10.51

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Im April 2018 hat die Bundesregierung in einer großen Pressekonferenz angekündigt, dass die neue Mindestsicherung komme, nämlich im Juni 2018. Seither ist mehr als ein Jahr vergangen (Ruf bei der SPÖ: Zum Glück!), das es gebraucht hat, bis diese ewige Ankündigung mit schriller Begleitmusik zur Umset­zung gelangt ist. Und diese schrille Begleitmusik, die wir jetzt ein Jahr lang hatten, ist so gegangen: Die bösen Ausländerfamilien mit den vielen Kindern sind schuld!

So hat Sebastian Kurz beim dritten Satz in der Pressekonferenz gleich die Ausländer­familien mit den vielen Kindern herangezogen, und die Frau Ministerin hat gesagt: Fremde müssen warten! – Jetzt haben wir sie, die Schuldigen: die Ausländer.

Doch diese schrille Begleitmusik war nur Ablenkung, die war nicht das, worum es geht. Worum geht es wirklich? – Das neue Gesetz verteilt ein bisschen um; ein bisschen von den Mehrkindfamilien weg hin zu den Alleinerziehenden und zu den Menschen mit Be­hinderung. Das war es dann aber auch schon. Und weil die Alleinerziehenden eine viel größere Gruppe sind als die Familien mit vielen Kindern, kommt das neue Gesetz auch ein bisschen teurer als das alte, das können Sie der wirkungsorientierten Folgenab­schätzung entnehmen. Viel Lärm also um nichts!

Aber die SPÖ rennt gleich in die Falle und bespielt jenes Feld, das die Regierung so gerne eröffnet, nämlich das Ausländerspielfeld. Wenn man sich das wirklich anschauen würde, dann wüsste man, dass die Alleinstehenden die größte Gruppe bei den Min­destsicherungsbeziehern sind, und die zweitgrößte Gruppe sind die Alleinerziehenden mit einem Kind. Aber das Ablenkungsmanöver der Regierung, die ihre gesamte Re­gierungsarbeit in wirklich verachtenswerter Weise auf Ausländerressentiments aufbaut, funktioniert unter anderem auch deswegen, weil die größte Oppositionspartei Opposi­tionsarbeit nicht kann und in jede aufgelegte Falle direkt hineinrennt.

Diese durchgängige Antiausländerpolitik, die der einzige Kern der Regierungsarbeit ist, kann man an mehreren Punkten nachvollziehen – schauen Sie sich das an! Lehrlinge, die eine Lehre machen, für die sich kein Österreicher und kein EU-Bürger findet, wer­den abgeschoben. – Das spart nichts ein, aber es schadet den Ausländern. Zeitungs­verkäufer werden von der Pflichtversicherung im ASVG ausgenommen. – Das spart nichts ein, aber das trifft Ausländer. Man verstaatlicht jetzt mit diesem Gesetz das Sys­tem der Deutschprüfungen für integrationswillige ausländische Mitbürger. – Das spart nichts ein, aber es schadet den Ausländern, weil es das Angebot verknappt.

Selbst dort, wo es gar nicht um Ausländer geht, wie beim neuen Wohnungsgemeinnüt­zigkeitsgesetz, verkauft die Regierung den Medien erfolgreich einen Inländervorrang vor Ausländern. Wenn man aber in die Landesgesetze zur Wohnbauförderung schaut, dann weiß man, dort ist immer die Staatsangehörigkeit ein Kriterium, ob jemand für die Wohnbauförderung förderwürdig ist oder nicht. Aber das ist egal. Man bekommt schö­ne Zeitungsartikel, man bekommt schöne Fernsehberichte, wenn man etwas gegen die Ausländer sagt. Diese Regierung würde sogar den Wetterbericht auf Ausländer fra­men, wenn es ihr gelänge. (Beifall bei den NEOS.)

Was wir hier erleben, ist primitive Arbeit auf der Basis von primitiven Instinkten. Die we­sentlichen Baustellen der Mindestsicherung bleiben völlig unbearbeitet. Was der Rech­nungshof seit Jahren fordert, nämlich dass man die zwei sozialen Sicherungssysteme, Notstandshilfe und Mindestsicherung, zu einem System der sozialen Absicherung zu­sammenzieht, das bleibt unerledigt. Es wird weiterhin so sein, dass der Großteil der Bezieher, die Aufstocker sind, zu zwei Behörden gehen müssen, um zu ihrem Recht zu kommen. Wir werden weiterhin einen Datensalat haben, weil neun Landesgesetze se­parat gemacht werden und neun EDV-Systeme separat aufgebaut werden. Wir werden wieder keine vergleichbaren Daten haben. Das, was die alte Mindestsicherung nicht konnte, kann die neue Sozialhilfe auch nicht.

Was wir gebraucht hätten, wäre eine auszahlende Stelle für einen Bezug, nämlich das liberale Bürgergeld, Notstandshilfe und Mindestsicherung zusammengezogen. Das müsste bundeseinheitlich sein und so gemacht sein, dass nicht der mehr bekommt, der sich im Behördendschungel besser auskennt, sondern dass alle von einer Stelle die­sen Bezug bekommen.

Anstatt ein Jahr lang um ein Sozialhilfegesetz so einen Wirbel zu machen, wo es um in Summe 950 Millionen Euro geht, hätte man sich auch der großen Baustelle Pensionen zuwenden können, denn dort geht es um 20 000 Millionen Euro, da geht es um 20 Mil­liarden Euro. Das ist Ihnen wurscht, das ist Ihnen piepschnurzegal, Sie rühren keinen Finger bei den Pensionen, aber zu dem Thema kann man auch keine Antiausländer­politik machen. (Beifall bei den NEOS.)

Ja, es geht Ihnen einzig und allein darum, Stimmung gegen Ausländer zu machen, es geht Ihnen einzig und allein darum, auf der Welle der Ressentiments Wahlerfolge ein­zufahren. – Das ist schmutzige Politik, das ist schäbige Politik und das ist Ihr persönli­ches Armutszeugnis. (Beifall bei den NEOS.)

10.57

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Klubob­mann Wöginger. – Bitte.