10.29

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Mit dem heutigen Tag gehen wir im Plenum den nächsten Schritt für ein Reformvorhaben. (Ruf bei der SPÖ: Zur Armut!) Gleich zur ersten Frage, Frau Klubobfrau: Wir schaffen damit mehr Sicherheit, mehr Chancen, mehr Fairness, mehr Gerechtigkeit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Stimmt ja nicht! – Abg. Leichtfried: Für die Spon­soren des Herrn Kurz!)

Ich freue mich, sagen zu können, dass es in der Geschichte unserer Republik zum ers­ten Mal gelungen ist, ein Grundsatzgesetz des Bundes im Bereich des Armenwesens vorzulegen. Diese Bundesregierung bekennt sich zum Sozialstaat Österreich, der sei­nen Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet ist (Abg. Leichtfried: Scherzerl! Ruf bei der SPÖ: Das stimmt ja gar nicht! – weiterer Ruf bei der SPÖ: Glauben Sie, was Sie sagen?), nämlich dort Hilfe zu leisten, wo Hilfe wirklich nötig ist: bei Menschen, die jah­relang gearbeitet haben und plötzlich vor dem Aus stehen (Zwischenruf des Abg. Rossmann); bei Menschen, denen eine Krankheit übel mitgespielt hat und die nun hart um ihre Zukunft kämpfen; bei Menschen, die wirtschaftlich hingefallen sind und wieder aufstehen möchten.

Am 15. April, also letzte Woche, wurde diese Regierungsvorlage im Sozialausschuss behandelt, und dieser Ausschusssitzung ist auch, wie Sie wissen, ein Expertenhearing vorausgegangen. Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit für einen Faktencheck nutzen. (Abg. Heinisch-Hosek: Den verlieren Sie!) Aufgrund der Diskussionsbeiträge im Sozialausschuss habe ich den Eindruck, dass zu ein paar Punkten noch immer Falschmeldungen verbreitet sind. (Abg. Leichtfried: Wie viele von den 140 Stellung­nahmen waren positiv? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Der erste Faktencheck: Das dritte Kind ist nur mehr 44 Euro wert.  Meine Damen und Herren, richtig ist, dass die Beiträge für die Kinder zusammenzuzählen und rechnerisch auf alle Kinder aufzuteilen sind. (Abg. Heinisch-Hosek: Aber nicht jedes Kind ist gleich viel wert!) Bei einer Familie mit drei Kindern bedeutet das pro Kind 132 Euro pro Monat Sozialhilfe plus Familienbeihilfe. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Weiterer Faktencheck: Obdachlose erhalten keine Sozialhilfe. – Richtig ist, dass auch Obdachlose eine sogenannte Hauptwohnsitzbestätigung relativ niederschwellig erhal­ten können. (Abg. Leichtfried: Ja, mit dem neuen Meldesystem!) Obdachlose, die re­gelmäßig eine Kontaktstelle aufsuchen (Abg. Heinisch-Hosek: Das ist ja zynisch!), zum Beispiel eine Obdachloseneinrichtung, bekommen natürlich auch Sozialhilfe. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Dritter Punkt: Falsch ist, dass freiwillige Spenden privater Natur auf die Sozialhilfe an­gerechnet werden. (Abg. Leichtfried: Was war in dem Vorschlag? Sagen Sie, was in dem Vorschlag war!) – Richtig ist vielmehr, dass weder Spenden von Licht ins Dunkel zur Finanzierung von elektrischen Rollstühlen (Abg. Heinisch-Hosek: Da haben Sie lange gebraucht!) noch Essensgutscheine der Caritas oder einmalige Geldaushilfen von Verwandten oder Bekannten auf die Sozialhilfe angerechnet werden. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Warum haben Sie das geändert? Sagen Sie das!) Das heißt, dass Spenden jeglicher Art, freiwillige Geldleis­tungen der freien Wohlfahrtspflege oder Leistungen von Dritten, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, natürlich nicht angerechnet werden.

