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Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Ja, das ist natürlich ein dramaturgisch ganz toller Nachmittag, den der Herr Bundeskanzler da inszeniert hat (Abg. Rosenkranz: Mit Ihrer Burgtheater-Erfahrung kann man das leicht beurteilen! – Abg. Hafenecker: Hat der Herr Bundeskanzler die Anfrage an sich selbst gestellt?), indem er seinen Zentralsekretär zu sich gebeten und gesagt hat: Geh unbedingt vor dem Drozda raus und sag: Silberstein, Silberstein, Silberstein! – Keine Sorge, ich werde auch dazu etwas sagen. (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Bevor ich aber dazu etwas sage, erlaubt mir, dass ich jemanden zitiere, der mir wesentlicher erscheint als Karl Nehammer, es ist Hannah Arendt: „Wenn jeder dich immerzu anlügt, dann ist die Folge nicht, dass du die Lügen glaubst, sondern vielmehr, dass keiner mehr irgendetwas glaubt.“ – Dieser Satz von Hannah Arendt bekommt in diesen Tagen besorgniserregende Aktualität. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Höbart: Selbsterkenntnis, gell?)

Wenn wir diesem Satz folgen – und es spricht alles dafür, dass sie recht hat –, dann geht es jenen, die lügen (Abg. Nehammer: Das ist eine Selbstbeschreibung!), wissentlich und vorsätzlich lügen, nicht darum, zu lügen oder zu betrügen, sondern darum, jeglichen Glauben – und damit komme ich zu Ihnen, meine Damen und Herren, mehr Herren als Damen – an etwas zu zerstören. Das ist die Idee; denn wer am Ende nichts mehr glaubt, dem fehlt die Kraft und Fähigkeit, zu denken, zu urteilen, und letztlich seine Chance, zu handeln. Hannah Arendt sagt: Mit einem solchen Volk kannst du dann tun, was du willst. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Stefan. – Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Das ist die Absicht und die Idee von Fake News, Herr Abgeordneter. (Abg. Rosenkranz: Deshalb gibt es auch sozialistische Bildungspolitik, um Unwissenheit zu erzeugen!) Es geht nicht darum, dass jemand die Lüge glaubt, es geht darum, die Wahrheit zu dis­kreditieren. (Ruf: Wer die Lüge setzt!) Das ist die Idee. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Stefan: Silberstein! SPÖ fragen! – Rufe bei der FPÖ: Silberstein! Silberstein! – Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Rosenkranz.)

Wer heute wissen will, wie man professionell Fake News erzeugt, muss nicht nach Amerika schauen. (Rufe bei der FPÖ: SPÖ! Silberstein! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte, trotz der Emotionalität den Redner ausreden zu lassen. Es kann sich jeder zu Wort melden. (Zwischenruf der Abg. Holzleitner.) – Bitte, keine Zwischenrufe, Frau Abgeordnete! (Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.) – Können wir auch die Zwischenrufe zwischen den Fraktionen einstellen?! Hören Sie zu, und dann können Sie argumentieren.

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (fortsetzend): Ich würde dem Protokollführer raten, einfach den Namen Silberstein hinzuschreiben und eine Stricherlliste zu machen. Das ist wahrscheinlich einfacher beim Führen des Protokolls. – Herr Präsident, schönen Dank, dass ich fortfahren darf.

Russland – die NEOS haben das heute angesprochen –: Es sind die Netzwerke von Sputnik, Russia Today und News Front, die seit Jahren vorzeigen, wie man Meinungen manipuliert, wie man die Wahrheit verzerrt und wie man Gerüchte so lange streut, bis nur mehr Zweifel und Skepsis übrig bleiben. Anstatt sich aber klar auf die Seite der aufgeklärten, freien, liberalen Demokratie zu stellen, finden diese Methoden Nach­ahmer. Sie sitzen in Polen, in Ungarn und bei den rechten Parteien Europas; es sind der Front National, die Lega Nord, die AfD und selbstverständlich auch die FPÖ. (Zwischenruf des Abg. Rosenkranz.)

Die Menschen hier in Österreich haben ein Recht, zu wissen, wessen Interessen Sie vertreten, weshalb die Außenministerin der Republik vor Wladimir Putin auf die Knie geht (Abg. Hafenecker: Auf die Knie!), weshalb zu Weihnachten Delegationen der FPÖ am Roten Platz auftauchen (Abg. Stefan: Am Roten Platz, das war der Gusenbauer! – Zwischenrufe der Abg. Schimanek – Ruf bei der FPÖ: Nordkorea!) und warum unzensuriert.at und „Wochenblick“ ihren russischen Vorbildern genauso ähnlich sehen, wie die Ableger der AfD und anderer.

Auch hier im Parlament sitzen Experten, die ein bisschen mehr zur Aufklärung der Verbindung beitragen könnten und sollten. Heute sitzt Herr Abgeordneter Gudenus ja leider nicht hier. Ich frage einmal in die Reihen der ÖVP oder ich frage den Herrn Bundeskanzler: Haben Sie auch eine russische Mailadresse? Ist es normal, russische Mailadressen zu haben? Wer von Ihnen hat russische Mailadressen, und wozu bedarf es russischer Mailadressen? Ich lasse die Passwörter einmal aus. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Abg. Nehammer: Das ist ein super Hinweis!)

