Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

76. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Donnerstag, 16. Mai 2019

 

XXVI. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

76. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVI. Gesetzgebungsperiode               Donnerstag, 16. Mai 2019

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 16. Mai 2019: 9.05 – 21.03 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bun­des­agentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 2009 geändert wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 171/A(E) der Abgeordneten Erwin Preiner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend mehr Nachhaltigkeit und Verteilungsgerechtigkeit für die kommende GAP-Förderperiode 2020+

4. Punkt: Bericht über den Antrag 409/A(E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend verbindliche Vorgaben für die Mitgliedsstaaten zur Verwendung von Fördermitteln für soziale Dienste sowie Mobilität im ländlichen Raum sowie für einen eigenen Frauenförderschwerpunkt in der nächsten Periode der Ge­meinsamen Agrarpolitik ab 2021

5. Punkt: Bericht über den Antrag 530/A(E) der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend europaweite Erhöhung der Tierschutzstandards durch tierwohlgerechten Einsatz der öffentlichen Fördermittel der Gemeinsamen Agrar­politik

6. Punkt: Bericht über den Antrag 774/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sowie Weiterentwicklung der bestehenden GAP-Instrumente in der neuen Periode

7. Punkt: Bericht über die Petition Nr. 5/PET: „WOLF – AUSNAHMEREGELUNG Antrag gemäß ‚Fauna Flora Habitat – Artikel 16 b und c‘“

8. Punkt: Bericht über die Petition Nr. 7/PET: „WOLF – Petition für ein wolfsfreies Tirol“

9. Punkt: Bericht über die Petition Nr. 11/PET: „Petition für ein wolfsfreies Salzburg“

10. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Verkehrsinfrastruktur des Bundes – Strategien, Planung, Finanzierung – Reihe BUND 2018/33


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 2

11. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Nachkontrollen gemäß Umweltver­träglichkeitsprüfungsgesetz bei Bundesstraßen – Reihe BUND 2019/13

12. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Ticket-Vertriebssystem der ÖBB-Personenverkehr AG – Reihe BUND 2018/66

13. Punkt: Sammelbericht über die Petition Nr. 6 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 43, 55 und 57

14. Punkt: Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 1./8. Bezirk, vom 3. April 2019 um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Gerald Loacker

15. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfas­sungs­gesetz (B-VG) geändert wird (773/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 11

Ordnungsrufe ......................................................................................  150, 161, 162, 162

Zurücknahme eines Ordnungsrufes ............................................................................ 150

Geschäftsbehandlung

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Aus­schussberichtes 622 d.B. gemäß § 44 (2) GOG ................................................................................................................. 38

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeant­wor­tung 3006/AB gemäß § 92 Abs. 1 GOG .................................................................................................................... 39

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 GOG ................................. 178

RednerInnen:

Mag. Jörg Leichtfried ............................................................................................. ... 178

Mag. Ernst Gödl ...................................................................................................... ... 180

Ing. Markus Vogl ..................................................................................................... ... 181

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ... 183

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ................................................... ... 185

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 185

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG                    39

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 123

Wortmeldungen betreffend einen wegen eines Zitats erteilten Ordnungsruf:

Dr. Walter Rosenkranz .............................................................................................. 161

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................. 161

Fragestunde (10.)

Inneres ........................................................................................................................... 11


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 3

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (118/M); Dr. Irmgard Griss, Irene Hochstetter-Lackner

Angela Lueger (126/M); Karl Mahrer, BA, Christian Hafenecker, MA

Petra Steger (121/M); Dr. Alma Zadić, LL.M.

Dr. Stephanie Krisper (124/M); Sabine Schatz

Mag. Wolfgang Gerstl (119/M)

Mag. Jörg Leichtfried (127/M); Mag. Johanna Jachs, Werner Herbert, Mag. Ge­rald Loacker

Mag. Roman Haider (122/M)

Dr. Stephanie Krisper (125/M); Karl Schmidhofer, Mag. Günther Kumpitsch

Dr. Alma Zadić, LL.M. (130/M)

Eva-Maria Himmelbauer, BSc (120/M); Dr. Alma Zadić, LL.M., Rudolf Plessl

Nurten Yılmaz (128/M)

Hans-Jörg Jenewein, MA (123/M)

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 11

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  38, 233

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Putins Freunde in der FPÖ bedrohen unsere liberale demokratische Ordnung in Europa und die ÖVP schaut zu“ (3565/J) .............................................................................................. 124

Begründung: Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ....................................................... 132

Bundeskanzler Sebastian Kurz ................................................................................ 138

Debatte:

Claudia Gamon, MSc (WU) ........................................................................................ 143

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................. 146

Mag. Jörg Leichtfried ............................................................................................. ... 148

Mag. Roman Haider ................................................................................................ ... 151

Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................................................. 153

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................. 155

Karl Nehammer, MSc ........................................................................................  157, 167

Mag. Thomas Drozda ................................................................................................. 159

Dr. Johannes Jarolim (tatsächliche Berichtigung) ..................................................... 161

Christian Hafenecker, MA ...................................................................................... ... 163

Dr. Stephanie Krisper ............................................................................................. ... 165

Mag. Muna Duzdar .................................................................................................. ... 168

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................ ... 169

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 171

Mag. Harald Stefan ................................................................................................. ... 172


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 4

Philip Kucher ........................................................................................................... ... 175

Dr. Walter Rosenkranz (tatsächliche Berichtigung) .................................................. 176

Gabriela Schwarz ................................................................................................... ... 177

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ... 177

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Re­gierungsvorlage (594 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundver­sor­gungsgesetz – Bund 2005 geändert werden (621 d.B.) ............................................................................................ 39

RednerInnen:

Angela Lueger ......................................................................................................... ..... 40

Hans-Jörg Jenewein, MA ....................................................................................... ..... 41

Dr. Stephanie Krisper ............................................................................................. ..... 42

Karl Mahrer, BA ...................................................................................................... ..... 44

Dr. Alfred J. Noll ..................................................................................................... ..... 45

Mag. Günther Kumpitsch ....................................................................................... ..... 51

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ..... 52

Nikolaus Prinz ......................................................................................................... ..... 53

Dr. Irmgard Griss .................................................................................................... ..... 55

Bundesminister Herbert Kickl ............................................................................... ..... 56

Ing. Markus Vogl (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 60

Christian Ries ............................................................................................................... 61

Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................................................... 62

Dr. Susanne Fürst ................................................................................................... ..... 66

Nurten Yılmaz .......................................................................................................... ..... 68

Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 69

Ing. Maurice Androsch ........................................................................................... ..... 70

David Lasar .............................................................................................................. ..... 72

Konrad Antoni ......................................................................................................... ..... 73

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 74

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ..... 75

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umbenennung der Erstaufnahmestellen in Ausreise­zen­tren“ – Ablehnung ..........  48, 77

Annahme des Gesetzentwurfes in 621 d.B. ................................................................... 75

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Re­gierungsvorlage (593 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 2009 geän­dert wird (603 d.B.) ...................... 77

RednerInnen:

Erwin Preiner .......................................................................................................... ..... 77

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ............................................................................. ..... 78

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ..... 80

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (tatsächliche Berichtigung) ...................................... 81

Josef A. Riemer ....................................................................................................... ..... 81

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ..... 83

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ..... 83

Mag. Ernst Gödl ...................................................................................................... ..... 84

Walter Rauch ........................................................................................................... ..... 86

Karl Schmidhofer .................................................................................................... ..... 86


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 5

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (tatsächliche Berichtigung) ................................................ 87

Johannes Schmuckenschlager (tatsächliche Berichtigung) ...................................... 87

Maximilian Linder ......................................................................................................... 87

Johannes Schmuckenschlager .................................................................................. 88

Annahme des Gesetzentwurfes in 603 d.B. ................................................................... 88

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 171/A(E) der Abgeordneten Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Nachhaltigkeit und Verteilungsgerechtigkeit für die kommende GAP-Förderperiode 2020+ (604 d.B.) ........................................................ 89

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 409/A(E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend verbindliche Vorgaben für die Mitgliedsstaaten zur Verwen­dung von Fördermitteln für soziale Dienste sowie Mobilität im ländlichen Raum sowie für einen eigenen Frauenförderschwerpunkt in der nächsten Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2021 (605 d.B.) ......................................................................................................................................... 88

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 530/A(E) der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kol­legen betreffend europaweite Erhöhung der Tierschutzstandards durch tier­wohl­gerechten Einsatz der öffentlichen Fördermittel der Gemeinsamen Agrar­politik (606 d.B.)           ............................................................................................................................... 89

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 774/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sowie Weiterentwicklung der bestehenden GAP-Instrumente in der neuen Periode (607 d.B.) .......................................................................................................... 89

RednerInnen:

Erwin Preiner .......................................................................................................... ..... 89

Dipl.-Ing. Georg Strasser ....................................................................................... ..... 92

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ..... 93

Maximilian Linder .................................................................................................... ..... 95

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ..... 96

Ing. Klaus Lindinger, BSc ...................................................................................... ..... 97

Mag. (FH) Maximilian Unterrainer ......................................................................... ..... 98

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ... 100

Cornelia Ecker ......................................................................................................... ... 102

Andreas Kühberger ................................................................................................ ... 104

Cornelia Ecker (tatsächliche Berichtigung) ................................................................ 105

Petra Wimmer .......................................................................................................... ... 106

Peter Schmiedlechner ............................................................................................ ... 106

Renate Gruber ......................................................................................................... ... 107

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ... 108

Peter Gerstner ......................................................................................................... ... 110

Ing. Maurice Androsch ........................................................................................... ... 111

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt von kleinen und mittleren Familienbetrieben und Nebenerwerbsbetrieben, für mehr Regionalität und Direktvermarktung durch die GAP 2020+“ – Ablehnung ......................................  91, 113


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 6

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. (FH) Maximilian Unterrainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine weitere GAP mit Glyphosat und Chlorpyrifos!“ – Ablehnung ...  99, 113

Entschließungsantrag der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kol­le­gen betreffend „Erreichung einer Bio-Wende durch die GAP“ – Ablehnung ..................................................  102, 113

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „deutliche Reduktion von Tiertransporten durch klugen Mitteleinsatz der GAP“ – Ablehnung       112, 113

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 604, 605 und 606 d.B. ........................... 112

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 607 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Sicherstellung der Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sowie Weiterentwicklung der bestehenden GAP-Instrumente in der neuen Periode“ (E 74) ........................................................... 113

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Petition Nr. 5/PET: „WOLF – AUSNAHMEREGELUNG Antrag gemäß ‚Fauna Flora Habitat – Artikel 16 b und c‘“, überreicht von der Abgeordneten Martina Diesner-Wais (608 d.B.) .......................................................... 114

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Petition Nr. 7/PET: „WOLF – Petition für ein wolfsfreies Tirol“, überreicht vom Abgeordneten Hermann Gahr (609 d.B.)                         114

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Petition Nr. 11/PET: „Petition für ein wolfsfreies Salzburg“, überreicht vom Abge­ordneten Franz Leonhard Eßl (610 d.B.)                       114

RednerInnen:

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ............................................................................ ... 115

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ... 116

Maximilian Linder .................................................................................................... ... 117

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ... 118

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 119

Hermann Gahr ......................................................................................................... ... 120

Alois Kainz .............................................................................................................. ... 121

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 122

Franz Leonhard Eßl ..........................................................................................  187, 194

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 188

Erwin Preiner (tatsächliche Berichtigung) .................................................................. 190

Franz Hörl ................................................................................................................ ... 190

Philip Kucher ........................................................................................................... ... 191

Ing. Mag. Volker Reifenberger ............................................................................... ... 192

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 608, 609 und 610 d.B. ........................... 193

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Verkehrsinfrastruktur des Bundes – Strategien, Planung, Finanzierung – Reihe BUND 2018/33 (III-157/599 d.B.) ................................................................................................................ 194


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 7

11. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Nachkontrollen gemäß Umweltverträglichkeitsprü­fungs­gesetz bei Bundesstraßen – Reihe BUND 2019/13 (III-265/601 d.B.) ................................................................................................................ 194

RednerInnen:

Hermann Gahr ......................................................................................................... ... 195

Mag. Karin Greiner ................................................................................................. ... 196

Dr. Jessi Lintl .......................................................................................................... ... 197

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .......................................................................... ... 198

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 199

Mag. Josef Lettenbichler ........................................................................................ ... 200

Irene Hochstetter-Lackner ..................................................................................... ... 201

Martina Kaufmann, MMSc BA ............................................................................... ... 202

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ...................................................... ... 203

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................... 204

Rudolf Plessl ............................................................................................................... 205

Doris Margreiter ...................................................................................................... ... 206

Kenntnisnahme der beiden Berichte III-157 und III-265 d.B. ....................................... 206

12. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Ticket-Vertriebssystem der ÖBB-Personenverkehr AG – Reihe BUND 2018/66 (III-225/600 d.B.)                        207

RednerInnen:

Johann Singer ......................................................................................................... ... 207

Andreas Kollross .................................................................................................... ... 209

Alois Kainz .............................................................................................................. ... 210

Dr. Irmgard Griss .................................................................................................... ... 210

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ......................................................... 211

Angela Baumgartner .................................................................................................. 212

Kenntnisnahme des Berichtes III-600 d.B. ................................................................... 212

13. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petition Nr. 6 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 43, 55 und 57 (602 d.B.) ................................................ 213

RednerInnen:

Ing. Manfred Hofinger ............................................................................................ ... 214

Wolfgang Knes ........................................................................................................ ... 215

Petra Wagner ........................................................................................................... ... 216

Michael Bernhard .................................................................................................... ... 217

Dipl.-Ing. Alois Rosenberger ................................................................................. ... 218

Melanie Erasim, MSc .............................................................................................. ... 219

Christian Lausch ..................................................................................................... ... 220

Mag. Wolfgang Gerstl ............................................................................................. ... 221

Robert Laimer ......................................................................................................... ... 222

Sandra Wassermann .............................................................................................. ... 223

Johann Höfinger ..................................................................................................... ... 224

Irene Hochstetter-Lackner ..................................................................................... ... 225

Dr. Johannes Jarolim (tatsächliche Berichtigung) ..................................................... 226

Peter Schmiedlechner ............................................................................................... 226

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 602 d.B. hinsichtlich der Petition Nr. 6 sowie der Bürgerinitiativen Nr. 43, 55 und 57 .......................................................................................................... 226

14. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Magis­trats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 1./8. Bezirk, vom 3. April


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 8

2019 um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Gerald Loacker (622 d.B.) ....... 227

Annahme des Ausschussantrages ............................................................................... 226

15. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird (773/A)      ............................................................................................................................. 228

RednerInnen:

Dr. Alfred J. Noll ................................................................................................  228, 231

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller ................................................................ ... 229

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ... 229

Mag. Philipp Schrangl ............................................................................................ ... 230

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 232

Mag. Dr. Rudolf Taschner ...................................................................................... ... 233

Zuweisung des Antrages 773/A an den Verfassungsausschuss ................................. 232

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entzug der Zulassung von Transportunternehmen für Tiertransporte (814/A)(E)

Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbleiben des Außen- und Europapolitischen Berichts seit 2015 (815/A)(E)

Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird und ein Gesetz über die Errichtung eines Jungfamilienfonds (Jungfamilienfondsgesetz) erlassen wird (816/A)

Petra Steger, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Digitaler Sport­stättenplan“ (817/A)(E)

Petra Steger, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Besondere Berück­sichtigung des Mädchen- und Frauensports“ (818/A)(E)

Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bemautung von Wohnmobilen mittels Vignette (819/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend ausreichend Ressourcen für die WKStA zur Bewältigung großer Wirtschaftskorruptionsverfahren (820/A)(E)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreichische Korruptions­statistik (821/A)(E)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreichische Korruptions­statistik (822/A)(E)

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Carmen Schimanek, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Beratung bei sexueller Gewalt (823/A)(E)

Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend AKW Chmelnyzkyj in der Ukraine (824/A)(E)

Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fit 4 AI – Aufklärungsfokus bei der Entwicklung und Umsetzung der österreichischen Strategie für Künstliche Intelligenz „AIM AT 2030“ (825/A)(E)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 9

Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zivilgesellschaftliche Repräs­entanz in österreichischen Beratungsgremien zu Künstlicher Intelligenz (KI) (826/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „zwielichtige Spendenaffäre rund um die Vizepräsidentin der Öster­reichischen Nationalbank Barbara Kolm“ (3537/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend „zwielichtige Spendenaffäre rund um die Vizepräsidentin der Österreichischen Nationalbank Barbara Kolm“ (3538/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend PolitikerInnen an Schulen (3539/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Bearbeitungsrückstände in der Finanzverwaltung (3540/J)

Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Polizei-Luftbildaufnahme Wiener Rathausplatz (3541/J)

Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nach­haltigkeit und Tourismus betreffend Strategie erneuerbarer Energien (3542/J)

Renate Gruber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Sozia­les, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Smart Toys – digitales und vernetztes Spielzeug (3543/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend Reform der Bundesmuseen (3544/J)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Gewaltschutz und Mittel für eine effektive Präventionsarbeit (3545/J)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Gewaltschutz und Mittel für eine effektive Präventionsarbeit (3546/J)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Gewaltschutz und Mittel für eine effek­tive Präventionsarbeit (3547/J)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Gewaltschutz und Mittel für eine effektive Präventionsarbeit (3548/J)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend Gewaltschutz und Mittel für eine effektive Präven­tionsarbeit (3549/J)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Gewaltschutz und Mittel für eine effektive Präventionsarbeit (3550/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend Verurteilung in der Causa Eurofighter (3551/J)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 10

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend Nutzung der Mittel aus dem Auslandskatastro­phenfonds (3552/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend Mittel aus dem Auslandskatastrophenfonds für Entminung (3553/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verrat der Hausdurchsuchung bei Martin Sellner (3554/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend die Umsetzung der Empfehlungen des RH-Berichtes zur Agenda 2030 (3555/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Umsetzung der Empfehlungen des RH-Berichtes zur Agenda 2030 (3556/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nach­haltigkeit und Tourismus betreffend die Umsetzung der Empfehlungen des RH-Berichtes zur Agenda 2030 (3557/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Umsetzung der Empfehlungen des RH-Berichtes zur Agenda 2030 (3558/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend Kinderbetreuungsgeld für alle Krisenpflegeeltern (3559/J)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Krisenübung Helios“ (3560/J)

Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Auswahl der von der ÖBAG in den Aufsichtsrat der OMV AG entsandten Mitglieder (3561/J)

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Folgeanfrage zur Einstellung des Verfahrens in der „Causa Waldhäusl: Die NSA und die Kickback-Frage“ (3562/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Verdacht des Verrats der Hausdurchsuchung an Martin Sellner“ (3563/J)

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend eine Beschwerde über Missstände in der JA Graz-Karlau (3564/J)

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Putins Freunde in der FPÖ bedrohen unsere liberale demokratische Ordnung in Europa und die ÖVP schaut zu (3565/J)

*****

Melanie Erasim, MSc, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend ÖVP-Wahlwerbung auf der Webseite des Österreichischen Parlaments (30/JPR)


 


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 11

09.05.05Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritte Präsidentin Anneliese Kitzmüller.

09.05.06*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Sitzung ist eröffnet. Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, ich darf Sie am zweiten Sitzungstag herzlich begrüßen. Ich begrüße auch die Damen und Herren auf der Galerie und die Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten herzlich.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Klaus Fürlinger, Mag. Maria Smodics-Neumann, Josef Schellhorn (siehe S. 179) und Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, die sich in einem anderen Land aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien Mag. Gernot Blümel, MBA wird durch die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß und

der Bundesminister für Finanzen Hartwig Löger durch den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann vertreten.

*****

Ich darf bekannt geben, dass sich die Übertragungszeiten von ORF 2 von 9 bis 13 Uhr erstrecken, dass ORF III im Anschluss überträgt und dass die Sitzung dann ab 19.15 Uhr im Livestream übertragen wird.

Auch ein Fotograf wird wieder im Haus anwesend sein.

09.06.24Fragestunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen sogleich zur Fragestunde. Ich be­grüße Herrn Bundesminister Kickl.

Die Fragestellungen der Abgeordneten werden wie gehabt von den beiden Pulten aus vorgenommen.

Vorgesehene Redezeiten für die erste Frage und die Zusatzfrage: 1 Minute. Die Ant­wort soll bei der ersten Frage jeweils 2 Minuten und bei der Zusatzfrage 1 Minute dauern. Ich werde wenige Sekunden vor Ablauf der Redezeit darauf aufmerksam machen.

Inneres


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 1. Anfrage, jener der Abge­ordneten Jeitler-Cincelli. – Bitte.

09.07.06



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 12

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bun­desminister! Frau Staatssekretärin Karoline Edtstadler hat am Montag gemeinsam mit Ihnen und dem Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz die Ergebnisse der Taskforce Strafrecht vorgestellt.

Während die Zahl der Gewaltdelikte im vergangenen Jahr erfreulicherweise zurück­ge­gangen ist, nämlich um 4,3 Prozent gesunken ist, ist beispielsweise die Zahl der Anzei­gen wegen Vergewaltigung um 14,6 Prozent gestiegen. Es müssen diesbezüglich drin­gend Schritte gesetzt werden, um nicht nur dafür zu sorgen, dass diese grauenhaften Straftaten gegen die sexuelle Integrität vor allem von Frauen wieder weniger werden, sondern um insgesamt mit voller Härte gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder vorzu­gehen.

Daher lautet meine Frage:

118/M

„Welche wesentlichen Maßnahmen hat die Task-Force Gewaltschutz unter Leitung von Staatssekretärin Karoline Edtstadler ausgearbeitet?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Zunächst einmal wünsche ich auch von meiner Seite einen schönen guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Taskforce Strafrecht ist ein sehr, sehr wichtiges – wie Sie wissen – ressort­über­greifendes Projekt. Das war auch der Grund, warum ich die einzige Staats­sekretärin, die mir im Innenressort zur Verfügung steht, dafür abgestellt habe, um die dies­bezüg­lichen Koordinierungsmaßnahmen durchzuführen.

Wie Sie wissen, betrifft der Zuständigkeitsbereich der Taskforce mehrere Ressorts. Die Zuständigkeit des Innenressorts betrifft insbesondere die Bereiche Opferschutz und Täterarbeit. Für mich sind das zwei Seiten ein und derselben Medaille, die Gewalt­prävention heißt. Das ist der wesentliche Punkt.

Wir wissen, dass wir bereits in der Vergangenheit gute Werkzeuge gehabt haben, insbesondere die Möglichkeit, Betretungsverbote auszusprechen. Ich glaube, der ent­scheidende die Taskforce betreffende Punkt im Bereich des Sicherheitspolizei­geset­zes – und damit in meinem Ressort – ist die Ausweitung des Betretungsverbots zu einem Annäherungsverbot. In Zukunft wird Gefährdern untersagt sein, sich der gefähr­deten Person näher als 50 Meter anzunähern. Das betrifft in den meisten Fällen eben Frauen. Es ist dann im Verlauf von Scheidungsverfahren auch oft so, dass Frauen, logischerweise mit ihren Kindern, zu den gefährdeten Personen zählen. Damit gilt diese Regelung auch für diese Kinder, und diese sind vor weiteren Übergriffen durch die Gefährder beziehungsweise durch die Gewalttäter geschützt. Das ist ein wichtiger Schritt.

Die zweite Komponente ist die Arbeit mit dem Täter. Es ist da wichtig, sehr, sehr rasch in die Eskalationsspirale einzugreifen, um weitere Gewalttaten zu verhindern. Des­wegen schnüren wir in Zukunft diese Täter in sogenannten Gewaltinterventionszentren stärker in ein Korsett und „nötigen sie dazu“ – unter Anführungszeichen –, ein ent­sprechendes Beratungsgespräch durchzuführen. Wenn das erfolgsversprechend ist, dann wird mit diesen Leuten auch im Bereich des Antiaggressionstrainings gearbeitet.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.


Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Welche konkreten Maßnah­men werden im Rahmen der dritten Gewaltschutzsäule umgesetzt?



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 13

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Diese dritte Gewaltschutzsäule, von der Sie sprechen, ist genau diese Arbeit am Täter. Bei vielen Menschen stößt es auf den ersten Blick zunächst einmal auf Unverständnis, dass man da auch Ressourcen einsetzt, dass man sich mit den Tätern auseinandersetzt, das ist aber notwendig, wenn man die Opfer effektiv schützen will.

Diese Einrichtung der Gewaltinterventionszentren ist ein wichtiger Schritt dazu. Wenn es in Zukunft zur Aussprache eines Annäherungsverbots kommt, dann muss sich der betreffende Gefährder binnen drei Tagen bei diesem Zentrum melden, und er muss binnen 14 Tagen eine entsprechende, nennen wir es Schulung, Beratungstätigkeit, die schon 2, 3 Stunden in Anspruch nimmt, absolvieren – und, wie gesagt, je nachdem, wie dort die Einschätzung ist, wird mit dem Täter weiter vorgegangen.

Für Hochrisikofälle gibt es dann sogenannte Fallkonferenzen, in die alle Beteiligten, die einen Beitrag dazu leisten können, das Gewaltpotenzial dieser Gefährder zu mini­mieren, involviert sind. Dafür braucht es aber die eine oder andere rechtliche Verän­derung, weil nicht alle, die bei diesen Fallkonferenzen dabei sind, von sich aus quasi der Amtsverschwiegenheit unterliegen. Deshalb muss man dafür Sorge tragen, dass diese Informationen, die sie dort bekommen, dort bleiben, wo sie hingehören.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Griss, bitte.


Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Herr Bundesminister! Täterarbeit und Opfer­schutz sind zwei Schwerpunkte dieses Maßnahmenpakets – das kostet Geld, zum Teil sind da ja auch private Vereine eingesetzt.

Kriegen Sie das notwendige Budget? Wie hoch werden die Aufwendungen sein und inwieweit ist sichergestellt, dass das doch eine Maßnahme ist, die eine Zeit lang finanziert werden kann?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Frau Abgeordnete, wir haben uns das natürlich auch anhand von Vergleichszahlen angesehen, insbesondere im Zusam­men­hang mit den Betretungsverboten, die in der Vergangenheit ausgesprochen wurden. Wir rechnen mit einer Anfallszahl von insgesamt etwa 7 000, 7 500 solcher Fälle pro Jahr. Die Budgetmittel, die wir dafür veranschlagt haben, sind in etwa 1 Million Euro, wobei man dabei zwischen zwei Komponenten unterscheiden muss: der Komponente, die quasi die Infrastruktur für diese Beratungstätigkeiten betrifft – das ist der Kosten­anteil, den mein Haus trägt und den wir in Mitteln des Bundeskriminalamts zur Ver­fügung stellen werden –, und der Komponente – es ist mir auch ganz wichtig, dass man das dazusagt –, dass wir natürlich auch diese Gefährder oder diese Täter zur Kasse bitten. Die müssen nämlich für diese Beratung, die sie dort in Anspruch nehmen, einen entsprechenden Obolus entrichten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Hochstetter-Lackner, bitte.


Abgeordnete Irene Hochstetter-Lackner (SPÖ): Guten Morgen! Das Frauenvolks­be­gehren hat sich in weiten Bereichen mit dem Thema Gewaltschutz auseinandergesetzt und auch entsprechende Forderungen eingebracht und formuliert. Auch die SPÖ hat Anträge zum Thema Gewaltschutz in den entsprechenden Ausschüssen eingebracht.

Was wird also abseits des Strafrechts getan, um eine Kultur der gegenseitigen Achtung zu fördern, damit es einfach gar nicht so weit kommt, dass das Strafrecht eingreifen muss?



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Ja, Frau Abgeordnete, wünschen können wir uns alle viel. Die Frage, wie wir insgesamt mit dem Problem der Gewaltbekämpfung und im Speziellen mit der Bekämpfung von Gewalt gegenüber Frauen umgehen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Ich sehe meinen Teil der Verantwortung in dem Kompetenzbereich, der mir als Innen­minister untersteht – das ist der Bereich des Sicherheitspolizeigesetzes mit den ent­sprechenden Regelungen. Natürlich leisten wir in anderen Bereichen, sozusagen ab­seits von dem, was jetzt in der Taskforce festgemacht worden ist und wo wir neue Wege gehen, auch in einem breiten Umfang entsprechende Präventionsmaßnahmen. Das wird auch weiter vorangetrieben, das wird unterstützt, etwa im Schulbereich, um ein Beispiel zu nennen. Diese Maßnahmen werden von uns fortgesetzt, aber ich glaube, es wäre zu einfach, zu glauben, dass man etwa vonseiten des Innenressorts oder von einem einzigen Ressort aus diese Problematik in den Griff bekommen kann.

Etwas, was mir ganz wichtig ist: Wenn wir von Gewalt gegen Frauen sprechen, dann dürfen wir eine Komponente nicht außer Acht lassen, nämlich jene Gewalt, die von Personen ausgeht, die aus fremden Kulturkreisen zu uns kommen (Zwischenruf bei der SPÖ) und die auch einen völlig anderen Zugang zum Thema Mann-Frau-Beziehung haben und von denen sehr, sehr oft die Frau als Eigentum des Mannes interpretiert wird. Also ich glaube, dass es notwendig ist, diesbezüglich auch bei den Integrations­maßnahmen strenger vorzugehen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülerinnen und Schüler der NMS  Hitzendorf recht herzlich in unserem Hohen Haus begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Wir kommen nun zur 2. Anfrage, die die Frau Abgeordnete Lueger stellt. – Bitte.

09.14.54


Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Herr Minister, ich habe eine Frage im Zusammenhang mit der Medien­berichterstattung.

Das Innenministerium gab damals zum Beispiel im „Kurier“ bekannt, dass 41 Prozent der Abgeschobenen strafrechtlich verurteilt sind und dass die Zahl der Außerlan­des­bringungen und der Abschiebungen im Vergleich zum Vorjahr um 46 Prozent ge­stiegen ist. Wenn wir unser Anfragerecht als Parlamentarier ausüben und Ihnen in einer schriftlichen Anfrage eine Frage mit zehn Unterfragen zu diesem Thema stellen und Sie uns auf sechs dieser Fragen die Antwort geben, dass bei Ihnen im Innen­ministerium keine entsprechende Statistik geführt wird, dann muss ich Sie schon fragen: Herr Minister, sollen wir in Zukunft die Anfragen an den „Kurier“ stellen? (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 126/M, hat folgenden Wortlaut:

„Warum gibt es im BMI keine konkreten Zahlen, wie viele der Asylwerber, die einen rechtskräftig negativen Bescheid erhalten haben, bereits abgeschoben werden konnten (siehe Ihre Anfragebeantwortung 3055/AB)?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr


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Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Danke, Frau Abgeordnete, für diese Frage, die eigentlich Gegenstand für eine Besprechung einer Anfragebeantwortung gewesen wäre – wenn Sie es schon genau wissen wollen (Abg. Lindner: Das können wir ja noch machen! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) –, aber wenn Sie jetzt die Gelegenheit dafür nützen wollen, erkläre ich es Ihnen auch hier gerne.

Diese Anfragebeantwortung ist deshalb so ausgefallen, wie sie ausgefallen ist, weil Sie zwei Dinge miteinander in Beziehung setzen, die einem Vergleich von Äpfeln mit Birnen gleichkommen: Ein negativer Asylbescheid ist nicht gleichbedeutend mit einer Rückkehrentscheidung. Das ist aber das, was Sie miteinander vermanschen, und deshalb kann man die Statistik, die Sie sich wünschen, in dieser Form nicht erstellen.

Es gibt nämlich sozusagen negative Asylbescheide, bei denen eine Rückkehr­entschei­dung unzulässig ist. Da gelten insbesondere die Bestimmungen der Menschen­rechts­konvention, etwa der Artikel 8. Dann gibt es Fälle, bei denen es sozusagen zeitweise unzulässig ist, eine Rückkehrentscheidung zu treffen. Das ist dann, wenn etwa ein Familienmitglied sozusagen krankheitshalber betroffen ist. Es gibt Dinge, bei denen Abschiebungen unzulässig sind. Das ist das berühmte Non-Refoulement-Regelwerk, das etwa Abschiebungen nach Syrien verhindert. Dann gibt es Abschiebungen, die sozusagen nicht durchführbar sind, einfach deshalb, weil es am Entgegenkommen des Gegenübers fehlt. Ein Beispiel dafür ist etwa die Problematik bei Heimreisezertifikaten, wenn Staaten nicht dazu bereit sind, oft auch trotz bestehender Rücknahmeüber­ein­kommen, diese Staatsbürger als ihre Bürger anzuerkennen.

Weiters gibt es die Möglichkeit, dass jemand, der einen negativen Asylbescheid hat, untertaucht und sich damit der Abschiebung entzieht. Ja, und dann gibt es auch noch die Möglichkeit, dass jemand, der einen negativen Asylbescheid hat, freiwillig aus­reist – dann wird er auch nicht abgeschoben.

Sie sehen, es gibt eine ziemlich große Zahl von Komponenten, die in diesem Zusam­menhang zu berücksichtigen sind. Und das ist der Grund dafür, dass die Anfrage­beantwortung so ausgesehen hat, wie sie aussieht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Ich hätte mir erwartet, dass Sie das, was Sie jetzt mündlich geantwortet haben, auch in der Beantwortung meiner Anfrage geant­wortet hätten.

Nichtsdestotrotz erlaube ich mir, eine weitere Frage zu stellen; speziell als Obfrau des Innenausschusses muss ich auch auf die heutige mediale Berichterstattung eingehen: „Nur 41 Minuten vor der Hausdurchsuchung löschte Sellner seine Mails“. Ich frage: Was wissen Sie im Innenministerium, wurde Herr Sellner vor einer Hausdurchsuchung gewarnt? Wie kann es das geben, dass er 41 Minuten vor der Hausdurchsuchung Mails mit dem Christchurch-Attentäter gelöscht hat? (Beifall bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Zunächst einmal stelle ich fest, dass die Frage, die Sie hier stellen, keinen Bezug zu Ihrer Hauptfrage hat und damit eigentlich sozusagen nicht Gegenstand dieser Fragestunde ist. (Abg. Meinl-Reisinger: ... das festzustellen und nicht Sie! – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Nur, ich habe es schon gestern gesagt: Worum geht es denn bei dieser ganzen Ermittlung im Zusammenhang mit Herrn Sellner? – Es geht darum, dass die Ermittlungsbehörden jetzt möglichst unaufgeregt und ohne permanente Kommen­tare der Öffentlichkeit ihre Ermittlungsarbeit machen können. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist der Punkt, um den es geht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


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Und im Zuge dieser Ermittlungen wird sich herausstellen, ob an den Vorwürfen, die die Staatsanwaltschaft gegen ihn erhoben hat, etwas dran ist oder nicht. – Das ist Rechtsstaatlichkeit in Reinkultur, und ich würde einfach vorschlagen, dass wir genau dieses Prozedere zulassen.

Ich habe natürlich vernommen, dass es einzelne Abgeordnete gibt – das sind ohnehin immer die gleichen (Heiterkeit des Abg. Drozda) –, die angeblich irgendwelche Infor­mationen darüber haben, dass irgendwo etwas geleakt worden sein soll oder Infor­mationen weitergegeben worden sein sollen. Mir ist diesbezüglich nichts bekannt. Ich fordere aber diesen Abgeordneten auf, entweder diese sogenannten Sachverhalte oder seine Beweise für diese Behauptungen den Ermittlungsbehörden vorzulegen – das wäre nämlich ein wesentlicher Beitrag zur Aufklärungsarbeit –, und wenn er das nicht tut oder wenn er das nicht tun kann, dann wäre es vernünftiger, er würde schweigen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mahrer, bitte.