Weiters ist falsch, dass Mindestsicherungsbezieher in Österreich weniger als bei Hartz IV bekommen. – Meine Damen und Herren, ich habe immer gesagt: Mit mir gibt es kein Hartz IV! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. Abg. Leicht­fried: Das ist jetzt Kurz IV! – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Auch da werden Äpfel mit Birnen vermischt; das sind zwei völlig verschiedene Systeme. (Abg. Leicht­fried: Das war jetzt ein interessantes Geständnis!) Eine Notstandshilfe, wie wir sie in Österreich haben und weiterhin haben werden, gibt es in Deutschland nicht. Men­schen, bei denen der Arbeitslosengeldbezug bereits ausgelaufen ist, fallen in Deutsch­land sofort in Hartz IV mit Vermögenszugriff. In Österreich erhalten sie Notstandshilfe ohne Vermögenszugriff. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Wie lange?) – Sie haben gerade nicht zugehört: Die Notstandshilfe gilt noch weiter. (Rufe bei der SPÖ: Wie lange?)

Weiters ist falsch, dass es für Menschen mit Behinderung massive Verschlechterungen geben wird. – Ganz im Gegenteil: Wir haben in unserem Grundsatzgesetz extra eine Schutzklausel zugunsten der Menschen mit Behinderung. Diese besagt, dass die Län­der an ihren bisherigen spezifischen Regelungen für Menschen mit Behinderung fest­halten und weiter entsprechend auszahlen können.

Menschen mit Behinderung abzusichern ist ein Muss des Grundsatzgesetzes. Das heißt erstens, das Grundsatzgesetz sieht einen verpflichtenden Zuschlag für Menschen mit Behinderung von rund 160 Euro im Monat vor. Zweitens: Auf den Nachweis der Sprachkenntnisse ist zu verzichten, wenn der Spracherwerb behinderungsbedingt nicht möglich ist. Drittens: Gleiches gilt auch für den Einsatz der Arbeitskraft von Menschen mit Behinderung, wenn sie diesen nicht erbringen können. Angehörige, die Familien­mitglieder pflegen, sind besser abgesichert; bei demenzkranken und minderjährigen Per­sonen ist Pflegestufe 1 ausreichend. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Noch ein Faktencheck: Mindestpensionisten fallen aus der Sozialhilfe heraus. – Nein, das ist falsch. Richtig ist, dass Mindestpensionisten nicht um ihre Wohnleistung fürch­ten müssen. Sie sind grundsätzlich keine Zielgruppe der neuen Sozialhilfe, das heißt, die Ausgleichszulage ist keine Leistung der Sozialhilfe. Es bleibt den Ländern überlas­sen und auch unbenommen, Mindestpensionisten auch Wohnbeihilfe oder sonstige Extraleistungen zu gewähren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Weiterer Faktencheck: Subsidiär Schutzberechtigte müssen gleichbehandelt werden. Anderes widerspräche Unionsrecht, behaupten Sie.  Nein, auch das ist falsch. Richtig ist, dass selbst die unionsrechtlichen Vorschriften die Möglichkeit vorsehen, subsidiär Schutzberechtigte anders zu behandeln und die Leistungen auf Kernleistungen zu re­duzieren.

Ich komme jetzt zu einem Thema, das uns als Bundesregierung und mir persönlich sehr, sehr wichtig ist: Es wird immer diskutiert, dass wir die Armut damit vorantreiben. (Abg. Heinisch-Hosek: Ganz genau!) – Das weise ich aufs Schärfste zurück. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zum einen hat diese Regierung bereits zahlreiche Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut umgesetzt. Wir haben ja so viele Baustellen von Ihnen geerbt (Abg. Leicht­fried: ... was denn?), wir müssen daher auch diese Maßnahmen umsetzen (Beifall bei FPÖ und ÖVP – Widerspruch bei der SPÖ): Erstens, Arbeitnehmer mit geringem Ein­kommen profitieren seit Mitte 2018 von der Senkung der Arbeitslosenversicherungsbei­träge (Zwischenruf des Abg. Vogl); zweitens, die Einführung des Familienbonus Plus mit Beginn des Jahres erhöht das Einkommen von Familien um bis zu 1 500 Euro pro Kind (Zwischenruf des Abg. Loacker); drittens, Aktion Schulstartpaket; viertens, die Ausbildung bis 18; fünftens, die Absenkung der Krankenversicherungsbeiträge für Menschen mit geringem Einkommen, die mit der Steuerreform kommt; sechstens, die frühen Hilfen; siebentens, der Bildungsbereich. Viele Maßnahmen, die Sie zuvor nicht gesetzt haben, setzen also wir und setzen wir jetzt um, um Armut zu verhindern. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Leichtfried: Was war siebentens?)

