15.58

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! – Wo auch immer er sein mag. Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Nach dem aktuellen Jahresbericht zur Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen befindet sich Österreich hinter Norwegen, Finnland, Schweden, den Niederlanden und einer Reihe von anderen Ländern auf Platz 16; wir waren auf Platz elf. Warum ist das so? Warum sind wir fünf Plätze abgerutscht? Wir wissen, Einschränkungen der Pres­sefreiheit und Attacken auf unabhängige Journalistinnen und Journalisten bedeuten immer eine Entwicklung in Richtung illiberale Demokratie; im Übrigen nicht die einzige Entwicklung in diese Richtung. (Unruhe im Saal.) – Vielleicht interessiert Sie das Thema illiberale Demokratie eh nicht so (Abg. Gudenus: Wenn Sie reden, eher nicht! – Abg. Belakowitsch: Ja, es ist so langweilig!), dann können Sie natürlich weiter plaudern und sich weiter verbreitern und die Geräuschkulisse weiter in die Höhe treiben.

Wir alle kennen die Alarmsignale, beispielsweise aus Ungarn, wo die Regierung vor­gibt, was berichtet werden darf und wo unabhängige JournalistInnen vor laufender Kamera als Lügner bezeichnet werden. Wir sind nämlich – und jetzt wäre es vielleicht interessant, doch aufzupassen, Kollege Rosenkranz – Zeugen einer vergleichbaren Entwicklung in Österreich. (Abg. Rosenkranz – in Richtung SPÖ –: Dort drüben ist es so unruhig! Ich kann was hören! Ich glaube, das ist die SPÖ, die so unruhig ist! – Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Wenn der Medienminister, der mittlerweile eingetroffen ist (Unruhe im Saal), einem Moderator mit den - -

Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hatten jetzt einen wirklich langen Abstimmungsvorgang, das weiß ich, aber ich bitte Sie trotzdem, die Aufmerksamkeit wieder auf das ORF-Volksbegehren zu lenken und vor allem auch auf den Redner, der gerade am Wort ist. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (fortsetzend): Frau Präsidentin! Ich beginne noch einmal mit dem Medienminister, der einem Moderator mit den Worten: „Das ist ja ein Blödsinn“ entgegentritt. Das ist nichts anderes als eine Entgleisung. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wenn Harald Vilimsky vor laufender Kamera droht, ein Interview werde Folgen haben, dann ist das auch nichts anderes als eine Entgleisung. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und JETZT.) Wenn der Stiftungsratschef des ORF, ein ehemaliger Abgeordneter und Vizekanzler der Freiheitlichen Partei, ein Inter­view – nämlich dieses Interview – als pervers bezeichnet, ist das eine weitere Entglei­sung. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Wir erleben aber auch, dass Entgleisungen dieser Art ohne Folgen bleiben. (Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Wir bemerken das im Umgang mit dem Rechtsradikalismus, bei dem die Grenzen des politischen und menschlichen Anstands laufend und ohne Kon­sequenzen verschoben werden. Diese Grenzüberschreitung können und dürfen sich die Politik und die Gesellschaft nicht leisten, es muss demokratischer Grundkonsens sein und bleiben, dass Journalismus nicht diffamiert wird, sondern frei und ohne Druck arbeiten kann. (Beifall bei SPÖ und NEOS.  Abg. Neubauer: ... keine Regeln!)

Zum Volksbegehren: Die Beiträge der Experten beim Hearing waren aufschlussreich, insbesondere die immer wieder gerne zitierte Situation in Dänemark. Lasse Jensen, der ehemalige Informationsdirektor des dänischen Radios, hat das wie folgt beschrieben: Es begann mit Angriffen rechter Parteien auf den öffentlichen Rundfunk; in der Folge wurde 2018 die Abschaffung der Rundfunkgebühren und eine Budget­finanzierung beschlossen. Interessant ist auch, dass dieser Beschluss mit der Mehrheit von einer Stimme im Parlament getroffen wurde, im Gegensatz zu den anderen Be­schlüssen, die im Medienwesen in Dänemark üblich waren. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Das Budget des Dänischen Rundfunks wurde um 20 Prozent gekürzt, 100 Millionen Euro sollten eingespart werden. Wir kennen diese Vorschläge insbesondere von der FPÖ, das sind Vorschläge, die vonseiten des Medienministers wie gewohnt unwider­sprochen stehen bleiben.

In Dänemark bedeutet das ganz konkret, dass ab 2020 die TV-Sender von sechs auf drei reduziert werden und drei von acht Radiosendern zugesperrt werden. Von den 3 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Dänischen Rundfunks werden 382 abge­baut, und das, obwohl die Produktivität dieser Mitarbeiter in den letzten 20 Jahren um sage und schreibe 100 Prozent gestiegen ist. Die wirklichen Probleme im Medien­bereich sind in Dänemark im Übrigen genauso ungelöst wie bei uns. Ich nenne nur die Stichworte Google, Facebook, Netflix: die sogenannte Digitalsteuer ist im Grunde genommen eine Bagatellwerbeabgabe.