Abgeordneter Karl Mahrer, BA (ÖVP): Schönen guten Morgen, sehr geehrter Bun­desminister! Kehren wir zum Gegenstand der Hauptfrage zurück!

In der Regel, Herr Bundesminister, wird mit einem negativen Bescheid oder einer Ausreiseverpflichtung auch eine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt. Was tut das Innenministerium, um die freiwillige Rückkehr zu forcieren?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Herr Abgeordneter, ich bedanke mich für diese Frage, weil sie mir die Gelegenheit gibt, vielleicht mit einem Vorurteil aufzu­räumen, das darin besteht, dass wir die Abschiebung als bevorzugte Variante der Außerlandesbringung zum Einsatz bringen würden. – Das Gegenteil ist der Fall. Die Abschiebung ist immer nur das letzte Mittel, um jemanden außer Landes zu bringen.

Genau aus diesem Grund forcieren wir umgekehrt jedwede Form der Unterstützung, wenn es darum geht, eine freiwillige Rückkehr zustande zu bringen.

Das hat mehrere Vorteile: Zum einen ist sie billiger. Wir nehmen zwar eine gewisse Geldsumme in die Hand – es gibt quasi eine kleine Starthilfe für diejenigen, die sich für eine freiwillige Ausreise entscheiden; diese fällt umso höher aus, je früher im Verfahren jemand zu dieser Erkenntnis kommt –, das hat folglich aber den Vorteil, dass wir uns in diesem Falle sozusagen die aufwendigen Sicherheitskosten, die eine Abschiebung mit sich bringt, ersparen.

Ich darf darauf hinweisen, dass auch für die neue Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, über die wir ja heute noch abstimmen werden, explizit vorgesehen ist, dass im Bereich der Rückkehrberatung nicht gespart wird, sondern im Gegenteil verstärkt Mittel investiert werden.

Es gibt einen weiteren Vorteil: Einzelne Staaten nehmen die Leute eher an, wenn sie freiwillig zurückkehren; sie weigern sich quasi, Zwangsabgeschobene als ihre Bürger zurückzunehmen.

Der dritte Vorteil ist, dass mit der finanziellen Unterstützung für diese Leute eine Rückkehr in ihre Heimat in Würde möglich ist und sie sich dort eine kleine Existenz aufbauen können. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Hafenecker, bitte.


Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundes­minis­ter! Im Nachfeld der Flüchtlingskrise 2015 ist es ja in einigen Teilbereichen zu signifi-


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kanten Anstiegen der Kriminalität gekommen, daher meine Zusatzfrage: Was wird im Bereich straffälliger Asylwerber und Asylberechtigter getan?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Wir haben im Bereich der Arbeit des BFA, des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, einige Schwerpunktsetzungen. Eine dieser Schwerpunktsetzungen ist die Verkürzung der Verfahrensdauer. Die zweite Komponente, die uns sehr, sehr wichtig ist, ist die Konzentration auf diejenigen, die straffällig werden – entweder schon als Asylwerber oder aber dann, wenn sie einen Schutzstatus haben, sei es der eines Asylberechtigten oder der eines subsidiär Schutzberechtigten. Das heißt, darauf wird ein entsprechender Fokus gelegt. Wir arbeiten diesbezüglich auch verstärkt mit Anträgen zur Aberkennung des Schutz­status – das ist sehr wichtig. Wenn es einen Asylwerber betrifft, dann werden die Verfahren beschleunigt geführt, damit wir sehr rasch zu einer entsprechenden Außer­landesbringung kommen.

Ich darf darauf verweisen, dass seit meinem Amtsantritt die Zahl der Aberkennungs­verfahren rapide gesteigert worden ist. Wir haben im letzten Jahr 6 000 solcher Ab­erkennungsanträge gestellt. Nicht alle davon, aber sehr, sehr viele, haben den Hinter­grund, dass es um Kriminelle geht. Wir haben im Jahr 2018 tatsächlich bereits 1 600 solcher Aberkennungen erreicht.

Wir drehen also an allen Schrauben, wo dies möglich ist, um sozusagen Straffällige schneller außer Landes zu bringen, damit sie uns nicht neben dem Schaden, den sie angerichtet haben, auch noch auf der Tasche liegen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 3. Anfrage, die von Frau Abgeordneter Steger gestellt wird. – Bitte.

09.24.10

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Die größte Heraus­forderung auf der Ebene der Europäischen Union ist und bleibt die Migration. Wir alle haben noch die Bilder von 2015 in Erinnerung, von der Migrationskrise, während der eine völlig falsche Politik verfolgt wurde: eine Politik, die Grenzen für jeden zu öffnen; eine Politik, die vielleicht menschlich geklungen hat, aber im Endeffekt alles andere als menschlich war, die Schlepper unterstützt hat und zu Zigtausend Toten geführt hat; eine Politik, aufgrund derer wir gar nicht wissen, wie viele Gefährder, Terroristen oder Bedroher unter den 4,6 Millionen Menschen, die nach Europa gekommen sind, waren.

Die jüngsten Entwicklungen auf dem Westbalkan geben wieder Anlass zur Sorge. Daher lautet meine Frage:

121/M

„Wie ist die aktuelle Entwicklung der Asylanträge in Österreich vor dem Hintergrund der Lage entlang der Westbalkanroute?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Zunächst ist zur aktuellen Lage, was die Asylanträge betrifft, zu sagen: Ich freue mich – die Richtung stimmt, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir sind, was die Antragszahlen betrifft, im Sinkflug unterwegs. Ehrlich gesagt bin ich noch nicht ganz zufrieden, weil mein Ziel die Null ist – darauf arbeite ich hin, weil Österreich schließlich von sicheren Ländern umgeben ist.


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Aktuell sieht es so aus, dass wir in diesem Jahr 3 800 Asylanträge haben. Man muss diesbezüglich aber wissen, dass nicht jeder dieser Asylanträge von einer Person gestellt wird, die neu ins Land kommt, sondern dass es natürlich viele Familien­nachkommen von Asylberechtigten im Land gibt, die schon in Österreich auf die Welt gekommen sind, und dann werden sozusagen auch entsprechende Asylanträge gestellt – die fallen in diese Statistik hinein.

Was mir viel wichtiger ist, ist die zweite Komponente: Wir haben in diesen ersten Monaten des Jahres 4 300 Außerlandesbringungen zustande gebracht. Und bei den Abschiebungen – das sind also die, die bevorzugt in das Herkunftsland dieser Leute gehen – haben wir eine ordentliche Steigerung von 34 Prozent gegenüber dem Vorjahr. – So gesehen stimmt die Richtung.

Die Herausforderungen am Balkan sind enorm, einfach deshalb, weil wir eine undichte Stelle im System haben, und diese undichte Stelle heißt Griechenland. Dort sitzen in etwa 50 000 bis 60 000 Leute, 15 000 davon auf den Inseln. Jede Woche kommen in etwa 1 000 Personen dazu, und aus meiner Sicht geht die griechische Regierung unverantwortlich mit dem Problem um, nämlich dadurch, dass sie zur Entlastung der Inseln die Leute auf das Festland holt. Das führt nicht dazu, dass sich die Situation auf den Inseln entspannt, sondern dazu, dass die Inseln in Windeseile wieder voll sind und der Druck auf den Balkan steigt.

Mir ist es wichtig, mit meinen Partnern auf europäischer Ebene – mit den Westbalkan­staaten und mit den europäischen Ländern, die die Leistungsfähigkeit und das Prob­lembewusstsein haben – energisch gegen diese Fehlentwicklungen aufzutreten, einen Verbund zu schaffen, damit wir das Problem möglichst dort halten, wo es ist, nämlich außerhalb der Grenzen der Europäischen Union. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Sie haben ja auch vollkommen richtig reagiert, indem die österreichischen Grenzen weiterhin geschützt werden, solange die Euro­päische Union nicht für einen sicheren Außengrenzschutz sorgt. Mich würde allerdings interessieren, welche weiteren Maßnahmen Sie getroffen haben, damit Szenarien wie 2015 und 2016 nicht wiederholt werden. Vielleicht können Sie das noch konkretisieren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Frau Abgeordnete, so gut wie jede Maßnahme, die ich seit dem ersten Tag im Amt im Asylbereich getroffen habe, dient der Verhinderung einer Wiederholung von 2015. Ein Beispiel ist die Einrichtung einer eigenen Sektion, der Sektion V, die wir dieses Jahr ins Leben gerufen haben – quasi ein Kompetenzzentrum für alles, was mit Asyl und Fremdenwesen zu tun hat.

Wir haben bereits im letzten Jahr eine entsprechende interministerielle Taskforce ein­gerichtet. Ich habe festgelegt, dass das Innenministerium federführend die Koordi­nation zwischen den einzelnen Ressorts übernimmt, damit wir strategisch gut organi­siert vorgehen, gemeinsame Lagebilder erstellen und schnell reagieren können. Sie können sich daran erinnern, dass es im letzten Jahr heftige öffentliche Diskussionen darüber gegeben hat, dass wir an der Grenze zu Slowenien eine Grenzschutzübung durchgeführt haben – ein sehr wichtiges Signal, durch das wir auch in dieser Region und vor allem in Richtung der Schlepper unseren Willen zum Ausdruck gebracht haben, dass wir die Grenze im Fall der Fälle auch abriegeln und schließen, damit so etwas wie 2015 nicht mehr passiert.

So gesehen ist jede einzelne Maßnahme – auch das, was wir heute beschließen werden, nämlich diese Betreuungsagentur, genauso wie die unlängst eingerichteten


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Ausreisezentren, die auch heftig diskutiert worden sind – ein Beitrag dazu, die Miss­stände von 2015 nie mehr zu wiederholen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Zadić, bitte.


Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Schönen guten Morgen! Sie haben immer wieder auch medial über die besorgniserregende Situation auf der West­balkan­route berichtet. Daher möchte ich gerne fragen, wie hoch die genaue Zahl der Per­sonen ist, die sich derzeit auf dieser Westbalkanroute auf dem Weg nach Mitteleuropa befinden und einreisen oder durchreisen möchten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Frau Abgeordnete, bevor ich Ihnen ein paar Zahlen nenne, möchte ich Ihnen zunächst einmal sagen, dass wir es mit einem sehr komplexen Gebilde zu tun haben und diese Fluchtroute über den Balkan nur eine von mehreren Varianten ist, mit denen Schlepper versuchen, ihre Leute nach Europa – insbesondere auch nach Österreich – zu bringen. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

Diese Dinge hängen miteinander zusammen. Sie wissen, wenn die Möglichkeit einer Einreise über Italien eingeschränkt ist, dass sofort der Versuch unternommen wird, entsprechende Ausweichrouten zu finden. Seit es in Italien eine geänderte Politik gibt, was die Aufnahme von sogenannten seenotgeretteten Personen betrifft, hat sich auch eine gewisse Verlagerung auf den Balkan ergeben.

Ich habe schon Zahlen für Griechenland genannt. Wir gehen davon aus, dass im gesamten Bereich des Balkans Zehntausende unterwegs sind, die alle nicht in der Region sind, weil sie in der Region bleiben wollen, sondern das Ziel haben, irgendwie – und zumeist ist das eben illegal, weil es anders gar nicht geht – den Weg nach Mitteleuropa, nach Österreich, nach Deutschland oder eben auch nach Nordeuropa zu gehen. Wir wissen das auch deshalb, weil wir im Verbund mit unseren Partnern in der Region die Zahlen der Aufgriffe Illegaler sehr genau beobachten, und dort merken wir in einzelnen Bereichen – also etwa in Nordmazedonien oder in Bosnien – Steige­rungen von fast 200 Prozent, was diese Zahlen der Aufgriffe Illegaler betrifft, im Ver­gleich zum Vorjahreszeitraum.

Das sind Alarmsignale, und ich denke, als politisch Verantwortlicher ist man dazu aufgefordert, möglichst frühzeitig einzugreifen, damit aus einem kleinen oder mittleren Problem kein großes Problem oder gar eine Katastrophe wird.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 4. Frage, jener der Abge­ordneten Stephanie Krisper. – Bitte.

09.31.03


Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Innenminister! Ich komme zu Bleiburg:

124/M

„Welche konkreten Maßnahmen treffen Sie“ als Innenminister „bzw. Ihre Sicherheits­behörden,“ – Landespolizeidirektion Kärnten beziehungsweise BH Völkermarkt – „um die“ ordnungsgemäße „Abhaltung des ‚Bleiburger Kroatengedenkens‘ am 18. Mai 2019 in Entsprechung und unter Einhaltung der österreichischen Gesetze“ – insbesondere des Versammlungsgesetzes, des Strafgesetzbuches und des Verbotsgesetzes – „zu gewährleisten?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 20

Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Frau Abgeordnete, erlauben Sie mir zunächst einleitend nur einen kurzen Hinweis, weil das viele nicht wissen. (Abg. Meinl-Reisinger: Eine Belehrung, jö! – Abg. Rosenkranz: ... Fragestunde! ... antworten!) – Na, einen kleinen historischen Exkurs, Frau Abgeordnete!

Es ist nämlich so, dass es dieses Treffen seit Beginn der Fünfzigerjahre gibt. Ich habe mir das genau angeschaut, in Kärnten haben seither drei politische Farben bezie­hungsweise Parteien den Landeshauptmann gestellt: Einmal war es die SPÖ, über einen ziemlich langen Zeitraum, dann hat es eine freiheitliche Periode gegeben, dann hat es einen ÖVP-Landeshauptmann gegeben. Wissen Sie, was das Interessante ist?!  Dieses Treffen ist erst seit dem Jahr 2018 ein Problem, seitdem ich Innen­minister bin. Das ist doch irgendwo eine gewisse Auffälligkeit. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Nichtsdestoweniger treffen wir entsprechend Vorsorge. Sie kennen ja die 3D-Strategie der Polizei, und mit dieser 3D-Strategie der Polizei gehen wir auch in diesem Fall vor. Es ist durch eine entsprechende Mannstärke vor Ort Vorsorge getragen, dass die Sicherheit aller Beteiligten gewährleistet ist.

Zu den Kräften der Einsatzeinheit: Es werden entsprechende Kräfte des BVT und des LVT vor Ort sein, das heißt also, auch sehr, sehr viele Beamte nicht in Uniform, sondern in Zivil. Wir haben Unterstützung seitens der kroatischen Polizei. Es werden von österreichischer Seite Beamte im Einsatz sein, die der kroatischen Sprache mächtig sind. Wir werden die Leute im Zusammenhang mit der Einhaltung des Symbole-Gesetzes und des Abzeichengesetzes auch in den Einsatzbesprechungen im Vorfeld noch einmal entsprechend sensibilisieren, um diesbezüglich auch durchzu­greifen. Damit wir dann gleich direkt vor Ort die Strafen aussprechen können, wird auch die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt, die ja da zuständig ist, mit dem Straf­referat vor Ort sein. Gleichzeitig wird ein Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Klagen­furt vor Ort sein, damit auch sichergestellt ist, dass die notwendigen strafrechtlichen Dispositionen sofort verfügt werden können.

Ich weiß nicht, ob es die Kollegen von der SPÖ freut oder ob wir das dürfen: Es wäre auch vorgesehen, dass wir einen Hubschrauber zum Einsatz bringen, um die ent­sprechenden Verkehrsströme im Zusammenhang mit dieser Veranstaltung beobachten zu können. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: ... die Eurocopter, oder?)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Welche Rechtsgutachten, von wem und mit welchem Ergebnis, wurden von den zuständigen Sicherheitsbehörden hinsichtlich der Prüfung einer Untersagung gemäß § 6 Abs. 1 beziehungsweise Abs. 2 Versamm­lungsgesetz eingeholt und welcher Rechtsansicht wurde warum gefolgt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Frau Abgeordnete, Sie wissen so gut wie ich, dass es ein Gutachten gegeben hat: das berühmte Gutachten des Herrn Professor Mayer. Sie wissen aber auch, dass ein Gutachten – sage ich einmal – eines von meh­reren Elementen ist, die man im Zuge einer Beweiswürdigung entsprechend zu berück­sichtigen hat.

Nach unserer Rechtsordnung ist es so, dass die Entscheidung die Behörde, in diesem Fall der Bezirkshauptmann, trifft; er hat übrigens eine sehr, sehr langjährige Erfahrung im Zusammenhang mit dieser Veranstaltung. Die Entscheidung trifft also die zustän­dige Behörde und nicht der Gutachter. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 21

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte.


Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Wann haben Sie davon Kenntnis erlangt, dass auch zwei kroatische Minister an diesem Ustaschatreffen am Wochenende teilnehmen werden? Die Verant­wortung geht da nach § 6 Abs. 2 in Verbindung mit § 16 Versammlungsgesetz von Ihnen auf die Bundesregierung, sprich auf den Bundeskanzler, über.

Haben Sie – gesetzeskonform – diesbezüglich schon mit dem Herrn Bundeskanzler Kontakt aufgenommen und zu welchen Maßnahmen werden Sie in dieser Frage raten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Ich bedanke mich für diese Information; ich werde dieser dann gleich nach dieser Veranstaltung, wenn mich das Hohe Haus entlässt, nachgehen. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glocken­zeichen.)

Für mich ändert das nichts an der Entscheidungsgrundlage, denn letzten Endes ist die grundsätzliche Entscheidung darüber, ob diese Veranstaltung durchzuführen ist, unter einer strengen Erwägung aller zu berücksichtigenden Umstände von der zuständigen Behörde vor Ort zu treffen. Wenn es von dieser Seite keine Bedenken gibt, weil die entsprechenden Sicherheitsrisiken, von denen manche sprechen, nicht gegeben sind, dann spricht nichts gegen die Durchführung der Veranstaltung.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 5. Frage, jener des Herrn Abge­ordneten Gerstl. – Bitte.

09.35.58


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir sind in den letzten Tagen mit unglaublichen Videos von Gewalt an Schulen konfrontiert gewesen; wahrscheinlich waren sie sogar nur die Spitze eines Eisbergs. Gewalt entsteht ja nicht in der Schule, sondern meistens im Vorfeld. Es ist klar, wie sehr auch Familien davon betroffen sind und wie sehr die Verantwortung auch bei den Eltern liegt. Ich weiß, dass die Polizei sehr viel Präventionsarbeit macht und immer wieder auch in Schulen geht; es gibt viele Präventionsbeamte, die da tätig sind, es wurden auch neue Lernprogramme entwickelt.

Können Sie uns sagen – und jetzt muss ich leider die Frage genau vorlesen, weil das die Geschäftsordnung so vorsieht –:

119/M

„Welche präventiven Maßnahmen setzen beziehungsweise planen Sie gegen Gewalt an Schulen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Herr Abgeordneter, es ist richtig, diese Bilder erschüttern jeden, und man fragt sich: Wie kann es so weit kommen? Wenn man sich diese Frage gestellt hat, stellt sich die nächste Frage: Was tun wir, um Dinge und Situationen, wie wir sie jetzt gesehen haben, in Zukunft zu verhindern?

Ich könnte jetzt weit ausholen, und es wäre mir ein innerliches Bedürfnis, das zu tun. Es gehört aber nicht hierher, über ein paar tiefergehende Ursachen, was diese Prob­lematik betrifft, zu referieren. Ich glaube nämlich, dass man einer Gesellschaft insge­samt nichts Gutes tut, wenn man glaubt, den gesamten Bildungsbereich sozusagen ohne jede Form von Autorität gestalten zu können – aber das ist meine persönliche


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 22

Meinung. (Abg. Heinisch-Hosek: Schwarze Pädagogik! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das Zweite ist die Komponente, die die Polizei dazu beitragen kann: Wir haben in den Reihen der Polizei, wie Sie es gesagt haben, ausgezeichnete Präventionsbeamte – es sind über 400, die Zahl wird weiter aufgestockt, auf über 430 –, mit denen wir die Möglichkeit haben, in die Schulen hineinzugehen. Was es aber braucht, um diese Schulungsaktivitäten dort auch durchzuführen – und das können wir nicht ändern, das liegt dann im Ermessen der Schulbehörde –, ist eine Einladung oder eine Aufforderung seitens der Schule. Es gibt insgesamt 14 solche Präventionsprojekte; eines davon, das bekannteste, ist das große Projekt Under 18. Da kommt man nicht nur einmal in die Schule und hält einen Vortrag, sondern da wird wirklich systematisch im Verbund von Schülern, Lehrern und Eltern gearbeitet, um sozusagen Gewaltprävention auf verschie­denen Ebenen zu betreiben.

Ein Problem, mit dem wir ein wenig kämpfen, ist, dass manche Eltern eine gewisse Scheu davor haben, wenn die Schule ihrer Kinder die Polizei zur Gewaltprävention holt, weil sie offensichtlich einen gewissen Imageschaden befürchten, weil sie meinen, es entstehe dadurch in der Öffentlichkeit das Bild, dass an dieser Schule eben eine gewisse Gewaltgefährdung besteht. Ich glaube, da müssten wir vielleicht auch ein bisserl bewusstseinsbildend wirken, dahin gehend, dass es nicht darum geht, zu re­agieren, sondern dass die Intention dieser Unternehmungen ist, Gewalt von vorn­herein zu verhindern. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Gerstl.


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Ja, es ist ja vollkommen falsch, dass man Gewalt unter den Teppich kehren möchte. Es ist ja nicht nur bei Eltern so, dass sie dann besorgt sind und das nicht sagen wollen, sondern wir haben das auch betreffend Lehrer festgestellt.

Mir liegt nun eine Statistik über die strafbaren Handlungen an Schulen im letzten Schuljahr, 2017/2018, vor; diese zeigt, dass in Wien fünfmal so viele strafbare Hand­lungen an Schulen wie in Niederösterreich angezeigt wurden, obwohl diese beiden Bundesländer ziemlich gleich groß sind. Die Statistik zeigt, dass da wirklich Drama­tisches passiert: Es gab in Wien 204 Anzeigen alleine wegen Handlungen gegen Leib und Leben – das muss man sich einmal vorstellen. Also das ist wirklich ein ganz, ganz schwarzer Fleck, und man fragt sich, warum die Wiener Landesregierung das nicht schon früher erkannt hat und an den Schulen in Wien nicht schon früher tätig gewor­den ist.

Die Polizei hat da ja auch ein Projekt entwickelt, eine sogenannte Antigewaltschulung an polytechnischen Schulen in Wien, an denen die Gewalt besonders eskaliert ist.

Können Sie uns sagen, welche Erfahrungen aus diesem Pilotprojekt bisher gewonnen werden konnten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Ein Satz zu Ihrer einleitenden Bemer­kung: Ich glaube, diese Situation, die Sie sehr treffend beschrieben haben, ist das Ergebnis, wenn man sozusagen einem falschen pädagogischen Konzept anhängt und dann politisch weg- statt hinschaut; dann kommt das heraus, was Sie jetzt in Zahlen und in Statistiken präsentiert haben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. Abg. Heinisch-Hosek: ... hat schon begonnen!) Es ist ja wohl auch kein Zufall, dass die Probleme dort am gehäuftesten auftreten, wo die Folgen einer Massen­zuwan­derung auch im Schulsystem am deutlichsten spürbar sind.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 23

Das von Ihnen angesprochene Projekt stößt auf sehr, sehr gute Resonanz, das muss man sagen. Es gibt auf allen Seiten nur Zufriedene, was mich dann auch wieder freut. Ein besonders wichtiger Aspekt für die Schulen ist, dass es im Rahmen des Projektes so eingerichtet ist, dass die Schulen einen ständigen Ansprechpartner haben, der für sie eine Bezugsperson darstellt, und daher die kommunikativen Abläufe im Bereich der Gewaltprävention deutlich verbessert werden konnten.

Insgesamt – Sie haben es angesprochen – haben wir nicht nur eine Problematik, was Gewalttätigkeit betrifft, das heißt Körperverletzungen und ähnliche Dinge, sondern wir haben natürlich auch eine gewisse Problematik rund um Eigentumsdelikte. Ich würde sagen, die Aufteilung ist da im Schulbereich etwa drei Viertel zu einem Viertel. Wir ver­suchen aber auch da, soweit wir das können, ordentlich mit Präventionsver­anstaltun­gen hineinzugehen, haben 300 Veranstaltungen dieser Art durchgeführt und können damit sehr, sehr viele Menschen erreichen.

Die Schulleitung wünscht sich etwas, was von Experten manchmal etwas kritisch hinterfragt wird; Ihnen ist es nämlich am liebsten, wenn dort ein Beamter auftritt, der auch als Polizist erkennbar, nämlich uniformiert ist und damit sozusagen die Staats­gewalt repräsentiert. Das ist wiederum etwas, was manche Pädagogen für nicht zu­kunftsorientiert halten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur 6. Anfrage, die Herr Abge­ordneter Klubobmann Leichtfried stellt. – Bitte.

09.42.23


Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundesminister! Gestatten Sie mir vor der Frage eine Anmerkung: Es beruhigt mich schon, dass Sie im Gegensatz zum Ministerrat zumindest im Hohen Haus noch nicht in Uniform auftreten! (Beifall bei der SPÖ. Abg. Haider: Was haben Sie gegen die Uniform? Abg. Neubauer: Was haben Sie gegen eine Uniform?  Abg. Belakowitsch: Haben Sie ein Problem mit der Polizei?)

Was meine Anfrage betrifft, Herr Bundesminister:

127/M

„Können Sie trotz des mangelhaften Apps ‚Digitales Amt‘ und trotz bekannt geworde­ner Cyberangriffe, die auch die Ausgabe von Wahlkarten betroffen haben sollen, ga­rantieren, dass die EU Wahl 2019 gesetzeskonform im Hinblick auf die Ausgabe von Wahlkarten durchgeführt werden kann?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Herr Abgeordneter, Sie verzeihen mir, dass ich jetzt vielleicht etwas schnippisch antworte (Zwischenrufe bei der SPÖ Prä­sident Sobotka gibt das Glockenzeichen), aber die Frage und die damit im Zusam­menhang stehende Kompetenzzuordnung zeigt mir, dass Sie sich da genauso wenig auskennen wie im Bereich der Uniformen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das, was ich getragen habe, ist nämlich keine Uniform, sondern eine Einsatzjacke. Ich würde Ihnen raten, dass Sie in der Präsidentschaftskanzlei anrufen, wenn der Bun­despräsident eine Einsatzjacke trägt, wenn er zu den Soldaten geht (Rufe bei der SPÖ: ... Ministerrat! Ministerrat!), und dass Sie Ihre Landeshauptleute kontaktieren, wenn sie bei Feuerwehrübungen auftreten und dort eine Feuerwehruniform tragen, ohne Mitglied der Feuerwehr zu sein – da haben wir es nämlich wirklich mit Uniformen zu tun. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Zur zweiten Sache: Warum habe ich das mit der Kompetenz vorhin gesagt? – Weil Sie nämlich genau wissen, dass diese App nicht in der Kompetenz des Innenministeriums liegt. Das Innenministerium hat mit dieser App überhaupt gar nichts zu tun. Diese App ist eine Zusammenarbeit der Gemeinden mit einem privaten Anbieter und dem Digita­lisierungsministerium.

Nichtsdestoweniger habe ich natürlich größtes Interesse daran, dass diese Wahlen rechtskonform, ordnungsgemäß, ohne jede Irritation über die Bühne gehen, und ich habe mich deshalb auch entsprechend bei meinen Ressortkollegen erkundigt. Meine Beamten stehen mit den Experten des Digitalisierungsministeriums im dauernden Aus­tausch, und mein Erkenntnisstand ist, dass dieses anfängliche Problem mit Wahl­kartenanträgen, die nicht bearbeitet wurden, behoben wurde. Keiner dieser Wahlkar­tenanträge ist verschwunden, in der Zwischenzeit ist alles aufgearbeitet. Man hat als Erkenntnis aus diesem Zwischenfall das interne Controlling verstärkt, sodass jetzt sichergestellt ist, dass Wahlkartenanträge, die auf diesem Wege eingebracht werden, auch tatsächlich zugestellt werden.

Wenn Sie meine persönliche Meinung hören wollen: Der sicherste Weg zur Bean­tra­gung einer Wahlkarte ist der persönliche Weg zur Gemeinde, denn dann bekommt man sie gleich in die Hand. Es ist nämlich leider auch möglich, dass eine solche Karte auf dem Postweg verloren geht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Leichtfried, bitte.


Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Vielen Dank, Herr Innenminister! Wenn Sie eine Einsatzjacke im Ministerrat für notwendig halten, ist das natürlich Ihre Ent­scheidung. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Zusatzfrage: Warum haben Sie im Rahmen dieser EU-Wahl die österreichischen Haushalte das erste Mal nicht durch eine Postsendung über die Möglichkeit informiert, an der Europawahl 2019 auch mittels Briefwahl teilzunehmen? (Zwischenruf des Abg. Neubauer.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Herr Abgeordneter, ich kann Sie beruhi­gen: Eine Einsatzjacke zum Themenbereich Krisen- und Katastrophenschutz trage ich nur an den Tagen, an denen wir im Zusammenhang mit dem Ministerrat eine Krisen- und Katastrophenschutzübung durchführen; ansonsten ist es nicht meine Absicht. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Deshalb habe ich das gestern so gehandhabt, und es freut mich, dass auch Sie einen Beitrag dazu leisten, dieser Jacke und damit der Intention der Übung öffentliche Aufmerksamkeit zu verleihen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Zweite: Es ist unrichtig, dass diese Informationen jetzt zum ersten Mal seitens des Innenministeriums nicht ausgeschickt wurden. Es hat diese Informationen auf dem Postweg in der Vergangenheit auch bei den Bundespräsidentenwahlen nicht gegeben. Der Grund ist ein ganz einfacher: In der Zwischenzeit gibt es eine Fülle solcher Infor­mationen, die an die Wahlberechtigten gehen, primär von der Gemeinde, und ein zweites Informationssystem ist jenes der Post AG.

Die Aussendungen, die das Innenministerium in der Vergangenheit getätigt hat, waren nicht an die einzelnen Wahlberechtigten gerichtet, sondern an einen Haushalt, was teilweise zu Verwirrungen bei den Empfängern geführt hat. Leute, die gar nicht wahl­berechtigt sind, haben Wahlkarten beantragt; und die Tatsache, dass mehrere ver­schiedene Institutionen diese Zettel an einen Haushalt oder an die Wahlberechtigten


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 25

geschickt haben, hat auch dazu geführt, dass manche Leute mehrere Anträge gestellt haben.

Ich glaube also, der Weg, den wir eingeschlagen haben, ist im Sinne der Zweck­mäßig­keit und der Sparsamkeit sowie im Interesse eines geregelten Wahlbetriebs vernünftig. Wir ersparen uns damit im Übrigen auch über 500 000 Euro. (Abg. Rosenkranz: Das ist ziemlich nach hinten losgegangen, Herr Kollege Leichtfried!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Jachs, bitte.


Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Herr Bundesminister, gerade war ja die Rede von der EU-Wahl, die in zehn Tagen stattfindet.

Mich hätte interessiert, welche Vorkehrungen zur Abwehr möglicher Einflussnahmen auf die EU-Wahl getroffen werden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Wenn es um die Frage der Einflussnah­me auf die EU-Wahlen geht, dann muss man zwischen zwei Komponenten unterschei­den.

Das eine ist die Komponente der Informationseinflussnahme, also dasjenige, was wir im weitesten Sinne unter Desinformationskampagnen verstehen. Die zweite Kom­po­nente ist der Versuch einer technischen Einflussnahme auf Wahlabläufe, auf Daten­übermittlungen et cetera. Beide Komponenten sind zu berücksichtigen, wobei aus Sicht des Innenressorts in unseren Verantwortungsbereich nur diese zweite, technische Kom­ponente fällt.

Wir haben natürlich entsprechende Vorkehrungen getroffen, zunächst einmal insbe­sondere im Zuge einer großen Übung im Verbund mit den anderen europäischen Staaten, die am Beginn dieses Jahres stattgefunden hat. Wir haben aber auch in Österreich gemeinsam mit dem Verteidigungsressort, dem Bundeskanzleramt und dem Außenministerium ein Wahlkooperationsnetzwerk gegründet, in dem wir auf diese Komponenten achten, und vor allem wurden die Landeswahlbehörden einzeln von geschultem, technisch versiertem Personal des BVT und der LVTs besucht. Dieses hat dort entsprechende Risikoanalysen und Beratungen durchgeführt, wo in diesen Be­reichen die Sicherheit zu erhöhen ist, insbesondere dort, wo es um die Datenintegrität geht und wo es um die solide Übermittlung der Daten im Zusammenhang mit dem Wahlgeschehen geht. Darüber hinaus hat es in weiterer Folge für einzelne Mitarbeiter in den Wahlbehörden auch sogenannte Awarenessschulungen gegeben. Das heißt, wir sind auf der technischen Seite sehr, sehr gut aufgestellt.

Was mir noch wichtig ist: Für alle, die bei diesen Wahlen Wahlbeisitzer, Wahlzeugen oder Vertrauenspersonen sind, bietet die Homepage des Innenministeriums ein ent­sprechendes E-Learning-Tool, mit dem man sich Schritt für Schritt mit Aufgaben­stellungen, einem Frage-und-Antwort-Spiel durch diese Aufgabe durcharbeiten und sich am Ende ein Zertifikat verdienen kann. Ich glaube, dass das eine ganz, ganz gute Handlungsanleitung für diejenigen ist, die diese hohe Verantwortung übernehmen. (Beifall bei der FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Herbert, bitte.


Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Herr Bundesminister, erlauben Sie mir ein­gangs eine Feststellung zu den Animositäten des Kollegen Leichtfried in Bezug auf das Tragen Ihrer Jacke: Ich darf Ihnen mitteilen, dass bei den Polizeibediensteten der Auftritt mit der Einsatzjacke sehr, sehr positiv angekommen ist. Das zeigt einmal mehr Ihre Verbundenheit mit den Bediensteten Ihres Ressorts. (Beifall bei der FPÖ.)


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Aber nun zu meiner Frage: Cybersicherheit ist ja ein Problem oder eine Angelegenheit, die nicht nur den Bund oder Ihr Ministerium per se berührt, sondern die auch in den Ländern und Gemeinden immer mehr negativ zum Tragen kommt. Daher meine Frage: Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um die Länder und Gemeinden diesbezüglich sicherer zu machen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Ich habe einen Teil der Antwort, glaube ich, bereits in der letzten Beantwortung vorweggenommen.

Wie gesagt, es ist eine Kernaufgabe des Innenressorts, für die sichere Durchführung dieser Wahlen zu sorgen. Jetzt ist es so, dass die technischen Einrichtungen und alles, was dazugehört, um diese Wahlen durchzuführen, bei den Ländern beziehungsweise in den Gemeinden liegen und sozusagen diese Geräte und diese technischen Ein­richtungen nicht unser Eigentum sind. Was wir also machen können, ist, entsprechend beratend und unterstützend an die Länder heranzutreten.

