20.39

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsi­dentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister! Liebe Besucherin­nen und Besucher auf der Galerie! Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich al­len Musliminnen und Muslimen Ramadan Mubarak wünschen. (Abg. Neubauer – in Richtung Galerie zeigend –: Da oben wird gefilmt!)

Seit über zehn Jahren werden vonseiten der FPÖ politische Kampagnen gegen die muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in unserem Land geführt. Eine ganze Ge­neration von MuslimInnen musste in diesem Land mit Ressentiments gegen ihre Kultur und Religion aufwachsen. Sie mussten es ertragen, wie sie Tag für Tag zum Haupt­feindbild der Rechtspopolisten hochstilisiert wurden, und sie mussten Sprüche wie „Da­ham statt Islam“ von Großplakaten lesen.

Heute sehen und hören wir, wie muslimische Frauen mit Kopftuch auf der Straße belei­digt, bespuckt und angegriffen werden – das passiert –, und das ist das Resultat Ihrer poli­tischen Hetzkampagne! (Ruf bei der FPÖ: Aber geh! – Zwischenruf des Abg. Schrangl.)

Das Kopftuchverbot, meine Damen und Herren, ist nicht mehr als eine Scheindebatte um das angebliche Kindeswohl. In Wirklichkeit geht es aber nur darum, in einem nächsten Schritt auch die erwachsene kopftuchtragende Frau aus der Öffentlichkeit zu verbannen. (Abg. Schimanek: ... befreien! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Dieses Tuch (ein zusammengefaltetes Kopftuch in die Höhe haltend) ist Teil des All­tags vieler Muslimas in diesem Land, es ist Teil ihrer kulturellen Identität. Es gehört zu ihrer Identität wie für den Politiker das Sakko, wie für das Schulkind die Schultasche oder für die Mechanikerin der Blaumann. Nun aber ist dieses Tuch Symbol Ihrer anti­muslimischen Politik geworden.

Die Mullahs im Iran schreiben Frauen vor, was sie am Kopf zu tragen haben. Sie aber, geschätzter Minister und auch Abgeordnete von FPÖ und ÖVP, Sie tun genau das gleiche hier in Österreich, nur auf eine andere Art, indem Sie den Frauen nämlich vor­schreiben, was sie am Kopf nicht zu tragen haben. (Abg. Rosenkranz: Den Mädchen, sechs- bis zehnjährigen! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Im ersten Schritt die Mädchen und im zweiten Schritt die Frauen. Entspricht das nicht der genau selben Geisteshaltung? (Abg. Rosenkranz: Bei Ihren Schritten sieht man, wie das en­det!) Ein Hoch auf die mutigen Frauen im Iran! Ein Hoch auf die Selbstbestimmung für jeden Mann, für jede Frau auf dieser Welt!

Ich persönlich bin ganz entschieden gegen Zwänge jeder Art, und das ist übrigens auch die Mehrheit aller Musliminnen und Muslime in diesem Land. Niemand ist dafür, dass Mädchen gezwungen werden, Kopftücher zu tragen, wirklich kaum jemand; und die ganz wenigen Fälle, wo das passiert, wo Mädchen gezwungen werden, erfordern individuelle Gegenstrategien, wo der Staat, sprich SozialarbeiterInnen und PädagogIn­nen, den Eltern unter die Arme greifen muss. Wo sind die diesbezüglichen Ansätze? Wurde jemals der Dialog mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich ge­führt (Ruf bei der ÖVP: Ja!), oder müssen MuslimInnen weiterhin über Ihre Maßnah­men und Bestrafungen aus der Zeitung erfahren?

Geschätzte FPÖ! Ist es wirklich das (das zusammengefaltete Kopftuch erneut in die Höhe haltend), wovor Sie Angst haben? Haben Sie Angst vor diesem Tuch? Oder ist das etwas, das Sie seit über zehn Jahren als Symbol verwenden, um eine große Ge­fahr für unser sogenanntes christlich-säkulares Abendland heraufzubeschwören, um die Gesellschaft von den wirklichen Problemen abzulenken?

Ich sage Ihnen etwas (das Kopftuch auseinanderfaltend), geschätzte Damen und Her­ren. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, schauen Sie mich an! (Die Rednerin bindet das Tuch um ihren Kopf, lässt dabei aber den vorderen Teil ihrer Haare unbedeckt. – Ruf: Passt so! – Abg. Schrangl: Im Iran tragen sie’s übrigens weiter hinten, gell?! – Heiter­keit bei der FPÖ. – Abg. Schrangl: Da war ich nämlich gerade! Keine einzige Frau im Flugzeug hat dort ein ...!) Hat sich irgendetwas verändert? (Rufe: Ja! Natürlich!) Bin ich nicht nach wie vor Martha Bißmann, Diplom-Ingenieurin, Umweltexpertin, Nationalrats­abgeordnete, freie, emanzipierte, feministische, konfessionslose Frau mit der festen Überzeugung, dass jeder Mensch frei und gleich an Würde und Rechten geboren ist?

Ich hatte in den letzten Monaten die große Ehre, viele großartige muslimische Frauen kennenzulernen, die Sie strafen wollen, darunter Ärztinnen, Physikerinnen, Lehrerin­nen, Arbeiterinnen, Angestellte, Mütter, Töchter. Sie sind so erfolgreich, so engagiert! Ein Kopftuch hindert niemanden daran, Karriere zu machen.

Reden wir einmal mit den muslimischen Frauen, anstatt immer über sie zu reden! Wir können auch viel von den muslimischen Frauen lernen. Werte wie Toleranz (Zwischen­rufe bei FPÖ und ÖVP), Hilfsbereitschaft, Solidarität, Gemeinsinn, das sind Werte, ös­terreichische Werte übrigens, die tief in der muslimischen Gemeinschaft Österreichs verankert sind.

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss­satz!

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (fortsetzend): Jetzt aber ganz abgese­hen von den Werten: Dieses Gesetz ist sehr wahrscheinlich verfassungswidrig (die Rednerin nimmt das Kopftuch wieder ab), weil es weder die jüdische Kippa noch den Patka der indischen Sikhs erwähnt.

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Schlusssatz bitte, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (fortsetzend): Ein Hoch auf die Reli­gionsfreiheit in unserem Land! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

20.45

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Schimanek. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Rosenkranz: Umweltexperten braucht das Land!)