Eine Bemerkung zur Pressefreiheit, weil der Herr Bundeskanzler das heute ange­sprochen hat (Zwischenruf des Abg. Neubauer): Wir wissen um das Problem, dass Österreich im Ranking betreffend Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen um fünf Plätze auf den 16. Platz abgerutscht ist. (Abg. Neubauer: Was ihr da aufführt!) Das basiert auf einer objektiven Untersuchung. (Abg. Neubauer: Wie spät ist es auf deiner Rolex?) – Du, ehrlich gesagt, die Rolex-Dichte im FPÖ-Klub ist höher als irgendwo sonst, das wissen wir alle! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Wenn du dich auf diesem Niveau bewegen möchtest, können wir auch diese Diskussion führen; dann halten wir alle unsere Uhren in die Höhe und schauen einmal, wie es im FPÖ-Klub ausschaut. Das ist ja lächerlich. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hafenecker: Alle Rolex zusammen kosten weniger als deine Uhr! – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Wenn der Generalsekretär und Spitzenkandidat einer Partei im Interview mit Folgen droht, dann sind dies Grenzüberschreitungen in Richtung illiberale Demokratie. (Abg. Rosenkranz: Wie schaut es denn mit deiner Bildergalerie aus?) Ich zitiere Andreas Koller, angesehener Journalist, Vorstand des Kuratoriums für Journalistenausbildung: Wenn „der Bundeskanzler persönlich dem ORF-Sender Ö3 öffentlich eine ‚ultimative Form der Falschinformation‘ unterstellt“, „geht es darum, ein Medienunternehmen sys­tematisch zu diskreditieren, zu delegitimieren – und damit sturmreif zu schießen für eine Reform, die dem ORF die letzten Reste seiner Unabhängigkeit nimmt. Beispiels­weise, indem die GIS-Gebühren gestrichen werden“. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Abg. Stefan: Wenn es noch Reste gibt! – Zwischenruf des Abg. Haubner. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.)

Jetzt faltet der Herr Bundeskanzler die Hände, und ich bin sehr froh, dass er das an dieser Stelle tut, denn es ist nämlich so, dass die Landeshauptleute heute einen Beschluss gefasst haben, der in dieser Frage an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt, der die Gebührenfinanzierung ganz klar außer Streit stellt. (Unruhe im Saal.) Von den Landeshauptleuten mögen einige schwarz sein, manche mit türkiser Färbung, die anderen sind rot, aber klar ist, sie sind die Stimmen der Vernunft. Ich glaube, Sie sollten auf diese Stimmen der Vernunft hören, Herr Bundeskanzler! (Abg. Belakowitsch: Der Doskozil!)

Es gibt eine weitere Stimme, die ich hier noch zitieren möchte (Abg. Höbart: Rudi Fußi!), eine Stimme, die Sie heute nicht besonders gerne hören werden, ich zitiere sie aber vielleicht genau deshalb; es ist die Stimme von Daniel Kehlmann, einem wichtiger Autor, der Ihnen möglicherweise bekannt ist. (Ah-Rufe bei ÖVP und FPÖ.) Er hat anlässlich der Verleihung des Anton-Wildgans-Preises – interessanterweise in der Industriellenvereinigung, das ist natürlich besonders peinlich, dass so etwas in der IV passiert (Abg. Rosenkranz: Wildgans ist schon gut!); daran sieht man, dass die Message Control nicht so funktioniert, wie sie sollte – folgende Worte gefunden.

Ich darf zitieren (Abg. Strasser: Was ist Ihre Meinung?): Darum möchte ich „unseren schweigenden Kanzler“ ganz sachlich fragen, „ob er sich darüber klar ist, dass künftige Geschichtsbücher ihn als den Mann bewahren werden, der es einer rechtsextremen Partei ermöglicht hat, diesem Land in seinem äußeren Bild und seinem inneren Gefüge Schaden zuzufügen, der so bald nicht mehr in Ordnung zu bringen ist. Draußen in der Welt wird Österreich inzwischen zuverlässig neben Trumps Amerika, Orbans Ungarn und Bolsonaros Brasilien genannt.“ (Abg. Höbart: Doskozil! – Abg. Stefan: Im Burgenland! – Abg. Neubauer: Das ist das Beste!)

Er würde den Kanzler gerne fragen, und ich frage jetzt für Kehlmann: „Möchten Sie wirklich der Mann sein, der das bewirkt hat? Möchten Sie tatsächlich von künftigen His­torikern beschrieben werden als jener Regierungschef, der einen das parlamentarische System, den Rechtsstaat und die Pressefreiheit offen verachtenden Innenminister ermöglicht hat“ (Abg. Haubner: Sie haben nichts mehr zu sagen?) „und neben sich einen ehemaligen Neonazi als Vizekanzler geduldet hat?“ – Daniel Kehlmann – „Sie sind jung genug. Sie werden diese Geschichtsbücher noch lesen können. Wollen Sie die Farce nicht beenden?“ – Zitatende, Redeende. Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und JETZT. – Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Drozda, auch in einem Zitat jemanden als Neonazi zu bezeichnen und das darauf zurückzuführen, ist nicht statthaft. Ich würde Sie bitten, das zurückzunehmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Das ist ein Zitat!) – Auch das Zitat! Wenn Sie das Götzzitat verwendet hätten – auch wenn es von Goethe, besonderer Literatur, stammt –, wäre das hier auch nicht gestattet.

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (fortsetzend): Ich denke nicht daran, ein Zitat eines der wichtigsten Autoren dieses Landes am Rednerpult des Parlaments zurück­zunehmen. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Belakowitsch: Aber für ein Bibelzitat bekommt man einen Ordnungsruf!)

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