Das haben wir in den ersten Monaten dieses Jahres systematisch gemacht. Im Zuge dieser Wahlkooperationsplattform, die wir gegründet haben, hat es eben diese schon angesprochenen Besuche von BVT-Beamten und LVT-Beamten, die in diesem Bereich Spezialisten sind, in den Landeswahlbehörden gegeben, wo man ganz genau ge­schaut hat: Wie leistungsfähig ist das System? Wo gibt es Stärken, wo gibt es Schwächen? Was kann man tun, was muss man tun? In weiterer Folge haben wir dort auch bei den Mitgliedern der Wahlbehörden noch einmal darauf hingewirkt, dass der persönliche Sicherheitszugang, auch was den E-Mail-Gebrauch, was Webserversicher­heit et cetera betrifft, verinnerlicht wird, und das ist sehr, sehr gut angenommen worden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Loacker.


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Probleme rund um das Digitale Amt sind bekannt. Von vier Anwendungen sind zwei fehlerhaft. Da geht es ja nicht nur um die Wahlkartenbestellung, es geht auch um die Frage des Meldewesens, der Wohnsitzmeldung.

Darauf richtet sich auch meine Frage: Wie war das Innenministerium in die Arbeit des Digitalisierungsministeriums rund um das Digitale Amt und die Entwicklung dieser Applikation eingebunden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Im Grunde genommen ist es so, dass der operative Betrieb oder die operative Umsetzung all dieser Dinge beim Digitalisierungs­ministerium liegt. Natürlich sind wir insofern eingebunden, als wir diejenigen sind, die in einzelnen Bereichen diese Datenbanken betreiben. Aber die Entwicklung der Anwen­dung über die App, sozusagen diese Komponente der Bürgerfreundlichkeit, des leichteren Zugangs – die aus meiner Sicht notwendig ist, wenn es vielleicht auch Anfangsschwierigkeiten gibt –, das ist eine Aufgabe, die in den Bereich des Digitalisierungsministeriums fällt. Sie wissen aber genau, dass die entsprechenden Datenbanken im Innenministerium sind, weil sie auch nur dort entsprechend gesichert werden können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 7. Anfrage stellt Abgeordneter Haider. – Bitte.

09.53.02


Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Drogenmissbrauch im Straßenverkehr wird ja zu einem immer größeren Problem. Darum greift auch die 32. Straßenverkehrsnovelle dieses Thema auf. Wir wissen, dass


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 27

in Österreich das Verhältnis von Alkolenkern zu Drogenlenkern 4 zu 1 ist, dass bereits ein Drogenlenker auf vier Alkolenker kommt. Zu Anzeigen kommt es hauptsächlich in urbanen Gebieten wie Wien, weil in ländlichen Gebieten der Arzt fehlt, der notwendig ist, um die Beeinträchtigung zeitnah festzustellen.

Jetzt ist im Begutachtungsentwurf vorgesehen, dass die Organe der Bundespolizei anstelle eines Arztes eine Beeinträchtigung feststellen sollen. Daher meine Frage:

122/M

„Kann den Organen der Bundespolizei eine Beurteilung, ob eine Beeinträchtigung durch Suchtmittel bei Fahrzeuglenkern gegeben ist, zugemutet werden?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Herr Abgeordneter! Sie haben vollkom­men zu Recht angesprochen, dass die Problematik von Drogen – beziehungsweise muss man etwas genauer von Suchtmitteln sprechen – im Straßenverkehr eine zuneh­mend stärkere ist. Ich habe gerade vor wenigen Tagen noch einmal mit dem Wiener Polizeipräsidenten dahin gehend gesprochen, und er sagt, dass bei entsprechenden Kontrollen letzten Endes die Zahl derer, die als Drogenlenker beziehungsweise als Lenker unter Suchtmitteleinfluss eingestuft werden, größer ist als die Zahl derjenigen, die man quasi mit Alkohol erwischt. Das heißt, wir haben hier einen Handlungsbedarf.

Ich möchte in dem Zusammenhang nicht davon sprechen, dass wir den Polizei­beam­ten etwas zumuten, sondern ich möchte sagen, dass wir entsprechend geschulten Polizeibeamten die Handhabe geben, Lenker, die ganz offenkundig unter dem Ver­dacht stehen, durch Suchtmittelkonsum beeinträchtigt zu sein, und durch das Nicht­lenkenkönnen ihres Fahrzeugs eine Gefährdung für sich selber, aber auch für alle anderen Verkehrsteilnehmer darstellen, effektiver aus dem Verkehr ziehen zu können.

Da haben wir in der Vergangenheit ein Problem gehabt, insbesondere im ländlichen Raum, weil eine entsprechende Feststellung der Fahruntüchtigkeit durch einen spezi­fischen Test nur von Ärzten durchgeführt werden durfte, man aber dort vor allem in den Nachtstunden oder auch in den frühen Morgenstunden, in denen ja diese Kontrollen durchgeführt werden, die Ärzte nicht in der ausreichenden Anzahl zur Verfügung hat.

In Zukunft werden das geschulte Beamte machen, und das, was dem Arzt dann überbleibt – und das ist eine viel leichtere Übung –, ist, eine entsprechende Blutab­nah­me durchzuführen. Und erst wenn die Blutabnahme sozusagen auch einen Nachweis erbringt, dass diese Substanzen tatsächlich im Blut vorhanden sind, dann ist das Ganze auch strafbar.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haider? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Sie haben diese besonders geschulten Organe angesprochen. Welche Ausbildungsinhalte sieht diese Verordnung für diese Organe vor?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Ich gehe davon aus, dass wir in der Endausbaustufe österreichweit etwa 300 Beamte haben werden, die diese Ausbildung dann durchlaufen haben.

Es ist relativ klar, was der Ausbildungsinhalt ist: Es geht zum einen um die rechtlichen Voraussetzungen dieses Vorgehens. Es geht zum Zweiten um eine Komponente Suchtmittelkunde, also darum, dass man einmal weiß, mit welchen Substanzen man es überhaupt zu tun hat und welche Auswirkungen diese Substanzen haben. Weiters geht


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es darum, zu erkennen, was Verdachtsmomente sind, die darauf hindeuten, dass jemand unter Einfluss eines solchen Suchtmittels stehen könnte.

Und dann geht es vor allem um die korrekte Durchführung dieses standardisierten Tests. Da haben wir uns durchaus auch international Vorbilder genommen. Da geht es um die Merkfähigkeit, da geht es um kognitive Fähigkeiten, da geht es um koordinative Fähigkeiten – es ist ein standardisierter Test, der genau von A bis Z nach Punkt und Beistrich abgewickelt werden muss –, das ist der wesentliche Inhalt. Ebenso geht es darum, im Zuge der Amtshandlung auch feststellen zu können, ob möglicherweise die Beeinflussung durch Medikamente verursacht wurde, die der Lenker dieses Fahrzeugs von einem Arzt verschrieben bekommen hat, aber möglicherweise entgegen den Dosierungsempfehlungen anders dosiert hat.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor wir zur 8. Anfrage kommen, darf ich die zweite Gruppe der NMS Hitzendorf recht herzlich bei uns begrüßen. Es ist eine große Gruppe. – Herzlich willkommen im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Die 8. Anfrage stellt Abgeordnete Krisper. – Bitte.

09.57.23


Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Innenminister! Aus der Anfrage­beantwortung vom 18. April geht hervor, dass das Innenministerium im vergangenen Jahr externe Repräsentationsausgaben von über 700 000 Euro tätigte, darunter unter anderem 19 200 Euro für das Bedrucken von Kaffeepappbechern, 70 000 Euro Kör­berl­geld für die österreichische Radrundfahrt, 48 000 Euro für die Teilnahme zur Rekrutierung beim Spartan Race, 27 600 Euro für die Teilnahme zur Rekrutierung bei der Maturareise X-Jam, 23 000 Euro für die Teilnahme zur Rekrutierung beim Wildsau Dirt Run, 6 200 Euro für die Teilnahme am Super Bowl, an der Party dazu.

Das Ergebnis war laut „Kurier“, dass man durch diese Maßnahmen nur 86 Personen für den Polizeidienst rekrutieren konnte.

Im Vergleichszeitraum hat das Justizministerium für dieselben externen Repräsen­tationsausgaben ein Zehntel dieser Summe aufgewendet. Wie erklären Sie dem Steu­er­zahler dieses extreme Missverhältnis?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 125/M, hat folgenden Wortlaut:

„Laut einer Anfragebeantwortung vom 18. April hatte das BMI im vergangenen Jahr ‚externe Repräsentationsausgaben‘ von über € 700.000. Im Vergleich dazu gab das BMVRDJ Ausgaben von lediglich € 75.000 an. Wie erklären Sie den Steuer­zah­ler_innen dieses extreme Missverhältnis zwischen den Ressorts?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Frau Abgeordnete, fangen wir mit dem Grundsätzlichen an: Das letzte Jahr war das Jahr der österreichischen EU-Rats­präsidentschaft, wie Sie wissen. EU-Ratspräsidentschaft bedeutet nicht nur, dass man in dem halben Jahr, in dem man den Ratsvorsitz innehat, eine Vielzahl internationaler Veranstaltungen hat, sondern das bedeutet natürlich auch, dass es entsprechende Vorbereitungshandlungen braucht. Das heißt, auch das erste Halbjahr ist voll mit Veranstaltungen, die diesen Hintergrund haben. Das gilt umso mehr, als das Motto der österreichischen Ratspräsidentschaft – ein Europa, das schützt – geradezu den Kern der Aktivitäten des Innenressorts ausmacht.


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Wenn Sie also dasjenige hernehmen, was Sie als externe Repräsentationskosten ausweisen – ein Begriff, den im Übrigen das Haushaltsrecht nicht kennt, sondern den Sie sich nach irgendwelchen Kriterien, die Sie selbst definiert haben, zusammen­ge­klaubt haben –, wenn Sie sich diese Kosten ansehen, so belaufen sich diese für das gesamte Jahr auf 677 000 Euro. Von diesen 677 000 Euro haben wir für die Rats­präsidentschaft 412 000 Euro ausgegeben – das ist also der absolut größte Teil –, bleibt eine Restsumme von 263 000 Euro. Wenn Sie diese Restsumme dann etwa den Repräsentationsausgaben ein Jahr zuvor, also im Jahr 2017, gegenüberstellen, dann werden Sie feststellen, dass wir um 100 000 Euro weniger ausgegeben haben.

Erlauben Sie mir auch nur eine Anmerkung zu den Werbeaktivitäten. Sie führen ja, glaube ich, auch gerade einen Wahlkampf im Zusammenhang mit dem Europäischen Parlament und werden daher den Satz kennen: Wer nicht wirbt, der stirbt. Das gilt auch für die Polizei. Wir stehen vor gewissen Werbenotwendigkeiten, einfach deshalb, weil wir aufgrund der Jahrgangszusammensetzung der Polizei vor einer großen Pensionie­rungswelle stehen und daher genötigt sind, neues Personal zu rekrutieren. Da muss man halt dann auch dort hingehen, wo man die jungen Leute trifft. Deswegen werden die Veranstaltungen so ausgewählt, wie sie ausgewählt werden.

Den Werbewert daran zu messen, ob bei dieser Veranstaltung dann genau diese eine Person geworben wird, ist eine verkürzte Sicht der Dinge. Da war ich viel zu lange in diesem Bereich der Wahlwerbung unterwegs, um nicht zu wissen, dass Sie da mit dem falschen Maß messen, Frau Abgeordnete. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Krisper? – Bitte.


Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Wenn Sie diese absurd lange Liste an Ausgaben mit der EU-Ratspräsidentschaft rechtfertigen, ist meine nächste Frage umso interessanter, nämlich: Wo sehen Sie dann, wenn wir dieses Jahr und in Zukunft die EU-Ratspräsidentschaft nicht mehr innehaben, die Einsparungsmöglichkeiten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Ich glaube, im Zusammenhang mit einer EU-Ratspräsidentschaft Österreichs, die uns beide wahrscheinlich politisch nicht mehr treffen wird – außer Sie wollen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag hier im Nationalrat bleiben, Frau Abgeordnete, aber es wird eine Zeit lang dauern, bis wir wieder an der Reihe sind –, wird es bis dorthin Leute geben, die dann genau definieren können, wo sie noch Einsparungspotenziale sehen. Wir wissen nicht, welche Entwicklung die Europäische Union nehmen wird, ob das alles in dieser Art überhaupt weitergeht. Also das ist eine seltsame Frage, die Sie mir da stellen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Schmidhofer. – Bitte.


Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Minister! Ich darf Ihnen folgende Zusatzfrage stellen:

Unter Repräsentationsaufgaben fällt auch die Abhaltung von Ministerkonferenzen. Welche Ministerkonferenzen mit welchem Ziel haben Sie im Rahmen der EU-Rats­präsidentschaft abgehalten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Vielleicht, damit man auch einen Über­blick von der Größenordnung dessen bekommt, was im Hintergrund dieser Rats­prä­sidentschaft veranstaltungsmäßig abgelaufen ist: Wir haben im Zuge dieses Groß­auf-


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trags 40 Konferenzen und internationale Besuche gehabt – alle mit dem Ziel, dieses Projekt eines Paradigmenwechsels in der Asyl- und in der Flüchtlingspolitik auch über die kurze Phase der sechs Monate, die man diese Präsidentschaft innehat, mit Verbündeten und Partnern weiter voranzutreiben und im gesamteuropäischen Kontext zu festigen.

Die Schlüsselveranstaltung war natürlich die informelle Tagung des JI-Rats in Inns­bruck, bei der wir uns unter anderem sehr intensiv mit dem Thema der Bekämpfung des Antisemitismus in Europa auseinandergesetzt haben.

Wir haben, was, glaube ich, sehr wichtig ist – und nennen Sie es durchaus auch eine Fleißaufgabe, sie ist aber im Interesse der österreichischen Sicherheit –, in Wien eine Drittstaatenkonferenz – einmal mit dem Schwerpunkt Westbalkan, also unmittelbar vor unserer Haustür, zum anderen mit Nordafrika – mit dem Bemühen durchgeführt, Bande zu knüpfen, um im Zusammenhang mit dem von uns forcierten Projekt der Außer­landesbringung Partnerschaften entwickeln zu können und natürlich mit dem lang­fristigen Ziel, dass die Menschen sich gar nicht auf die Reise machen. Ich habe selbst mit den Innenministern des Westbalkans eine entsprechende Konferenz abgehalten.

Wir haben, noch einmal in Wien, eine Konferenz zu Werten, Freiheit und Sicherheit abgehalten, weil ich nämlich glaube, dass wir nicht immer nur eine technische Dis­kussion rund um die Sicherheit führen müssen, sondern dass es auch einmal eine Auseinandersetzung mit dem ideellen Moment, mit der ideellen Komponente, mit dem Wertebewusstsein braucht. Was sind denn eigentlich die Werte in der Europäischen Union, die wir als solche verteidigen wollen, die wir als solche schützen wollen? Da werden wir sehr, sehr schnell sehen, dass ein gehöriges Bedrohungspotenzial aus anderen Regionen dieser Welt auf uns zukommt, einfach deshalb, weil man dort anderen Menschen- und Gesellschaftsbildern anhängt, als wir das tun. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Kumpitsch. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Herr Minister, der Girls’ Day ist bei der Polizei sozusagen ein Highlight geworden, wenn es darum geht, junge Menschen und junge Mädchen für die Polizei zu interessieren. Meine Frage bezieht sich in diesem Zusammenhang auch auf Repräsentationskosten. Ich hätte nämlich gerne gewusst, wie hoch 2018 die Repräsentationskosten des Innenministeriums für den Girls’ Day waren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Ich war selber bei diesem Girls’ Day, ich war dort ein bisschen ein Fremdkörper, aber die jungen Damen haben mich sehr freundlich aufgenommen.

Das Innenministerium ist ja schon sehr, sehr lange bei dieser, glaube ich, sehr guten und sehr wichtigen Initiative dabei. Wenn ich darauf verweisen darf, dass wir im Bereich der Polizei insgesamt einen Anteil von etwa 20 Prozent Frauen haben, so ist er, wenn man gerade in die neuen Polizeiklassen hineinschaut, um vieles, vieles höher. Das heißt also, auch bei den Mädchen stößt die Polizeiarbeit auf großes Interesse.

Wir waren mit 90 Damen an der Zahl in der Marokkanerkaserne. Wir haben den Damen, glaube ich, einen anregenden Stationsbetrieb geboten, wo sie einen guten Einblick in das Polizeileben, in den Polizeialltag bekommen haben. Wir haben sie dann auch verköstigt, dafür haben wir 787 Euro ausgegeben. Ich hoffe, das führt nicht zu den nächsten parlamentarischen Anfragen, die die Sinnhaftigkeit dieser Investition infrage


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stellen. (Abg. Plessl: Ich glaube, diese Frage war vorbereitet! – Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Gegenruf des Abg. Plessl.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 9. Anfrage, das ist jene der Abgeordneten Zadić. – Bitte.

10.05.49


Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Es gibt einen umfangreichen Rech­nungshofbericht zur Schubhaft aus dem Jahr 2016, der einige Empfehlungen, insbe­sondere auch die Empfehlung, differenzierte Statistiken mit validen und aussage­kräftigen Daten zu führen, beinhaltet.

Bis wann planen Sie, die Empfehlungen dieses Rechnungshofberichts umzusetzen?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 130/M, hat folgenden Wortlaut:

„Bis wann planen Sie die Empfehlungen vom RH Bericht aus dem Jahr 2016 zur Schubhaft, die darauf ausgerichtet sind, differenzierte Statistiken mit validen und aus­sagekräftigen Daten zu erhalten, umzusetzen?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Frau Abgeordnete! Wie Sie richtig gesagt haben, datiert dieser Rechnungshofbericht aus dem Jahr 2016.

Nach meinem Informationsstand hat es jetzt auch schon eine entsprechende Nach­prüfung gegeben, und soweit ich darüber informiert bin, sind alle Empfehlungen des Rechnungshofes, die insbesondere die Datenerfassung des BFA betreffen, ent­sprechend berücksichtigt worden.

Man muss wissen, dass seit dem Jahr 2016 die internen Kennzahlen des BFA in allen Bereichen deutlich ausgebaut worden sind und dass ein entsprechend umfassendes Managementzahlenmaterial vorhanden ist. So gesehen kann ich guten Gewissens sagen, dass das, was der Rechnungshof empfiehlt, quasi durch die Ereignisse, die im BFA selber stattgefunden haben, zeitlich überholt ist.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Zadić? – Bitte.


Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Ich habe im vergangenen Jahr und auch heuer umfangreiche Anfragen gestellt, in denen ich eben genau diese Statistiken erfragt habe, und habe bis jetzt immer die Antwort bekommen, dass dazu keine Statis­tiken vorliegen.

Aber vielleicht konkreter: Wann wird es möglich sein, herauszufinden, oder wann werden Sie die Daten darüber zur Verfügung stellen, wie viele Asylwerber, die sich in einer Lehre befinden, abgeschoben werden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr


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Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Frau Abgeordnete! Fragen im Zusam­men­hang mit parlamentarischen Anfragen bedeuten ja im einen oder anderen Fall, dass man quasi den Bereich der statistischen Auswertung weiter ausdehnen müsste. Das ist alles mit Kosten verbunden, und diesen Kosten muss man immer einen gewissen Nutzen gegenüberstellen können. Sonst, glaube ich, ist man am falschen Dampfer unterwegs.

Ich glaube, Sie werden nicht bestreiten, dass gerade das BFA Monat für Monat aus­führliches statistisches Zahlenmaterial zu den verschiedensten Aspekten seines Betätigungsfeldes zur Verfügung stellt. Allerdings werden wir es nicht so weit treiben, dass dann das BFA das Statistische Zentralamt in Österreich ersetzt, weil wir dann quasi im falschen Tätigkeitsfeld unterwegs wären.

Also wir bemühen uns darum, Ihnen alles zu liefern, was sich sozusagen statistisch generieren lässt, woraus wir aber auch einen internen Steuerungsnutzen haben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordnete Himmelbauer stellt die 10. Anfra­ge. – Ich darf Sie darum bitten.

10.08.43


Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Ich möchte zum Themenbereich Internetkriminalität kommen. Internetkrimi­nalität im engeren Sinne ist vor allem illegaler Zugriff auf Computersysteme, Daten­diebstahl, Datenbeschädigung, aber auch DDoS-Attacken, die Computersysteme einfach lahmlegen oder sabotieren. Im weiteren Sinne reden wir aber über alle Straftaten, Delikte, die mit dem Internet verbunden sind, beispielsweise Betrug, Erpres­sung et cetera.

Gerade im Bereich der Internetkriminalität sehen wir, dass im Jahr 2018 die Zahl der Straftaten, die bei rund 20 000 gelegen ist, eine massive Steigerung gegenüber dem Jahr 2017 aufwies. Ich möchte in meiner Fragestellung trotzdem vor allem zu dem engen Themenbereich Cybercrime kommen, weil dieser natürlich auch mit vielen Fragen verbunden ist:

120/M

„Welche Maßnahmen setzt die Bundesregierung, um die Bekämpfung von Cyber Crime weiter zu intensivieren?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Danke, Frau Abgeordnete. Das ist wirklich ein Problembereich, dem man sich offen stellen muss und der selbst­ver­ständlich auch den Einsatz von neuen Ressourcen, sei es jetzt quasi Humankapital oder auch technisches Equipment, braucht, um das gute Niveau, das wir in anderen Bereichen haben, nämlich bei der Kriminalitätsbekämpfung im klassischen Sinn, halten zu können.

Wir haben vorher schon bei einem anderen Bereich darüber gesprochen, wie wichtig die Präventionskomponente ist. Wollen wir bei dieser Pyramide ganz unten beginnen, dann würde ich sagen, dass es für uns sehr, sehr wichtig ist, beginnend bei den Kindern, über die Einbindung in Projekten wie Gemeinsam Sicher, etwa mit den Wirtschaftstreibenden, ganz elementare Dinge die Cybersicherheit betreffend zu forcie­ren.

Das beginnt mit ganz einfachen Dingen, E-Mail-Sicherheit ist eine solche Komponente, Passwortsicherheit ist eine solche Komponente, das Herunterladen von neuen Ver-


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sionen von Schutzprogrammen, und, und, und. Allein wenn es uns gelingt, da bewusst­seinsbildend tätig zu sein, schließen wir ein ganz, ganz großes Einfallstor für Kriminelle im digitalen Bereich.

Wenn ich an der anderen Spitze ansetze, dann haben wir im Bundeskriminalamt auch eine entsprechende Hightecheinheit, das Cybercrime Competence Center, wirklich eine Elitetruppe, möchte ich einmal sagen, wenn es um den Bereich dieser Kriminalitätsbekämpfung geht. Als ich ins Amt gekommen bin, waren dort in etwa 50 Personen beschäftigt, jetzt sind es fast 70. Das heißt, wir bauen da kontinuierlich die Kapazitäten aus, und das stellt auch einen Schwerpunkt beim Einsatz unserer Personalressourcen dar.

Was wird im Bundeskriminalamt inhaltlich gemacht? – Da gibt es drei wesentliche Komponenten, wo man inhaltlich, glaube ich, sehr, sehr erfolgreich und konsequent arbeitet. Das eine ist der gesamte Bereich der Kryptowährungen, wo wir wissen, dass das eine immer größere Rolle im Bereich der organisierten Kriminalität spielt. Da haben wir sehr viel Kompetenz, wenn es um die Verfolgung dieser Zahlungsströme geht, wenn es um das Festmachen dieser Gelder geht, durchaus auch im Zusam­menhang mit anderen Delikten.

Die zweite Komponente sind diese Massenbetrugsmails, die wahrscheinlich jeder von uns in irgendeiner Form kennt, wo es eine eigene Arbeitsgruppe gibt, die eingerichtet wurde, um diesem Phänomen zu Leibe zu rücken.

Das Dritte ist sozusagen eine spezielle Konzentration auf den Bereich des Darknets, weil das eine Organisationsdrehscheibe für die Unterstützung von allerhand kriminellen Aktivitäten ist, wo man sich Falschgeld besorgen kann, wo man sich falsche Doku­mente besorgen kann, was aber auch immer mehr eine Rolle im Bereich der Drogen­kriminalität spielt. Etwas überspitzt formuliert muss man sagen, der klassische Dealer, der vor der Tür steht, ist ein Auslaufmodell, so wie der klassische Buchhändler etwas ins Hintertreffen kommt, wenn ich an große internationale Versandhäuser denke, die das alles übernehmen – und ähnlich ist es im Bereich des Darknets mit den Drogen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Herr Minister! Ich möchte gleich auf einen Punkt eingehen, den Sie selbst explizit angeführt haben, das Thema Inter­netbetrug. Wir kennen ja alle diese Mails: hohe Gewinnversprechungen oder Erbschaf­ten, die uns nahegelegt werden. Natürlich findet auch im Bereich des Onlinehandels sehr viel Betrug statt. Auch das entnehmen wir oft den Medien oder kennen einzelne Fälle.

Vielleicht können Sie auf diesen Bereich noch einmal genauer eingehen, welche Schritte hier von der Bundesregierung gesetzt werden, um den Internetbetrug hintan­zuhalten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Internetbetrug ist ja quasi die Verla­gerung des klassischen Deliktfeldes Betrug in den Bereich dieses neuen Mediums. Natürlich setzen wir da im Bereich der Ausbildung bei den Ermittlern auch ent­sprechend an, das heißt, wenn wir Betrugsermittler ausbilden, dann läuft immer diese Komponente der Aktivitäten im Internet entsprechend mit.

Etwas ganz Wichtiges ist ein neues Tool, das wir im Zusammenhang mit diesem Forschungsprojekt Kiras entwickeln, also im Verbund mit der Wissenschaft. Das Ganze heißt Lagebild Cybercrime, und da geht es darum, dass wir ein entsprechendes digitales Tool schaffen, das der Polizei die Möglichkeit gibt, koordinierend und steuernd


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im Zusammenhang mit Betrugsphänomenen im Internet vorzugehen. Man muss sich das so vorstellen, dass die Anzeigen, die ja alle in dieses allgemeine Anzeigensystem eingespeichert werden, dann, wenn sie solche Phänomene betreffen, in diesem Pool zusammenlaufen und dieses Tool dann entsprechende Gemeinsamkeiten erkennt.

Bisher ist es so, dass der eine Fall vielleicht isoliert im Burgenland ist, der andere in Vorarlberg vorkommt – so können wir aber Verbindungen herstellen, gemeinsame Muster ausforschen und damit in einer besseren Art und Weise gegen diese Täter vorgehen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Zadić.


Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Ich begrüße es sehr, dass Sie sich dem Kampf gegen Cybercrime verschrieben haben, denn es ist wirklich auch eine Bedrohung, die stark anwächst. Daher auch meine Frage: In etwa einem Jahr wird es möglich sein, verschlüsselte Nachrichten durch die sogenannte Spionagesoftware, den Bundestrojaner, zu überwachen. Dieser Bundestrojaner funktioniert, wenn man Sicher­heitslücken eines Handys oder eines mobilen Gerätes ausnützt, die Sie kennen müssen beziehungsweise die die Softwarehersteller kennen müssen, um diese Spio­nagesoftware auch zu installieren.

Meine Frage: Wie wollen Sie sicherstellen, dass diese Lücken nicht von organisierten Cyberkriminellen ausgenützt werden und dass diese dadurch nicht auch die Möglich­keit bekommen, ihre eigene Spionagesoftware auf unseren Geräten zu installieren?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Frau Abgeordnete! Ich muss zunächst eines richtigstellen: Ich glaube, es ist ein bisschen ein falscher Ausdruck, wenn man hier von einer Spionagesoftware spricht, das hat so ein bisschen einen anrüchigen Touch, möchte ich fast sagen. (Abg. Scherak: Das haben Sie ja auch immer gesagt!) Das bringt eine notwendige Ermittlungsmaßnahme ein bisschen ins schiefe Licht.

Sie wissen genau, weil wir hier im Haus ausführlich über die Implementierung dieser rechtlichen Möglichkeiten diskutiert haben, dass es in Wahrheit um ein Mittel geht, das der Bekämpfung der schwersten organisierten Kriminalität und auch des inter­natio­nalen Terrorismus dient und das an strengste rechtliche Auflagen gebunden ist, und daher ist nicht davon auszugehen, denn dieser Eindruck wird immer ein wenig erweckt, dass das jeder bei sich am Handy hätte. Das ist einmal eine wichtige grundlegende Vorbemerkung, weil gerne so getan wird, als ob sich jeder fürchten müsste. Fürchten müssen sich nur die Gauner, Frau Abgeordnete!

Zum Zweiten, was die Sicherheitslücken betrifft, darf ich Ihnen sagen, dass wir natür­lich mit den Experten bei der Entwicklung dieser Software im Gespräch sind bezie­hungsweise uns Software ansehen, die ja nicht wie Sand am Meer vorhanden ist. Da gibt es wenige Produkte, die das auch tatsächlich leisten können. Nach unseren Erkenntnissen ist es so, dass diese Experten sagen, ein System, das keine Sicher­heitslücken aufweist, wird es niemals geben. Das ist Wunschdenken aller Program­mierer, aber das wird es nicht geben. So gesehen ist der Hinweis auf die Sicherheits­lücke zwar berechtigt, aber er bringt uns jetzt nicht aus der Verlegenheit, in dem Zusammenhang trotzdem reagieren zu müssen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Plessl.


Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Herr Innenminister! Der Bundesminister für Landesverteidigung ist für die Cyberdefence zuständig, Sie mit Ihrem Ministerium für Cybercrime und Cybersicherheit. Es gibt auch eine österreichische Strategie für Cyber­sicherheit, wo diese als Rechtsgut angeführt worden ist. Wir müssen noch große


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Kraftanstrengungen durchführen, damit diese Cybersicherheit auch dementsprechend für die Zukunft gewährleistet wird.

Ich möchte mich in diesem Zusammenhang betreffend die Überwachungssoftware noch einmal an Sie wenden: Auf der einen Seite gibt es eine Sicherheitslücke wie bei WhatsApp – und ich ersuche alle, die WhatsApp benützen, ein Update durchzu­füh­ren –, wo eine Privatfirma eine Sicherheitslücke entstehen hat lassen, die alle betrifft, nicht einzelne sondern alle, die dieses System benützen, und deswegen ist das Update so wichtig.

Meine Frage in diesem Zusammenhang: Es gibt eine eigene sogenannte Koordinie­rungs­stelle, die würde gerne der Bundesminister für Landesverteidigung haben und er würde gerne auch dementsprechend federführend tätig sein. Wann und wo wird diese Stelle eingerichtet werden, wer wird federführend sein und welche Budgetmittel – denn Sie kennen die Zahlen ja auch sehr gut vom Girls’ Day, vielleicht können Sie mir da auch weiterhelfen – werden vom Bundesminister für Inneres für diese Koordinie­rungs­stelle zur Verfügung gestellt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Danke, Herr Abgeordneter, vor allem auch vielen Dank für den Sicherheitshinweis, den Sie jetzt im Zusammenhang mit WhatsApp gegeben haben – man merkt, Sie sind ein Polizist, Ihnen geht es um die Sicherheit.

Die zweite Komponente ist: Wir sind zwar jetzt sehr, sehr beherzt am Werken, wenn es um die Frage der Umsetzung von Vorhaben im Regierungsprogramm geht, aber Sie werden Verständnis haben, dass wir nicht alles von heute auf morgen machen können. Wichtig ist, dass wir die Aktivitäten der beiden Ressorts gut miteinander verzahnen. Wer letzten Endes dann die Federführung in diesem Projekt haben wird, das traue ich mich heute noch nicht zu sagen. Sie wissen ganz genau, dass das die heißesten Eisen sind, um die es geht.

Nichtsdestoweniger werden wir die Bemühungen dahin gehend in Gang setzen, dass wir das Ziel erreichen, nämlich die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung in diesem Bereich zu gewährleisten – und dass die Frage, wer dann dafür zuständig sein wird, eine zweitrangige sein wird. Wir werden dieses Projekt aber dann ohnehin noch im Parlament diskutieren. (Abg. Plessl: Budgetmittel?!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 11. Anfrage stellt die Abgeordnete Nurten Yılmaz. – Bitte.

10.19.37


Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundes­minister! Vor sieben Tagen wurde der Bericht der Vereinten Nationen über die Abwick­lung der Asylverfahren in Österreich an Sie übermittelt. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, beziehungsweise was werden die Konsequenzen sein?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 128/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Konsequenzen ziehen Sie als Bundesminister für Inneres aus dem Bericht der Vereinten Nationen, in welchem die Abwicklung der Asylverfahren in Österreich auf insgesamt 19 Seiten beanstandet wird?“

*****



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Na ja, Frau Abgeordnete, Teile dieses Berichts haben mich ja tatsächlich in Erstaunen versetzt, weil ich bislang nicht gewusst habe – und ich glaube, ich bin da sozusagen auch in guter Gesellschaft, wenn ich das behaupte –, dass Regelungen, die auf dem Boden des europäischen Rechts stehen, nicht gegen internationales Recht verstoßen können. Das ist aber eines der Ergeb­nisse, das in cumulo in diesem UNHCR-Bericht entsprechend zum Ausdruck gebracht wird. Ich weiß nicht, manchmal habe ich fast den Eindruck, dass das von einer NGO geschrieben sein könnte, so tendenziös ist das. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ein Punkt, den ich dabei besonders hervorheben möchte, ist die Beschreibung eines angeblich so frostigen Klimas im Zusammenhang mit den Einvernahmen im Asylver­fahren. Jetzt habe ich mich schlau gemacht, und meine Erkundigungen haben erge­ben, dass bei keiner einzigen Einvernahme, die ein Polizist oder ein Mitarbeiter des BFA im Zusammenhang mit einem Asylverfahren durchgeführt hat, einer dieser Damen und Herren Beobachter dabei gewesen ist. Das heißt, sie sprechen dort von etwas, das sie nicht selbst gesehen haben. Offensichtlich hat man den Weg gewählt, sich von diversen NGOs oder von deren Rechtsvertretern oder von den Asylwerbern selbst die Geschichten erzählen zu lassen, ohne dass dann bei diesen Schilderungen wieder ein Beamter des BMI dabei gewesen wäre. – Also ich glaube, dass das keine seriöse Vorgangsweise ist.

Insgesamt sage ich Ihnen, Frau Abgeordnete, wir brauchen uns für das österreichische Asylsystem nicht zu genieren. Wir erfüllen alle menschenrechtlichen Standards, wir übererfüllen sie sogar in manchen Bereichen – wir werden heute ohnehin auch noch beim ersten Tagesordnungspunkt darüber diskutieren.

