10.35

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsi­dent! Einen schönen guten Morgen, liebe Anwesende im Saal und vor den Bildschir­men! Geschätzte Frau Bundesministerin! Die Klimakrise, die Überlebensfrage der Mensch­heit: In Österreich beginnt sie im Bundeskanzleramt. Wir haben an der Spitze Öster­reichs keinen Unternehmer, sondern einen Unterlasser in Sachen Klimaschutz.

Es ist mir wirklich ein großes Rätsel, warum sich unser Bundeskanzler derart stur und vehement dagegen verwahrt, das Potenzial zu sehen, das durch die Bewältigung der Klimakrise entsteht, und die Transformation hin zu einer grünen Zukunft als riesige Chance zu nutzen. Die Fakten sprechen dafür und es kommt auch gerade sehr viel in Bewegung – die Jugend, die Wirtschaft und die Kirche.

Die Wirtschaft ist definitiv bereit für Klimaschutz. Hunderte Unternehmen und Konzerne unterschrieben 2018 offene Briefe an die Regierungen der Welt – auch an Österreichs Regierung –, mit der klaren Aufforderung zu mehr Mut im Klimaschutz. Darunter sind die Erste Bank, Canon, Magenta, Ikea, Expert, Philips, Rewe, Spar, Vaillant, Metro, Accenture, Allianz, Bloomberg, Carlsberg, Danfoss, die Deutsche Post, Heineken, Schneider Electric, Unilever und viele, viele mehr. Bosch, das globale Industrieunter­nehmen mit 400 Standorten weltweit, wird schon nächstes Jahr freiwillig komplett CO2-neutral.

Fridays for Future lässt unsere Jugend als Sprachrohr der Wissenschaft zu Zigtausen­den auf die Straße gehen; sie führen zum Teil auch hier im Parlament ihre Aktionen durch.

Selbst die Kirche spricht sich für Klimaschutz aus. Die Klimaenzyklika unseres Papstes Franziskus, „Laudato sì“, ist ein 200 Seiten starkes Manifest für ambitionierten Klima­schutz in Verbindung mit der sozialen Frage.

Hans Joachim Schellnhuber, Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, spricht von einem Kraftdreieck aus Jugend, Kirchen und Wissenschaft.

Abgesehen von diesen positiven Kräften wird ja der Druck auf die Regierungen auch immer stärker. Aber warum kommt denn unser Bundeskanzler dann noch immer nicht in die Gänge? Ist das wegen der Abhängigkeiten von Spendern und Lobbyisten einiger weniger Konzerne, die sich mit einer letzten Anstrengung noch einmal aufbäumen wie die Dinosaurier kurz vor dem Aussterben, um ein überholtes Macht-, Wirtschafts- und Energiesystem zu verteidigen? Sind die Abhängigkeiten tatsächlich noch so groß? Ist unser Bundeskanzler da wirklich so handlungsunfähig? Ich frage mich schon, warum Sebastian Kurz nicht auf die OMV einwirkt, denn immerhin ist dieser Energiekonzern zur Hälfte im Besitz des Staates Österreich. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

Der dänische Energiekonzern EarthStat hat das übrigens vorgelebt, das fossile Ge­schäftsfeld komplett abgestoßen und ist heute einer der größten Investoren in erneu­erbare Energieprojekte weltweit. Ja, es gehören natürlich schon Mut und die Fähigkeit dazu, in großen Zusammenhängen zu denken, denn Klimawandel ist tiefgreifender Systemwandel. Es geht nicht um CO2, es geht um die größte soziokulturelle und öko­nomische Transformation der Menschheit seit der ersten industriellen Revolution.

Geschätzte Frau Ministerin, wie auch immer, ich sehe Sie als Verbündete in diesem spannenden und wichtigen Transformationsprozess hin zu einer Postwachstumsöko­nomie, einer nachhaltigen Wirtschaft. Sie selbst haben letzten Sonntag in der „ZIB“ von der ökosozialen Marktwirtschaft gesprochen. Zu meiner Vorrednerin Carmen Jeitler-Cincelli: Ja, es war Josef Riegler, der Ex-ÖVP-Vizekanzler, der den Begriff der ökoso­zialen Marktwirtschaft geprägt hat. Ich habe ihn allerdings einmal persönlich gefragt, ob Österreich in seinen Augen schon eine ökosoziale Marktwirtschaft ist, und er hat es mit der Begründung, dass es dazu noch eine tiefgreifende ökosoziale Steuerreform braucht, verneint.

Was mir an Ihrem Interview gefallen hat, Frau Ministerin: Sie haben zum ersten Mal – zumindest in meiner Wahrnehmung – ganz klar von der Verantwortung gesprochen, die die Regierung in puncto Klimaschutz wahrnimmt. Haben Sie eigentlich manchmal das Gefühl, bei diesem Bundeskanzler und bei diesem Verkehrsminister – Ihrem Kolle­gen, der Tempo 140 auf Autobahnen einführt – gegen Windmühlen zu kämpfen?

Seien Sie sich aber sicher, liebe Frau Ministerin: Hinter Ihnen steht eine breite, starke Allianz. Bei jedem Millimeter, den Sie sich weiter aus dem Fenster lehnen, als der Kli­makurs der Regierung es Ihnen eigentlich erlaubt, werden Sie von der gesamten pro­gressiven Klimawissenschaft, von den VertreterInnen der Wirtschaftswissenschaften, von einem großen Teil der Wirtschaft, von Zigtausenden SchülerInnen und Studieren­den der Fridays-for-Future-Bewegung, von den Umwelt-NGOs, der gesamten Erneuer­bare-Energie-Branche, der Bioökonomie, des Bioniksektors und überhaupt von der schnell wachsenden Nachhaltigkeitsbranche, von Arnold Schwarzenegger bis zu unse­rem Bundespräsidenten, unterstützt.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (fortsetzend): Gemeinsam könnten Sie mit ihnen die #mission 2030 zu einer weltweiten Mission machen. Packen wir es doch an, Politikerinnen und Politiker der Zukunft! – Vielen Dank.

10.41

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesmi­nister. – Bitte.