09.54

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich habe bei der Debatte sehr aufmerksam zugehört und versucht, die Argumente dafür herauszu­hören, dass diese Bundesregierung im Bereich des Schutzes der Artenvielfalt und im Bereich der Klimapolitik dermaßen untätig ist. Ich habe auch versucht, herauszuhören, was die Ursache dafür ist, dass eine FPÖ, von der man ja weiß, dass sie an Fake News mehr glaubt als an die Wissenschaft, dass sie an Chemtrails mehr glaubt als an die tatsächliche Evidenz, und die auch der Meinung ist, dass Klimawandel nicht men­schengemacht ist, eine solche Ansicht vertritt. (Abg. Deimek: Es ist wieder einmal ... Gru­ber ist irgendwie inkompetent, kennt sich nicht aus!) – Nicht aufregen, nachher raus­kommen und reden!

Die Frage ist aber eine andere: Warum macht die ÖVP mit? Warum ist sie mit ihrem Regierungspartner verwechselbar? Warum gibt es keinen Unterschied? Ich glaube, es gibt dafür zwei ganz wesentliche Gründe. Der erste Punkt ist: Sie haben das Thema einfach nicht verstanden. Wir reden davon – der Weltbiodiversitätsrat, der letzte Woche seinen Bericht vorgestellt hat, hat das herausgearbeitet, durch Zigtausende Wissen­schaftlerinnen und Wissenschaftler unter Teilnahme von 132 Ländern –, dass von acht Millionen Arten eine Million Arten binnen der nächsten wenigen Jahrzehnte verschwin­den wird – fast unaufhaltbar. Das geschieht nicht irgendwo am Äquator, das liegt nicht in weiter Ferne, sondern das betrifft vom Burgenland bis nach Vorarlberg auch unsere Natur. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Im Bereich Klimapolitik: Der Klimawandel und dessen Auswirkungen ist nichts, was die weite Ferne betrifft – und selbst dann hätten wir eine moralische Verantwortung –, son­dern es betrifft uns vor unserer Haustür. Es betrifft die Landwirtschaft – all die extre­men Wetterereignisse und die Dürre –, und es betrifft die Wasserversorgung in Europa; wir nutzen unser Grundwasser in einem sehr geringen Ausmaß, aber es wird uns nichts helfen, wenn Österreich noch Wasser hat, aber die Länder rundherum nicht mehr.

Das Nichthandeln von ÖVP und FPÖ trägt dazu bei, dass wir Staaten und Gesellschaf­ten destabilisieren, die ohnehin nicht sehr stabil sind. Wir sorgen durch unsere Untä­tigkeit, durch unser Nichtstun dafür, dass es vor allem in Küstenregionen und in Re­gionen im globalen Süden zu großen Migrationsbewegungen kommt, denn wenn dort nichts mehr ist, wenn es dort keine Lebensgrundlage mehr gibt, dann muss der Mensch woanders hin; das ist völlig verständlich. (Beifall bei den NEOS.)

All das verstehen ÖVP und FPÖ nicht. Der FPÖ mache ich nicht einmal einen großen Vorwurf, weil sie konsequent war – Sie waren gegen den Klimavertrag, Sie sind der Meinung, dass die Wissenschaft keine Wissenschaft ist, Sie glauben, der Klimawandel ist nicht vom Menschen gemacht (Abg. Deimek: Also wieder: Gruber ist dumm, kennt sich nicht aus, Bernhard weiß das alles!); das kann man wollen, das ist Ihre Sache –, aber die ÖVP, die seit Dekaden in der Regierung ist und immer den Umweltminister oder die Umweltministerin gestellt hat, tut nichts! (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Da frage ich mich schon: Dieses Nichtstun allein wäre ja schon fatal, das wäre fahr­lässig, aber es ist sogar das Gegenteil der Fall! Schauen wir uns an, was gemacht wird: Ein Finanzminister, der offensichtlich nur Finanzminister ist und nicht über seinen Tellerrand hinausschaut, versagt bei der Ökologisierung des Steuersystems! (Beifall bei den NEOS.) Wir NEOS haben ein CO2-Steuermodell vorgelegt, das aufkommens­neutral ist, das die Wirtschaft wie auch die Menschen in unserem Land im gleichen Maße entlasten würde, aber das ist natürlich kein Thema für die ÖVP – und auch kei­nes für die FPÖ. Dass 3 500 Ökonominnen und Ökonomen und 27 Nobelpreisträger ei­ne solche CO2-Steuer fordern, das macht Ihnen natürlich nichts aus, weil Sie keinen Mut haben. (Beifall bei den NEOS. Zwischenrufe der Abgeordneten Wöginger und Winzig.)