Ich glaube, wenn die UNO betreffend den ganzen Gedanken des Flüchtlingswesens einen positiven Beitrag leisten möchte, dann sollte man dort hinschauen, wo es wirklich Probleme gibt. In der arabischen Welt würde ich diese zuhauf verorten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Es gibt also keine Konsequenzen. – Herr Bun­desminister, wie begründen Sie als Behördenleiter den rechtsstaatlich bedenklichen Umstand, dass fast die Hälfte der erstinstanzlichen Asylbescheide durch den Bundes­verwaltungsgerichtshof aufgehoben wird?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Frau Abgeordnete, auch auf die Gefahr hin, dass ich Ihnen das schon einmal gesagt habe (Abg. Rosenkranz: Richtig!): Eine unrichtige Behauptung wird nicht dadurch richtig, dass man sie permanent wiederholt. Das gilt genau für das, was Sie jetzt gesagt haben (Beifall bei FPÖ und ÖVP), weil ganz einfach das, was hier in der öffentlichen Kommunikation immer wieder als Aufhebung eines Bescheids interpretiert wird, nicht die Aufhebung eines Bescheids ist; das, was in die Statistik hineingezählt wird, ist jedwede kleine Abänderung in einem Bescheid.

Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Wenn jemand einen negativen Asylbescheid bekom­men hat und das Land verlassen muss, wenn es also eine aufrechte Rückkehrent­scheidung gibt, dann wird ihm dafür eine Frist eingeräumt. Jetzt kann es sein, dass das Verwaltungsgericht in der Instanz diese Frist um ein paar Tage verlängert oder um ein paar Tage verkürzt. In diesem Fall hat es eine Änderung in diesem Bescheid gegeben, und eine solche Änderung würde in dieser Statistik aufschlagen. Das hat überhaupt nichts mit Aufheben zu tun, ganz im Gegenteil. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg.


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Rosenkranz: Wissen wir das jetzt oder kriegen wir das das nächste Mal wieder als Frage?)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die letzte Anfrage stellt Herr Abgeordneter Jenewein. – Bitte.

10.23.47


Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, MA (FPÖ): Geehrter Herr Bundesminister! Die vorliegende aktuelle Polizeistatistik für das Jahr 2018 zeigt den niedrigsten Stand an angezeigten Delikten, dafür auf der anderen Seite den höchsten Stand bezüglich Aufklärungsquote seit Beginn der elektronischen Aufzeichnungen im Jahr 2000. Ich denke, das ist auch einmal der richtige Ort, um sich bei den Polizeibeamten in diesem Land, die teilweise unter Einsatz ihrer Integrität und ihres Lebens dafür sorgen, dass die Sicherheit in Österreich gewährleistet ist, zu bedanken. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Die Polizeistatistik weist aus, dass 288 414 Tatverdächtige im Jahr 2018 ausgeforscht werden konnten, und bei diesen wiederum sieht man schon ein sehr eindeutiges Verhältnis, nämlich dass 60 Prozent dieser Tatverdächtigen die österreichische Staats­bürgerschaft besitzen, 40 Prozent allerdings Zuwanderer beziehungsweise Ausländer sind, Fremde sind. Da ist leider Gottes eine durchaus signifikante Steigerung im Vergleich zum Jahr 2017 zu bemerken. Das wiederum ist leider, muss man sagen, der höchste Wert der letzten zehn Jahre – und damit komme ich zu meiner Hauptfrage.

123/M

„In welchen Deliktsfeldern ist der Anteil der fremden Tatverdächtigen gemäß Krimi­nalstatistik 2018 besonders hoch?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Herr Abgeordneter, vielen Dank für diese faktengetreue Darstellung der Kriminalstatistik und vielen Dank auch für das Lob, das Sie den Polizistinnen und Polizisten dieses Landes ausgesprochen haben (Beifall bei FPÖ und ÖVP), denn wie Sie zu Recht gesagt haben, die Tatsache, dass wir uns über diese positiven Zahlen sozusagen freuen dürfen, dass wir uns in Sicherheit fühlen dürfen, ist ausschließlich deren Verdienst.

Es gibt aber einige Entwicklungen oder einige Problembereiche, die uns wirklich mit Sorge erfüllen, und der von Ihnen angesprochene ist ein solcher. Man kann sagen, dass es einzelne Deliktsfelder gibt, bei denen Sie kaum noch einen Österreicher finden, und Sie haben danach gefragt, welche das sind.

Taschendiebstahl und Trickdiebstahl zum Beispiel sind solche Felder, wo Sie weit über 70 Prozent Ausländer haben, die dabei die Täter sind. Eine zweite Komponente, die sehr, sehr tief in das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen eingreift – das tun übrigens Taschendiebstahl und Trickdiebstahl auch –, ist der Wohnraumeinbruch, das bedeutet das Eindringen in Häuser und Wohnungen. Dort haben wir einen Anteil von ausländischen Tatverdächtigen von über 80 Prozent. Das Ganze steigert sich noch einmal, wenn es um Pkw-Diebstahl geht – da ist der Anteil ausländischer Tatver­däch­tiger bei satt über 90 Prozent –, und das Gleiche gilt dann, wenn es um Raubüberfälle bei Juwelieren geht.

Sie sehen also, diese Dinge sind fest in ausländischer Hand. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage?



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 38

Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, MA (FPÖ): Nein.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke. – Es sind alle Anfragen zum Aufruf gelangt. Ich darf mich bei Bundesminister Kickl recht herzlich bedanken. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.27.11Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungs­gegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 3537/J bis 3565/J

Schriftliche Anfrage an den Präsidenten des Nationalrates: 30/JPR

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Finanzausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 2018 geändert wird (624 d.B.)

Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird (626 d.B.)

Justizausschuss:

Haftungsrechts-Änderungsgesetz 2019 – HaftRÄG 2019 (623 d.B.)

Verfassungsausschuss:

2. Dienstrechts-Novelle 2019 (625 d.B.)

*****

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Um den Punkt 14 der Tagesordnung in Ver­handlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erfor­derlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des Ausschussberichtes abzu­sehen.

Dabei handelt es sich um den Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 1./8. Bezirk, vom 3. April 2019 um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten Loacker, 622 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für die­sen Ausschussbericht ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist Einstimmigkeit. Damit ist der Antrag einstimmig angenommen. – Danke schön.


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Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 3 bis 6, 7 bis 9 sowie 10 und 11 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Es wird kein Einwand erhoben.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Klub der NEOS hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung ein­gebrachte schriftliche Anfrage 3565/J der Abgeordneten Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Putins Freunde in der FPÖ bedrohen unsere liberale demokratische Ordnung in Europa und die ÖVP schaut zu“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt wer­den.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 3006/AB


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 3006/AB der Anfrage 3041/J der Abge­ordneten Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mitwirkung an einer ver­fassungsrechtlich bedenklichen und neuerlich gleichheitswidrigen Lösung betreffend das EuGH-Urteil zum Karfreitag“ durch die Frau Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage ver­langt wurde, wird diese kurze Debatte im Anschluss daran stattfinden.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde eine Einigung erzielt, dass die Tagesblockzeit 7 „Wiener Stunden“ beträgt.

Die Redezeit gliedert sich wie folgt: ÖVP 130 Minuten, SPÖ und FPÖ je 116 Minuten sowie NEOS und JETZT je 39 Minuten. Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für jene Abgeordneten, die keinem Klub angehören, insgesamt 20 Minuten, pro Debatte 5 Minuten.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Redezeiten.

Ich bitte jene, die für den Vorschlag sind, um ein Zeichen. – Das ist wiederum die Einstimmigkeit. – Danke schön.

10.30.311. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungs­vor­lage (594 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das


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BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden (621 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zu deren 1. Punkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte.


10.31.10

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister – er ist gerade weggegangen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bild­schirmen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Unser Herr Präsident hat gerade den sperrigen Titel dieses Gesetzes vorgelesen. Worum geht es? – Es geht um die Flücht­lings­betreuung.

Ich möchte ein bisschen in der Geschichte zurückgehen. Bereits 2003 unter Schwarz-Blau I hat der damalige Bundesminister für Inneres Ernst Strasser die Flüchtlings­be­treuung ausschreiben lassen. European Homecare – ein deutscher Anbieter – über­nahm damals die Aufgabe, wurde aber später wegen finanzieller Schwierigkeiten gekündigt. Seit 2012 hat die ORS Service GmbH den Auftrag, die Republik Österreich in der Flüchtlingsbetreuung – für die Asylsuchenden in Bundesbetreuung – zu ver­treten.

Sie haben damit geworben, dass sie ein gewinnorientiertes Unternehmen sind, und versprachen nicht nur politische und religiöse Neutralität, sondern sie haben auch höchste Effizienz in der Verwendung von öffentlichen Mitteln versprochen. Die NGOs haben zum jetzigen Zeitpunkt die Rechtsberatung und auch die Rückkehrberatung übernommen.

Die neue Agentur soll jetzt gegründet und schrittweise eingeführt werden, denn der Vollbetrieb soll erst 2021 beginnen. Mit 2020 soll die Grundversorgung in Betrieb gehen, mit 2021 die Rechtsberatung; eine Evaluierung des Gesetzes ist für 2024 vor­gesehen.

Begründet werden die Ausschaltung der NGOs und sämtliche Änderungen mit mehr Kosteneffizienz und die Reduzierung der Abhängigkeit von externen Leistungs­erbrin­gern. Zudem wird darauf hingewiesen – das hat uns der Herr Minister auch im Aus­schuss gesagt –, dass es eine faire, realistische und objektive Rechtsberatung geben soll, und vor allen Dingen – noch ein wesentlicher Punkt – soll es zu einer Erhöhung der Zahl der freiwilligen Ausreisen kommen.

Kommen wir zu den Kosten: Für die Errichtung der Gesellschaft entstehen Einmal­kosten in Höhe von 10,9 Millionen Euro. Zusätzlich sollen dann von 2019 bis 2020 noch einmal Mehrkosten von 10 Millionen Euro dazukommen. Für 2021 bis 2023 spricht man in der Kostenabschätzung von Minderausgaben in der Höhe von 43,1 Mil­lionen Euro.

Herr Minister, das ist für uns nicht nachvollziehbar. Wenn ich weniger Asylanträge habe, dann sinken die Kosten von selbst, und das kann ich nicht automatisch in die Kostenrechnung so miteinbeziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Bundesagentur soll eine gemeinnützige sein, die nicht auf Gewinn ausgerichtet ist. Sie soll einen Aufsichtsrat mit zwölf Mitgliedern erhalten. Von diesen zwölf Mitglie­dern werden sechs vom Bundesministerium für Inneres – darunter der Leiter und der Stellvertreter –, ein Mitglied vom Bundesministerium für Finanzen, eines vom Bun­des­ministerium für Justiz ernannt, und vier sind Personalvertreter.


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Für den Übergang bis zum Vollbetrieb bestellt der Herr Bundesminister interimistisch auf zwei Jahre einen Geschäftsführer, möglicherweise auch einen zweiten und/oder einen Prokuristen, der nicht dem Ausschreibungsgesetz unterliegt. Das bedeutet, dass er dort – so wie es bereits bei den Generalsekretären gemacht wurde – jemanden ohne Ausschreibung und ohne Überprüfung von Kriterien einsetzt. Erst bei Vollbetrieb beginnt letztlich die Pflicht, auszuschreiben. – Wie soll das funktionieren? Wie soll das dann eine faire Ausschreibung werden?

Der Rechtsanspruch auf Rechtsberatung wird – nach Ihren Worten – auf das notwen­dige Maß heruntergebrochen. Wenn ich dann nachlese, steht im Gesetz „nach Maß­gabe der faktischen Möglichkeiten“. Wenn ich mir dann die Anzahl der Mitarbeiter anschaue, dann bin ich schon neugierig, wie das mit 15 Dolmetschern – die Sie zum Start für ganz Österreich einsetzen und mit denen Sie alle Asylwerber beraten wollen – so funktionieren soll, dass die Verfahren korrekt und in Ordnung erledigt werden.

Meine letzte Anmerkung: Zwischen der Begutachtung und der Beschlussfassung ist dann noch ein zusätzlicher Paragraf hineingeschummelt worden, mit dem Sie die bisher mit der Rechtsberatung Betrauten verpflichten, alle ihre Dokumente heraus­zu­geben, damit sie der Bundesagentur zur Verfügung stehen.

Das bedeutet nun, dass wir zwar den Abänderungsanträgen der anderen Fraktionen zustimmen, dem Gesetz aber letztendlich keine Zustimmung geben werden. Es ist nämlich letztlich die Ausschaltung der NGOs, es ist ein Eingriff in bestehende Rechte, der Rechtsanspruch wird eingeschränkt, und die bisher betrauten juristischen Per­sonen werden von ihren Unterlagen sozusagen befreit. Es ist daher keine Verbes­serung in meinen Augen, Sie zerstören ein gut funktionierendes System. Wir werden diesem Gesetz daher nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Jenewein ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


10.37.12

Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, MA (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird Sie nicht wundern, dass ich zu einer gänzlich anderen Einschätzung als meine Vorrednerin komme.

Ich glaube, es ist ganz im Gegenteil heute einmal ein Tag, an dem man sich ernsthaft über eine Gesetzesinitiative freuen kann, denn endlich wird etwas umgesetzt, was wir seit vielen, vielen Jahren fordern. In den vergangenen Jahren haben wir gesehen, dass sich durch die Betreuung durch NGOs eine Vielzahl von Problemfeldern aufgetan hat, die wir jetzt endlich beheben können.

Mit dem Errichtungsgesetz, das wir heute beschließen, ist es erstmals möglich, die Rechtsberatung in asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren und die Rückkehrberatung zu objektivieren. Wie war das in der Vergangenheit? – In der Vergangenheit waren verschiedenste privatwirtschaftlich organisierte Einrichtungen daran beteiligt, und man hatte oftmals den Eindruck, dass es da gar nicht um Rückkehrberatung ging. Vielmehr hatte man meistens den Eindruck, dass es eigentlich um eine Beratung ging, um dieses Asylverfahren so lange wie möglich in die Länge zu ziehen, um im Endeffekt doch noch irgendwie einen Aufenthaltsstatus zu bekommen.

Warum hat man früher diesen Weg gewählt? – Das war ganz klar, weil jeder Asyl­werber, der in der Beratungssituation bei einer solchen NGO war, für diese Vereine natürlich bares Geld bedeutet hat. Zudem muss man natürlich auch konstatieren, dass gerade jene Bereiche, die von Grünen- und SPÖ-nahen Vereinen beraten wurden, natürlich auch ein Versorgungsheim für Soziologen, Pädagogen, Sozialarbeiter, Polito-


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logen und sonstige Sozialwissenschaftler waren, wo man Leute wirtschaftlich versor­gen konnte. Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit diesem Unwesen wird jetzt Schluss gemacht! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Greiner.) Was ich sage, kann ich auch belegen. So ist es ja nicht! Ich belege es auch.

Ich möchte nur daran erinnern, dass im Jahr 2015 das sogenannte „Südwind Ma­gazin“ – vielleicht kennen es einige von Ihnen; es ist aber nicht so wichtig, es zu kennen – in seiner Ausgabe 6/2015 in einem Drei-Punkte-Plan dargelegt hat, wie es möglich ist, Abschiebungen bestmöglich zu verhindern. (Abg. Hafenecker: Unglaub­lich!) Im letzten Satz steht dann, dass ab dem Zeitpunkt, zu dem die Flugzeugtüre geschlossen wird, der Pilot schlussendlich darüber entscheidet, ob jemand mitge­nommen werden kann oder ob jemand nicht mitgenommen wird. Man braucht also nur laut genug zu schreien, um dann im Endeffekt eine Abschiebung zu verhindern.

Auch das war eine Beratung, wie sie teilweise von NGOs gekommen ist, in dem Fall halt von einem Magazin, wobei man einfach versucht hat, das Verfahren in die Länge zu ziehen, den Rechtsstaat auszureizen, bis an die letzten Möglichkeiten zu gehen. Ich bin frohen Mutes, dass wir mit der neuen Agentur, die heute gegründet wird, diese Unsitten und diese Dummheiten endlich beenden.

Ich stehe hier nicht an, mich auch beim Innenminister für diese Initiative zu bedanken, weil ich der Ansicht bin, dass das ein ganz wesentlicher Schritt in Richtung Rechts­staatlichkeit, aber auch in Richtung Rechtssicherheit ist. Wir haben hier oft Gesetzes­materien, die in ihrer Komplexität und in ihrer Auswirkung erst Monate oder Jahre später greifbar oder begreifbar werden, weil es einfach so lang dauert, bis sich gewisse Systeme verändern. Hier haben wir heute wirklich ein Gesetz am Tisch liegen, das eine konkrete Veränderung zeigt, eine konkrete Veränderung zum Positiven, und ich freue mich sehr, dass wir diesem Gesetz hier mit schöner Mehrheit zustimmen werden und dass diese Bundesregierung zeigt, dass ihr die Interessen der eigenen Bevöl­kerung wichtiger sind, als das in der Vergangenheit mitunter der Fall war. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Krisper ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


10.41.23

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir sind auch der Meinung, dass es Reformen beim Rechtsberatungssystem in Asylverfahren bedürfte, aber gerade die wichtigen Punkte wurden unserer Meinung nach nicht angegangen, nämlich bei der Qualität der Dolmetscher und bei den Qualitätsanforderungen an Rechtsberater etwas zu tun. Das ist Ihnen, Herr Innenminister, aber leidlich egal, und Sie machen das Ganze noch viel schlimmer.

Sie werden jetzt natürlich behaupten, Sie lassen Ihren Worten nun Taten folgen; Sie von der FPÖ sprechen ja durchgehend von der Asylindustrie, die bei den Asylverfahren vermeintlich so viel verdient. (Abg. Deimek: Richtig! Ja, das ist so! Sie kommen ja aus diesem Bereich, Sie haben ja Erfahrung!)

Apropos Asylindustrie: Die aktuellen Entgelte für die Rechtsberatung sind nicht kosten­deckend, allein die Arge Rechtsberatung muss im Jahr 2019 voraussichtlich 860 000 Euro eigenfinanzieren – eine sehr arme Industrie. Das muss in Zukunft der Staat zahlen.

Es gibt viele, viele andere Gründe, warum es teurer wird und es nicht, wie Sie in der Wirkungsfolgenabschätzung meinen, zu einer Kostensenkung und zu Einsparungen kommen wird.


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Es sind in der Berechnung die Tagessätze der Betreuungsleistungen unhaltbar. Die Mietkosten haben Sie in der von Ihnen berechneten Variante niedriger berechnet als in der ORS-Variante, was völlig unschlüssig ist. Sie haben die Kosten für das Sicher­heitspersonal, das Sie brauchen werden, weggelassen, die fallen aber an, wenn ORS aussteigt. Sie haben vergessen, die einmaligen Kosten von 10,9 Millionen Euro für die Errichtung der BBU reinzunehmen. Sie haben vergessen – was die Diakonie ausge­rechnet hat –, die einmaligen Mehrkosten von mindestens 17,6 Millionen Euro für die Übernahme der Rechtsberatung und -vertretung in bereits anhängigen Verfahren rein­zunehmen. Sie haben sehr eng geplant, Sie haben nur 15 Dolmetscher vorge­sehen. Das geht sich schon für die Einvernahmen nicht aus, aber schon gar nicht für die beratenden Gespräche. Sie reduzieren die Zahl der Rechtsberater auf 110, wobei völlig unklar ist, wie das reichen soll.

Das heißt, es ist davon auszugehen, dass es viel teurer wird, als Sie annehmen. Ihre Berechnung in der Regierungsvorlage ist ohnehin auch schon falsch, also wird es noch teurer, als es die falsche Berechnung ausweist. Es kommt noch dazu zu einer unfass­baren Bürokratisierung. Laut Wirkungsfolgenabschätzung werden 251 Mitarbeiter in der Grundversorgung als Betreuer, 73 bis 79 BMI-Beamte und 43 als Overhead tätig sein. Wir haben dann 33 Prozent administrativen Überbau für 67 Prozent von Perso­nen, die dann wirklich für die Menschen arbeiten.

Das Absurde ist dabei: Sie von ÖVP und FPÖ wollen da verstaatlichen. Das macht das Ganze für mich unfassbar unverständlich. Es wird nicht nur teurer, sondern in der Qualität auch schlechter. Das ist Ihnen ja sehr recht, weil Sie diese unabhängige Rechtsberatung, die es jetzt gibt, abschaffen und in eine abhängige Rechtsberatung umwandeln wollen. Das wird so passieren: Es wird eine abhängige Rechtsberatung werden, weil diese Agentur unter Ihrem Einfluss steht und Sie gleichzeitig auch Oberbehörde des verfahrensführenden Bundesamtes für Asylwesen sind.

Jetzt werden Sie sagen, der Justizminister bestellt zwar die Bereichsleitung, aber die ist weiterhin der von Ihnen wiederum bestellten Geschäftsführung weisungs­unter­worfen. – Also da ist eine Abhängigkeit klar gegeben.

Der Rechtsanspruch auf Rechtsberatung wird in vielen Fällen eingeschränkt. In manchen Fällen hat sich sogar das VMÖ kritisch geäußert, zumindest dann sollten Ihre Alarmglocken schrillen.

Von der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht durch Sie sind nur die Rechts­berater ausgenommen, nicht aber auch andere Mitarbeiter wie Dolmetscher oder Be­treuer.

Unserer Meinung nach verletzt deswegen Ihr System, das Sie hier einführen wollen, viele menschenrechtliche Vorgaben: das Recht auf ein faires Verfahren, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, demnach EMRK- und auch Grundrechtecharta-Bestimmungen.

Warum ignorieren Sie das alles? Es haben sich diesbezüglich die Rechtsanwalts­kammer und viele, viele seriöse und nicht nur involvierte NGOs zu Wort gemeldet. – Sie, Herr Minister, wollen die Beschwerdezahl reduzieren. Sie haben im Innenaus­schuss klar gesagt, in Österreich erheben 70 bis 80 Prozent eine Beschwerde, in der Schweiz sind es unter 20 Prozent. Woran liegt das vielleicht? – Daran, dass in Österreich eine unfassbare, inakzeptable Fehlerquote in erster Instanz vorherrscht, näm­lich eine von 42 Prozent, und sich deswegen natürlich sehr viele beschweren müssen.

Der richtige, rechtsstaatliche Weg zu einer Senkung der Beschwerdequote wäre, die Qualität der Verfahren und der Entscheidungen zu heben. Das ist Ihnen aber leidlich egal. Wir brauchen faire und schnellere Verfahren, und dazu bräuchte es bessere


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Qualität und auch mehr Ressourcen in der zweiten Instanz beim Justizministerium, wo mittlerweile zigtausend Fälle anhängig sind. Dafür werden wir uns einsetzen.

Ihre neue Systematik der BBU lehnen wir strikt ab. (Beifall bei den NEOS.)

10.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mahrer. – Bitte.


10.46.14

Abgeordneter Karl Mahrer, BA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Eines gleich vorweg, meine Damen und Herren: Mit der neuen Bundesagentur für Betreuungs- und Unter­stützungsleistungen setzen wir tatsächlich einen weiteren Schritt in die richtige Richtung: Asylpolitik, die sowohl den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit entspricht als auch internationale menschenrechtliche Vorgaben berücksichtigt, und – das ist uns besonders wichtig – Rechtssicherheit für alle, Frau Abgeordnete Krisper, bei schnel­leren und fairen Verfahren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich sage ganz deutlich, die Betreuung von Asylwerbern ist eine hoheitliche Aufgabe, der wir uns mit der notwendigen Effizienz, mit dem entsprechenden Mitteleinsatz und mit der Kompetenz ausgewiesener Experten auch stellen müssen.

Aber worum geht es uns im Kern? – Es geht uns um Qualität, um Objektivität und um die Betreuung von Menschen durch hochqualifizierte Mitarbeiter. Wir wollen aber auch, und das ist heute gesagt worden, rasche, effiziente und faire Verfahren. Wir wollen Kosteneffizienz, faire Rechtsberatung und eine realistische Prognose für die Betroffenen, und das war nicht immer so, wie auch heute kurz angeführt worden ist.

In vielen Fällen wurde von Vertretern einzelner NGOs der Eindruck erweckt, dass am Ende eines mehrstufigen Verfahrens jedenfalls das Bleiberecht steht – auch bei offen­kundiger Aussichtslosigkeit. Damit hat man jahrelang Unsicherheit bei den Betroffenen zugelassen, und das Ergebnis, meine Damen und Herren, kennen Sie: Das war oft bittere Enttäuschung, Fassungslosigkeit bei den Betroffenen, weil sie ja völlig anders beraten worden sind. – Eine Vorgehensweise, die meines Erachtens menschen­un­würdig ist und die wir nun ändern. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Mit dem nun vorliegenden Gesetz wird die Grundlage für eine unabhängige, geset­zeskonforme und menschenwürdige Betreuung geschaffen, die Abhängigkeit von externen Leistungserbringern, auch das wurde angesprochen, wird beseitigt. Ich möchte auch betonen, die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungs­leis­tungen wird nichts an der jetzigen Systematik des Asylverfahrens und der Antragstel­lung ändern.

Die Ziele sind ganz klar: Durchführung der Grundversorgung für hilfs- und schutz­bedürftige Fremde ohne Verlust von Leistung und Qualität; Rechtsberatung, die fair, realistisch und objektiv ist und eine neutrale Darstellung und Aufklärung über die Erfolgsaussichten im Sinne der Betroffenen bietet, samt ihrer realistischen Chancen; und die Durchführung einer Rückkehrberatung, einer ehrlichen Rückkehrberatung und die Hilfestellung bei dieser Rückkehr.

Die Agentur wird sich darüber hinaus auch darum kümmern, dass Menschen­rechts­beobachter Abschiebungen überwachen und auch Dolmetscher und Übersetzer wäh­rend des Asylverfahrens zur Verfügung stehen.


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Meine Damen und Herren! Zwei Ministerien, nämlich das Bundesministerium für Inneres und das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz haben Rahmenbedingungen ausgearbeitet, die den Grundsätzen der Rechts­staatlichkeit zu 100 Prozent entsprechen. Das war unser höchstes Ziel. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung steht, wie Sie gehört haben, zur Gänze im Eigentum der Republik Österreich. Die Geschäftsführung wird von einem Aufsichtsrat kontrolliert, der aus Vertretern des Innenministeriums, des Justizministeriums und des Finanzministeriums zusammengesetzt ist, und selbstverständlich wird die Agentur vom Rechnungshof geprüft.

Meine Damen und Herren, die Rechtsberater, auch das ist noch wichtig zu sagen, sind künftig nur mit Zustimmung des Justizministeriums auszuwählen. Das Justizminis­terium bestellt den Leiter des Sachbereichs zur Rechtsberatung in zweiter Instanz, und es wird darüber hinaus eine akkordierte Festlegung des Auswahlverfahrens bei Rechtsberatern geben. Wir sprechen also hier nicht, was viele Kritiker immer wieder sagen, von irgendeinem Alleingang, sondern es gibt ein koordiniertes und wirkungs­volles Zusammenwirken im Sinne der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenwürde.

Meine Damen und Herren! Dass das alles nicht etwas Neues ist, beweist auch die Schweiz, wo dieses System mit Erfolg umgesetzt wird.

Ich möchte mich daher abschließend bei Bundesminister Herbert Kickl, seinen Exper­ten und auch für die Zusammenarbeit mit dem Justizminister sehr herzlich bedanken. Ich sehe durch die Schaffung der neuen Bundesagentur für Betreuungs- und Unter­stützungsleistungen den neuerlichen Beweis auch in diesem Fall erbracht: Diese Bun­desregierung und diese Regierungsparteien halten, was sie versprechen – im Sinne der Menschen in Österreich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

10.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Noll. – Bitte.


10.51.48

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (JETZT): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister! Ich will nicht wiederholen, was Kollegin Krisper gesagt hat, zum größten Teil schließen wir uns dieser Kritik an. In einem Punkt unterscheide ich mich aber zumindest schon sehr von der Kritik. Ich halte grundsätzlich den Weg, die Grund­versorgung wieder unter staatliche Obhut zu geben, für den richtigen Weg. Die Grund­versorgung ist eine soziale Aufgabe des Staates, er hat hier auch für Sicherheit zu sorgen, und diesen Weg halte ich an und für sich für richtig. Deshalb ist die Errichtung dieser Bundesagentur, wie sie in Aussicht genommen wurde, etwas, dem ich grund­sätzlich zustimme.

Ich sehe es auch so wie Frau Kollegin Krisper, dass die Dimensionierung viel zu gering angesetzt ist. Das mag Gründen der Opportunität geschuldet sein. Diesbezüglich wird man mehr Geld, mehr Mittel, mehr Personal investieren müssen, wenn man den Stand, der durch die gesetzlichen Definitionen vorgegeben ist, halten will.

Ein grundsätzliches Problem – ich habe das im Ausschuss mehrfach erwähnt – habe ich mit zwei Dingen. Erstens einmal: Die Aufgaben der Bundesagentur, wie sie in § 2 geregelt sind, decken nicht das ab, was im Gesetz dann tatsächlich als Aufgaben beschrieben wird. Da hätte hineingehört, dass auch die Rechtsvertretung eine Aufgabe der Bundesagentur ist. Das ist unterlassen worden. Herr Taucher hat gesagt, das ist


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der Tradition geschuldet, das hat man halt irgendwie vergessen. Das ist rechtsstaatlich einfach nicht gut gemacht.

Das inhaltlich größere Problem ist, dass Rechtsberater im Gesetz flugs zu Rechts­vertretern werden. Man kann, so wie Kollege Jenewein das heute schon gesagt hat, durchaus darüber reden, dass Rechtsberatung objektiv sein soll. Rechtsvertretung aber kann – ich bitte um Verständnis, da schlägt mein Herz als Anwalt – nicht objektiv sein, sondern muss sich ausschließlich am Interesse der Vertretenen orientieren. Alles andere lässt ja den Verdacht hochkommen, dass man diese Rechtsvertretung dann nicht ernst meint. (Beifall bei JETZT sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Ein besonderes Problem ist natürlich das, was im § 28 Abs. 2 und Abs. 3 geregelt wurde, nämlich die Herausgabe von Daten. Der Österreichische Rechtsanwaltskam­mertag hat zu Recht moniert, dass da die Gefahr besteht, dass die anwaltliche Ver­schwiegenheitspflicht gebrochen oder unterlaufen wird. Ich stelle deshalb folgenden Abänderungsantrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Alfred J. NolI, Dr.in  Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die eingangs bezeichnete Regierungsvorlage 594 der Beilagen wird wie folgt geändert:

In Art. 1 wird in § 28 Abs. 2 und Abs. 3, am Ende beider Absätze, jeweils folgender letzter Satz eingefügt:

„Rechtsanwälte sind davon ausgenommen.“

*****

Diese Regelung – was ich bereits kurz angeführt habe –, nämlich dieser Zwiespalt zwischen Rechtsberatung und Rechtsvertretung, gibt Anlass für Misstrauen, weil das erklärte Ziel, nämlich Beschwerdemöglichkeiten entweder quantitativ einzuschränken oder gar qualitativ zu verhindern, ja offensichtlich ist. Dieses Misstrauen wird auch durch die bekannte und in der Öffentlichkeit vielfach diskutierte Umbenennung der Erstaufnahmestellen in sogenannte Ausreisezentren gerechtfertigt.

Ich habe mir die Beantwortung Ihres Hauses auf die Anfrage der NEOS angeschaut. Sie meinten da: Na ja, das ist ganz unbedenklich, weil das ja nur eine deklarative Benamsung ist. – Der Witz ist nun freilich, dass genau diese deklarative Benamsung durch eine Verordnung Ihres Hauses vorgegeben ist. In der Verordnung Ihres Hauses steht expressis verbis: „Am Eingang der jeweiligen Erstaufnahmestellen ist die Be­zeichnung ,Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – Erstaufnahmestelle‘ anzu­brin­gen.“

Also da wird just eine rechtmäßige Regelung für die deklarative Bezeichnung dieser Häuser getroffen. Da müssen Sie nicht mahnend den Zeigefinger erheben, so gut kenne ich mich juristisch aus. Das ist einfach verordnungswidrig, und die Chuzpe daran ist natürlich, dass Sie sagen, Sie wollen die Verordnung gar nicht ändern, weil Sie schreiben halt irgendetwas drauf.


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Wir stellen daher folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr.in Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend „Um­benennung der Erstaufnahmestellen in Ausreisezentren“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der zuständige Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, die Umbenennung der Erstaufnahmezentren in Ausreisezentren unver­züglich rückgängig zu machen und die entsprechende Beschilderung am Eingang der Erstaufnahmezentren zu entfernen.“

*****

Danke. (Beifall bei JETZT.)

10.56

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Dr.in Alma Zadic, LL.M., Dr.in Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten (621 d.B.) über die Re­gierungsvorlage (594 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden (TO-Punkt 1)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die eingangs bezeichnete Regierungsvorlage (594 d.B.) wird wie folgt geändert:

In Art. 1 wird in § 28 Abs. 2 und Abs. 3, am Ende beider Absätze, jeweils folgender letzter Satz angefügt:

„Rechtsanwälte sind davon ausgenommen.“

Erläuterungen:

In einem Rechtsstaat ist der absolute Schutz der rechtsanwaltlichen Verschwiegenheit ein hohes Gut und muss stets gewährleistet sein. Es ist jeder legistischen Formu­lierung vorzubeugen, die einen Spielraum für eine die anwaltliche Verschwiegenheit einschränkende Interpretation eröffnen könnte.

In der Vergangenheit ist es vorgekommen, dass Betroffene sich dazu entschieden haben, zusätzlich zur Rechtsberatung einer Organisation einen Rechtsanwalt dem Verfahren (z.B. Schubhaftbeschwerdeverfahren) beizuziehen. Bei dieser Konstellation kommt es zu einem Austausch zwischen der Organisation und dem Rechtsanwalt, was


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letztendlich auch zu einem Austausch etwa von Verfahrensdokumenten – im Rahmen der rechtlichen Zulässigkeit – führt. Auch in Verfahren, in denen sich Betroffene vor den Höchstgerichten von einem Rechtsanwalt vertreten ließen und der Fall im fort­gesetzten Verfahren wieder vor dem Verwaltungsgericht verhandelt wird, übernimmt oftmals eine Organisation die weitere Rechtsvertretung und erhält in der Regel von dem betreffenden Rechtsanwalt die bisherigen Verfahrensdokumente.

Diese Konstellationen aus der Praxis veranschaulichen, dass es im Zuge einer Rechts­beratung durchaus zu einem Informationsaustausch zwischen Organisationen und Rechtsanwälten kommen kann. Sollten Rechtsberater gemäß § 28 BBU-G in Hinkunft daher Informationen an die neu zu schaffende BBU GmbH weitergeben müssen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass hiervon auch rechtsanwaltliche Unterlagen um­fasst sind.

Das könnte zu einem potentiellen Eingriff in die rechtsanwaltliche Verschwiegenheit über Umwege führen. Es bedarf daher einer gesetzlichen Klarstellung, dass Rechts­anwälte und deren Unterlagen von den Bestimmungen des § 28 Abs. 2 und Abs. 3 BBU-G ausgenommen sind.

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr.in Alma Zadic, LL.M., Kolleginnen und Kollegen

betreffend Umbenennung der Erstaufnahmestellen in Ausreisezentren

eingebracht im Zuge der Debatte zu Tagesordnungspunkt 1: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten (621 d.B.) über die Regierungsvorlage (594 d.B.) betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundes­agentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden.

