Indianer sein, und da liegt wahrscheinlich auch der prinzipielle Unterschied zwischen uns. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Vermummungsverbot ist ein Widerspruch zu etwas, was ich als Menschenrecht der Anonymität bezeichnen würde. Ich lese Ihnen etwas vor: „Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen [...]“. – Wo steht das? – Das steht natürlich in § 13 Abs. 6 des deutschen Telemediengesetzes.

Wenn § 43 ABGB, der in Österreich seit weit über 100 Jahren das Namensrecht regelt, ausdrücklich davon spricht, dass jede und jeder von uns das Recht hat, Decknamen zu benutzen – expressis verbis verba legalia –, dann heißt das, dass wir ganz grund­sätzlich, wenn es nicht den konkreten Verdacht einer strafbaren Handlung gibt, das Recht haben, anonym zu bleiben. Man kann das alles drehen und wenden, wie man will, man kann die einzelnen Paragrafen dieses Entwurfs für ein Bundesgesetz über Sorgfalt und Verantwortung im Netz drehen und wenden, wie man will: Da findet tatsächlich ein Paradigmenbruch statt.

Herr Minister, Sie stellen sich auf die Seite derer, die sagen: Dieses Menschenrecht auf Anonymität soll es nicht länger geben. – Das ist dem Internet nicht angemessen, und das ist auch unserem eigentlichen Rechtsverständnis nicht angemessen.

Nikolaus Forgó, wahrscheinlich der beste Experte für das nationale und internationale Internetrecht, hat zu Recht vom Phrasenschwein gesprochen, in das er gerne jedes Mal, wenn der Satz „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein!“ gesagt wird, 1 Euro eingeworfen hätte. Diesbezüglich geht es um dasselbe: Das Internet ist seit allem Anfang an kein rechtsfreier Raum. Nicht zuletzt deshalb, weil ich seit gut 30 Jahren mein Geld damit verdiene, diejenigen zu klagen, die über andere Unwahres, Hetze­risches oder Beleidigendes schreiben, sage ich: Es stimmt einfach nicht!

Das Internet ist vermutlich eines der meistregulierten Gebiete, die wir überhaupt haben; und die Problematik liegt in kaum einem Fall in der Anonymität. Der bekannte Fall von Sigi Maurer zeigt das so schön, dass man ja kaum glaubt, dass das jemand nicht verstehen kann. Wir haben von allem Anfang an über die Identität des Betref­fenden Bescheid gewusst. Wie aber ist er bis jetzt damit durchgekommen? – Indem er abgestritten hat, dass er, der über seinen Account identifizierbar ist, es gewesen ist. Dieses Problem wird auch durch dieses Gesetz in weiterer Folge nicht geregelt werden können.

Das, worauf da abgezielt wird, ist eine Art Wohlverhaltensgesetz: Überall dort, wo Leute diskutieren, auch, wo sie sich ereifern wollen – und das ist ein berechtigtes Anliegen vieler von uns –, soll jetzt sozusagen eine Eintrittskarte abgegeben werden. Da findet – Niki Scherak hat darauf hingewiesen und man kann es nicht leugnen – im Kern eine Vorratsdatenspeicherung ohne Anlass statt, und das wird in diesem Leben – 30 Jahre habe ich vielleicht noch – weder beim EuGH noch beim VfGH durchgehen. Das ist eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung (Beifall bei JETZT und bei Abge­ordneten der NEOS), und diesbezüglich sind die Aussagen der Gerichte so klar, dass man sich wundert, wie die Legisten in Ihrem Haus das vor Ihnen geheim halten konnten. – Das ist entschieden!

Noch ein Wort zur Einschränkung der Meinungsfreiheit – weil hier so getan wurde, als ob diese nicht stattfände –: Sowohl europäische als auch nationale Gerichte haben bei der Beurteilung dessen, was eine unzulässige Einschränkung der Meinungs­äuße­rungsfreiheit ist, den Chilling Effect als gravierendes Problem erkannt. Es geht nicht nur um die situative Einschränkung oder Verhinderung von Meinungsfreiheit, es geht auch darum, dass es bestimmte gesetzgeberische, gerichtliche oder bürokratische Maßnahmen gibt, die diese Meinungsfreiheit präventiv einschränken.

Ich glaube, dieses Gesetz leistet keinen Beitrag zur Lösung der Probleme, vor denen wir stehen. – Danke. (Beifall bei JETZT und NEOS.)

13.24

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.