Aus meiner Sicht wurde im Grundsatzgesetz sehr viel Augenmerk darauf gelegt, dass es nicht bei den Höchstsätzen bleibt. Die Länder haben vielmehr eine Reihe von Überschreitungsmöglichkeiten, nämlich die Wohnkostenpauschale, die Härtefallklausel und nicht zuletzt bei den Alleinerziehenden. Es war für uns als Regierung ein Muss, den Alleinerziehenden mehr Hilfe zu geben. Diese liegt im Rahmen von maximal 106 Euro für das erste Kind bis maximal 27 Euro für jedes ab dem vierten Kind. Das bedeutet zusätzliche Leistungen für alleinerziehende Personen, damit ja keine Armuts­gefährdung vorhanden ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Zudem haben die Länder die Möglichkeit der Überschreitung bei Menschen mit Behin­derung und betreffend Schutz im Alter. Den Spielraum haben wir auch bei den Zu­schüssen für Heizkosten erhöht. Das wurde ja auch immer kritisiert, aber es ist genau im Gesetz gestanden. Durch den Abänderungsantrag werden wir das noch einmal klar­legen, damit es wirklich alle verstehen. Das heißt, es besteht auch bei Zuschüssen für Heizkosten die Möglichkeit, sie per Geldleistung und als Sachleistung auszuzahlen.

Wichtig sind der Bundesregierung folgende Kernanliegen, die wir im Rahmen der So­zialhilfe Neu umsetzen: Die Sozialhilfe soll künftig stärker mit Anreizen zur Arbeitsauf­nahme verknüpft werden. (Zwischenruf des Abg. Noll.) Da setzen wir mit einem höhe­ren Wiedereinstiegsfreibeitrag neue Impulse. Weiters soll die Unterstützung im Rah­men der Sozialhilfe künftig verstärkt über Sachleistungen erbracht werden. Ziel ist da vor allem mehr Treffsicherheit. Die Sozialhilfe soll nur mehr in voller Höhe zustehen, wenn Menschen auch bereit sind, sich möglichst rasch zu integrieren. Da werden mit dem Arbeitsqualifizierungsbonus höhere Anreize für Spracherwerb geschaffen. (Ruf bei der SPÖ: Bla, bla! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Die Einkommen von Arbeitnehmerhaushalten sollen sich künftig wieder deutlicher von jenen Einkünften un­terscheiden, die Haushalte mit Sozialhilfebezug erreichen können.

Das heißt, es sind so viele Anreize, die die Regierung diesbezüglich schafft. Weiters war insbesondere der Schutz des Eigentums ein ganz großer Wunsch meiner Fraktion; wir wollen das Eigentum schützen. Das bedeutet erstens eine Schonfrist für Woh­nungseigentum (Abg. Leichtfried: Wie lange?) von drei Jahren (Abg. Leichtfried: Was ist nachher?) und zweitens ein Schonvermögen für eigene Ersparnisse von bis zu 5 300 Euro, das sind um 1 000 Euro mehr als vorher. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Mit dem vorliegenden Reformvorhaben wird, wie bereits erwähnt, ein weiterer wichtiger Punkt des Regierungsprogramms verwirklicht. Ich möchte mich beim Koalitionspartner bedanken, dass wir das in die Realität umsetzen können. Wir schaffen Fairness, Ge­rechtigkeit und Treffsicherheit! (Anhaltender Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.40

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich begrüße den Pensionistenverband von Alt­münster recht herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.