Begründung

Seit dem 1. März 2019 sind am Eingang der Erstaufnahmezentren in Österreich, wie beispielsweise jenes in Traiskirchen/NÖ, Tafeln mit der Aufschrift „Ausreisezentrum“ angebracht.

https://images.derstandard.at/img/2019/04/14/trais.jpg?tc=2000&s=71d7a6ef foto: apa/robert jaeger


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Vor dem Hintergrund, dass sich sowohl im Asylgesetz (AsylG 2005), als auch im BFA-Verfahrensgesetz, dem BFA-Einrichtungsgesetz und in der BFA-G-Durchführungs­ver­ordnung die Bezeichnung „Erstaufnahmestelle“ befindet, liegt der Verdacht nahe, dass es sich hier um eine Umbenennung ohne gesetzliche Grundlage handelt. Vor allem die BFA-G-Durchführungsverordnung regelt die Beschilderung der Erstaufnahmezentren sehr klar:

„Erstaufnahmestellen

§ 1. (1) Es sind zwei Erstaufnahmestellen gemäß § 29 Abs. 1 AsylG 2005 und eine Erstaufnahmestelle am Flughafen gemäß § 31 Abs. 1 AsylG 2005 eingerichtet. Am Eingang der jeweiligen Erstaufnahmestellen ist die Bezeichnung „Bundesamt für Frem­denwesen und Asyl – Erstaufnahmestelle“ anzubringen.

(2) Die Erstaufnahmestelle „Ost“ ist in Niederösterreich in der Gemeinde Traiskirchen (Postleitzahl 2514), Otto-Glöckelstraße 22-24 (Betreuungsstelle des Bundes), einge­richtet.

(3) Die Erstaufnahmestelle „West“ ist in Oberösterreich in der Gemeinde St. Georgen im Attergau (Postleitzahl 4880), Thalham 80 (Betreuungsstelle des Bundes), ein­ge­richtet.

(4) Die Erstaufnahmestelle „Flughafen“ ist in Niederösterreich in der Stadtgemeinde Schwechat, am Gebiet des Flughafens Wien-Schwechat, Nordstraße, Objekt 800, eingerichtet.“

Gesetzesstellen, die sich explizit auf Erstaufnahmestellen beziehen, sind ua:

§ 28 AsylG 2005 (Zulassungsverfahren)

(4) Dem Asylwerber in der Erstaufnahmestelle oder in einer Betreuungseinrichtung des Bundes ist eine ärztliche Untersuchung zu ermöglichen.

§ 29 AsylG 2005 (Sonderbestimmungen im Zulassungsverfahren)

(4) Bei Mitteilungen nach Abs. 3 Z 3 bis 6 hat das Bundesamt den Asylwerber zu einem Rechtsberater (§ 49 BFA-VG) zu verweisen. Dem Asylwerber ist eine Akten­abschrift auszuhändigen und eine 24 Stunden nicht zu unterschreitende Frist zur Vorbereitung einzuräumen. Der Asylwerber und der Rechtsberater (§ 49 BFA-VG) sind unter einem zu einer Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs nach Verstreichen dieser Frist zu laden. In dieser Frist hat eine Rechtsberatung (§§ 49, 50 BFA-VG) zu erfolgen; dem Rechtsberater (§ 49 BFA-VG) ist unverzüglich eine Aktenabschrift, soweit diese nicht von der Akteneinsicht ausgenommen ist (§ 17 Abs. 3 AVG), zugänglich zu machen (§ 29 Abs. 1 Z 15 BFA-VG). Die Rechtsberatung hat, wenn der Asylwerber in der Erstaufnahmestelle versorgt wird, in dieser stattzufinden. Wird der Asylwerber angehalten, kann die Rechtsberatung auch in den Hafträumen erfolgen.

§ 31 AsylG 2005 (Anreise über einen Flughafen und Vorführung)

(3) Stellt ein Fremder während der Abschiebung über einen Flughafen, auf dem eine Erstaufnahmestelle am Flughafen eingerichtet ist, einen Antrag auf internationalen Schutz, ist er der Erstaufnahmestelle am Flughafen vorzuführen. Auf ihn sind die Be­stimmungen dieses Abschnitts anzuwenden.


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§ 32 AsylG 2005 (Sicherung der Zurückweisung)

(1)  Ein Fremder, der einer Erstaufnahmestelle am Flughafen vorgeführt worden ist, kann, soweit und solange die Einreise nicht gestattet wird, dazu verhalten werden, sich zur Sicherung einer Zurückweisung an einem bestimmten Ort im Grenzkontrollbereich oder im Bereich dieser Erstaufnahmestelle aufzuhalten (Sicherung der Zurückwei­sung); er darf jederzeit ausreisen.

§ 10 BFA-VG (Handlungsfähigkeit)

(3) Ein mündiger Minderjähriger, dessen Interessen von seinem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können, ist berechtigt einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen und einzubringen sowie Verfahrenshandlungen gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu seinem Vorteil zu setzen. Solche Fremde sind in die Erst­aufnahmestelle zu verbringen (§ 43 BFA-VG). Gesetzlicher Vertreter für Verfahren vor dem Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht ist ab Ankunft in der Erstauf­nahmestelle der Rechtsberater (§ 49), nach Zulassung des Verfahrens und nach Zu­weisung an eine Betreuungsstelle eines Bundeslandes der örtlich zuständige Kinder- und Jugendhilfeträger jenes Bundeslandes, in dem der Minderjährige einer Betreuungsstelle zugewiesen wurde. Widerspricht der Rechtsberater (§ 49) vor der ersten Einvernahme im Zulassungsverfahren einer erfolgten Befragung (§ 19 Abs. 1 AsylG 2005) eines mündigen Minderjährigen, ist diese im Beisein des Rechtsberaters zu wiederholen.

§ 4 BFA-Einrichtungsgesetz

Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, mit Verordnung Erstaufnahmestellen einzurichten. Diese sind Teil des Bundesamtes.

Abgesehen davon, dass sich in all diesen Gesetzen die korrekte Bezeichnung „Erst­aufnahmestelle“ findet, ist die Bezeichnung „Ausreisezentrum“ ausgesprochen zynisch, da dieser Sprachgebrauch suggeriert, dass es sich um eine Einrichtung handelt, die mit ausreisepflichtigen oder -willigen Ausländern befasst ist, während Ziel und Zweck der Erstaufnahmestellen ist, Asylwerbern einen Ort zu bieten, an dem sie den Ausgang des Verfahrens abwarten können. Durch die Betitelung als Ausreisezentrum wird die Anti-Ausländer-Politik und Flüchtlingsfeindlichkeit der Bundesregierung plakativ „wie ein ausgeschilderter Behördenname“ zementiert; es wird nahegelegt, dass jede schutz­suchende/antragstellende Person in Österreich nicht willkommen ist und auszureisen hat. Damit wird ein Klima der behördlichen Voreingenommenheit geschaffen, das den Grundfesten des europäischen und internationalen Flüchtlings- und Menschen­rechts­schutzes, wie dem Recht auf ein faires Verfahren, widerspricht.  Im Strafverfahren genießt ein Verdächtiger bis zur endgültigen Entscheidung die Unschuldsvermutung. Das Bundesministerium erklärt allerdings jeden Asylwerber schon im Vorhinein zum Ausreisepflichtigen. Zudem erschüttert dieses Klima der behördlichen Voreingenom­men­heit das Vertrauen der AntragsstellerInnen in die Behörden. Gerade im Asyl­verfahren, das auf den Schutz traumatisierter und besonders vulnerabler Personen ausgerichtet sein sollte, ist das Vertrauen in die Objektivität der Behörden von tragender Bedeutung. Schutzsuchende Personen fliehen oftmals vor Verfolgung durch die Behörden ihres Heimatstaates, und haben daher ein Grundmisstrauen gegenüber staatlichen Organen entwickelt. Schutzsuchende könnten sich unter Umständen sogar durch eine derartige Vorgehensweise des österreichischen Staates verhöhnt fühlen. Die hier kritisierte Vorgehensweise ist daher eines Rechtsstaats und einer liberalen Demokratie unwürdig.


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Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der zuständige Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, die Umbenennung der Erstaufnahmezentren in Ausreisezentren unver­züglich rückgängig zu machen und die entsprechende Beschilderung am Eingang der Erstaufnahmezentren zu entfernen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich stelle fest, dass beide Anträge ordnungs­gemäß eingebracht sind, ausreichend unterstützt sind und damit auch in Verhandlung stehen.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kumpitsch. – Bitte.


10.57.08

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Zuhörer auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Hohes Haus! „Asylmissbrauch stellt den Rechtsstaat auf harte Probe“, so lautete ein Exklusivartikel in der „Tiroler Tageszeitung“ am 15. Jänner 2018. Am Beispiel eines sich seit 2014 in Innsbruck aufhaltenden 17- bis 19-jährigen Nordafrikaners, der sich mehrere Identitäten angeeignet hatte, sich einmal als Algerier, einmal als Marokkaner ausgibt und der zahlreiche Straftaten begangen hat, sogar zu mehr als 15 Monate Gefängnis verurteilt wurde, wird eine Situation aufgezeigt, die untragbar ist und die es abzustellen gilt.

Tatsächlich ist es so, dass für Migranten aus nordafrikanischen Ländern wie Tunesien, Algerien oder Marokko die Chance auf internationalen Schutz gleich null ist. Sie aber in ihre Heimatstaaten zurückzuschicken, ist oft ein endloses Unterfangen, denn auch sie nützen den Rechtsstaat. Und dann passiert Folgendes: Der Asylantrag des erwähnten Nordafrikaners wird vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl abgelehnt und die Abschiebung veranlasst. Jetzt kommen wir zum Punkt: Mithilfe der Diakonie beruft er gegen diese Entscheidung beim Bundesverwaltungsgericht. Dieses weist die Be­schwerde selbstverständlich wieder ab. Weil die Beschwerde mit einer nicht aufschiebenden Wirkung versehen ist, unterstützt ihn wieder die Diakonie und erhebt neuerlich Be­schwerde, die wiederum abgewiesen wird.

Meine geschätzten Damen und Herren! Das ist nur ein Beispiel von vielen, bei denen NGOs Asylwerber beraten und in ihnen falsche Hoffnungen wecken – auf Kosten der Steuerzahler und in vielen Fällen auch auf Kosten der Sicherheit der eigenen Be­völkerung. Und das gilt es abzustellen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Kollegin Krisper, davon profitiert auch die Asylindustrie. Ich werde es Ihnen dann auch näher erläutern. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Was soll nun mit der zu schaffenden Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstüt­zungsleistungen erreicht werden? Kollege Mahrer hat es vorhin schon ausgeführt, es soll eine hochqualitative Betreuung von Asylwerbenden bei gleichzeitiger Kosten­sen­kung erreicht werden. Fakt ist, dass die Kosten der Betreuung in den letzten Jahren im Verhältnis zu den betreuenden Personen laufend gestiegen sind. Sie soll auch eine


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faire und objektive Rechtsberatung sichern und zum Teil wiederherstellen. Und wir wollen Abhängigkeiten reduzieren. Das wird dadurch bewerkstelligt, dass die Bundes­agentur im Rahmen der Grundversorgung sowie im asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren die benötigten Dolmetscher und Übersetzer zur Verfügung stellt. Es mag kritisiert werden, dass die Anzahl zu gering ist, aber die Praxis wird zeigen, ob der Bedarf richtig eingestellt ist.

Es geht nun darum, durch eine hochqualitative und unabhängige sowie unparteiische Rechtsberatung eine neutrale Darlegung und Aufklärung der Erfolgsaussichten über den vom Asylwerber gestellten Asylantrag zu erreichen und nicht umgekehrt vielleicht Hoffnungen zu erwecken, die in einem ordentlichen Verfahren niemals erfüllt werden können. Dadurch können Beschwerdeverfahren mit einer sehr geringen Erfolgs­aus­sicht von Haus aus hintangehalten werden, was in der Folge auch eine Reduzierung der Kosten bedeutet. Schließlich wurde noch die freiwillige Rückkehr erwähnt, die durch eine qualitativ hochwertige Rückkehrberatung erfolgen soll.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, vor allem der SPÖ, der NEOS und der Liste JETZT! Es ist schon klar, dass Sie als ehemalige Willkommensklatscher diesem Gesetz nicht zustimmen können. (Abg. Loacker: Geh! Ich erwarte eine Entschuldi­gung!) – Nein, schauen Sie, Ihr Fokus liegt ja ganz woanders. (Abg. Haider: Wofür? Reg dich nicht künstlich auf! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ sowie des Abg. Loacker.) Während die Regierung und Minister Kickl alles Mögliche tun, um die illegale Migration zu unterbinden und illegal aufhältige Personen wieder zurückzuführen, tun Sie auch alles Mögliche, um genau jenen Personen – das sehen wir immer wieder –, die illegal hier sind, den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Das ist auch ein Fakt, und das soll man nicht vergessen. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Höbart: So ist es! Die Kultur des Willkommensklatschens ist vorbei! – Abg. Loacker: Jetzt reiß dich einmal zusammen! – Abg. Rosenkranz: Keine Nervosität!)

11.02


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Reinhold Einwallner zu Wort. – Bitte.


11.02.55

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute eigent­lich ein besonderer Tag. Zum einen bahnt sich, wie wir aus den Medien entnehmen, wohl einer der größten Justizskandale an, den die Zweite Republik gesehen hat, wenn ein Generalsekretär wegen Amtsmissbrauchs angezeigt wird. Zum anderen, Herr Bundesminister, kann ich heute nicht in eine Debatte mit Ihnen eintreten, ohne ein anderes Thema anzusprechen, das gestern aufgekommen ist. Gestern wurde bekannt, dass es in den Kabinetten der Ministerien nach wie vor Mitarbeiter mit identitärem Hintergrund gibt.

Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben zugesagt, alle Kabinettsmitarbeiter durch das BVT zu überprüfen. Jetzt stellt sich die Frage: Hat diese Prüfung nicht funktioniert? Hat die Kontrolle nicht funktioniert, oder passiert es in Ihrem Wissen? Wissen Sie, welche Leute dort arbeiten? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

Ich denke, es ist heute eine gute Gelegenheit, auch dazu Stellung zu nehmen, wo noch immer Identitäre in den FPÖ-Kabinetten herumsitzen. (Abg. Rosenkranz: Keine!)

Meine Damen und Herren, mit der Errichtung dieser Bundesagentur für die Erst­betreuung von Flüchtlingen setzt die Regierung einen weiteren Schritt zur Reduzierung der Qualität der Asylverfahren. Bisher war es so, dass diese Erstbetreuung in privaten


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Einrichtungen erfolgte, aber viel, viel wichtiger war, dass durch sie eine unabhängige Rechtsberatung erfolgte. Unabhängige Rechtsberater, meist von NGOs, haben diese Unabhängigkeit gewährleistet. Genau diese Unabhängigkeit streichen und eliminieren Sie jetzt. (Abg. Rosenkranz: Das stimmt nicht! – Abg. Deimek: Das ist nicht wahr!)

Zusätzlich verschärften Sie zwischen der Begutachtung und der Beschlussfassung den Gesetzestext enorm. Da geht es vor allem darum, dass die Daten von den Rechtsberatungsstellen, von den NGOs und den Rechtsanwälten übermittelt werden müssen. Herr Minister, da müssen Sie sich einfach auch den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie zwischen Begutachtung und Beschlussfassung heikle Teile aus dem Gesetz herausstreichen wollten!

Begründet wird all das mit mehr Effizienz – es stimmt nur nicht. Es wird teurer, es wird viel teurer! Es kostet im ersten Schritt schon 10 Millionen Euro mehr. Das ist die Effizienz, die Sie offenbar meinen. Es kostet mehr, und dann soll es auf wundersame Art und Weise plötzlich viel billiger werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, meine Damen und Herren, wie soll denn das funktionieren? (Abg. Leichtfried: Es geht eh nicht!) Was ist der Hintergrund zu diesem Gesetz, worum geht es denn? – Sie wissen zwar schon, wie viele Dolmetscher Sie österreichweit brauchen – 15, das ist eine total utopisch niedrige Zahl –, aber Sie wissen noch nicht, wie viele Ge­schäfts­führer Sie einstellen werden. Herr Minister, worum geht es wirklich? – Es geht um Jobs, Jobs, Jobs für die FPÖ-Funktionäre! Das ist offenbar der Grund für dieses Gesetz. (Beifall bei SPÖ und JETZT. – Abg. Rosenkranz: Was sind das für Töne aus der SPÖ? Arbeitsplatzfeindlich!)

Das zeigt sich darin, wie Sie den Aufsichtsrat und die Geschäftsführung bestellen: 24 Monate freihändig bestellt – das ist die Art und Weise, wie Sie hier Politik machen.

Meine Damen und Herren, wenn man sich die FPÖ anschaut, kann man sich ja nur die Frage stellen, wer uns denn als Geschäftsführer erwartet. Ist es ein FPÖler mit identitärem Hintergrund oder einer, der recht gut Liedertexte aus Liederbüchern aus Niederösterreich singen kann? (Beifall bei SPÖ und JETZT. – Zwischenruf des Abg. Lausch. – Abg. Schimanek: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!)

In Summe kann man zusammenfassen: Sie reduzieren die Qualität der Asylverfahren, Sie erhöhen die Kosten! Das Einzige, was Sie tun: Sie schaffen ein Feld für frag­würdige Personalbestellungen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

11.07


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Nikolaus Prinz. – Bitte. (Abg. Jarolim: Da muss ihm jetzt einmal eine Antwort einfallen! – Abg. Lausch: Hannes! Der Landesvorsitzende Schnabl tät’ uns gleich einfallen! – Abg. Rosenkranz: Ist das der 007?)


11.07.21

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Meine Damen und Herren! Mit der Errichtung der Bundesagentur für Be­treuungs- und Unterstützungsleistungen für hilfsbedürftige und schutzbedürftige Menschen, vor allem also für Menschen, die bei uns Asyl suchen, gehen wir genau in die richtige Richtung. Diese Schritte werden dann ab Mitte 2020 umgesetzt. Es geht um die Erstbetreuung, die Rechtsberatung, es geht um die Rückkehrberatung und natürlich auch die Bereitstellung von Dolmetschern. Es ist vernünftig, wenn das alles unter ein gemeinsames österreichisches Dach gestellt wird.

Was die Aufgabe des Bundes ist, sollte auch vom Bund organisiert werden. Das geschieht genau mit dieser Bundesagentur – BBU, wie sie abgekürzt genannt wird. Es


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wird damit verantwortungsvoll und menschenrechtskonform gehandelt, und sie ist keine gewinnorientierte Einrichtung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine Damen und Herren, es war ein Wirtschaftszweig, und letztlich ist es selbst­verständlich allen Organisationen – auch denen, die sich gemeinnützig nennen – um das Geld gegangen, das damit verdient worden ist. Es kann mir keiner erklären, dass es in dem Bereich letztlich nicht um Geld gegangen ist und dass man nicht zum Teil auch mit Flüchtlingen versucht hat, gutes Geld zu machen, was in Wirklichkeit nicht notwendig und eigentlich nicht richtig ist. Ich kann mir persönlich sehr gut vorstellen, dass in Zukunft die Verfahren damit effizienter werden, es wird schneller und auch kostengünstiger.

Natürlich geht es auch darum, dass Synergien erreicht werden, dass die Kosten­effizienz und auch die Qualität durch entsprechende Qualitätsstandards gegeben ist. In der ersten Etappe mit Übernahme der Grundversorgung werden ja auch gut 400 Mitarbeiter beschäftigt werden müssen. Es werden von der jetzigen Organisation ORS, sofern die Mitarbeiter das wollen, diese auch vom Bund übernommen, sodass das Know-how, das dort vorhanden ist, auch entsprechend genutzt werden kann.

Natürlich ist es das Ziel, mit dieser Reduzierung der Abhängigkeit von externen Trägern auch eine neue Struktur in der Qualität zu sichern und die Kosten für den Staat zu reduzieren. Es sind nicht gerade wenig Kosten, wenn man derzeit von 183 Euro pro Tag und Asylwerber ausgeht. Wenn es gelingt, hier effizienter zu werden, sollte uns das recht sein.

In der zweiten Etappe, die dann ab 1. Jänner 2021 umgesetzt wird, kommen auch die Rechtsberatung und die Rückkehrberatung in die BBU. Es ist wichtig, dass die Leistungen Rechtsberatung und Rückkehrberatung in einer Hand sind und nicht von verschiedenen Organisationen erbracht werden, und ich halte es für vernünftig, dass die Rechtsberater entsprechend weisungsfrei gestellt sind. Es geht um Qualität. Ich glaube, es wird die Quote der freiwilligen Ausreisen bei der Rückführung von derzeit 45 Prozent durchaus steigen, wenn objektiv beraten wird.

Herr Kollege Einwallner, haben Sie schon einmal mit einem Asylwerber gesprochen, der seit dreieinhalb Jahren in Österreich ist, x-mal durch die Berufung gegangen ist und keine positive Erledigung bekommt? Ein persönliches Gespräch? (Abg. Einwallner: Ja!) Das ist nicht so angenehm. Ich kenne solche Situationen. Ich glaube, es ist besser, wenn man diesen Menschen relativ bald sagt, dass es keine Chance gibt, als wenn irgendwelche Organisationen, Rechtsanwälte oder wer auch immer vielleicht zwei Jahre damit gutes Geld verdienen, diese Menschen Hoffnungen haben, die nicht zu erfüllen sind und letztlich dann doch in den Irak oder nach Afghanistan zurückkehren müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Einwallner.) Daher ist eine objektive Rechts- und Rückkehrberatung sinnvoll und ein wesentlicher Schritt.

Man könnte jetzt noch viel darüber reden, aber was wir mit dem heutigen Beschluss machen, ist jedenfalls eine wesentliche Verbesserung bei der Objektivität. Wir streuen den Menschen nicht sozusagen Sand in die Augen, sondern gehen objektiv und ehrlich mit ihnen um. Das ist viel eher menschenrechtskonform, als Entscheidungen auf die lange Bank zu schieben und Hoffnungen zu wecken, die nie erfüllt werden können. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Sie wären gut damit beraten, mitzustimmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.11


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr.in Irm­gard Griss. – Bitte.



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11.11.59

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich finde es sehr schade, dass es so schwierig ist, über ein für viele Menschen so wichtiges Thema sachlich zu diskutieren, denn Ausdrücke wie Asylindustrie und Willkommensklatscher bringen uns da nicht weiter. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT. – Abg. Belakowitsch: Das ist aber sachlich! – Abg. Hafenecker: Es gibt ja eine Asylindustrie!)

Worum geht es? – Herr Kollege Mahrer hat es gesagt: Es geht darum, dass Asyl­verfahren rascher, effizienter und fairer abgewickelt werden sollen. Ich glaube, es ist niemand da, der sagt, nein, es soll länger dauern, es ist nicht gut, wenn das rasch geht.

Mein Vorredner hat gefragt, ob der Herr Kollege schon einmal mit einem Asylwerber gesprochen hat. Ich habe schon mit einigen gesprochen. Man erlebt, wie diese Menschen unter dieser Unsicherheit leiden, die sich über Jahre hindurch erstreckt, und zwar nicht nur deshalb, weil sie viele Rechtsmittel einbringen, sondern, weil es oft bis zum Erstinterview Jahre dauert und sie nicht wissen, ob sie bleiben können oder gehen müssen. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Das heißt, es wäre ganz wichtig, die Ver­fahren zu beschleunigen.

Der wichtigste Punkt wäre, das Asyl- und Fremdenrecht zu vereinfachen. Der Kom­mentar zum Asyl- und Fremdenrecht, der im Verlag Österreich erscheint, hat 2 456 Seiten. 2 456 Seiten! Natürlich ist das mühsam, das ist viel Arbeit, wenn man das wirklich vereinfachen will. Darauf verzichtet man, man versucht es mit der Verstaatlichung der Rechtsberatung. (Abg. Rosenkranz: Nein! Stimmt ja nicht!) Eine Rechtsberatung, die von Bediensteten jener Institution gemacht wird, gegen die ein Anspruch möglicherweise geltend gemacht wird oder geltend gemacht werden soll, ist ein Widerspruch in sich. Diese Bediensteten wollen ja vielleicht auch weiterkommen, die wollen ja nicht ihr ganzes Leben Berater bleiben. Wovon wird sich der Berater dann in der Beratung leiten lassen? – Doch auch von dem, was sein Dienstgeber will, und der Dienstgeber will, dass die Menschen möglichst rasch ausreisen, zurückkehren sollen. Das ist also keine Beratung, die die Interessen desjenigen wahrnimmt, der beraten wird.

Da stimme ich mit Herrn Kollegen Noll nicht überein. Ich glaube nicht, dass man sagen kann, na ja, Beratung kann ja objektiv sein. Was heißt denn beraten? – Beraten heißt, mich in die Situation von jemandem zu versetzen und zu überlegen, welche Mög­lichkeiten er hat. Als Richterin muss ich objektiv sein. Ich wäge das Für und Wider ab und entscheide. Was machen Sie aber als Berater? – Es sind ja Anwälte hier. – Sie fragen: Welche Interessen hat mein Klient? Ist es möglich, diese Interessen durch­zusetzen?

Wird es wenigstens effizienter? – Da habe ich meine großen Bedenken, denn effizient heißt doch, dass das ganze Verfahren professionell aufgestellt wird. Da haben wir ja beim Bundesverwaltungsgericht einen Flaschenhals. Worum es eigentlich geht, ist ja, hier auch mehr Ressourcen hineinzugeben, schon bei der ersten Instanz, aber ge­nauso auch beim Bundesverwaltungsgericht, um dafür zu sorgen, dass die Verfahren rascher abgewickelt werden können. Dazu braucht es gute Leute, die das bearbeiten und entscheiden, dazu braucht es die notwendigen Unterstützungsleistungen und dazu braucht es vor allem ein Recht, das auch wirklich gut anwendbar ist.

Ich habe in meiner Zeit als Ersatzmitglied am Verfassungsgerichtshof einige Male an Entscheidungen mitgewirkt, in denen es um die Verfassungskonformität von Bestim­mungen des Asyl- und Fremdenrechts ging. Ich muss Ihnen gestehen, ich bin schon sehr lange Juristin, aber ich habe solche Schwierigkeiten gehabt, überhaupt zu ver-


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stehen, was da drinnen ausgesagt wird, überhaupt draufzukommen, was das eigentlich heißen soll. Ich war dort nicht allein mit diesen Schwierigkeiten.

Das heißt, Herr Bundesminister, tun Sie etwas, damit die Behörden entsprechend aus­gestattet sind, die dann entscheiden müssen! Tun Sie etwas, setzen Sie sich dafür ein, dass wir ein Asyl- und Fremdenrecht haben, das auch wirklich gut angewendet werden kann! – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

11.17


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Bundesminister Kickl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


11.17.08

Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte gleich einen Teil des Beitrags der Frau Abgeordneten Griss aufgreifen, die gesagt hat, dass es ein Widerspruch in sich wäre, was wir hier im Zusammenhang mit der Rechtsberatung im neuen Gesetz implementieren wollen. Ein Widerspruch in sich, Frau Abgeordnete, ist das, was Sie gemacht haben, nämlich hier zu einer Versachlichung der Debatte aufzurufen, dann Kraut und Rüben miteinander zu vermanschen und dann in einer Art und Weise Dinge als Fakten hinzustellen, die längst durch die Wirklichkeit überholt worden sind.

Wenn Sie eine lange Verfahrensdauer beklagen, so können Sie nicht uns und nicht das BFA damit meinen, denn die durchschnittliche Verfahrensdauer im BFA liegt in der Zwischenzeit bei drei Monaten, und beim Fast-Track-Verfahren sind wir bei 28 Tagen. Es wird unseren Beamtinnen und Beamten, die dort sehr, sehr akribisch arbeiten, gelingen, diese Zeiten weiter zu verkürzen. Wie Sie hier von besonders langen Verfahren reden können, erschließt sich mir nicht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das Zweite ist etwas, was Ihnen eigentlich nicht widerfahren sollte, dass man nämlich die Bereiche der Rechtsberatung und der Rechtsvertretung entweder miteinander ver­wechselt oder bewusst miteinander vermanscht. Wir halten beides sauber aus­einander, und die Kritik ist nur gerechtfertigt, wenn man Ihre Vorgangsweise als die richtige annimmt – allein sie ist es nicht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein wenig geplagt hat sich heute auch die Prangerrednerin der SPÖ, Frau Abge­ordnete Lueger. Sie hat schon einen langen Exkurs in die Geschichte machen und sich zur Verteidigerin der Privatwirtschaft aufschwingen müssen. Ich bin ohnehin froh, dass solche Worte auch einmal aus der SPÖ kommen, dass man auch der Privatwirtschaft noch etwas abgewinnen kann. Die jungen Genossen sehen die Dinge ja bekanntlich anders. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Ich glaube, eine differenzierte Zugangsweise ist die richtige. Es gibt Dinge, die in privaten Händen besser aufgehoben sind, und dann gibt es Dinge, die in die hoheitliche Verwaltung gehören. Ich bin der Meinung, dass der Bereich der Flüchtlingsberatung und der Flüchtlingsbetreuung eine hoheitliche Aufgabe darstellt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Greiner und Wittmann.)

Was aber vielleicht dem interessierten Zuseher und Zuhörer in der Debatte aufgefallen sein wird, ist, was denn aus den Reihen der Kritiker kommt. Man muss sehr genau hinhören und dann seine Schlussfolgerungen daraus ziehen. Es ist nämlich ein un­glaubliches Misstrauen den österreichischen Beamten gegenüber. Das ist doch der Sukkus, der hier zum Ausdruck kommt, wenn man auf gut Deutsch dauernd damit argumentiert, dass die Dinge in bester Ordnung sind, solange sie von irgendwelchen NGOs erledigt werden, aber dass alles hoch problematisch wird, wenn es in hoheitliche Verwaltung übergeht und Beamte diese Aufgabe wahrnehmen.


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Liebe Beamtinnen und Beamte in Österreich, denken Sie also daran, wie hier von­seiten einer Opposition, die aus ideologischen Gründen gegen dieses Projekt ist, mit Ihnen umgegangen wird! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich bin jedenfalls der Überzeugung, dass wir mit diesem heutigen Beschluss zur Errichtung dieser BBU – der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungs­leistungen – wieder einen weiteren großen Schritt nach vorne machen, nämlich einen großen Schritt in der Umsetzung eines ganz zentralen Regierungsvorhabens.

Dieses Regierungsvorhaben ist einfach auf den Punkt zu bringen: Wir wollen ein krisenfestes Asylsystem umsetzen, das sehr genau zwischen denjenigen, die bei uns tatsächlich Schutz verdienen, und denjenigen, die aus ganz anderen Motiven aus aller Herren Länder den Weg nach Österreich suchen und die wir möglichst rasch wieder außer Landes zu bringen haben, weil sie eben kein Recht auf unseren Schutz haben, unterscheidet. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dönmez.)

Genauso verstehe ich Fairness – Fairness den Asylwerbern gegenüber, die gute Gründe dafür haben, bei denen es berechtigt ist und die immer durch diejenigen, die das System missbrauchen, in Misskredit geraten, und auch Fairness gegenüber unse­ren Steuerzahlern, weil es nicht einzusehen ist, dass wir für Verfahrensver­schlep­pun­gen Unsummen an Geld ausgeben. So verstehe ich Effizienz – dass wir die Dinge bündeln, dass wir dafür sorgen, dass Prozesse schneller ablaufen und wir Reibungs­verluste minimieren –, so verstehe ich dann auch Kostenwahrheit und so verstehe ich auch Sparsamkeit.

Weil Herr Abgeordneter Einwallner gemeint hat, es wird alles viel, viel teurer werden: Ich weiß nicht, von welchen Szenarien Sie ausgehen oder was Sie sich für die Zukunft wünschen, aber das Projekt, an dem wir arbeiten, geht davon aus, dass wir die Asylantragszahlen weiter Schritt für Schritt nach unten bringen. Ich habe es schon einmal gesagt, mein Ziel ist die Nulllinie, einfach deshalb, weil Österreich nur von sicheren Drittstaaten umgeben ist. Da wollen wir hin – ihr Projekt ist ein anderes. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Jarolim: ... andere Nulllinie!)

Wenn Sie glauben und denken, Sie können besser rechnen (Zwischenruf bei der SPÖ), als unsere Experten das können, die die Zahlen und die Erfahrungswerte an der Hand haben – was Ihnen offenbar alles fehlt –, dann kann Ihr Berechnungsmodell nur das Ergebnis jener sozialistischen Mathematik sein, die bei Ihnen am 1. Mai bei der Zählung der Kundgebungsteilnehmer am Rathausplatz zum Ausdruck gekommen ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich jedenfalls sage, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir mit diesem Gesetzesbeschluss einen weiteren wichtigen Schritt (neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ) auf einer langen und durchaus mühsamen Reise machen, die wir mit dem ersten Tag, an dem ich dieses Amt übernommen habe, angetreten haben. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.)

Sie können da viele Zwischenstationen nennen: eine Senkung der Zahl der Asyl­anträge – das habe ich schon gesagt –, eine schärfere Vorgangsweise bei Miss­brauch – das habe ich auch schon angesprochen –, eine starke Initiative, wenn es um die Frage der Aberkennung von einem Schutzstatus wie der Asylberechtigung oder des subsidiären Schutzes geht oder die ebenfalls bereits angesprochene und heute diskutierte Installation von Ausreisezentren, weil das schlicht und ergreifend notwendig ist und diese Benennung dem Charakter dessen entspricht, was sich für sehr, sehr viele schon im Zulassungsverfahren abspielt, nämlich dass wir sehr schnell feststellen, dass keine Gründe für einen Schutz vorliegen und deswegen, ohne Zeit dazwischen zu verlieren, unmittelbar zur Rückführung übergehen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


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Für mich beginnt mit diesem Gesetz eine positive Ära im Zusammenhang mit der Bundesbetreuung von Asylwerbern. Diese Ära ist deshalb positiv, weil wir ein Ende der Abhängigkeit von externen Dienstleistern herstellen. Es ist nämlich immer eine schwierige Sache, wenn man in eine Krisensituation hineingerät und dann abhängig von anderen ist. Da ist es besser, wenn diese zentralen Aufgaben von uns selbst erledigt werden können.

Es ist deshalb positiv, weil wir natürlich Kosteneinsparungen erzielen werden, wenn wir das nun selber machen, was bisher Firmen, die logischerweise gewinnorientiert gear­beitet haben, gemacht haben. Auch die NGOs haben selbstverständlich ihre Ge­schäftsinteressen verfolgt, was ja auch der Grund dafür ist, warum sich die eine oder die andere besonders laut und umso unqualifizierter zu Wort meldet. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Es ist auch deshalb ein Schritt in eine positive Ära, weil wir mit diesem neuen System auch die Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten in den Händen des Staates halten, nämlich dort, wo es aus meiner Sicht hingehört. Ich war von Anfang an der Über­zeugung, dass der Bereich der Flüchtlingsbetreuung und der Flüchtlingsberatung eine hoheitliche Aufgabe ist und kein Feld, bei dem man Geschäftsinteressen verwirklichen kann. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Duzdar.)

