16.12

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Werte Kollegen und Kolleginnen! Meine Damen und Herren! (Ruf bei der FPÖ: Oje, oje! – Zwischenruf des Abg. Rädler.) Die Frage, die meiner Meinung nach mit dem Herrn Vizekanzler und – insofern als er betroffen ist – mit dem Herrn Bundeskanzler zu diskutieren ist, ist: Können der Herr Vizekanzler, der Verkehrsminister, der Innenminister, können zumindest diese drei hervorragenden Exponenten der Freiheitlichen Partei weiterhin noch Mitglieder der Bundesregierung bleiben?

Jetzt sind wir in einer schwierigen Situation. Ich mache dem Bundeskanzler überhaupt keinen Vorwurf, dass er auf einer lange geplanten Chinareise ist. Er trifft dort übrigens einen chinesischen Staatspräsidenten, der nicht nur jährlich den Geburtstag von Lenin, sondern auch den von Marx, Engels und Stalin feiert. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Das soll ihn nicht daran hindern, mit ihm erfolgreiche Wirtschaftsverhandlungen zu führen. Uns bewegt aber etwas anderes.

Es ist ein bisschen eine schwierige Situation. Ich beneide Sie darum überhaupt nicht, Herr Vizekanzler, jetzt so tun zu müssen, als wären Sie der Bundeskanzler, der erklärt, was er mit dem Vizekanzler tut. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Das ist wirklich nicht ganz einfach, aber ich anerkenne Ihr Bemühen, so zu tun, als wären Sie jetzt der Bundeskanzler, der dann nachher mit dem Vizekanzler redet. – Gut!

Also, Herr Bundeskanzler-Vertreter, bitte sagen Sie nachher dem Herrn Vizekanzler Folgendes: Erstens, er soll ernst nehmen, keine Inserate mehr in rechtsextremen Zei­tungen zu schalten. Das hat ja – wie Sie, Herr Bundeskanzler-Vertreter, hier wörtlich gesagt haben – der Herr Bundeskanzler im Bundesrat auch so gesagt. Das betrifft zum Beispiel die Zeitung „Info-direkt“. „Info-direkt“ (eine Ausgabe besagter Publikation in die Höhe haltend) ist eine eindeutig rechtsextreme Zeitung (Ruf bei der FPÖ: Wer sagt das?), die durch ein Inserat der Freiheitlichen Arbeitnehmer zur AK-Wahl 2019 – das ist nur die letzte Ausgabe – und durch ein einseitiges Inserat der Stadt Linz, des frei­heitlichen Vizebürgermeisters, unterstützt wird. Der Hauptartikel ist ein dreiseitiges In­terview unter dem Titel „Sie haben es nicht geschafft uns zu ruinieren!“. Da ist Identi­tären-Chef Martin Sellner im Gespräch mit „Info-direkt“. Für so etwas gibt es freiheitli­che Inserate? Für so etwas gibt es von einem freiheitlichen Vizebürgermeister Inserate der Stadt Linz? – Das geht nicht!

Ich sage Ihnen, Herr Bundeskanzler, bitte reden Sie mit dem Herrn Vizekanzler und FPÖ-Chef, er soll das in seiner Partei endlich abstellen. Das ist unerträglich! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.) Wenn der Herr Bundeskanzler – bitte sagen Sie ihm das! – nicht in der Lage ist, das dem Herrn Vizekanzler klarzumachen, dann muss er ihn entlassen, denn dann hält er sich nicht an das, was die Bundesregierung ständig erklärt.