Deshalb möchte ich auch vor dem Hintergrund dieses Hearings und der Stellung­nah­men der Experten einen Entschließungsantrag einbringen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stär­kung der Pressefreiheit in Österreich durch einen starken, unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien werden aufgefordert, die Pressefreiheit in Österreich zu sichern und zu stär­ken. Dazu bedarf es im Sinne der Verfassung eines starken, unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks und einer ausreichenden, unabhängigen Finanzierung durch Rundfunkgebühren.“

*****

(Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

16.04

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Unselbständiger Entschließungsantrag

§ 55 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Dr. Peter Wittmann

Genossinnen und Genossen

betreffend Stärkung der Pressefreiheit in Österreich durch einen starken, unabhän­gigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Verfassungsausschusses über das Volksbegehren (435 d.B.) "ORF ohne Zwangsgebühren" (587 d.B.) (TOP 2)

Das ORF-Volksbegehren fordert eine ersatzlose Abschaffung der GIS-Gebühren. Der Entfall des ORF-Programmentgeltes in der Höhe von 620 Millionen Euro jährlich (2018) würde das Ende des ORF wie wir ihn heute kennen bedeuten. Ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist jedoch essentiell für Österreich. Der ORF leistet einen wich­tigen Beitrag zur österreichischen Identität und Wirtschaft und dient als demokratische Plattform. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist „unser“ Rundfunk. Es gibt ihn, weil er von den Bürgerinnen und Bürgern getragen wird.

Warum braucht es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich?

- Der österreichische Medienmarkt ist im Vergleich zu Deutschland klein und braucht daher Unterstützung durch die Rundfunkabgabe der SeherInnen und HörerInnen. Eine Rundfunkanstalt mit einem Angebot, wie es der ORF bietet, ist allein am Markt in Österreich nicht finanzierbar.

- Der ORF finanziert in großem Ausmaß österreichischen Content. Er ist der größte Auftraggeber der heimischen Kreativwirtschaft. Ohne ORF würden österreichische Inhalte zum großen Teil verschwinden. Mit einem starken Rückgang österreichischer Inhalte, stirbt auch ein Teil österreichischer Identität. Nur ein starker ORF bedeutet eine Vielfalt an österreichischen Inhalten.

- Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat eine wichtige demokratiepolitische Funktion. Er fördert die freie Meinungsbildung und öffentliche Kommunikation. Indem der ORF gesellschaftliche Debatten abbildet und eine Plattform für den öffentlichen Diskurs darstellt, ist er unabdingbar für die Funktions- und Leistungsfähigkeit des demo­kratischen Österreichs.

- Information ist ein Grundbedürfnis in einer demokratischen Gesellschaft. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bietet diese auf höchstem Niveau. Gerade im Zeitalter von fake news, Echokammern und Filterblasen braucht es mehr gesicherte Information nicht weniger. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt dabei als rot-weiß-rotem Leit­medium und Quelle hochwertiger Information eine besondere Rolle zu.

- Nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat grundsätzlich im Interesse der Allge­meinheit tätig zu werden und ist verpflichtet, eine vielfältige Meinungslandschaft aufrechtzuerhalten und zu befördern. Im Gegensatz zu privaten Medienunternehmen ist er der Gesellschaft und nicht den AktionärInnen verpflichtet.

- Auch diejenigen haben etwas vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die ihn selbst nicht nutzen: weil sie Teil einer Gesellschaft sind, die als ganze von ihm profitiert. Somit kann der Beitrag zurecht auch als "Demokratieabgabe" gesehen werden.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk leistet darüber hinaus einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Pressefreiheit in Österreich. Laut einem aktuellen Ranking von „Reporter ohne Grenzen“ weist Österreich ein größer werdendes Defizit im Bereich Pressefreiheit auf. Österreich wurde in der neuen Weltrangliste zur Lage der Medien binnen eines Jahres um fünf Plätze auf Rang 16 hinuntergestuft. Der Indexwert für Österreich fiel von „gut“ in den Bereich „ausreichend“. Grund für die Verschlechterung waren Angriffe auf Medien von Seiten der Regierungsparteien: Von Heinz-Christian-Straches „Lügen“-Vorwurf an den ORF und „ZIB 2“-Anchor Armin Wolf über eine interne Anordnung aus dem Innenministerium „kritischen“ Medien nur geringstmögliche Information zur Verfügung zu stellen bis zu Angriffen von FPÖ-Stiftungsräten und unbegründete Maßregelung des ORF durch den Bundeskanzler. „Ich bin schockiert darüber, in welche Richtung sich die Pressefreiheit in einem Land wie Österreich entwickelt hat“, erklärte Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich. Und auch laut dem ehemaligen Vizekanzler und Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner befindet sich Österreich auf dem Weg „von einer liberalen Demokratie, die wir einmal hatten, zu einer autoritären Demokratie, die wir derzeit sind oder sein werden.“

Auf Grund dieser besorgniserregenden Entwicklung und der fortschreitenden Tendenz, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu diskreditieren und delegitimieren stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien werden aufgefordert, die Pressefreiheit in Österreich zu sichern und zu stär­ken. Dazu bedarf es im Sinne der Verfassung eines starken, unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks und einer ausreichenden, unabhängigen Finanzierung durch Rundfunkgebühren.“

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag wurde ordnungs­gemäß eingebracht, ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Nehammer. – Bitte schön.