Überdies setzen wir damit eine Ankündigung des Regierungsprogrammes um. Ich habe Frau Abgeordnete Lueger schon zitiert, die ja einen Ausflug in die Geschichte unternommen hat. Das kann man durchaus machen, aber in der Geschichte gibt es, glaube ich, in den letzten Jahren eine große Zäsur – das war das Jahr 2015. Frau Abgeordnete, Sie müssen die Zeit in ein vor 2015 und ein nach 2015 unterteilen (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Duzdar), denn nach diesem Jahr 2015 waren wir sehr, sehr schnell um viele unangenehme Erfahrungen reicher. (Zwischenruf der Abg. Lueger.)

Heute will keiner mehr dafür verantwortlich sein (Zwischenruf des Abg. Vogl), dass Menschenmassen auf völlig unkontrollierte Art und Weise in dieses Land gelassen worden sind. (Zwischenrufe der Abgeordneten Duzdar und Lueger.) Diesen Rucksack haben wir nun mühsam abgearbeitet. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es sind diese Erfahrungen des Jahres 2015, die uns zur Überzeugung gebracht haben, dass wir dieses Asylsystem in den Bereichen der Betreuung und der Beratung auf neue und auf krisenfeste Beine stellen müssen. Das ist ein wohlüberlegter Schritt. Wir haben ihn reichlich und reiflich vorbereitet und sind sehr, sehr strukturiert vorgegangen.

Das ist kein Alleingang des Innenministers, wie manche vielleicht glauben (Zwischenruf bei der SPÖ), obwohl ich durchaus eines zugebe: Sie dürfen mich als treibende Kraft hinter diesem Projekt bezeichnen, weil es mir wirklich ein Anliegen gewesen ist, dieser Erwartungshaltung der Bevölkerung im Zusammenhang mit der Asylbetreuung und ‑beratung auch gerecht zu werden. (Neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ.) Die Bevölkerung hat nämlich kein Verständnis dafür, dafür zu zahlen, dass ihr auf der Nase herumgetanzt wird – diese Einschätzung teile ich zu 100 Prozent. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben seit Beginn des letzten Jahres die entsprechenden Planungsschritte durch­geführt, haben die Leistungsbereiche definiert, haben uns auch die Wirtschaftlich­keits­erwägungen ganz genau angesehen, haben die rechtlichen Grundlagen geprüft und haben nun überall die Ampel auf grünes Licht geschaltet.

Weil ich höre, dass wir einen Geschäftsführer ganz ohne Ausschreibungsverfahren bekommen: Das dient einzig und allein dieser Anschubphase, damit wir in die Gänge kommen (Zwischenruf des Abg. Einwallner), denn, meine sehr geehrten Damen und


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Herren insbesondere aus dem Bereich der Sozialdemokratie (Zwischenruf der Abg. Duzdar), wir haben in diesem Bereich keine Zeit mehr zu verlieren. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Sie haben schon viel zu viel Zeit vergeudet und viel zu viel Zeit verbraucht, die uns nun fehlt, um die Dinge in Ordnung zu bringen. Das ist der Grund dafür, warum wir in dieser ersten Phase so arbeiten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dönmez.)

Sie haben sich ja im Ausschuss auch darüber aufgeregt (Zwischenruf des Abg. Einwallner), dass im Aufsichtsrat so viele Personen sind: Ja, sollen wir auf den Betriebsrat verzichten, Herr Abgeordneter von der SPÖ? (Zwischenruf des Abg. Krist.) Das wäre doch eine seltsame Angelegenheit, wenn Sie das von uns fordern würden! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Krist.)

Wir haben einen Geschäftsführer, den wir einsetzen werden (Zwischenruf des Abg. Krist) – wenn ich an die unseligen Zeiten von Rot-Schwarz denke, dann würden schon mindestens zwei im Gesetz stehen (Zwischenrufe der Abgeordneten Duzdar und Einwallner), denn so hat dieser rot-schwarze Proporz dauernd funktioniert. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Noch etwas ist mir ein wichtiges Anliegen (Zwischenruf der Abg. Duzdar), nämlich dass diese BBU in allen Bereichen den Grundherausforderungen und den Grund­vorgaben des europäischen Rechts voll und ganz entspricht (Abg. Wittmann: Vielleicht war der Sobotka ...!), weil immer so getan wird, als ob das nicht der Fall wäre. Doch, doch: Auf Punkt und Beistrich erfüllen wir die Vorgaben des europäischen Rechts. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Eines aber machen wir nicht mehr, und zwar übererfüllen wir diese Dinge nicht, wir tun nicht mehr, als notwendig ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Daraus ergeben sich gewisse Korrekturen, die aus meiner Sicht notwendig sind, denn da im Sinne einer Übererfüllung von entsprechenden Dingen herzugehen (Abg. Leichtfried: Wieso kritisieren Sie dauernd den Sobotka?) und quasi eine Serviceleis­tung anzubieten, die unter dem Strich zu einem negativen Ergebnis führt und für alle nur Kosten und mühsame Umstände produziert (Abg. Wittmann: So schlecht war Sobotka auch nicht!), das ist nicht mein Verständnis von effizienter Asylpolitik. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Rosenkranz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren (Zwischenruf der Abg. Duzdar), noch ein Wort zu diesem Themenbereich Rechtsberatung, weil da Horrorszenarien an die Wand gemalt werden, als ob es keine Rechtsberatung mehr gebe (Zwischenruf des Abg. Wittmann): Nein, es gibt weiterhin verpflichtende Teile der Rechtsberatung (Zwi­schenrufe bei der SPÖ), so wie es die europäischen Regelungen vorgeben (Zwischen­ruf des Abg. Leichtfried alles in bester Ordnung. Wir bieten aber keine All-inclusive-Leistung mehr an. Ich glaube, dass das auch ein wesentliches Signal an die Asyl­werberinnen und Asylwerber ist (Zwischenrufe der Abgeordneten Duzdar und Leichtfried), dass das nicht die in Österreich vorherrschende Mentalität ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Was kann der arme Sobotka dafür ...!)

Jedenfalls ist es so, dass bereits jetzt im bestehenden BFA-VG geregelt ist, dass die Rechtsberatung unabhängig und weisungsfrei ist (Abg. Wittmann: Sobotka war schlecht, aber nicht so schlecht!) und objektiv zu erfolgen hat. Genauso wird es in der neuen Konstruktion auch sein, genauso.

Im Mittelpunkt der Rechtsberatung steht die objektive Information. Es macht doch überhaupt keinen Sinn, jemandem, der eigentlich keine Erfolgsaussichten hat, irgend­welche Flausen in den Kopf zu setzen, nur weil man selber ein Geschäftsmodell damit betreibt, den Leuten falsche Hoffnungen zu machen, ihnen Lebenszeit zu rauben und


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eine Entscheidung, von der man weiß, dass sie kommen wird, hinauszuschieben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein Modell, das nur Verlierer kennt, wir aber wollen ein Modell (Ruf bei der SPÖ: Rechtsstaat!), das nur Gewinner kennt. Ich glaube, das ist gut so.

Weil es angesprochen wurde: Ja, wir orientieren uns dabei an anderen Ländern. Es muss doch einen Grund haben, warum in der Schweiz die Quote jener, die in die Instanz gehen, bei unter 20 Prozent liegt und warum sie bei uns bei 75 bis 80 Prozent liegt. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Das hat genau damit zu tun, dass man den Leuten sagt: Probiere es halt! Du hast zwar keine Aussichten auf Erfolg, aber probiere es und wir werden versuchen, dieses ganze Ding so lange in die Länge zu ziehen (Zwischenruf des Abg. Wittmann), bis wir dann durch die Hintertür mit dem Verfes­tigungsargument kommen und sagen können, nun ist so viel Zeit vergangen, dass wir dich nicht mehr aus dem Land hinausbringen.

So funktioniert das Spiel, und dieses Spiel ist eines zulasten der österreichischen Bevölkerung. Da schauen wir nicht mehr tatenlos zu, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ, Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dönmez.)

Eine letzte Anmerkung noch: Selbstverständlich ist es so, dass in diesem Gesetz, in diesen bestehenden Regelungen, die wir heute auf den Weg bringen werden, zwi­schen dem Bereich der Rechtsberatung und dem Bereich der Rechtsvertretung unter­schieden wird. Tun Sie nicht so, als ob es diesen Unterschied mit all dem, was dazugehört, nicht gebe!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin der festen Überzeugung – meine Regierungskolleginnen und -kollegen teilen diese Ansicht –, dass das das richtige Instrument ist und dass nun der richtige Zeitpunkt ist, diese Agentur auf den Weg zu bringen. Ich darf Sie darum ersuchen, vielleicht Ihre eigene Skepsis noch einmal skeptisch zu hinterfragen – das ist dann der vollendete Skeptizismus, Frau Abge­ordnete Griss. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.)

Ich darf Sie einladen, der Regierungsvorlage Ihre Zustimmung zu geben. Sie würden das weniger tun, um damit der Regierung gegenüber irgendeine Unterstützung zu bekunden, um uns etwas Gutes zu tun, nein, denn mit einer Unterstützung würden Sie einer Erwartungshaltung der österreichischen Bevölkerung gerecht werden. Das wäre doch auch einmal eine gute Tat!

Für mich, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist diese hohe Erwartungshaltung der Bevölkerung, was eine restriktive Asylpolitik betrifft, auf jeden Fall das Maß der Dinge und mein politischer Auftrag. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dönmez.)

11.33


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Markus Vogl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Jarolim: Was hat Sobotka so schlecht ...? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


11.34.11

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Herr Bundesminister Kickl hat in seiner Rede behauptet, die SPÖ würde, wenn sie an der Macht wäre, nach wie vor zwei Ge­schäfts­führer installieren.

Ich berichtige tatsächlich: Herr Bundesminister Stöger hat in seiner Regierungszeit in der Ages die Zahl der Geschäftsführer von zwei auf einen reduziert (Rufe bei der FPÖ: Drei!) und Frau Bundesministerin Köstinger hat nun wieder von einem auf zwei erhöht.


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(Abg. Belakowitsch: Das ist keine Köstinger-Berichtigung!) Auch Bundesminister Löger hat in der Bundesrechnungsagentur von einem auf zwei Geschäftsführer erhöht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

11.34


Präsidentin Doris Bures: Ich möchte auf der Galerie des Sitzungssaales die Schü­lerinnen und Schüler des Schulzentrums für hörbeeinträchtigte, gehörlose, AVWS und hörende Kinder ganz herzlich willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall sowie Beifall in Gebärdensprache bei Abgeordneten der SPÖ.)

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Christian Ries zu Wort. – Bitte. (Abg. Leichtfried: Also so viel Kritik hat Sobotka nicht verdient! – Abg. Rosenkranz: Er macht ja eh einen tadellosen ...! – Ruf bei der SPÖ: Das hat man eh gestern gesehen! – Abg. Rosenkranz: Was soll jetzt diese Kritik? Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)


11.35.00

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Damen und Herren Abgeordnete, vor allem liebe SPÖ! Heute geht es um Reverstaatlichung, das ist doch eigentlich Ihr Thema, da hätten Sie die Chance, sich anzuschließen. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Worüber sprechen wir heute? – Wir sprechen über die Rückabwicklung einer Maß­nahme zur Betreuung von Asylwerbern, die vor Jahren in private Hände ging. Warum wollen wir das? – Weil wir der Meinung sind, dass die Betreuung von Asylwerbern eine staatliche Aufgabe ist, die vom Staat finanziert werden muss und auch in staatliche Hände gehört. Mit der BBU wird das der Fall sein.

Wir als Freiheitliche stehen dem schon lange skeptisch gegenüber, dass Firmen damit betraut wurden, die gewinnorientiert handeln. Daher verlagern wir das nun zurück in die Obhut des Staates – des Rechtsstaates und seiner Institutionen. Das heißt im Klartext, dass durch diese Gesellschaft die Versorgung, die Rechtsberatung, die Dolmetscherdienste und natürlich auch die Kontrolle der Menschenrechte künftig wieder von der Republik besorgt werden. Das heißt auch, dass die Erwirtschaftung von Gewinnen in der Flüchtlingsbetreuung künftig keine Rolle mehr spielen wird. Das müsste auch in Ihrem Sinne sein, liebe Opposition! In unserem Sinne ist es jedenfalls.

Werte Abgeordnete! Österreich genießt weltweites Ansehen in Fragen der Menschen­rechtsstandards, die von unseren Behörden gelebt werden. Dass nun auch die Rechtsberatung in die Obhut des Staates gelegt wird, ist zudem kein österreichisches Novum, denn auch EU-Länder wie Finnland, Frankreich und Irland führen unter Wahrung unionsrechtlicher Vorgaben diese Rechtsberatung selbst durch, und das wird auch in Österreich so sein.

Rechtsberater, Dolmetscher und Menschenrechtsbeobachter müssen überdies – das können wir in den §§ 13 bis 15 dieses Gesetzes nachlesen – eine fundierte Ausbildung aufweisen und sind in ihrer Tätigkeit unabhängig und weisungsfrei. Wer etwas anderes behauptet, sagt die Unwahrheit.

Rechtsberatung umfasst – so können wir im § 49 nachlesen – die Organisation des Dolmetschers, das Erklären des Verfahrensablaufes und die reale Einschätzung über die mögliche Zuerkennung von Schutz. Es ist eine Unterstützung und es ist eine Aufklärung über die Rechtsmittel im Verfahren, so wie sie auch in anderen Verfahren von Organen des Staates gegeben wird, bei denen es seit Jahrzehnten funktioniert. Es ist da nur detaillierter der Fall.


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Auf Verlangen kann zudem der Berater auch zum Vertreter werden. Viele derzeitige Rechtsberater werden auch in Zukunft als Rechtsberater tätig sein können. Ich verstehe daher auch nicht, warum Sie diesen Menschen das Vertrauen entziehen wollen, nur weil sie künftig für eine Agentur der Republik Österreich tätig sind. Das ist etwas, was mir überhaupt nicht eingeht.

Liebe SPÖ, Sie dürfen hier heute verstaatlichen, und zwar ohne, dass wir einen wirtschaftlichen Bauchfleck befürchten müssen. Daher, werte Abgeordnete, ersuchen wir Sie um Ihre Unterstützung, diese Aufgabe zurück in staatliche Hände zu geben, dorthin, wo sie auch hingehört! – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.39


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr.in Alma Zadić. – Bitte.


11.39.15

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Sie haben vorhin das Schweizer Asylsystem als Beispiel dafür genommen (in Richtung Bundesminister Kickl), wie es gut funktioniert. Sie haben es auch als Beispiel angeführt, an das Sie unser System annähern wollen. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Kickl.)

Ich habe mir erlaubt, mir das kurz anzuschauen. Seit April 2019 gilt ein neues Asylgesetz, und das sieht einen Rechtsschutz vor, der eine Rechtsberatung und eine Rechtsvertretung beinhaltet. Die Akteure, die genannt werden, sind sehr wohl Vertreter von NGOs, denn ich habe zum Beispiel die Caritas als eine der aufgezählten Orga­nisationen gesehen, die Rechtsberatung und Rechtsvertretung durchführen. Vielleicht planen Sie das ja noch, in die neue BBU auch die Caritas und andere NGOs ein­zuladen, um da als Rechtsvertreter und Rechtsberater mitzuwirken. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Innenminister! Ich habe Ihnen vor einiger Zeit einmal einen Verfassungskodex geschenkt, und ich hoffe, dass Sie ihn auch gelesen und studiert haben. Gestern haben wir eine sehr interessante Debatte über die europäischen Werte, die euro­päischen Freiheitswerte geführt. Abgeordneter Taschner hat ein glühendes Plädoyer für die Freiheitsrechte Europas gehalten. Die Freiheitsrechte sind der Kern unseres europäischen Rechtsverständnisses, denn sie regeln das Verhältnis des Staates zum Einzelnen. Es geht vor allem um die Freiheit vom Staat. Staatliches Handeln darf nur auf Grundlage von Gesetzen erfolgen, in Rechte Einzelner darf nur aus einem fairen Verfahren resultierend eingegriffen werden.

Jedes faire Verfahren benötigt einen unabhängigen Richter und setzt Waffengleichheit voraus. (Abg. Wittmann: Herr Minister, hören Sie bitte zu! – Abg. Leichtfried – in Richtung Bundesminister Kickl, der mit Abg. Herbert und einem Mitarbeiter spricht –: Herr Minister, könnten Sie vielleicht zuhören und die Privatgespräche einstellen!) Waffengleichheit können wir nur gewährleisten, wenn die Rechtsberatung und die Rechtsvertretung unabhängig sind und ausschließlich im Interesse des Anzeigers beziehungsweise des Betroffenen erfolgen.

Mit diesem Gesetz, Herr Innenminister, hebeln Sie genau diese Grundprinzipien aus, denn die Rechtsvertretung und auch die Rechtsberatung sind nach diesem Gesetz weder vollkommen unabhängig noch erfolgt die Rechtsvertretung ausschließlich im Interesse des Antragstellers beziehungsweise des Anzeigers. Wenn Sie ins Gesetz hineinschreiben lassen, dass die Rechtsberater unabhängig sind, so ist das meines Erachtens nach genauem Durcharbeiten der Regierungsvorlage lediglich ein Lippen­bekenntnis, denn de facto sind die Rechtsberater nicht unabhängig, da sie organisa-


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torisch Ihnen unterstellt sind. Es gibt das Dienstrecht, es gibt den Aufsichtsrat und die Geschäftsführung, und die gesamte Geschäftsführung und der Aufsichtsrat stehen, wie wir ebenfalls gehört haben, de facto unter Ihrem Einfluss.

Meine Damen und Herren! Laut den Erläuterungen soll die Rechtsberatung durch die Bundesagentur einen gleichwertigen Ersatz für die Verfahrenshilfe durch Rechts­anwältinnen und Rechtsanwälte darstellen. Wesensgehalt des Anwaltsberufes sind anwaltliche Treue- und Interessenswahrungspflichten. Anwälte dienen ausschließ­lich dem Interesse ihrer KlientInnen. Wenn die Rechtsberatung und insbesondere die Rechtsvertretung durch diese Bundesagentur also einen gleichwertigen Ersatz bieten sollen, dann sind Unabhängigkeit, Vertraulichkeit und Parteilichkeit unabdingbare Vor­aussetzungen. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Um das richtigzustellen, bringe ich einen Abänderungsantrag ein. Ich glaube und hoffe, dass Sie das alle sehr ähnlich sehen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr.in Alma Zadić, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die eingangs bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. In Art. 1 wird in § 2 Abs. 1 Ziffer 2 nach der Wortfolge „Durchführung der Rechtsberatung“ die Wortfolge „und Rechtsvertretung“ eingefügt.

2. In Art. 1 lautet § 13 Abs. 1 nach dem ersten Satz: „Sie haben die Beratungstätigkeit objektiv und nach bestem Wissen durchzuführen. Die Vertretungstätigkeit ist jedenfalls im ausschließlichen Interesse der zu vertretenden Person durchzuführen. In der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sind die Rechtsberater zur Verschwiegenheit verpflichtet.“

3. In Art. 2 Ziffer 11 wird in § 52 Abs. 2 nach der Wortfolge „im Verfahren, ein­schließlich einer mündlichen Verhandlung, zu vertreten.“ die Wortfolge „Die Vertre­tungstätigkeit ist jedenfalls im ausschließlichen Interesse der zu vertretenden Person durchzuführen.“ eingefügt.

*****

Auf einen weiteren Punkt möchte ich auch noch kurz eingehen. Es geht um die Rechtsberatung im Zulassungsverfahren. Der Antragsteller hat einen entsprechenden Rechtsanspruch auch im Zulassungsverfahren, und das hat den Grund, dass dieses Zulassungsverfahren sehr komplex ist. Ich verstehe daher nicht, warum in der Regie­rungsvorlage ein Rechtsanspruch auf Rechtsberatung mit 72 Stunden begrenzt ist. Das könnte dazu führen, dass durch Verlegen des Zeitpunkts der ersten Einvernahme diese 72 Stunden verstreichen und dadurch das Recht des Antragstellers auf Rechts­vertretung ausgehebelt wird.

Um auch das richtigzustellen, stelle ich daher den zweiten Antrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr.in Alma Zadić, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:


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Die eingangs bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

In Art. 3 Ziffer 1 (Änderung des Asylgesetzes 2005) lautet § 29 Abs. 4 Satz 1:

„Bei Mitteilungen nach Abs. 3 Z 3 bis 6 hat das Bundesamt den Asylwerber an einen Rechtsberater (§ 49 BFA-VG) zu verweisen.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.46

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr.in Alma Zadic, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten (621 d.B.) über die Regie­rungsvorlage (594 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Ge­sellschaft mit beschränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden (TO-Punkt 1)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die eingangs bezeichnete Regierungsvorlage (594 d.B.) wird wie folgt geändert:

1.          In Art. 1 wird in § 2 Abs. 1 Ziffer 2 nach der Wortfolge „Durchführung der Rechtsberatung“ die Wortfolge „und Rechtsvertretung“ eingefügt.

2.          In Art. 1 lautet § 13 Abs. 1 nach dem ersten Satz: „Sie haben die Bera­tungstätigkeit objektiv und nach bestem Wissen durchzuführen. Die Vertretungs­tätigkeit ist jedenfalls im ausschließlichen Interesse der zu vertretenden Person durch­zuführen. In der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sind die Rechtsberater zur Verschwie­genheit verpflichtet.“

3.          In Art. 2 Ziffer 11 wird in § 52 Abs. 2 nach der Wortfolge „im Verfahren, einschließlich einer mündlichen Verhandlung, zu vertreten.“ die Wortfolge „Die Vertre­tungstätigkeit ist jedenfalls im ausschließlichen Interesse der zu vertretenden Person durchzuführen.“ eingefügt.

Begründung

Während aus der Regierungsvorlage klar hervorgeht, dass die geplante Bundes­agentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen mit der Rechtsberatung von Fremden und AsylwerberInnen betraut werden soll, wird deren Rechtsvertretung nicht explizit als Aufgabe der Bundesagentur angeführt. Allerdings enthält der Artikel 1, § 2 BBU-G (Aufgaben der Bundesagentur) der Regierungsvorlage einen Verweis auf §§ 49 und 52 BFA-VG, die neben der Beratungstätigkeit auch die Vertretung vorsehen.

§ 49 Abs. 2 BFA-VG sieht vor, dass RechtsberaterInnen als gesetzliche VertreterInnen für Minderjährige auftreten sollen. § 52 Abs. 2 BFA-VG sieht vor, dass Asyl­wer­berInnen oder Fremde RechtsberaterInnen ersuchen können, sie in der mündlichen Verhandlung zu vertreten. Im Fall des Schubhaftbescheids bezieht sich die Beratung und Vertretung auch auf die Festnahme und Anhaltung.


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Da RechtsberaterInnen der Bundesagentur somit auch Vertretungsaufgaben wahr­nehmen, sollte die Vertretungstätigkeit in diesem Sinne auch explizit in die Regie­rungsvorlage (Artikel 1, § 2 BBU-G) aufgenommen werden. Zudem sollte das zu beschließende Gesetz klar zwischen dem Gebot einer vollständigen und „objektiven“ Beratung und einer parteiischen Vertretung im ausschließlichen Interesse der Ver­tretenen differenzieren.

Laut Erläuterungen soll die Rechtsberatung durch die Bundesagentur einen gleich­wertigen Ersatz für die Verfahrenshilfe durch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte darstellen. Wesensgehalt des anwaltlichen Berufes sind die anwaltlichen Treue- und Interessenswahrungspflichten, die den Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin dazu verpflichten, im ausschließlichen Interesse der Klienten zu handeln. Wenn somit die Rechtsberatung und insbesondere die Rechtsvertretung durch die Bundesagentur einen gleichwertigen Ersatz für die anwaltliche Vertretung darstellen soll, dann ist neben Aspekten wie Qualifikation, Unabhängigkeit und Vertraulichkeit, die Partei­lich­keit eine unabdingbare Voraussetzung. Um einen gleichwertigen Ersatz zu bieten, ist diese Voraussetzung in den Gesetzestext mit aufzunehmen.

Während die im Asylverfahren entscheidenden Behörden (BFA, BVwG, VwGH und VfGH) zur Objektivität gemäß Art. 5 und 13 EMRK sowie Art. 6 und 47 EU-Grundrechtecharta verpflichtet sind, ergibt sich aus ebendenselben Bestimmungen, dass die Rechtsberatung und Rechtsvertretung von Fremden und AsylwerberInnen im ausschließlichen Interesse der zu beratenden und/oder zu vertretenden Person zu erfolgen hat. Insbesondere hinsichtlich der Beratung und Vertretung von unbegleiteten Minderjährigen, müssen die Beratungs- und Vertretungsaufgaben im Interesse des Kindeswohls wahrgenommen werden (Art. 25 EU-Verfahrensrichtlinie).

*****

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr.in Alma Zadic, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten (621 d.B.) über die Regierungsvorlage (594 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden (TO-Punkt 1)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die eingangs bezeichnete Regierungsvorlage (594 d.B.) wird wie folgt geändert:

In Art. 3 Ziffer 1 (Änderung des Asylgesetzes 2005) lautet § 29 Abs. 4 Satz 1:

„Bei Mitteilungen nach Abs. 3 Z 3 bis 6 hat das Bundesamt den Asylwerber an einen Rechtsberater (§ 49 BFA-VG) zu verweisen.“

Begründung

Nach geltender Rechtslage ist die Rechtsberatung im Zulassungsverfahren verpflich­tend vorgesehen. Der Antragssteller bzw. die Antragstellerin haben dementsprechend einen Rechtsanspruch auf Rechtsberatung im Zulassungsverfahren. Dieser Rechts-


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anspruch auf Rechtsberatung im Zulassungsverfahren ist der hohen Komplexität dieses Verfahrensabschnittes und der Rechtsmaterie geschuldet. Die Rechtsberatung ist notwendig, um die Verfahrenshandlung zu verstehen und die Parteien­stellung­nahme mit dem notwendigen Sachverstand zu formulieren.

Die gegenständliche Regierungsvorlage sieht nun vor, dass ein Rechtsanspruch auf Rechtsberatung im Zulassungsverfahren nur bestehen soll, wenn die Einvernahme innerhalb eines Zeitraums von 72 Stunden erfolgt. Findet die Einvernahme nach diesem Zeitraum statt, dann soll die Rechtsberatung nicht mehr verpflichtend sein. Eine solche Bestimmung läuft letztendlich darauf hinaus, dass die Behörde durch Festlegung des Einvernahmetermins den Rechtsanspruch des Antragstellers bzw. der Antragstellerin umgehen kann. Eine solche wesentliche Verschlechterung der Verfah­rensrechte von AsylwerberInnen ist in keiner Weise sachlich gerechtfertigt und daher verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Deshalb schlägt der vorliegende Abände­rungsantrag vor, diese zeitliche Einschränkung zu streichen.

*****


Präsidentin Doris Bures: Beide Abänderungsanträge sind ordnungsgemäß einge­bracht und stehen daher mit in Verhandlung und zur Abstimmung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr.in Susanne Fürst. – Bitte.


11.46.46

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Vorsitzende! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Freiheit ist wirklich ein ganz zentraler europäischer Wert, Frau Kollegin Zadić, vor allen Dingen auch die Freiheit, Gleichheit und Gleich­berechtigung der Frau und auch die Freiheit junger Mädchen, sich ohne Kopftuch­zwang in Kindergärten und Volksschulen zu bewegen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Keiner von Ihnen hat gestern mitgestimmt. Die Frau Oppo­sitionschefin Rendi-Wagner und die ehemalige Frau Frauenministerin Heinisch-Hosek waren nicht einmal im Plenarsaal – so wichtig ist ihnen also die Freiheit von Frauen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zurück zum Thema: Dass die Rechtsberatung – Beratung wohlgemerkt, und nicht Rechtsvertretung – und die Flüchtlingsbetreuung objektiv, qualitätsvoll, effizient, kos­tensparend und ohne Eigeninteressen der betreffenden Stellen ablaufen sollen, darüber sind wir uns ja offensichtlich weitgehend einig. Die große Frage ist nur: Waren diese Eigenschaften, die ich soeben aufgezählt habe, bei der Betreuung bisher erfüllt? Ich behaupte: Mitnichten! Es war das pure Gegenteil davon.

Zum Beispiel musste das BMI aufgrund der bestehenden Verträge auch mit dem Verein Menschenrechte Österreich zusammenarbeiten. Es steht gerade ein sehr mildtätiger Ägypter, der da als Rechtsberater gearbeitet hat, vor Gericht, weil er von seinen Schäfchen Honorare kassiert hat. Er hat ihnen versprochen, dass er großen Einfluss auf das Verfahren hat, er hat ihnen also positive Ergebnisse versprochen. Vor einigen Jahren, noch unter Bundeskanzler Kern, hat es zum Beispiel eine Anfrage­beantwortung über den Umfang der Leistungen an den Verein Menschenrechte Österreich gegeben. Die Entschädigung für die Rechtsberatung hat im Jahr 2015 noch 1 250 000 Euro betragen, dann hat es im Jahr 2016 eine kleine Steigerung auf 2 150 000 Euro gegeben. Für den ehemaligen Herrn Bundeskanzler war das natürlich nur Klein-Klein. Es ist tatsächlich auch nur ein ganz kleiner Teil vom großen Kuchen, der da zu holen war, man sieht aber schon, man kann erahnen, was das für eine lukrative Angelegenheit ist.


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Der Chef der Volkshilfe, die zur Arge Rechtsberatung dazugehört, die auch noch aufrechte Verträge mit dem Innenministerium hat, hetzt – muss man sagen – ständig gegen Maßnahmen der Bundesregierung und natürlich auch gegen diese neue Bundesagentur. Da muss man fragen: Macht er das wirklich aus Nächstenliebe, oder hat er dabei nicht ganz handfeste eigene Interessen, nämlich dass er schlichtweg um seinen Verdienst fürchtet. Ein bisschen ideologisch gefärbt wird es auch sein, er war ja schließlich im Stiftungsrat unseres öffentlich-rechtlichen Rundfunks Leiter der SPÖ-Freundschaftsgruppe. Unsere Frau Außenministerin hat einmal gesagt, die NGOs der Achtzigerjahre haben ihre Unschuld verloren. – Damit hat sie unter anderem das gemeint. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Geben Sie einmal Asylberatung bei Google ein! Da kommt eine riesige Anzahl von Organisationen, von denen man nicht gewusst hat, dass es sie gibt: Asylkoordination Österreich, Asyl in Not, Agenda Asyl, Volkshilfe, Diakonie, SOS Mitmensch, Integra­tionshaus, Don-Bosco-Flüchtlingswerk, Plattform für Rechtsberatung und so weiter. Das gibt es natürlich auch auf EU-Ebene: NGOs, Jobs. Da werden Arbeitsplätze angeboten, Ende nie. Da werden zum Teil bereits die Gehälter angeführt; das ist also ein Riesenarbeitsmarkt. Jobs, Jobs, Jobs, wie Sie gesagt haben. Da geht es um viel Geld, Geld, Geld. Money makes the world go round, auch in der Asylindustrie. Es geht um Tausende Arbeitsplätze.

Auf der Homepage der Asylkoordination Österreich steht: Der Innenminister „plant die totale Kontrolle über den Asylbereich“. – Mit Verlaub, er ist nach der Verfassung dafür zuständig. (Abg. Rosenkranz: Wer sonst?) Das steht auch in dem Kodex, den Frau Abgeordnete Zadić dem Herrn Innenminister gegeben hat. Das ist etwa so, als würde ich sagen, der Bürgermeister einer Gemeinde maße sich die totale Kontrolle im Bauverfahren an. – Er ist einfach dafür zuständig. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Im Leitbild von Asyl in Not: Wir stehen „parteiisch auf der Seite der Flüchtlinge“. Dann gibt es ein ganz interessantes gemeinsames Positionspapier einer unendlichen Anzahl von NGOs, aber es sind auch die dabei, die derzeit noch die ganz unabhängige objektive Flüchtlingsberatung vornehmen: Wir stehen „für ein offenes Europa“ ohne Grenzen, welches „die Aufnahme von Flüchtlingen [...] befördert“. Es geht um Auf­nahme und nicht um Abwehr, „Stärkung der völkerrechtlichen Instrumente“ zur Auf­nahme der Flüchtlinge. – Das erinnert uns ein bisschen an den Migrationspakt. Die Politik muss offensiv für die Aufnahme von Flüchtlingen werben. Es darf keine Grenz­kontrollen geben, keine Rückübernahmeabkommen. Den Interessen der Schutz­suchenden muss der Vorrang eingeräumt werden, „Recht auf freie Wahl“ des Auf­nahmestaates.

Zum Abschluss: „Die offene Aufnahme von Flüchtlingen unter gleichzeitiger Förderung der Willkommenskultur wird den sozialen inneren Frieden stärken“. – Was zu beweisen war. Der innere soziale Frieden hat in Österreich, in Deutschland und in Schweden, die wir alle so viele aufgenommen haben, seit 2015 wirklich einen großen Sprung ge­macht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie erzählen uns, dass diese Stellen und Organisationen, diese NGOs objektiv gear­beitet haben, effizient, unabhängig, nicht von eigenen Interessen geleitet. – Also bitte! (Abg. Rosenkranz: Bar jeder Ideologie!) Bei jeder dieser Äußerungen von NGOs sind persönliche Motive im Spiel, Eigeninteressen. Sie sind staatlich finanziert und zum Großteil interessengefärbt. Die Gehälter für diese Jobs, Jobs, Jobs müssen bezahlt werden; die werden nicht von Luft und Liebe, nicht aus Nächstenliebe, nicht vom Regierungsbashing, nicht vom Heiligenschein, sondern vom österreichischen Steuer­zahler bezahlt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


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Da kommt es natürlich auch zu Ratschlägen wie: Bitte schmeißt den Pass weg, so ihr ihn überhaupt noch mithabt! Macht euch jünger! Da kommt es zu Verfahrens­ver­schleppungen. Derzeit groß im Trend: Behauptet, dass ihr homosexuell seid! Vorteil: schwer nachweisbar; weiterer Vorteil, wenn es um arabische Länder geht, kann man sagen: Bitte, wenn ich da zurückgeschickt werde, erwartet mich wirklich Gefängnis! Auch zum Christentum zu konvertieren ist sehr modern; da wird das Vaterunser einstudiert und man sagt, man ist jetzt gläubig und kann nicht mehr abgeschoben werden. – Das soll irgendetwas mit Rechtsberatung zu tun haben? Das sprengt sogar die Grenzen der zulässigen Rechtsvertretung.

Zum Abschluss: Das Ganze wird vom EuGH noch flankiert. Man hat ja da auch seinen internationalen Überbau. Vor einigen Tagen wurde das aktuelle Erkenntnis des EuGH bekannt, wonach die Abschiebung von Schwerstkriminellen weiterhin verunmöglicht wird. Bitte, es geht hier um die Klage von Schwerstverbrechern, natürlich unterstützt von NGOs. Ein Herr aus der Elfenbeinküste hat in Belgien ein Kind vergewaltigt. Der EuGH stellt fest: Seine kriminellen Handlungen sind irrelevant, er ist nicht abzu­schieben, weil ihn in seinem Heimatland eine unfreundliche, erniedrigende Behandlung erwartet. – Das muss man sich vorstellen! (Abg. Herbert: Unglaublich!) Im zweiten Fall, betreffend einen Herrn aus Kongo, der sich einen Diebstahl mit Todesfolge – das steht so da –, für das Opfer natürlich, hat zuschulden kommen lassen: Irrelevant! Er darf bleiben.