Was ist jetzt mit diesem „Info-direkt“? – „Info-direkt“ wird nicht nur von Freiheitlichen in Linz, von Freiheitlichen in der Gewerkschaft finanziert (eine Tafel mit dem Foto von Ha­rald Vilimsky, dem Logo von ENF und der Aufschrift: „EU-Asylpolitik“, „Sichere Außen­grenzen muss heißen: Es kommt keiner durch, der kein Recht darauf hat.“ in die Höhe haltend), sondern auch vom Abgeordneten Vilimsky. Die Verwaltung des EU-Parla­ments hat übrigens festgestellt, dass einzig und allein diese Abrechnung der Mittel die­ser Fraktion nicht zur Kenntnis genommen wird, und zwar nicht nur weil es bei den In­seratenabrechnungen Probleme gibt, sondern weil das EU-Parlament auch nicht zur Kenntnis nimmt, dass diese Fraktion mit EU-Steuergeldern in einer kurzen Periode 250 Flaschen Champagner verbraucht hat, und zwar um 400 000 Euro aus Mitteln des EU-Parlaments. Das hat aber zumindest nichts mit Rechtsextremismus zu tun. (Abg. Gudenus: Ein Brüller!)

„Info-direkt“ feiert auch politische Erfolge, und das ist einer der von „Info-direkt“ gefei­erten politischen Erfolge (ein Titelblatt der genannten Publikation mit einem Bild von Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Strache vor dem Logo der Vereinten Nationen in die Höhe haltend): „Die Zeitenwende beginnt: Keine Unterschrift für den Migrations­pakt“, „HC Strache hat Größe gezeigt und auf das Volk gehört. Weiter so!“ (Abg. Ro­senkranz: Bravo!) – Das lässt ihm diese Sellner-Postille ausrichten.

Damit kommen wir zu Martin Sellner. Martin Sellner betreibt unter dem Namen Phalanx einen Onlinehandel. In diesem Onlinehandel verkauft er auch T-Shirts. (Der Redner hält eine Tafel mit dem Bild eines T-Shirts in die Höhe.) Eines dieser Damen-T-Shirts heißt Patriotic Revolution. Wenn Sie sich die Großaufnahme dieses Damen-T-Shirts anschauen (eine Tafel mit dem Motiv des T-Shirts in die Höhe haltend), sehen Sie, dass da steht: „Join the patriotic revolution“. Sie sehen auch Bilder von Strache, von AfD-Höcke, von Orbán und von Le Pen. In diesem Inserat wird erklärt, worum es geht.

Unten im Inserat steht als Kaufanreiz (eine Tafel mit dem Text des Inserats in die Höhe haltend): „Aufgrund der großen Nachfrage der Aufkleber haben wir euch dieses Motiv nun auch auf ein Shirt gedruckt. [...]“ Hier sind „die Köpfe einer anderen Wende vereint. Strache, Höcke, Orban und Le Pen stehen für ein anderes Europa.

Zwar trennt uns von ihnen eine Scheidewand. Sie als Parteipolitiker werden immer an­ders denken, fühlen und tun (müssen) als wir. Aber wir sind Teil einer gemeinsamen Bewegung die durch Europa geht und auf der Straße, wie in den Parlamenten andere Verhältnisse schafft.

Dieses Motiv ist eine Würdigung ihrer Leistungen und ein Bekenntnis zu dem gemein­samen Weg, auf dem wir getrennt marschieren aber am Ende vereint gewinnen wer­den: es ist der Neustart Europas. ,Reloading Europe‘.“

Das steht hier, und das ist ein Bekenntnis, nicht nur mit dem Strache-Bild am T-Shirt, sondern mit dem klaren Bekenntnis: Wir marschieren getrennt, aber wir gewinnen ge­meinsam! Der braune Block in Europa marschiert getrennt, aber will gemeinsam ge­winnen. (Abg. Gudenus: Hui!) Das wird ganz offen angekündigt, das ist das Ge­schäftsmodell – und darum geht es.

Ich habe das heute auf Twitter gestellt, und das Damen-T-Shirt ist plötzlich im Verkauf nicht mehr erhältlich. (Ruf bei der SPÖ: Da haben sie wieder mal reagiert!)

