11.11

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Fernsehern! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie die Zukunft Europas und der Europäischen Union ausschauen wird, ist offen, und zwar nicht nur offen, weil die Zukunft an sich offen ist und wir aufgerufen sind, sie zu gestalten, sondern weil die Gefahr so groß wie noch nie ist, dass auch diese europäische Einigung wieder kaputtgemacht wird.

Die Rechten und Rechtsextremen in Europa haben sich zu dieser Mailänder Bande zu­sammengeschlossen, bei der Frau Le Pen, die AfD aus Deutschland, Herr Salvini und auch die FPÖ aus Österreich dabei sein wollen, in der Leute sitzen, die politische Pro­gramme haben (Abg. Stefan: ... Bazillus ...!), die besagen, dass das Europaparlament kaputt gemacht werden soll, dass der Euro ein Fehler ist und dass man die Europäi­sche Union zerstören soll. Das halte ich für einen schweren Fehler. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Steger.)

Aber, sehr geehrte Damen und Herren, ich halte es für mindestens genauso gefährlich, wenn der österreichische Bundeskanzler sich hinstellt und sagt, es wäre höchste Zeit, dass wir uns endlich aus dieser unerträglichen Bevormundung durch die Europäische Union befreien. – Was ist denn das für eine Sicht auf Europa? Was ist denn das für eine Sicht des Bundeskanzlers auf die eigene Arbeit, eines Bundeskanzlers, der nach Brüssel fährt und diese tausend Verordnungen dort selbst beschließt, um dann zu­rückzukommen und zu sagen: Ich habe mich dort jetzt selbst bevormundet und selbst gefesselt, bitte helft mir wieder heraus!? (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.) Das ist nicht nur skurril, sehr geehrte Damen und Herren! Genauso, wie es lächerlich und skurril ist, ist es politisch gefährlich, weil es nämlich Wasser auf die Mühlen jener europäischen Rechten und Rechtsextremen ist, die Europa nur zerstören wollen.

Worum geht es denn wirklich bei der Europäischen Union? Was brauchen wir Men­schen in Europa denn wirklich von dieser Europäischen Union? – Dazu sage ich Ihnen auch ganz klar: Die Sozialdemokraten in Europa werden einer Vertragsänderung gerne zustimmen, aber nur unter zwei Bedingungen, nämlich nur dann, wenn Europa endlich sozialer wird, und nur dann, wenn Europa endlich demokratischer und das Europäi­sche Parlament gestärkt wird! (Beifall bei der SPÖ.)

Was braucht Europa? – Erstens, Europa muss sozialer werden, zweitens, Europa muss demokratischer werden, und drittens, Europa muss nachhaltiger werden. Was wir for­dern, ist ein Sozialvertrag für Europa: Mindestlöhne in jedem einzelnen europäischen Land, weil jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin das Recht hat, dass er bezie­hungsweise sie nicht durch Lohn- und Sozialdumping ausgebeutet, sondern fair für die Arbeit entlohnt wird. Gleicher Lohn für die gleiche Arbeit am selben Ort, das ist unsere Forderung. (Beifall bei der SPÖ.)

Was wir gleichfalls brauchen, wenn sich die Konjunktur eindämmt und wenn die Welt­wirtschaft ein Stück weit langsamer wird, ist ein Investitionspaket: ein Investitionspaket, das Jobs schafft, das Leuten auch wieder Beschäftigung gibt, das in die Infrastruktur investiert, sodass wir dadurch auch den Klimawandel gut bewältigen, indem wir zum Beispiel endlich ein Schnellzugsystem zwischen allen europäischen Hauptstädten aus­bauen, und auch eine europäische Wohnbauoffensive, denn viele Menschen in Europa können sich das Wohnen nicht mehr leisten, und darauf müssen wir durch bessere und billigere Wohnungen für alle Menschen in Europa eine Antwort geben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wohnen ist ein Grundrecht und darf nicht dem Profit der Konzerne geopfert werden.

Apropos: Was wir in Europa auch brauchen, ist ein Privatisierungsstopp, denn wir dür­fen nicht dabei zuschauen, wie in einzelnen Städten das Wasser verkauft wird, wir dür­fen nicht dabei zuschauen, wie in einzelnen Städten die Gemeindewohnungen verkauft werden (Abg. Belakowitsch: ... von Wien!), und wir dürfen auch nicht dabei zuschau­en, wie in einzelnen Städten der öffentliche Nahverkehr und die Eisenbahn verkauft werden. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Was hat das immer mit sich gebracht? – Die Konzerne sind reicher geworden, und die Menschen haben schlechtere Services und Dienstleistungen bekommen. Daher glaube ich, bevor wir das weiterdiskutieren, was hier gerade diskutiert worden ist, ist es not­wendig, noch einmal ganz klar eines zu sagen: Bei der Europawahl geht es auch da­rum, wie wir Europa sozialer machen, wie wir es gerechter machen. Wir haben statt leerer Worthülsen (ein Exemplar des Wahlprogramms in die Höhe haltend) ein 122 Seiten dickes Programm. (Abg. Belakowitsch: Das liest keiner!) – Ja, das liest keiner, weil in Ihrer Partei das Lesen noch nicht angekommen ist (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker), aber bei uns lesen das die Leute schon, denn sie wollen an der Zukunft arbeiten, sehr geehrte Damen und Herren!

Daher hätte ich am Schluss eine Bitte an alle, die uns heute zuschauen: Wenn Ihnen die europäische Demokratie, wenn Ihnen die Demokratie in Europa ein Anliegen ist (Oh-Rufe bei der FPÖ), dann erfüllen Sie sie mit Leben und gehen Sie wählen, denn Europas Demokratie hat es sich verdient, dass wir wählen gehen und dass sie gestärkt wird! (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Das ist nämlich die beste Antwort auf die Verzweiflung, die die Rechtsextremen streuen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

11.17

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist das Mitglied des Europäischen Parlaments Harald Vilimsky zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.