Da kann man nur mit Roman Herzog, dem ehemaligen deutschen Bundespräsidenten, sagen: Stoppt den EuGH! Schon 2008 hat er nach einer eingehenden Analyse der Judikatur festgestellt, dass der EuGH seiner Aufgabe nicht nachkommt. Er spricht nicht Recht, er macht Politik. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Zurück zum Thema, Fazit: Die Rechtsberatung und Flüchtlingsbetreuung durch die NGOs bisher war parteiisch, sie war teuer, verdammt teuer für den Steuerzahler, sie war seitens der NGOs gewinnorientiert, und sie war ineffizient. Es wird jetzt um Welten besser werden, im Interesse der Asylwerber, nämlich derjenigen, die einen Asylgrund haben, und im Interesse der österreichischen Steuerzahler. Sie wird objektiv, korrekt und neutral, so wie unsere Vollziehung eben arbeiten soll. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Rosenkranz: Das war sehr gut!)

11.55


Präsidentin Doris Bures: Nunmehr ist Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz zu Wort ge­meldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


11.55.45

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, würden Sie, wenn Sie mit Ihrem Dienstgeber Probleme haben, seinen Rechtsberater als Auskunftsperson nehmen oder sich von seinem Rechtsanwalt vertreten lassen? (Abg. Rosenkranz: Das würde nicht gehen!) Würden Sie, wenn Sie Probleme mit Ihrem Vermieter haben, den Anwalt der Hausverwaltung nehmen? (Abg. Rosenkranz: Das geht ja gar nicht! Das ist standesrechtlich verboten!) – Das ist verboten, genau! (Abg. Rosenkranz: Standesrechtlich verboten! Das geht gar nicht! Was wollen Sie uns sagen?)

Es ist so, dass nach dieser Novelle sowohl die Rechtsberatung als auch die Rechts­vertretung nicht mehr unabhängig sein werden. Im Endeffekt werden weisungs­gebun­dene Beamte die Rechtsberatung durchführen.

Apropos weisungsgebundene Beamte: In den letzten Stunden erfahren wir, dass einer der größten Justizskandale der Republik im Anrollen ist. Sagen Sie, wer hat dem Ge-


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neralsekretär die Weisung gegeben, dass das Eurofighter-Verfahren eingestellt werden soll? (Abg. Belakowitsch: Das ist der falsche Minister, Frau Yılmaz!) – Das macht ja nichts! (Beifall bei der SPÖ.) Ich kann es Ihnen ja sagen, Sie stellen ja die Regierung. Ich will eine Erklärung haben, warum der Korruptionsstaatsanwalt den Generalsekretär anzeigt. (Abg. Belakowitsch: Geh bitte, sprechen Sie zur Tagesordnung! – Abg. Deimek: Zu welchem Thema reden Sie jetzt?) – Na, Sie haben schon verstanden, wozu ich rede. Es geht um Vertrauen, um weisungsgebundene Beamte, die an­scheinend einfach angewiesen werden, Verfahren einstellen zu lassen. (Abg. Martin Graf: Die Freimaurer ...!)

Sie sprechen von gemeinnützigen Vereinen, NGOs, die seit Jahrzehnten ein Teil dieser Republik sind. (Abg. Deimek: Leider Gottes!) Wie würde die Republik von der Altenpflege bis zur Kinderbetreuung ohne Caritas, Diakonie und so weiter dastehen? (Beifall bei SPÖ und JETZT.) Wie können Sie diese NGOs derart diskreditieren, nur weil Sie auch Asylwerberinnen und Asylwerber betreuen?! Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie viel Menschenverachtung eigentlich in der Abgeordneten Fürst steckt. (Beifall bei SPÖ und JETZT. – Heiterkeit und Oh-Rufe bei der FPÖ.) Wie viel Hass tragen Sie eigentlich in sich, dass Sie sich herstellen und Derartiges von sich geben? (Abg. Herbert: Das sind einfach die Fakten! – Abg. Rosenkranz: Der Vorwurf ist immer Menschenverachtung und Hass! Na gut!)

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie können uns wirklich nicht versichern, dass das unabhängig und rechtlich einwandfrei vonstattengehen wird, denn das Ziel des Herrn Ministers – er hat es schon gesagt – ist: null Asylwerber. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie soll er das regeln können? Sie können das auch nicht! Man kann sich die Asylwerber nicht aussuchen. Das glauben Sie, und das wollen Sie uns weismachen. Wir können das nicht! Wir können nur sehr faire Verfahren anbieten und durchführen. Diese Rechtsstaatlichkeit brauchen wir, von der leben wir. Das bedeutet Vertrauen auch für mich, auch wenn ich kein Asyl brauche. Sie möchten das echt zerschlagen? Das tut mir sehr, sehr leid. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

11.59


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Werner Herbert. – Bitte.


12.00.02

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Offensichtlich ist es nicht möglich, der Opposition mit einfachen, klaren Worten gewisse Sachverhalte klarzumachen, so wie es der Herr Bundesminister schon gesagt hat. Frau Kollegin Yılmaz, ich darf es Ihnen daher noch einmal näherbringen: Rechtsberatung und Rechtsvertretung werden zukünftig von Beamtinnen und Beamten, Vertretern der Behörde durchgeführt, die ihre Arbeit – und so steht es im Beamtendienstrecht – gewissenhaft und unparteiisch zu erfüllen haben.

Jede Unterstellung, die Sie hier – und da darf ich mich Innenminister Kickl an­schließen – gegenüber unseren Beamten und Vertragsbediensteten, gegenüber allen öffentlichen Bediensteten in dieser mittlerweile langen Diskussion um die Regierungs­vorlage permanent vorbringen, darf ich auf das Entschiedenste zurückweisen. Unsere Beamten, unsere öffentlich Bediensteten leisten hervorragende Arbeit und haben es nicht verdient, dass sie permanent von der Opposition kollektiv ins Unrecht gestellt werden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Das darzulegen ist mir jedenfalls wichtig.

Inhaltlich wurde zu dieser Regierungsvorlage schon fast alles ausgeführt. Es ist beab­sichtigt, eine schlanke und kosteneffiziente neue Agentur zu schaffen, die auf hohem


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Qualitätssicherungsniveau die bisherigen Aufgaben der NGOs übernehmen wird. Sehr kritische Äußerungen galten der Kostenfrage. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, hätten Sie die Erläuterungen zu dieser Regierungsvorlage gelesen, dann wüssten Sie, dass diese Agentur als 100-prozentige Tochter des Bundes der Kontrolle des Rechnungshofes unterstellt ist.

Ich lade Sie ein, sobald wir den ersten Rechnungshofbericht zu dieser neuen Agentur vorliegen haben, nochmals eine Diskussionen darüber zu führen (Abg. Greiner: Das machen wir sicher! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), inwieweit tatsächlich diese von Ihnen befürchteten Kosten eintreten oder ein negativer Kostenansatz vorliegt; vielleicht können wir dies im positiven Sinne, nämlich dass dies nicht vorliegt, abklären.

Wir haben einen zweiten wichtigen Ansatz, nämlich die bisherige gewinnorientierte Fremdbetreuung durch NGOs abzustellen. Da darf ich Frau Kollegin Krisper an­sprechen: Sie haben von der langen Verfahrensdauer und von Verfahren, die verzögert werden, gesprochen. Gerade diese NGOs waren in ihrer Ausprägung der Gewinn­orien­tierung oftmals daran schuld, und wir mussten anhand der Darbietung und der Arbeit der dort eingesetzten Kräfte immer wieder feststellen, dass die Rechtsberatung in einem Ausmaß durchgeführt wurde, bei dem man den Eindruck gewinnen konnte, dass Verfahren verschleppt werden. Es wurden bewusst Instanzen angerufen und Schritte gesetzt, angesichts deren man sich einfach des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass es nicht darum ging, einem Asylwerber eine sachlich, fachlich fundierte Unterstützung zu geben, sondern einfach darum, dem gewinnorientierten, dem gewinnmaximierten Ansatz zu folgen. Dies stellt diese Regierungsvorlage nun endgültig ab.

Frau Kollegin Zadić, da Sie die Reisefreiheit oder die Freiheitswerte in der Europä­ischen Union angesprochen haben, darf ich Ihnen folgenden Rat geben: Sagen Sie das doch einmal den vielen Asylwerbern, nämlich jenen, die auf Kosten der Steuer­zahler kreuz und quer durch die Europäische Union reisen, um sich dann schluss­endlich jenes Destinationsland auszusuchen, in welchem sie auf Staatskosten die besten sozialen Leistungen in Anspruch nehmen können! (Abg. Zinggl: Das sagen Sie!) Das ist das, was wir nicht wollen. Aus diesem Grund bin ich Herrn Innenminister Kickl sehr dankbar dafür, dass er nicht nur das im Regierungsprogramm festgelegte Konzept der Betreuungsagentur umsetzt, sondern einmal mehr die Interessen der österreichischen Bevölkerung wahrnimmt, die im Mittelpunkt unser aller Wirken hier im Hohen Haus stehen sollten, und nicht so sehr jene Interessen, wonach man den Asylwerbern jedenfalls jeden finanziellen Vorteil gönnen sollte.

Schlussendlich darf ich mich bei Herrn Innenminister Kickl bedanken, dass er einmal mehr eine Lanze für unsere Bediensteten im öffentlichen Dienst gebrochen hat. Ich denke – wie ich eingangs schon erwähnt habe –, sie haben es sich wahrlich nicht verdient, dass sie kollektiv ins Unrecht gestellt werden, dass ihnen permanenter Amts­missbrauch oder die Nichterfüllung ihrer Aufgaben im redlichen Sinne unterstellt wird.

In diesem Sinne darf ich Sie einladen, dieses Gesetz zu unterstützen, und hoffe auf breite Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.05


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Maurice Androsch. – Bitte.


12.05.53

Abgeordneter Ing. Maurice Androsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Herr Bundesminister, Sie haben in Ihrer Rede, die Sie zu diesem Thema hier gehalten haben, zwei Punkte gesagt, auf die ich näher eingehen möchte.


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Vorwegschicken möchte ich: Niemand von der Opposition und schon gar nicht von der SPÖ hat irgendwann einmal in diesem Zusammenhang die Beamten in die Kritik genommen oder hegt ein Misstrauen gegen die Beamten, die dort tätig sind. Wir haben Misstrauen hinsichtlich der Tätigkeit, die Sie ausüben, der Art, wie Sie sie sehen, und der Verantwortung, wie Sie sie wahrnehmen. Da sind wir sehr kritisch. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Herr Bundesminister, Sie haben das Thema des Aufsichtsrates angesprochen, und ich möchte Ihnen sagen: Was Sie gesagt haben, ist nicht richtig. Wir haben nicht die Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder kritisiert (Bundesminister Kickl: Schon!), sondern wir haben kritisiert, wie viele Aufsichtsräte das Bundesministerium für Inneres stellt. Sie wissen, zwölf Mitglieder gibt es im Aufsichtsrat, sechs davon stellt allein das Bun­desministerium für Inneres, eines stellt das Bundesministerium für Verfassung, Refor­men, Deregulierung und Justiz, ein Mitglied das Bundesministerium für Finanzen, und vier werden innerbetrieblich gestellt. Als wir Kritik daran geübt haben, wie viele Sie stellen, haben Sie gesagt, wir wollen die innerbetrieblichen nicht. – Das stimmt nicht, das stimmt überhaupt nicht! Diese wollen wir schon. Wir sehen es aber kritisch, wenn sechs aus Ihrem Ministerium kommen und diese weisungsgebunden sind – weisungs­gebunden in einer klaren Linie von oben nach unten.

Sie haben im Ausschuss ganz klar gesagt, dass sie weisungsgebunden sein werden. Sie haben gesagt, Sie suchen sich die Mitglieder aus, Sie bestellen die Mitglieder, Sie bestellen den Geschäftsführer. Das heißt, es gibt in diesem Bereich auch eine Durch­gängigkeit in der Weisungskette. Weiters wird dort mit einfacher Mehrheit und einem Dirimierungsrecht beschlossen (Zwischenrufe bei der FPÖ), das heißt, der Vorsitzende entscheidet bei Stimmengleichheit die Abstimmung; das heißt, das Bundesministerium für Inneres wird bei Stimmengleichheit die Entscheidung treffen. Der Vorsitzende ist Ihnen ebenfalls weisungsgebunden unterstellt.

Sorge haben wir dahin gehend, Herr Innenminister, welche Personen Sie dorthin ent­senden werden, weil Ihr Umfeld schwierig ist. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen, und da äußern wir Besorgnis.

Lieber Herr Bundesminister, dass Sie nur einen Geschäftsführer stellen, ist einzig und allein der Tatsache geschuldet, dass sich die ÖVP offensichtlich über den Tisch hat ziehen lassen und nicht mitbekommen hat, dass Sie nur einen bestellen wollen und nicht mehrere. Das brauchen Sie uns nicht vorzuwerfen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch, Stefan und Wurm.)

Eines möchte ich Ihnen schon klar mitgeben, Herr Bundesminister: Sie kritisieren immer, dass die Diskussion nicht sachlich sei. – Sie stellen sich her und kommen mit großer Polemik, indem Sie die Oppositionsparteien und die Abgeordneten ständig polemisch kritisieren.

Ich sage Ihnen etwas: Sie haben gesagt, Frau Abgeordnete Lueger sei eine „Pranger­rednerin“. Da geben ich Ihnen recht, dass sie das angeprangert hat, was Sie damit vorhaben und was Sie, liebe Regierungsparteien, heute beschließen werden. Ja, das hat sie zu Recht angeprangert. Ihre Rede aber, Herr Bundesminister, und das sage ich Ihnen schon zum Abschluss, erinnert mich nicht an eine kompetente Rede eines Bun­desministers, sondern eher an eine Büttenrede dieser Regierung. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

12.09


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter David Lasar. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 72

12.09.12

Abgeordneter David Lasar (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Eines möchte ich zur Rede von Herrn Maurice schon sagen (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ): Ihr wärt natürlich froh, wenn Ihr je einen Bundesminister gehabt hättet, der das zuwege bringt, was Herr Bundesminister Kickl zusammenbringt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Heiterkeit und Widerspruch bei der SPÖ.) Da spricht natürlich wieder einmal der pure Neid. (Abg. Leichtfried: Wir haben halt den Sobotka gehabt!) Das ist euer Problem. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Danke, Herr Bundesminister! Weiter so, bitte! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt zum eigentlichen Thema, meine Damen und Herren! (Rufe und Gegenrufe bei SPÖ und FPÖ.) In diesem Gesetz geht es um die Schaffung einer Bundesagentur im Bereich der Grundversorgung, der Betreuung von Asylwerbern, der Rechtsberatung sowie der Übersetzungs- und Dolmetschleistungen für Asylwerber und sonstige Fremde.

Durch die Bündelung, meine Damen und Herren, wird eine Qualitätssicherung auf sehr hohem Niveau erreicht. Außerdem entfällt die Abhängigkeit gegenüber externen Leis­tungserbringern. Die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen steht im Eigentum des Bundes, das heißt an und für sich, die Anteile der Gesellschaft stehen zur Gänze im Eigentum der Republik Österreich. Diese Bundesagentur, kurz BBU, unterliegt somit der uneingeschränkten Kontrolle des Rechnungshofes. Vielleicht zerstreut das etwas Ihre Bedenken, meine Damen und Herren!

Auch andere Mitgliedstaaten – vielleicht sollten Sie auch einen Blick in andere EU-Staaten richten – haben solche Agenturen: Finnland, Frankreich, Irland, Lettland, Litauen, Malta und auch Großbritannien. Dort gibt es ebenfalls staatliche Rechts­bera­tungssysteme unterschiedlichster Art, meine Damen und Herren!

Seitens des BMI wurde auch das Justizministerium eingebunden; vielleicht kann man mit Informationen dazu einige Kritikpunkte, die Sie vorhin vorgebracht haben, zer­streuen: Rechtsberater werden nur mit Zustimmung des Justizministeriums ausge­wählt. Es gibt ein Vetorecht des Justizministeriums im Bereich der Rechtsberatung. Weiters ist ein eigener Sachbereich zur Rechtsberatung in der zweiten Instanz vor­gesehen, der Leiter des Sachbereichs zur Rechtsberatung zweiter Instanz wird vom Justizminister gestellt, meine Damen und Herren! Das BMI und das Justizministerium legen gemeinsam das Auswahlverfahren für Rechtsberater fest. Es gibt darüber hinaus die Informationspflicht der Geschäftsführung gegenüber dem Justizministerium, und das Justizministerium kann die internen Kostenrechnungen der Rechtsberater über­prüfen.

Ich glaube, wenn Sie das noch einmal Revue passieren lassen, erkennen Sie, dass ich zu einem großen Teil unsere Antwort vor allem auf Ihre negativen Argumente zur Kenntnis gebracht habe.

Ich kann mich abschließend beim Herrn Bundesminister und bei seinem ganzen Team nur noch einmal für diese hervorragende Arbeit bedanken und sagen: Herr Bundes­minister, bitte machen Sie weiter so! Für diesen Schritt sind keine Siebenmeilenstiefel angebracht, bitte machen Sie Schritt für Schritt weiter! – Danke vielmals. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.13


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Konrad Antoni. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 73

12.13.22

Abgeordneter Konrad Antoni (SPÖ): Herr Abgeordneter Lasar, ich darf Ihnen kurz mitteilen: Unsere Fraktion ist glücklich und stolz darauf, noch nie so einen Bundes­minister wie den jetzigen in unseren Reihen gehabt zu haben. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ein sogenannter Dauerbrenner der Regierung, um nicht zu sagen, überhaupt das Lieblingsthema der Regierungsparteien, ist das Thema Asyl, das seit den letzten Wahlen mittlerweile auch im Repertoire der türkisen Fraktion ist. Wenn man den vorliegenden Entwurf des Bundesgesetzes genauer durchforstet, wird einem sehr schnell eines klar: Mit dieser Gesetzesänderung wird der Weg fortgesetzt, den die Regierung seit Amtsantritt verfolgt (Abg. Zanger: Na no na net!): Umbauen, umstrukturieren, und das auf Kosten der Steuerzahler, koste es dem Steuerzahler und der Steuerzahlerin, was es wolle! (Beifall bei der SPÖ.)

In der Begründung werden immer wieder „Einsparungen“, „Optimierung“, „Kosten­effi­zienz“, „Qualitätssicherung auf hohem Niveau“ angeführt; ob es jetzt bei gleichzeitiger Qualitätssteigerung aber tatsächlich billiger wird, ist mehr als fraglich. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Viele der Vorredner heute haben ja bereits angeführt, dass wir anlässlich der Einführung dieser Bundesagentur mit deutlichen Mehrkosten in Höhe von 10 Millionen Euro rechnen müssen; daher bezweifle ich, dass es billiger wird. Ich bezweifle auch, dass es für die Betroffenen besser wird, und ich bezweifle vor allem, dass es zu einer Qualitätssteigerung kommen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Bezüglich der Qualitätssteigerung möchte ich eines anmerken: Ausschreibungs­ver­fahren dienen auch der Qualitätssicherung und der Qualitätssteigerung, weil sich in diesen Verfahren die Besten um diese Positionen bewerben können. Ein solches Verfahren fällt jetzt einmal weg, weil ja die Verantwortungsträger in der Bundesagentur sowie die Geschäftsführer nicht im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens, sondern durch den Innenminister bestellt werden. So stellt sich natürlich die Frage, Herr Innenminister: Ist das die Qualitätsverbesserung, die Sie meinen? Ist es das? – Das bedeutet also, Sie bestellen in Ihrem Sinne Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer und sind der Meinung, dass dadurch die Qualität verbessert wird. Ich muss einen anderen Schluss ziehen: Ich sehe nur eine Verbesserung, nämlich eine Verbesserung für Sie, aber keine Verbesserung in der Sache. (Beifall bei der SPÖ.)

Da es keine Verbesserung in der Sache ist, wird es von unserer Fraktion auch keine Zustimmung geben.

Zum Abschluss möchte ich noch eines anmerken: Wozu es führen kann, wenn nicht ausgeschrieben wird, wie zum Beispiel bei den Generalsekretären, zeigt sehr klar und deutlich die heutige mediale Berichterstattung; ich verweise auf die Homepage des ORF. Dort kann jeder nachlesen, dass hochrangige Justizbeamte, darunter auch der Generalsekretär im Justizministerium, von eigenen Kollegen angezeigt wurden. Der Grund dafür ist der Verdacht der Anstiftung zum Amtsmissbrauch in der Causa Eurofighter. (Abg. Leichtfried: Das ist ja ein Wahnsinn! – Abg. Belakowitsch: Sicher, der Innenminister ist verantwortlich!) Das ist ein weiterer trauriger Baustein dieser Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Die Rede hat mich umgehaut!)

12.17


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Efgani Dönmez. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 74

12.17.37

Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Für mich ist die Entscheidung, dass die Rechtsberatung und auch die Betreuung wieder in die Hände des Bundes gelegt wird, ein ganz logischer Schritt und auch absolut nachvollziehbar. (Beifall des Abg. Stefan.)

Ich bin unter anderem Sozialarbeiter und komme aus der Flüchtlings- und MigrantIn­nenarbeit. (Abg. Leichtfried: Was heißt „unter anderem“?) – Ich habe auch etwas anderes gelernt. (Abg. Rosenkranz: Das steht auf der Homepage! – Abg. Leichtfried: Er kann ja sagen, was anderes! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Rosenkranz.) In Oberösterreich habe ich die Jugendwohnhäuser für unbegleitete minderjährige Fremde aufgebaut und geleitet. Ich habe über die Jahre beobachtet, dass sich große Teile der Behörden, der Beamten, der NGOs und der Funktionäre dort nicht auf Augenhöhe partnerschaftlich, zum Wohle der betroffenen Leute ausgetauscht haben, sondern dass ein Klima des Misstrauens und der gegenseitigen Feindseligkeiten vorhanden war. Dass sich das über die Jahre zuspitzt und auch Konsequenzen nach sich zieht, war für jemanden, der ein bisschen über den Tellerrand hinausblickt, eigentlich absehbar.

Ich gebe Ihnen ein ganz konkretes Beispiel: In der Betreuung von jugendlichen Flüchtlingen und MigrantInnen haben wir Jugendliche gehabt, die gesagt haben, dass sie 14, 15, 16 Jahre alt sind. Sie waren aber tatsächlich älter als die Betreuer selbst, also 25, 30 und so weiter. Als Sozialarbeiter, der nicht weggeschaut hat, habe ich das thematisiert und gesagt: Leute, das kann es doch nicht sein, dass Personen in einer Jugendeinrichtung als Jugendliche betreut werden, die jenseits von Gut und Böse sind, aber sicher nicht minderjährig! Wissen Sie, was die Antwort war? – Verzeihen Sie jetzt die saloppe Ausdrucksweise: Halt die Pappen und mach deine Arbeit! Wenn die das so sagen, dann ist das so! – Gut, dann ist das so.

Was war die nächste Konsequenz? – Es wurden Altersfeststellungen eingeführt. Wer waren die Allerersten, die aufgeschrien und von Eugenik und Nazimethoden ge­sprochen haben, weil Handwurzelröntgen und Altersfeststellungen eingeführt worden sind? – Das waren wieder die NGOs. Das heißt, da hat sich im Laufe der Zeit ein Klima etabliert, angesichts dessen es nachvollziehbar ist, dass es so nicht weitergehen kann.

Das war vorher in den Händen von NGOs oder teilweise auch von Privatiers. Auch die Privatiers haben sich da eine goldene Nase verdient, wenn in ländlichen Gebieten verlassene Gasthäuser und Pensionen mit Flüchtlingen aufgefüllt worden sind; die haben da eine Megakohle gemacht. Seien wir ehrlich! Dass das jetzt sozusagen in die Hände des Bundes gelegt wird, finde ich begrüßenswert, finde ich wichtig und auch einen richtigen Schritt in die richtige Richtung. Kollege Noll hat das ja auch schon in seinem Redebeitrag ausgeführt.

Das, was es zu tun gilt, ist, dass wir Menschen, die Hilfe und Unterstützung brauchen, diese auch weiterhin zukommen lassen. Ich glaube, da hat Österreich eine lange Tradition. Da brauchen wir uns wirklich nicht zu schämen, wenn wir uns mit anderen Ländern vergleichen, die keine Flüchtlinge aufnehmen möchten oder sich auch nicht solidarisch mit der europäischen Gemeinschaft zeigen, weil sie von vornherein sagen: Nein, das wollen wir nicht und da machen wir die Türen zu!

Österreich geht hier einen anderen Weg, einen differenzierten Weg. Das ist wichtig, damit das Klima in diesem Land nicht kippt und damit gewisse Fehlentwicklungen wieder korrigiert werden können. Der Herr Innenminister muss jetzt teilweise die Scherben, die in den vergangenen Jahren in diesem Bereich angehäuft worden sind,


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zusammenkehren, also insofern können wir schon Danke sagen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.22


Präsidentin Doris Bures: Ich möchte auf der Galerie eine Gruppe des Pen­sionis­tenverbandes aus Haugsdorf und Pernersdorf recht herzlich begrüßen. Herzlich will­kommen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Walter Rosenkranz. – Bitte. (Abg. Leichtfried: Wieder gegen den Sobotka ...!)


12.22.38

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ein paar Dinge zum Zurechtrücken und zum Auf-der-Zunge-zergehen-Lassen: Ja, Innenminister Herbert Kickl möchte, dass es in Zukunft null Asylanträge in Österreich geben wird. Warum? – Weil es erstens unter Umständen notwendig sein wird, dass auf der ganzen Welt generell überhaupt niemand Asyl braucht, und weil wir zweitens – und das ist das, was Österreich betrifft – rundum von sicheren Drittstaaten umgeben sind. Grundsätzlich hätte in Österreich niemand die rechtliche Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, außer er kommt illegal über unsere Grenze – daher ist der Grenzschutz wichtig. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dönmez.)

Ein Asylwerber kann nur dann legal nach Österreich kommen, wenn er über einen der Flughäfen, in erster Linie über Schwechat, mit einem gültigen Reisedokument einreist; das ist natürlich eine Situation, in der man im Rahmen unseres Rechtsstaates selbst­verständlich das Asylverfahren anbietet und die auch die positive Eigenschaft hat, dass man ein Reisedokument der betreffenden Person bekommt. Dann haben wir idealer­weise vielleicht ein oder zwei Asylverfahren in einem Jahr zu bewältigen. Alle anderen müssten, sobald sie hier sind, sofort in das Land zurück, aus dem sie hergekommen sind – sei es, dass sie direkt in ihr Heimatland kommen, sei es, dass sie in eines unserer Nachbarländer, in einen sicheren Drittstaat kommen. So gesehen hat Herbert Kickl recht: null Asylwerber in Österreich. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein paar Dinge, um die Aussagen – bitte, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen! – in Erinnerung zu rufen: Frau Yılmaz stand hier und behauptete, es werden dort weisungsgebundene Beamte entscheiden. – Was steht im Gesetz? Diese Beamten sind weisungsfrei. (Beifall der Abg. Steinacker. – Ruf bei der FPÖ: Sie lügen!) Jetzt frage ich mich: Was ist das dann? (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Jetzt die nächste Frage: Herr Kollege Androsch hat gemeint, die Aufsichtsräte sind dort weisungsgebunden. – Der Aufsichtsrat ist nicht weisungsgebunden.

Langsam drängt sich mir – im Zuge der letzten, gestrigen Sitzung zur Frage der Sozialhilfe, der Armutsbekämpfung – Folgendes auf, da diese Regierung daran ar­beitet, denjenigen Hilfe zu gewähren, die sich nicht selbst helfen können: Ich werde heute mit dem Regierungspartner ÖVP in ein Gespräch eintreten, wie man dieser SPÖ helfen kann, denn sie kann sich nicht mehr selbst helfen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es sind die NGOs angesprochen worden: die Altenbetreuung – sehr verdienstvoll; die Kinderbetreuung – sehr verdienstvoll; Palliativeinrichtungen – sehr verdienstvoll. Hier geht es aber nicht um all das, sondern um das, was sich bei den NGOs etabliert hat, um das zu machen, was manche Menschen, vor allem in Wien, als die Häupl-Doktrin anerkennen und sehen: Wenn die sozialistischen Politiker vom Volk abgewählt werden, dann muss man eben den echten Wiener durch ein anderes Volk austauschen. (Abg. Heinisch-Hosek: Was soll denn das? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist


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jetzt der Punkt, an dem Sie sind, und das, was seit 2015 und auch in den Jahren davor passiert ist.

In der letzten Zeit ist ein Ausdruck verwendet worden, der immer ganz besonders auf Kritik gestoßen ist. Ich habe den Ausdruck gefunden, den Ihre Reichshälfte dafür verdient – und dafür werden Sie mich ja doch nicht schelten wollen –: Der Leiter der Wiener Festwochen sagte anlässlich der Eröffnung – er steht nicht in Verdacht, ein Rechtsextremist zu sein – auf der Bühne: „Eine Stadt, die offen ist für wechselnde Identitäten“ – vielleicht kommt das mit Aliasnamen auch im Asylverfahren dann manch­mal vor (Abg. Heinisch-Hosek: Sie haben es nicht verstanden!) – „und eine Bevöl­kerung im Wandel“. 

Ja, Bevölkerung im Wandel – das wollen Sie. Und ich sage Ihnen: Wir wollen das nicht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dönmez.)

12.26


12.26.57

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 594 der Beilagen.

Hiezu liegen zwei Abänderungsanträge der Abgeordneten Dr.in Zadić, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Noll, Dr.in Krisper, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Abänderungsanträgen betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr.in Zadić, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend Art. 1 §§ 2 und 13 eingebracht.

Wer sich hiefür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Noll, Dr.in Krisper, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. 1 § 28 eingebracht.

Wer hiefür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer spricht sich hiefür aus? – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Die Abgeordneten Dr.in Zadić, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abände­rungs­antrag betreffend Artikel 2 eingebracht.

Wer sich für diesen Abänderungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit ange­nommen.


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Die Abgeordneten Dr.in Zadić, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend Artikel 3 eingebracht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer spricht sich hiefür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungs­vorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer stimmt dem zu? – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung ange­nom­men. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr.in Zadić, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umbenennung der Erstaufnahme­stellen in Ausreisezentren“.

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

12.30.352. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regie­rungs­vorlage (593 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 2009 geändert wird (603 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Frau Bundesministerin Köstinger in unserer Mitte und erteile Herrn Abge­ordnetem Erwin Preiner das Wort. – Bitte.


12.31.07

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehapparaten! Das nationale Weingesetz wird heute aufgrund einer Regierungsvorlage ohne Not und Notwendigkeit mit Stimmenmehrheit novelliert und beschlossen werden – und das, obwohl wir weltweit eines der besten Weingesetze haben. Ich bedanke mich daher explizit sehr herzlich bei allen Winzern, auch bei den kleinen Winzerbetrieben, für ihre Arbeit im Weingarten, für ihre Arbeit im Weinkeller und auch für ihre Arbeit, was Vermarktung und Marketing betrifft. (Beifall bei der SPÖ.)

Kolleginnen und Kollegen! Dadurch wird auch Wertschöpfung in strukturschwächeren ländlichen Regionen geschaffen, bleibt Wertschöpfung in diesen Regionen. Daher nochmals ein herzliches Dankeschön.

Worum geht es eigentlich bei dieser Gesetzesnovelle? – Klar ist, dass, wenn es die regionalen Weinkomitees einstimmig beschließen, die Winzerbetriebe, die im Bereich Qualitätswein Flaschenabfüllung betreiben, in Zukunft auf der Etikette nur den Namen


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des Bundeslandes und nicht mehr den Namen der Gemeinde beziehungsweise die Riedbezeichnung veröffentlichen dürfen, nur noch der Name des Bundeslandes bleibt ersichtlich.

Es gibt auch Aussagen, die lauten: Na ja, es bleibt ja ohnehin alles beim Alten. – Dann frage ich mich, wozu dieses Weingesetz überhaupt novelliert wird, wenn ohnehin alles beim Alten bleibt. Es besteht daher keine Notwendigkeit.

Kolleginnen und Kollegen! Im Rahmen der Begutachtung hat auch die Landwirt­schaftskammer Österreich eine Stellungnahme abgegeben. Das geht aus dem Proto­koll der Ausschusssitzung hervor. Nur findet man keine Inhalte dieser Stellungnahme. Frau Ministerin! Ich frage Sie, wenn Sie Ihr Zwiegespräch beendet haben (Abg. Singer spricht mit Bundesministerin Köstinger an der Regierungsbank): Wo sind die diesbezüglichen Unterlagen, diese Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Öster­reich, oder haben Sie irgendetwas zu verbergen, zu verheimlichen?

Kolleginnen und Kollegen! Manche DAC-Regionen verlangen auch einen Aufpreis pro Flasche für die Mitgliedschaft beim DAC. Dadurch finanziert man natürlich bereits jetzt die zusätzliche Bürokratie.

Der Bauernbund und auch die FPÖ meinen, sie träten für die kleinen Leute, für den kleinen Mann, die kleine Frau, ein. Das, denke ich, ist nur Placebopolitik. Wenn Sie das tun wollen, dann setzen Sie, Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien, die Untergrenze, um eine EU-Förderung im Weinbau zu bekommen, von 1,5 Hektar der bewirtschafteten Fläche auf 1 Hektar herunter, denn dann beweisen Sie das, was Sie theoretisch sagen, auch in der Praxis!

Kolleginnen und Kollegen! Dieses DAC-Gesetz ist ein Anschlag auf die kleinen bäuerlichen Winzerfamilien, Winzerbetriebe, Frau Ministerin, ein Anschlag dezidiert auf die Nebenerwerbslandwirte, auch ein Anschlag auf die Direktvermarktung, auf die Regionalität. Es wird einfach in Zukunft verboten, wenn die regionalen Weinkomitees wollen (Abg. Rosenkranz: Einstimmig!), dass der Gemeindename und auch die Ried­bezeichnung auf der Etikette einer verkauften Flasche aufscheinen dürfen (Abg. Rosenkranz: Einstimmig!) – selbstverständlich, ich habe überhaupt kein Problem, Herr Kollege Rosenkranz, mit dem Wort einstimmig (Abg. Gödl: Aha! Schon was von Basisdemokratie gehört?) –, denn diese kleinen Winzerbetriebe und Nebenerwerbs­landwirte haben ja ohnehin kein Stimmrecht in den regionalen Weinkomitees. (Abg. Rosenkranz: Das stimmt ja nicht! Geh!) – Selbstverständlich!

Dieses DAC-Gesetz, Kolleginnen und Kollegen, ist auch ein Anschlag auf das freie Bauerntum. Das lehnen wir Sozialdemokraten ab. Daher werden wir dieser Novelle des Weingesetzes nicht unsere Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.35


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich. – Bitte.


