11.38

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Es ist ja nur natürlich, dass es bei einem solchen Thema verschie­dene Sichtweisen gibt, aber wenn man sich die Redebeiträge bisher angehört hat, dann hat man manchmal den Eindruck gewonnen, es werde nicht über denselben Ge­setzentwurf gesprochen, so weit gehen diese auseinander.

Mir geht es eher um etwas Grundsätzliches, denn das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz be­trifft ja einen Bereich, der ein Thema ist, seit es organisierte Gesellschaften gibt, seit der Antike, nämlich die Frage: Wie gehen wir mit den Armen um? Wie erreichen wir, dass jenen geholfen wird, die das wirklich brauchen, und jene, die arbeiten können, auch tatsächlich arbeiten, also ihren Beitrag leisten?

In der Antike hat man die Armen ausgegrenzt, und das Christentum ist auch als Reaktion darauf als Religion für die Armen entstanden. Wir waren ja heute in der Früh in der Kirche, und Sie kennen alle das Wort aus den Seligpreisungen: Selig die Armen, denn ihrer ist das Himmelreich. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir kennen aus dem Evangelium auch den Satz: Wer vollkommen sein will, verkaufe alles, was er hat, und gebe den Erlös den Armen. Es gibt aber auch eine Gegenstim­me, und zwar im zweiten Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher. Da sagt Paulus: „Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen.“ Das zeigt dieses Span­nungsverhältnis. Du, der du hast, gib den Armen, unterstütze sie, aber leiste deinen Beitrag, arbeite, wenn du arbeiten kannst.

Diese Haltung gegenüber den Armen, dass sie arbeiten sollen, hat ja ganz extreme Ausprägungen in der Geschichte gehabt, wie die Arbeitshäuser, die es in England und Deutschland gegeben hat. Oliver Twist ist in einem Arbeitshaus geboren, die Verhält­nisse dort waren schrecklich. In deutschen Arbeitshäusern war es im 19. Jahrhundert sogar üblich, dass die Menschen dort einen Haufen Steine von einem Platz zum an­deren und dann wieder zurück schichten mussten, nur damit sie arbeiten. Es war völlig sinnlos.

Davon sind wir heute Gott sei Dank weg. Von Arbeitshäusern spricht niemand, aber dennoch ist es ein Thema, wie wir erreichen, dass die, die arbeiten können, auch tat­sächlich arbeiten. Daher kann man der Regierung nicht vorwerfen, dass sie hier ver­sucht, Anreize zu setzen. Es gelingt ihr nur leider nicht so, dass man wirklich sagen kann, dass das erfolgreich sein und auch den Menschen gerecht wird. Was aber an Ih­rem Entwurf stört, ist die Schlagseite, die er hat, und die Schlagseite ist eine Antiaus­länderschlagseite. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

Das sieht man bei den 300 Euro Sachbezug für Sprachkurse, das sieht man bei der Kürzung des Mehrkindzuschlags. Es ist das Gegenteil von dem, was früher üblich war: je mehr Kinder, desto mehr Geld. Jetzt heißt es: Je mehr Kinder, desto weniger Geld. Das ist ganz klar gegen ausländische Familien gerichtet. Das verstehe ich nicht, weil auch diese Kinder unsere Zukunft sind, genauso wie die Kinder, die von autochthonen Österreichern geboren und aufgezogen werden. Wir müssen alles tun, um Kindern aus sozial schwachen Familien gute Chancen zu geben. Das ist nicht nur sozial, das ist auch klug, das ist gerecht, das bringt auch in unserer Gesellschaft die Menschen zu­einander.

Ganz negativ ist daher, was mit dieser Antiausländerschlagseite gemacht wird, wie lei­der auch mit anderen Maßnahmen, die diese Regierung bisher gemacht hat, dass sie nämlich die Stimmung im Lande vergiften. Manche Menschen können gar nicht glau­ben, dass so etwas möglich ist. Vor zwei Tagen hat mir eine junge Frau gesagt: Ja kann das sein, dass das so gegen Ausländer gerichtet ist, dass man ihnen diese 300 Euro nicht zahlt?! Das bringt die Gesellschaft auseinander, und das ist etwas, was durch Vorteile, die das Gesetz vielleicht haben kann, nicht aufgewogen wird. – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

11.44

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.