Das ist offensichtlich nicht mehr das beste Geschäft. Das beste Geschäft macht Martin Sellner aber nicht mit Damen-T-Shirts, sondern mit Strache, der Freiheitlichen Partei und der Bundesregierung – und das ist das Problem. Das politische Problem ist, dass von der Ablehnung des UN-Migrationspakts bis zum Schüren von Hass als Politikmo­dell letzten Endes identitäre Politik gemacht wird.

Das Problem der Freiheitlichen ist ja, dass sie Gruppen wie die Identitären als Denk­fabriken, als Ideenfabriken, als Ideologieproduzenten, als nationalistische Erneuerer brauchen. Das sind die Leute, die euch die Gedanken produzieren. Der große Aus­tausch: identitär. Wir haben nachgeschaut: Auf Straches Facebook-Seite findet es sich mindestens 20-, eher 30-mal – Austausch, Austausch, Austausch, Austausch! –, und zwar genau seit dem Mai 2012, seit der Gründung der Identitären.

Wenn Sie sich jetzt das Strategiepapier anschauen, das das BVT bei einem der füh­renden Identitären beschlagnahmt hat, dann finden Sie darin die Medienstrategien und die Medienmittel, die die Identitären einsetzen. Zwei der wichtigsten lauten: FPÖ-TV und die Facebook-Seite von H.-C. Strache. Die haben ja im Strategiepapier schon ge­wusst, wie es funktioniert, und plötzlich tauchen genau diese Postings wie bestellt auf Straches Facebook-Seite auf – wie bestellt!

Lauter Einzelfälle, zehn Einzelfälle, 20 Einzelfälle, 100 Einzelfälle: Das Einzige, worauf wir uns bei der FPÖ verlassen können, ist, dass es jetzt schon fast jeden Tag einen Einzelfall gibt, und das ist auch das Problem. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist kein Problem, das die FPÖ lösen kann. Die FPÖ lässt von den Identitären den­ken, und sie macht und praktiziert längst identitäre Politik. Die Weglegung funktioniert nicht. Wo FPÖ draufsteht, sind Identitäre drin.

Das Problem liegt bei der ÖVP, und es ist auch nur bei der Österreichischen Volkspar­tei lösbar. Wir hatten das bereits in der ersten schwarz-blauen Koalition, nur ist die da­mals von der freiheitlichen Seite eher durch Korruption zusammengehalten worden. Der Unterschied ist, dass Ideologie – rechtsextreme Ideologie! – bei dieser Koalition in hohem Maße die Bindung durch Korruption ersetzt hat.

Das ist jetzt eine große Frage an den Bundeskanzler – und ich glaube nicht, Herr Vize­kanzler, dass Sie in der Lage sind, ihm diese Frage seriös weiterzugeben; deswegen werden wir das mit ihm noch einige Male hier besprechen müssen, und zwar persön­lich –: Wie wollen Sie den Schaden, der durch Ihren Koalitionspartner täglich in immer größerem Maße verursacht wird, von Österreich abwenden? – Sie reden ständig von Sicherheit.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Wir haben den größten Unsicherheitsin­nenminister der Zweiten Republik, und es liegt am Bundeskanzler, da klare Verhältnis­se zu schaffen. Die Freiheitlichen sind heute politische Geiseln der Identitären, und ich frage mich, wieweit die Österreichische Volkspartei bereits eine politische Geisel der Freiheitlichen Partei ist.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte kommen Sie zum Schluss! Sie haben über­zogen. – Bitte sehr.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Herr Präsident! Ich bin gerade bei der zwei­ten Hälfte meines Schlusssatzes.

Ich hoffe, dass der Bundeskanzler in der Lage ist, nicht nur bei jedem Einzelfall eine routinerote Linie zu ziehen, sondern endlich zu trennen, was nicht zusammengehört: eine demokratische Österreichische Volkspartei und eine rechtsextreme Freiheitliche Partei – im Interesse dieser Republik, im Interesse der Demokratie, im Interesse unse­res Rechtsstaates! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.24

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte. (Abg. Martin Graf: Hat der Pilz schon geredet? Habe ich den schon verpasst?)