11.29

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Frau Präsidentin! Am Sonntag sprach also der Kanzler, dieser Regulierungswahnsinn muss beendet werden, und er forderte in diesem Zusammenhang die Streichung von tausend Rechtsmaterien. Dabei hat er tief, sehr tief in die Populismuskiste gegriffen. Ein Beispiel hat er angeführt, nämlich die sogenannte Schnitzel-/Pommes-Verordnung. Erstere gibt es gar nicht, wie wir wissen; da ist er einem Aprilscherz auf den Leim gegangen. (Abg. Leichtfried: Das ist der Hausverstand!) Hausverstand oder Sachverstand: Was ist wichtiger? – Ich denke, der Sachverstand.

Und wenn er mit ein bisschen Sachverstand an diese Frage herangegangen wäre, dann hätte er sich auch die Konsequenzen überlegen müssen, die das Streichen von tausend Gesetzesmaterien haben kann. Die Streichung der Pommes-Verordnung kürzt Standards, und das ist ein ganz anderes Beispiel als das, was in Österreich passiert ist, Herr Minister Blümel, auf das Sie verweisen: In Österreich wurde nicht Recht, das Standards normiert, gestrichen, sondern in Österreich wurde totes Recht gestrichen. Das ist ein großer Unterschied. (Beifall der Abg. Meinl-Reisinger.)

Wenn hier tausend Rechtsmaterien gestrichen werden sollen, dann rüttelt dieser Bun­deskanzler und auch Sie, Herr Minister, weil Sie das unterstützen, sehr wahrscheinlich an den Grundfesten des Binnenmarktes, und dazu braucht es nicht Hausverstand, da muss man mit Sachverstand an die Sache herangehen. (Beifall bei JETZT sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Was ist schlimm an diesen Sprechtexten, die der Herr Kanzler verwendet hat: Regulie­rungswahnsinn? – Anstatt sich von diesen rechtsnationalistischen und rechtspopulisti­schen Antieuropäern à la Le Pen, Salvini, Orbán, Vilimsky, Strache und vielen anderen zu distanzieren, übernimmt er deren Sprechtext. Damit ist er sehr weit nach rechts ge­rückt und macht sich selbst zum Antieuropäer – und läuft auch Gefahr, von den extre­men Rechten geschluckt zu werden.

Eine sehr renommierte Zeitschrift, „Foreign Policy“, hat vor zwei Tagen eine wunderba­re Analyse gemacht (einen Ausdruck des angesprochenen Artikels in die Höhe hal­tend):Conservatism’s Wunderkind Is Getting Swallowed by the Far-Right“. Also: Das konservative Wunderkind droht von der extremen Rechten geschluckt zu werden. – Ja, diese Gefahr ist in der Tat gegeben, und es ist höchste Zeit, dass sich der Kanzler und Sie, Herr Minister, von diesem rechtsnationalistischen, rechtspopulistischen Sprechtext distanzieren. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich überspringe jetzt die Frage der Einmischung der Europäischen Union und der Be­vormundung der österreichischen Bevölkerung durch die EU, dazu könnte man auch viel sagen, weil hier ein Spiel getrieben wird, das ja sattsam bekannt ist. In Brüssel wird das alles von den österreichischen Politikern und Abgeordneten mitbeschlossen, und in Österreich wird es, wenn es gerade nicht passt, verteufelt. Das ist mit einer der Gründe, warum die EU-Skepsis in unserem Lande so groß ist.

Aber: Was hat der Herr Kanzler zur Zukunft der Europäischen Union und zur Neuge­staltung der Verträge zu sagen? – Ja, eigentlich wenig. Auch hier greift er zunächst einmal wieder in die populistische Kiste: Verkleinerung der Europäischen Kommis­sion – boah, das ist ja das allerwichtigste Problem, das wir zu lösen haben. Ja, die Zwei-Sitze-Problematik – uralt, nicht neu – muss angegangen werden, keine Frage. Aber wo sind die großen Herausforderungen, die der Kanzler in seinen Äußerungen aufgreift? – Ja, tut mir leid, ich kann sie nicht finden. Sie erschöpfen sich in höheren Strafzahlun­gen, sie erschöpfen sich in mehr Wettbewerbsfähigkeit, aber es gibt wichtigere und größere Herausforderungen, die wir bewältigen müssen.

Wo bleibt die Forderung nach einer Klimaunion mit eigenen Finanzmitteln durch eine CO2-Steuer zur Lösung der Klimakrise? – Das lehnt der Kanzler ab, eh klar. Wo sind die Pläne zur Reduktion der Einkommensverluste der Globalisierungsverlierer, einer der Hauptgründe, die in Großbritannien zum Brexit geführt haben? – Darauf gibt der Kanzler keine Antwort. Die Antwort wären zum Beispiel einheitliche Mindestlöhne in der Europäischen Union. Wo aber bleibt der Ruf nach einer Sozialunion zur Schaffung sozialer Sicherheit in dem Lande, etwa durch die Schaffung einer europäischen Ar­beitslosenversicherung? – Diese nennt der Kanzler eine Utopie. – Das ist doch lächer­lich, mit ein bisschen politischem Willen bringen wir das locker in der Europäischen Union zustande! Wenn wir so in der Europäischen Union an die Währungsunion heran­gegangen wären, hätten wir das nie geschafft. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzei­chen.) Und wo – ich komme sofort zum Schluss – bleibt der Kampf gegen das Steuer­dumping und dergleichen mehr? Wo eine Steuerunion mit Vermögensteuern?

Damit könnte sich der Bundeskanzler als Europapolitiker einen Namen machen. So aber droht er von der extremen Rechten verschluckt zu werden. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Leichtfried.)

11.34

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser. – Bitte.