14.12
Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Wir diskutieren nun den Mittelstandsbericht, der sich sehr zentral auch mit der Frage der digitalen Transformation beschäftigt. Es steht ja außer Frage, dass die digitale Transformation Chancen eröffnet, dass sie aber auch Risken mit sich bringt – Risken und Herausforderungen, insbesondere für den Arbeitsmarkt und die Arbeitsmarktbedingungen. Darauf weist der Bericht dankenswerterweise auch gleich auf Seite 1 hin; dort geht es nämlich um Plattformarbeit, Crowdworking und Minijobs.
Es werden aber auch einige der Problembereiche direkt angesprochen: die monotone Arbeit, die kontinuierliche und zunehmende elektronische Überwachung, die unzureichende rechtliche und sozialrechtliche Absicherung, die mangelhafte Bezahlung, die fehlende Mitbestimmung, der fehlende Arbeits- und Gesundheitsschutz.
Ich habe die Frau Ministerin sowohl im Ausschuss als auch anlässlich einer Fragestunde danach gefragt, was sie denn angesichts dieser Herausforderungen und gegen diese Probleme der betroffenen Gruppe am Arbeitsmarkt zu tun gedenkt, und habe sie aufgefordert, das am Beispiel Uber etwas zu konkretisieren. Ich habe niemals eine Antwort darauf bekommen, Frau Ministerin; ich wiederhole daher heute meine Frage noch einmal.
Wenn man den Bericht durchliest, kann man sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass darin eine implizierte Antwort enthalten ist, nämlich der 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche. Das, so sagen Sie im Bericht ja selbst, modernisiert das Arbeitsrecht.
Meine Antwort, Frau Ministerin, auf diese Herausforderungen, wenigstens auf einen Teil dieser Herausforderungen, ist eine ganz andere. Wenn wir nämlich die digitale Transformation und ihre zum Teil negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und auf die Arbeitsbedingungen vermeiden und den Klein- und Mittelbetrieben die Produktivität erhalten wollen, brauchen wir eine Verkürzung der Normalarbeitszeit. Ich habe, als wir hier in diesem Haus den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche diskutiert haben, immer wieder darauf hingewiesen: Wir brauchen eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Lindner.)
Es lässt sich auch begründen, warum. Ich meine, die Wissenschaft hat das ganz klar auf den Tisch gelegt, darüber brauchen wir nicht lange zu diskutieren. Lange Arbeitszeiten erhöhen das Unfallrisiko, führen zu physischer und psychischer Belastung, zu abnehmender Leistungsfähigkeit, zu Verletzungen und dauerhaften Erkrankungen. Eine Erhöhung der Arbeitszeit kann daher auch ökonomisch völlig kontraproduktiv sein und sich negativ auf die Wertschöpfung auswirken. Es ist daher kein Zufall, dass Länder mit kürzerer Arbeitszeit eine durchschnittlich höhere Produktivität aufweisen.
Daher bringe ich heute und hier einen Antrag auf Verkürzung der Arbeitszeit ein, die wir uns auch leisten können, weil sich die Produktivität seit der letzten Arbeitszeitverkürzung in den 1970er-Jahren verdoppelt hat:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „eine Arbeitszeitverkürzung“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern eine Regierungsvorlage zu erarbeiten, mit welcher Maßnahmen und Anreize für eine
- schrittweise Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich, sowie eine
- Verkürzung der tatsächlichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten
gesetzt werden.“
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Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)
14.17
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Bruno Rossmann, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen,
betreffend eine Arbeitszeitverkürzung
eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 3: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Mittelstandsbericht 2018 der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (III-232/529 d.B.).
Begründung
Der Mittelstandsbericht 2018 verweist auf die neue Arbeitszeitregelung (S. 10 und S. 38). Diese „ermöglicht seit 1.9.2018 den Zwölf-Stunden-Tag bzw. die 60-Stunden-Woche.“ Es handelt sich dabei um die gesetzliche Höchstarbeitszeit, die für österreichische Beschäftigte in 13 aufeinanderfolgenden Wochen kurzfristig zur Normalität werden kann. Grund dafür ist die gesetzliche Bestimmung, dass im Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen (wie darüber hinaus) die durchschnittliche Arbeitszeit 48 Stunden betragen darf.
Dabei liegen die Argumente gegen lange Arbeitszeiten und zu kurze Ruhepausen seit Jahrzehnten auf dem Tisch – wissenschaftlich fundiert und auch dem von der Regierung oft zitierten Hausverstand zugänglich. Das Unfallrisiko steigt. Die physische und psychische Belastung nimmt zu. Die Leistungsfähigkeit nimmt ab, im Falle von Verletzungen und stressbedingten Erkrankungen sogar dauerhaft.
Deshalb ist eine Verlängerung der Arbeitszeit nicht nur sozial höchst bedenklich, sondern auch aus ökonomischer Sicht kontraproduktiv. Jeglicher kurz- oder längerfristige Leistungseinbruch schlägt sich natürlich auch negativ auf die erbrachte Wertschöpfung. Es ist daher kein Zufall, dass Länder mit einer niedrigeren durchschnittlichen Wochenarbeitszeit tendenziell eine höhere Produktivität aufweisen.
Zugleich können sich produktivere Länder auch kürzere Arbeitszeiten leisten. Österreich zählt zu diesen Ländern. Seit der letzten flächendeckenden Arbeitszeitverkürzung auf 40 Wochenstunden im Jahr 1975 hat sich das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf mehr als verdoppelt. Es ist längst überfällig, die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an diesen Produktivitätsgewinnen teilhaben zu lassen – sowohl durch höhere Stundenlöhne, als auch durch eine zeitliche Entlastung. Die kürzlich beschlossene Gesetzesänderung geht daher in die völlig falsche Richtung. Anstatt die Belastung auf bis zu 60 Wochenstunden zu erhöhen, muss das Ziel die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich sein. Passenderweise weist der Mittelstandsbericht 2018 (S. 32-34) explizit auf das Risiko der sogenannten Entgrenzung der Arbeit hin, welches mit der Digitalisierung wächst. Diese betrifft auch die Ausgestaltung von Arbeitszeit und Beschäftigungsverhältnissen.
Ein vernünftiger Vorschlag zur Flexibilisierung der Arbeitszeit beginnt daher mit ihrer Verkürzung – sowohl der Normalarbeitszeit als auch der tatsächlichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten. Die Details der Arbeitszeitverkürzung sollten den Sozialpartnern überlassen sein, wie schon die kürzlich beschlossene Gesetzesänderung nicht an ihnen vorbei und über alle Branchen hinweg hätte beschlossen werden dürfen. Zugleich gilt: wann, wenn nicht jetzt! Trotz guter Konjunktur zählen wir über 340.000 arbeitslose Menschen, während unter den Beschäftigten die Zahl der Überlasteten weiter steigt. Setzen wir jetzt die nötigen Schritte und Anreize, um die bestehende Arbeit gerechter zu verteilen. Geben wir den österreichischen Beschäftigten endlich mehr Zeit, sich ausreichend für die zukünftig zu erledigende Arbeit im Zeitalter der Digitalisierung zu rüsten.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Antrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern eine Regierungsvorlage zu erarbeiten, mit welcher Maßnahmen und Anreize für eine
• schrittweise Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich, sowie eine
• Verkürzung der tatsächlichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten
gesetzt werden.“
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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag steht mit in Verhandlung, da er ordnungsgemäß eingebracht und ausreichend unterstützt ist.
Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Haubner. – Bitte schön.