Sie haben keine Ahnung, und Sie haben keinen Mut! Der Verkehrsminister verlangt 140 km/h auf Teststrecken, weil er nicht verstehen will – oder einfach auch wirklich nicht versteht; das ist übrigens derselbe, der auch einmal eine Anfrage wegen Chem­trails gemacht hat –, dass bei einer Geschwindigkeitssteigerung auch der Ausstoß von Emissionen exponentiell wächst. Das ist ja nachgewiesen, das ist keine Frage des Glaubens, sondern das ist Wissen, aber das wird ignoriert und man macht diese Test­strecken. (Beifall bei den NEOS.)

Und eine Umweltministerin, die bald zwei Jahre im Amt ist, schwurbelt – Verzeihung, bei allem Respekt – herum. Ich habe Ihnen zugehört. Sie machen das, was die ÖVP und die FPÖ jeden Tag aufs Neue machen: Sie machen Angst und Sie reden von nichts. Wenn wir vom Artensterben in unserem Land reden, wenn wir von Maßnahmen für die Klimapolitik und gegen den Klimawandel reden, dann reden Sie von der Atom­kraft! Es ist unwahr, es ist einfach unwahr, dass wir in Österreich nichts machen kön­nen, wenn es um den Schutz unserer Arten geht. (Abg. Wöginger: Schlecht geschla­fen, ha?)

Sie lügen im Umweltausschuss – das sage ich in diesem Ausmaß, weil es nachweisbar ist. (Abg. Neubauer: Jetzt reicht es aber! Oh-Rufe bei ÖVP und FPÖ.) Es ist nach­weisbar. Es ist im Protokoll nachzulesen. Wir haben gefragt, warum Österreich nicht bei den ambitionierten neun Mitgliedstaaten dabei war, die sich für mehr Politik hin­sichtlich des Klimawandels ausgesprochen haben, und die Ministerin hat im Umwelt­ausschuss gesagt: weil das eine Unterstützung der Atomlobby ist. Fünf der neun Staaten haben gar keine Atomkraft in ihrem Land – fünf von neun haben keine! (Beifall bei den NEOS. Abg. Wöginger: Was ist mit den anderen?)

Alles, was Sie machen, ist nur ein Verdecken der Untätigkeit, weil Sie Ihre eigenen Zie­le nicht erreichen. Wir wissen heute schon, dass wir die Ziele, die wir uns für 2020 vor­genommen haben - -

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusswort, und nehmen Sie bitte das Wort „lü­gen“ zurück! (Abg. Noll: Nein, das darf er!)

Abgeordneter Michael Bernhard (fortsetzend): Es ist bewiesen, es ist nachweisbar, es ist im Protokoll nachzulesen, dass die Ministerin die Unwahrheit gesagt hat. Ich nehme das Wort „lügen“ zurück und behaupte, sie hat die Unwahrheit gesagt. (Nein-Rufe und weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Mein Schlusswort: Hören Sie auf zu schwurbeln! Verkaufen Sie uns Ihre umweltpoliti­schen Flaggschiffe nicht, denn das, was Sie als Flaggschiff sehen, ist im besten Fall ein Tretboot! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS. Abg. Wöginger: Schlecht ge­schlafen, glaube ich! Was wollt ihr? Eine Dieselsteuer oder was?)

10.00

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rossmann. – Bitte.