12.35.27

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Herr Kollege Preiner! Man kann Ihnen nicht einen Sinn für Dramatik absprechen, hier von einem Anschlag zu sprechen. Sie propagieren ja geradezu den Untergang des christlichen Abendlandes in der Weinwirtschaft. Also ernsthaft: Befassen Sie sich mehr mit der Materie, dann könnten Sie hier vernünftigere Aussagen treffen, als derartig zu dramatisieren! – Ehrlich! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Preiner: Ohne Not und Notwendigkeit!)


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Worum geht es? – Wenn Sie Touristen fragen, warum sie nach Österreich kommen, dann ist die überwiegende Mehrheit der Meinung, wegen der einzigartigen Landschaft, wegen der Freundlichkeit der Menschen, wegen der Kulinarik, wegen des Speisen­an­gebots, weil wir uns schon jahrelang bemühen, regionale Lebensmittel zu kredenzen. Diejenigen, die seit Jahren regionale Produkte erzeugen, sind die heimischen Win­zerinnen und Winzer. Ein Wein aus dem Blaufränkischland schmeckt anders als einer aus dem Weinviertel, aus der Steiermark, aus Argentinien, aus Chile, aus den USA. Und das macht es spannend. Diesem Wettbewerb stellen sich unsere Winzer.

Was wir nach harten Jahren in der Vergangenheit in der Weinwirtschaft erreicht haben, war eine unglaubliche Entwicklung in Richtung Qualitätsweinstrategie. Einhergehend damit haben wir erreicht, dass es eine Selbstverwaltung der Weinbaugebiete gibt. Das bedeutet, dass die Weinwirtschaft, die Winzerinnen und Winzer selber entscheiden und Vorschläge machen, wie es ihnen besser geht. Das ist im Übrigen international auch so. Die Franzosen sind sicher sehr erfolgreich in vielen Weinbaugebieten, dort gibt es diese Selbstverwaltung.

Wir haben vor Jahren eingeführt, dass die Winzer selber bestimmen, wohin die Ent­wicklung gehen soll. Deswegen wurden damals Regionale Weinkomitees geschaffen, die Sie hier zu Unrecht kritisieren, denn in diesen Regionalen Weinkomitees sind ge­nau die Vertreter der Weinwirtschaft drinnen: die Winzerinnen, die Winzer, die Genos­senschaften, der Weinhandel, also die gesamte Branche. Diese fragen sich: Was machen wir jetzt im Weinviertel? Wie können wir gemeinsam mit der Österreich Wein Marketing die Märkte besser bearbeiten? Das definieren die Winzer selber und sie treten dann mit den Vorschlägen an die Politik, an das Ministerium oder an den Natio­nalrat heran. Wenn das Sinn ergibt, beschließen wir das. Das hat den Effekt, dass wir in der Weinwirtschaft extrem erfolgreich sind. Wir sind als kleines weinbautreibendes Land Österreich auf allen Märkten der Welt mit unseren Weinen vertreten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der Dank gilt hier den Winzerinnen und Winzern; es ist natürlich schön, Erfolge zu haben, aber es ist enorme Knochenarbeit, diese Märkte zu bearbeiten: China, die USA, Übersee, Asien, aber auch Europa sind sehr stark. Wir sind auf diesen Märkten präsent und machen zusätzliches Geschäft. Ich darf Ihnen nur ein Beispiel nennen. Wir haben 2017 Erfolge gehabt wie noch nie. Wir haben rund 53 Millionen Liter Wein exportiert und damit die höchste Wertschöpfung überhaupt bisher erzielt, nämlich 170 Millionen Euro, weil die Winzer permanent aktiv sind.

Worum geht es jetzt in der Weiterentwicklung? – Die Qualitätsweinstrategie habe ich schon erwähnt. Der nächste Schritt war dann im Jahr 2003, dass wir die sogenannten DAC-Regelungen eingeführt haben: Districtus Austriae Controllatus. Worum geht es dabei? – Die Konsumentin, der Konsument ist ja oftmals kein Weinspezialist und kennt sich in dem großen Angebot nicht aus. Das Interesse der Weinwirtschaft und von uns war es, zu sagen: Wir definieren Weine, die gebietstypisch sind, dass ein Konsument zum Beispiel weiß, wenn er im Mittelburgenland – oder im Weinviertel oder in der Südsteiermark – einen Wein kauft, dieser ist, wenn er regional die DAC-Herkunfts­bezeichnung hat, ein ganz gebietstypischer Wein. Das heißt, der Konsument kann sich auf diese DAC-Herkunftsbezeichnung verlassen. Das ist ein Dienst am Konsumenten.

Das machen im Übrigen große weinbautreibende Länder schon lange. Die Italiener haben DOC, die Franzosen haben derartige Regelungen, die Spanier haben derartige Regelungen – ein Service am Konsumenten. Man geht hin, der Wein ist DAC, man be­kommt ein garantiertes Produkt.

Haben wir früher die Rebsorte betont, also dass am Wein Grüner Veltliner oder Blaufränkisch draufgestanden ist, so wird jetzt die Herkunft betont. Schauen Sie, wenn


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Sie international Weine kaufen, dann kaufen Sie vielleicht einen Rioja, einen Chablis, einen Soave. Auch in die Richtung gehen wir. Man kauft eben einen Weinviertler Wein – natürlich interessiert man sich auch für den Winzer, aber die Masse der Konsu­menten soll da eine Garantie haben. 

Jetzt geht es bei dieser Novelle eben darum, dass in der Südsteiermark, in den drei steirischen DAC-Regionen Südsteiermark, Vulkanland Steiermark und Weststeiermark, gewollt wird, dass die Weine, die nicht daran teilnehmen, eben nur die Bezeichnung Steiermark tragen dürfen. Ja, das ist ein Eingriff, aber der Punkt ist, dass die Regionalen Weinkomitees das entscheiden. (Abg. Rosenkranz: Einstimmig!) Bisher waren das immer Dreiviertelmehrheiten und Mehrheitsentscheidungen, und wir haben erreicht, dass man das einstimmig treffen muss.

Zum Beispiel sagt das Regionale Weinkomitee im Burgenland: Wir wollen diese Regelung nicht, wir brauchen das nicht, und wir werden es daher auch nicht be­schließen! – In der Steiermark ist das ein Wunsch aus der Weinwirtschaft, dem wir hier heute eben Rechnung tragen. Das ist ein flexibles System und ein System, das auch sehr erfolgreich ist.

Abschließend: Wir haben mittlerweile in etwa 13 DAC-Regionen, und die zeigen vor – wie ich schon erwähnt habe –, wie erfolgreich wir auf den Märkten sind. Das, was un­ser Anliegen sein muss, ist, dass wir unseren Winzerinnen und Winzern das Rüstzeug geben, dass sie die Märkte im Inland bearbeiten – und danke an die Konsumentinnen und Konsumenten, rund 75 Prozent des Heimmarktes konnten wir in einem inter­national enormen Weinangebot verteidigen – und auch auf den Exportmärkten erfolg­reich sind. Daher werden wir dieser Novelle auch zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Klubobmann Dr. Zinggl. – Bitte.


12.41.14

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Na ja, man kann das Gesetz natürlich schönreden, das geht immer, aber diese Novelle ist schon ein Eingriff in die Freiheit der Weinbauern. Das muss Ihnen klar sein. Wenn ein Weinbauer das DAC-Siegel nicht haben möchte, aus welchen Gründen immer, zum Beispiel aus Kostengründen (Abg. Strasser: Da geht’s um Qualität!) – ein kleiner Weinbauer kann es sich oder will es sich vielleicht nicht leisten –, und trotzdem einen Qualitätswein produziert, dann wird ihm jetzt ein Korsett vorgeschrieben, in das er hineingezwängt wird. Wenn er sich dem Korsett nämlich nicht beugt, darf er in Zukunft auf dem Etikett nicht mehr angeben, aus welchem Weinbaugebiet sein Qualitätswein ist (Abg. Rosenkranz: Wenn es einstimmig beschlossen wird! – Zwischenrufe der Abge­ordneten Berlakovich und Strasser), und das, meine Damen und Herren, würde ich sagen, ist ein völlig unnötiger Wettbewerbsnachteil.

Ja, Kollegen Rosenkranz (Abg. Rosenkranz: Na Sie sagen es nicht dazu!), Strasser und Berlakovich, das stimmt schon (Abg. Rosenkranz: Das stimmt!), bei Ein­stim­migkeit des Weinkomitees – aber wer sitzt denn im Weinkomitee? Das stimmt ja nicht, was Herr Berlakovich sagt, dass da jeder kleine Weinbauer drinnen sitzt! (Abg. Rosenkranz: Gehen Sie durch, von Wachau bis Weinviertel! Gehen Sie durch!) Da ist die Landwirtschaftskammer drinnen. Das kann doch jeder von Ihnen jederzeit jetzt auf Google nachschauen, wer da drinnen sitzt. Das ist doch eine Vortäuschung, und in Wirklichkeit kann der - - (Abg. Rosenkranz: Da haben Sie nicht sehr stark nachgeschaut!) – Na, ich habe da ganz genau nachgeschaut! (Abg. Rosenkranz: Na, na! – Zwischenrufe der Abgeordneten Berlakovich und Strasser.)


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So, und was haben wir da jetzt noch? – Im Prinzip ist es Folgendes – und da wundere ich mich auch über die ÖVP, die immer so für Freiheitsrechte und so weiter eintritt, und auch über die Freiheitlichen, die es im Namen haben –: Die Konsumenten werden, wiewohl es sich um einen Qualitätswein handelt, nicht über das Weinbaugebiet informiert. Das heißt, wenn ich einen Wein sehe, der nur das Bundesland auf dem Etikett draufstehen hat, denke ich als Konsumentin oder als Konsument, es handelt sich um irgendeinen Wein, möglicherweise einen Landwein oder was immer, und damit ist es ein Wettbewerbsnachteil der Sonderklasse.

Da haben wir es mit einer Kartellbildung zu tun, ganz eindeutig. Was ist ein Kartell? – Ein Kartell unterwirft seine Mitglieder bestimmten Regeln und Abmachungen, Ab­sprachen, um die Konkurrenz hintanzuhalten. Genau das passiert da. Dieses Verbot verhindert, dass die Konsumenten und Konsumentinnen sachlich informiert werden, um ganz bestimmte Konkurrenzen auszuschließen. Es ist ein unnötiges Verbot von einer Verbotspartei, die sich VP nennt – gestern Kopftuch, heute Weinbauer!

Noch etwas: Die einzig wirklich interessante Stellungnahme in der Begutachtung ist vom Rechnungshof gekommen, und zwar sagt der Rechnungshof und weist mit weni­gen Zeilen trocken darauf hin: Novellierung des Weingesetzes ja, sowieso, ist schon längst fällig, aber nicht um die Weinbauern in ein Korsett zu zwingen, sondern um das Weinmarketing und die Finanzierung des Weinmarketings endlich transparent zu machen. Das ist nämlich schon seit Jahren fällig. Meine Frage an Sie, Frau Ministerin, lautet daher: Wann kommt die Novellierung in Richtung Transparentmachen der Finanzierung des Weinmarketings? Warum ist das jetzt nicht dabei? – Ich danke sehr. (Beifall bei JETZT.)

12.44


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Dipl.-Ing. Berlakovich zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.44.38

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Herr Abgeordneter Zinggl hat behauptet, ich hätte gesagt, dass im Regionalen Weinkomitee die Landwirtschafts­kam­mer vertreten ist. Das stimmt nicht.

Ich habe gesagt, im Regionalen Weinkomitee sind die Vertreter der Weinwirtschaft drinnen, die Winzer (Abg. Zinggl: Die großen!), die Genossenschaften, der Wein­handel, die relevanten Partner aus der Weinregion. (Abg. Zinggl: Ja, die relevanten, großen! – Abg. Rosenkranz: Na! Ich lade Sie nicht in die Wachau ein, weil das - -! – Abg. Scherak: In Krems ist alles super!)

12.45


Präsidentin Doris Bures: Jetzt gelangt Herr Abgeordneter Josef Riemer zu Wort. – Bitte.


12.45.14

Abgeordneter Josef A. Riemer (FPÖ): Frau Präsident! Frau Bundesminister! Ja, auch ich spreche natürlich zur Regierungsvorlage des Bundesgesetzes, mit dem das Weingesetz 2009 geändert wird. Kollege Berlakovich hat es schon so ausführlich dargestellt, aber zwei, drei Punkte möchte ich hervorheben.

Wein darf unter der Bezeichnung Districtus Austriae Controllatus oder DAC in Verkehr gebracht werden, wenn er zusätzlich den festgesetzten Bedingungen – und jetzt kommt das, was, glaube ich, untergegangen ist – für regionaltypische Qualitätsweise mit Herkunftsprofilen entspricht. – Also das ist einmal ganz wichtig zu merken.


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Zweitens: Für Qualitätsweine aus Trauben von DAC-Gebieten, die nicht als DAC-Weine in Verkehr gebracht werden, dürfen keine kleineren Angaben als das Bundes­land verwendet werden, wenn dies in den entsprechenden DAC-Verordnungen fest­gelegt ist.

Nochmals der dritte Punkt, der wichtig ist: Abweichend von der Branchenverband-Verordnung sind alle Beschlüsse der Regionalen Weinkomitees einstimmig zu fassen.

Ein Punkt dazu bitte: Der Winzer kann, wenn er auch nicht beim DAC dabei ist, ohne Weiteres seine Adresse hinten draufschreiben, die Information, wo er herkommt, welche Adresse er hat. Das Etikett ist vollkommen wurscht.

Kommen wir jetzt aber zur Steiermark! Vielleicht nur etwas als Anmerkung: Mit 4 700 Hektar ist die Steiermark ein kleines Weingebiet. 9 Prozent der österreichischen Fläche macht es aus, 7 Prozent des Gesamtertrags – weil die Steirer ganz besonders kritisch mit ihren Rebstöcken umgehen, das heißt besserer Ertrag. Nun hat dieses Weinkomitee Folgendes beschlossen: Es gibt drei DAC-Bezeichnungen, das sind Südsteiermark DAC, Vulkanland Steiermark DAC und Weststeiermark DAC. Aus­gesucht wurden neun Rebsorten, Sauvignon, Morillon, Traminer et cetera, die West­steirer haben noch eine dazubekommen, das ist der Schilcher, weil diese Rebsorte eine besondere ist, die nur dort heimisch ist. Drei Jahre hat dieser Prozess im Regionalen Weinkomitee gedauert. Warum machen die Steirer das? – Weil sie ge­merkt haben, sie können mit ihren kleinen Rieden den Burgenländern und den Nieder­österreichern ja nur mit Qualität begegnen.

Überraschend ist zur Kenntnis zu nehmen: Ich dachte, wenn man mit vielen Wein­bauern spricht, wird Kritik kommen. – Nein, die haben gesagt: Wir wollen das, auch wenn da Größere dabei sind, dann werden und können wir mit der Firmenmarke und auch mit den regionalen Tourismusverbänden Südsteiermark vermarkten! Das ist wichtig!

Dann ist eine dreistufige Pyramide dazugekommen, das heißt, man hat diese Grund­stufe mit West-, Süd- und Oststeiermark. Gleichzeitig hat man gesagt, es gibt die Ortsweine, die nächste Stufe der Qualität, und die Riedenweine. Das ist eine Ver­besserung. Warum? – Weil die südsteirischen Weine zum Beispiel später reifen. Die Ernte 2018 kommt jetzt zum Tragen. Das bedeutet, in den Grundlagen können die schon mit März zum Verkauf gehen, während die besseren, die Rieden- oder die Ortsweine, erst ab Mai verkauft werden können.

Für die Steirer selbst ist es Folgendes – bitte, das ist mit einem gewissen Natio­nalismus –: Die Steirer sagen, das ist für sie Handwerk, denn in die DAC-Verordnung – darum ist dieses Gesetz so wichtig – können sie noch etwas hineinpacken, zum Beispiel dass die Trauben händisch geerntet werden müssen, es gibt keine maschi­nelle Ernte. Das ist etwas Wichtiges, das sind 200 Jahre Kulturarbeit. Für die steiri­schen Weinbauern ist das Kulturarbeit. Sogar der alte Franz Schubert hat vor 200 Jah­ren schon begeistert mit dem Hüttenbrenner aus Graz Schilcher getrunken. Da sollte man vielleicht im Schloss Wildbach nachschauen, das ist eine ganz wichtige Ge­schichte.

Die Steirer haben ein besonderes Terroir, das bedeutet, dass der Boden, das Klima, die Menschen, die Umwelt nur in diesen Gebieten der Oststeiermark, der Südsteier­mark und auch der Weststeiermark zugängig ist. Darauf sind die Weinbauern mächtig stolz, haben sie doch auch ein Flaggschiff der Ausbildung. Denken wir an Silberberg – international weit geachtet! –: Diese Weinbauern sind Spezialisten, die kommen alle von der Weinbauschule Silberberg.


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Abschließend – weil ich schon am Ende der Redezeit bin – könnte man über die Südsteiermark oder die Oststeiermark oder die Weststeiermark schwelgen: Einfach hinkommen, besuchen und dann DAC-Wein trinken!

Wie hat der alte Goethe schon sinngemäß gesagt: Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen! (Heiterkeit des Abg. Strasser.) Die Steirer machen das im Sinne dieses Gesetzes und werden sich qualitativ noch weiterentwickeln. In diesem Sinn werden wir dem auch zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Prost!)

12.50


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Frau Dipl.-Ing.in Karin Doppelbauer. – Bitte.


12.50.41

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der österreichische Wein, um den es hier heute geht, hat in den letzten Jahrzehnten wirklich eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht. Wir wissen es alle: 1985 der große Glykolskandal, jetzt ein inter­natio­naler Exportschlager, der regelmäßig Preise gewinnt. Damit ist der Wein für uns auch ein Modell dafür, wie die österreichische Landwirtschaftsproduktion, wenn sie sich wirklich fokussiert und wenn sie sich kompromisslos auf die Qualität eines Produktes konzentriert, wirklich international Furore machen kann und in der Nische absolut super funktionieren kann.

DAC bezeichnet regionaltypische Weine und hat sich zu einem international anerkannten Qualitätsmerkmal weiterentwickelt. Der vorliegende Gesetzentwurf soll es jetzt ermöglichen, dass eben ganze Regionen mit diesem DAC-Begriff werben können und sich so, als Gesamtes, besser vermarkten können. Das ist gerade für die Steier­mark oder generell für österreichische Weingebiete, die ja nicht so groß sind, wenn man sie international vergleicht – ich glaube, die Steiermark hat rund 4 000 Hektar Anbaugebiet –, wirklich ein Vorteil.

Wir waren im Ausschuss, ich sage es auch ganz offen, sehr, sehr skeptisch, weil wir einfach sicherstellen wollten, dass nicht jene benachteiligt werden, die eben nicht auf dieses DAC-Modell setzen, beziehungsweise wollten wir auch nicht den Markteintritt von anderen Weinen erschweren. Wir haben im Anschluss dann sehr, sehr viel und sehr gut, wie ich glaube, mit vielen Experten, mit Betroffenen diskutiert und haben uns – weil es für die Weinbauregion so wichtig ist und weil mit diesem Gesetz, das den DAC-Begriff noch unterstützt, diese Schärfung des Profils erfolgen kann – letztendlich entschieden, hier mitzugehen. (Abg. Rosenkranz: Ja!)

In diesem Sinne: herzlichen Dank und zum Wohl! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

12.52


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­ministerin Elisabeth Köstinger. – Bitte, Frau Ministerin.


12.52.42

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Der österreichische Wein ist mit seiner Qualitätswein­stra­tegie mit Sicherheit eine beispiellose Erfolgsgeschichte geworden. Zugegebenermaßen war der Glykolskandal Ausgangspunkt dafür, aber danach hat es wirklich eine kom-


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promisslose Unterstützung in Richtung Qualitätsstrategie des österreichischen Weines gegeben, und das war der Grundstein der entsprechenden Erfolgsgeschichte.

Mit dem DAC-System wird den österreichischen Weinproduzenten eine weitere Mög­lichkeit eröffnet, Weine besser zu vermarkten. Das Weingesetz erlaubt bisher, dass jeder Qualitätswein die Angaben von Großlagen, Gemeinden und Rieden tragen darf. Einige DAC-Verordnungen wollen jedoch vorsehen, dass Qualitätsweine, die nicht als DAC-Weine in Verkehr gebracht werden, unter dem jeweiligen Weinbaugebietsnamen ohne kleinere geografische Angaben zu vermarkten sind. Um für diese DAC-Verord­nung eine Rechtssicherheit zu schaffen, ist eine Novelle zum Weinbaugesetz erfor­derlich. Wenn die DAC-Verordnungen eine derartige Möglichkeit nicht vorsehen, kön­nen weiterhin auch Großlagen, Weinbaugemeinden und Rieden angegeben werden.

Es freut mich daher besonders, dass mit dieser Novelle des Weingesetzes ein weiterer wichtiger Schritt für die heimischen Weinbauern gesetzt werden kann. Qualität und Herkunft werden in Zukunft noch klarer miteinander verknüpft – wenn die Region das so im Weinkomitee einstimmig beschließt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.54


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Ernst Gödl. – Bitte.


12.54.32

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Der Ausgangspunkt für diese Weingesetznovelle kommt eben aus den steirischen Weingebieten. Dort haben sich, wie schon mein Kollege von der FPÖ gesagt hat, die Weinbauern über Jahre hinweg zusammengesetzt und überlegt, welche Strategien und welche Maßnahmen sie treffen müssen, um diesen erfolgreichen Weg, der schon begangen wird, auch fortzusetzen, um eben dieses internationale Marketing zu verstärken.

Da ist man auf den Zug aufgesprungen, der in Österreich schon seit 2003 im Laufen ist, nämlich die Implementierung des DAC-Systems. Wir haben in Österreich insge­samt 17 bekannte Weinbaugebiete, und zehn dieser Gebiete haben dieses System, beginnend ab 2003 mit dem Weinviertel, bereits eingeführt. In diesem beispiel­ge­benden Diskussionsprozess, bei dem alle mitgesprochen haben, die Kleinerzeuger genauso wie die Großerzeuger, hat man sich darauf verständigt, dass diese Her­kunftsbezeichnung sehr eng gefasst werden soll, um eben auf dem Markt, auf dem internationalen Markt, unverwechselbar zu sein.

Ich finde, es ist ein gutes Ergebnis, dass von dieser basisdemokratischen Entschei­dung aus wir hier als Gesetzgeber in Wien tätig werden, um das, was sich die Region vor Ort wünscht, auch zu ermöglichen. Das ist eigentlich ganz diametral dem gegen­über, was Sie meinen, Herr Zinggl. Gerade Sie als damaliges Mitglied der grünen Fraktion waren ja immer für so etwas. Sie haben gesagt, die Dinge sollen basis­demokratisch erarbeitet werden. – Und genau diesen Punkt haben wir jetzt.

Die Steiermark und auch andere Regionen setzen eben ganz bewusst darauf, gehen weg von dem austauschbaren Sortenmarketing hin zu einem unvergleichlichen und wichtigen Herkunftsmarketing. Das ist ein Punkt, den wir auch in der Frage der Lebensmittelkennzeichnung und dergleichen ja immer fordern. Es soll unver­wech­selbar sein. Es soll völlig klar sein, woher ein Produkt kommt und wie es in dieser Region hergestellt wurde.


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Da trifft es nicht ganz zu, wenn die SPÖ meint und Herr Agrarsprecher Preiner in einer Aussendung sogar schreibt, ich zitiere: „Und wieder stellt die türkis-blaue Bundes­regierung Konzerninteressen an die Spitze ihrer politischen Arbeit.“ (Abg. Preiner: Habt ihr gemacht!)

Das muss ich jetzt schon etwas erläutern – und es ist sehr gut, dass Herr Muchitsch neben dir sitzt –: Einer der größten Weinbauern aus der Region, der in dem Wein­komitee sitzt, ist ein gewisser Herr Schneeberger. Und es war Beppo Muchitsch im Februar 2017, der mit dem damaligen Bundeskanzler Kern genau jenem Weinbauern einen Besuch abgestattet hat, also genau jenem Konzern, der in Ihrem Jargon ein Weinkonzern ist, er ist nämlich einer der größten in der Region. Ihn diffamieren Sie auf diese Weise, indem Sie behaupten, Bauern wie er würden nicht im Interesse der Region arbeiten, sondern nur ihre Eigeninteressen im Blick haben. (Zwischenruf des Abg. Preiner.)

Wir haben sehr viele Kleinerzeuger, die auch im Weinkomitee sitzen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Preiner.) Die Mehrheit der Weinbauernvertreter im Regionalen Weinkomitee sind Kleinerzeuger, und wir haben sehr viele Kleinerzeuger. (Zwischenruf des Abg. Muchitsch.) Selbst der Geschäftsführer der Wein Steiermark, Ing. Luttenberger, hat, glaube ich, nur knapp 1 oder 2 Hektar Weinbaufläche. (Zwischenruf des Abg. Preiner.) Also wir vereinen dort sehr, sehr viele kleine Weinbauern in einem sehr zukunftsweisenden Marketing.

Vielleicht könnte behauptet werden, die Hürde ist zu hoch, als dass kleine Weinbauern in dieses DAC-System einsteigen können. – Nein, die Hürde ist gar nicht hoch. Die Hürde beträgt 80 Euro pro Hektar Mitgliedsbeitrag, um in dieses Marketing-, Werbe- und Herkunftssystem einzusteigen. Und es soll schon unverwechselbar sein, denn was schreiben zum Beispiel diese drei DAC-Gebiete in der Steiermark jetzt vor? Zum Beispiel dürfen Weine nur aus jenen Trauben gewonnen werden, die von Hand ge­lesen wurden – eine ganz große Qualitätsschiene. (Abg. Preiner: 15 Prozent können zugekauft werden!) Diese Qualitätsschiene soll eben auch mit den Ortsbegriffen, mit den Gebietsbegriffen, mit den Riedenbegriffen abgesichert werden. Daher, sehr ge­ehrte Damen und Herren, ist es wirklich gut, dass wir dies hier ermöglichen. Beschlossen werden die Dinge vor Ort, nämlich noch dazu einstimmig. Es müssen alle dafür sein. Es ist also gut, wenn wir diese Dinge ermöglichen.

Ich möchte noch etwas anführen, weil Herr Zinggl auch gesagt hat, es sei nicht transparent, was mit den Weinmarketingbeiträgen passiert: Herr Zinggl, da irren Sie! (Abg. Zinggl: Nicht laut Rechnungshof!) Es ist sehr wohl transparent, denn es gibt jedes Jahr einen Bericht der Österreich Wein Marketing, und jeder Winzerbetrieb, der in dieses Weinmarketing einzahlt, bekommt mit der Vorschreibung seines Beitrages immer auch diesen Bericht zugesandt und kann nachvollziehen, was mit diesen Geldern der Weinbauerinnen und Weinbauern und der Weinwirtschaft passiert. Also wir haben ein sehr, sehr gut funktionierendes System.

Mit dieser kleinen Gesetzesnovelle – vielleicht für alle Zuhörerinnen und Zuhörer: es werden ja nur zwei Sätze in das Weingesetz eingefügt, um eben mehr Gestaltungs­spielraum zu ermöglichen (Zwischenruf des Abg. Preiner) – stärken wir den regionalen Weinbau, stärken wir diese sehr gute Strategie der österreichischen Weinwirtschaft und stärken wir auch das Herkunftssystem Districtus Austriae Controllatus. (Ruf bei der SPÖ: Nein!) Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.00


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Walter Rauch. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 86

13.00.23

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Bundes­minister! Hohes Haus! Die Steiermark hat insgesamt 4 700 Hektar Anbaugebiet im Bereich des Weinbaus. Damit sind wir nicht die Einzigen auf dieser Welt: Allein unser Nachbar Slowenien hat 25 000 Hektar Anbaugebiet. Man sieht die Unterschiede und Herangehensweisen einerseits in Bezug auf das Pflanzrecht, aber andererseits natürlich auch in Bezug auf die Qualität, was auch ein wesentlicher Faktor ist.

Wir gehen davon aus, dass aufgrund dieser Anbaugebiete, die jetzt in Form von DAC-Gebieten gesetzlich verankert werden, aufgrund dieses Qualitätsmerkmals unsere Weine auf dem internationalen Markt als wesentlich hochwertiger angepriesen werden können. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Diese Weine müssen mit Qualitätssiegeln versehen sein, damit auch ein ent­sprechen­der Preis erzielt werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich gehe nur auf ein, zwei Punkte betreffend die Ausführungen des Kollegen Preiner ein, der von Anschlägen auf die kleinen Betriebe spricht. – All dem ist nicht so, und zwar aus einem wesentlichen und einfachen Grund: Weil natürlich durch eine solche Qualitätsschiene auch kleine Betriebe die Chance haben, auf der einen Seite wesentlich höhere und bessere Preise zu erzielen und natürlich auf der anderen Seite auch eine Marketingschiene mit zu konsumieren, die sie selbst, aus Eigenem so nicht machen könnten.

In diesem Sinne, Frau Bundesminister: Es freut mich ganz besonders, dass wir dieses Gesetz gemeinsam auf den Weg bringen konnten und auch von unserer Seite die Zustimmung erteilen dürfen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.02


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schmidhofer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.02.22

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Besucher auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Bevor ich in die Thematik einsteige – es ist meine erste Rede hier –, ein paar persönliche Worte des Dankes dafür, wie ich hier im Parlament aufgenommen wurde. Ich darf zur Zusammenarbeit einladen, intensiv, aber gut und konstruktiv zum Wohle unserer Republik. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

Es hat mich auch sehr gefreut, dass mir auch sehr viele vonseiten der Opposition gratuliert haben. Das lädt zur Zusammenarbeit ein.

Nun zum Inhaltlichen, zum Thema, meine geschätzten Damen und Herren: Es ist fachlich viel gesagt worden. Der steirische Wein wird schon in der ersten Strophe der Landeshymne besungen „Hoch vom Dachstein an [...] bis ins Rebenland“. Damit ist die Wichtigkeit des steirischen Weins dokumentiert. Ich freue mich, heute die Novelle des Weingesetzes 2009 unterstützen zu können. Die steirischen Regionen haben das ja schon im März 2019 beschlossen und haben somit die Möglichkeit, mit dieser DAC-Bezeichnung die Erfolgsgeschichte des steirischen Weins fortzuschreiben.

Der steirische Wein ist auch eng mit der Erfolgsgeschichte des Tourismus verbunden. Wir schreiben in einer Zeitreihe von mehr als 20 Jahren immer wieder Pluszahlen in der Steiermark, und das Weinland ist ein Garant für Gemütlichkeit, für Kulinarik – unser Kernöl und unsere Spezialitäten (Abg. Riemer hält einen Daumen hoch), hinten gibt es


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Zustimmung –, sodass da wirklich ein wirtschaftlicher Vorteil für die Steirerinnen und Steirer erzielt werden kann. Dass auch die anderen Bundesländer diese Möglichkeit haben, haben Niki Berlakovich und Ernst Gödl schon ausgeführt; dem darf ich mich anschließen.

Insgesamt ein großes Danke, Frau Bundesministerin, dafür, dass wir das auf den Weg gebracht haben. Ich lade vor allem auch die Oppositionssteirer ein, bei dieser Novelle des Weingesetzes mitzustimmen, denn es ist wichtig, dass im Zusammenhang mit der Weinwirtschaft die großartige Qualität und die hervorragende Ausbildung der jungen Winzerinnen und Winzer bei uns in der Schule – Herr Riemer hat es schon angesprochen – so wie bisher erhalten und auch für die Zukunft garantiert bleiben.

Ich bin guter Dinge, dass der steirische Wein seine Erfolgsgeschichte weiterschreiben wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

13.05


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Zinggl zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.05.33

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Abgeordneter Zinggl hat irrtüm­licherweise gesagt, dass das Regionale Weinkomitee aus Mitgliedern der Landwirt­schaftskammer besteht. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. Abg. Belakowitsch: Berichtigen Sie sich selbst?)

Tatsache ist, dass im Nationalen Weinkomitee auch Mitglieder der Landwirtschafts­kammer vertreten sind, dass aber die Regionalen Weinkomitees von der Landwirt­schaftskammer und der Wirtschaftskammer vorgeschlagen werden und dort daher lauter große Weinbauern vertreten sind, mit dem Gütesiegel DAC. – Ich danke sehr. (Beifall bei JETZT.)

13.06


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Noch eine tatsächliche Berichtigung: Herr Abge­ordneter Schmuckenschlager, bitte.


13.06.37

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Tatsächliche Berichtigung: Die Landwirtschaftskammer und die Wirtschafts­kammer entsenden in die regionalen Komitees und in das nationale Komitee. Es werden Vertreter von allen größeren Genossenschaften und Betrieben entsendet, auch von den verschiedensten Organisationen. (Abg. Vogl: Man kann keine tatsächliche Berichtigung berichtigen!)

13.06


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter, das ist keine tatsächliche Berichtigung! (Abg. Schmuckenschlager: Das ist eine tatsächliche Berichtigung, weil auch eines ist: Das sind alles ehrenamtliche - -!)

Es ist leider keine tatsächliche Berichtigung. (Ruf bei der SPÖ: Fünf, setzen! Abg. Krainer: Vielleicht könnte der ÖVP-Klub eine Schulung machen!)

Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Linder. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.07.00

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Frau Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen! Geschätzte Kollegen! Weinskandal Mitte der Achtzigerjahre: Der Weinbau in Österreich lag darnieder. Die Weinbauern, die Winzer haben sich damals Kriterien


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 88

auferlegt. Ich habe gerade jetzt im Vorfeld dieses Weingesetzes die Möglichkeit gehabt, mit einigen Weinbauern zu reden, und alle haben erzählt, was damals los war: Wir wurden für verrückt erklärt, es wurde gesagt, es ist undenkbar, diese Kriterien zu erfüllen, der Weinbau in Österreich wird zugrunde gehen. Man war gewohnt, in Zwei-Liter-Flaschen zu verkaufen, und plötzlich hat man Qualitätskriterien gehabt und in Bouteillen abgefüllt. Es hat einen Riesenwirbel unter den Weinbauern gegeben. Heute, über 30 Jahre später, wissen wir, dass genau diese Punkte zum Erfolg geführt haben.

Heute stehen wir mit unseren Weinen in Konkurrenz mit der ganzen Welt und decken, wie es Kollege Berlakovich gesagt hat, 75 Prozent des heimischen Marktes selbst ab. Es ist daher an der Zeit, den nächsten Qualitätsschritt zu setzen, die nächste Spe­zifizierung herbeizuführen, und ich glaube, dass wir mit dem Weingesetz Richtung DAC den richtigen Weg einschlagen. Auch heute gibt es Kritiker. Diese sind ein­geladen, mitzumachen. Jeder kann mitmachen, jeder kann dabei sein, und wir wissen, dass auch die Kritiker in einigen Jahren froh sein werden, dass wir heute diesen Schritt gesetzt haben.

Die Einstimmigkeit im Weinkomitee ist ein wichtiger Punkt, und ich glaube, auch da hat jeder die Chance, wenn er schon selbst nicht drinnen sitzt, über seine Kollegen Einfluss zu nehmen, wenn er glaubt, dass sonst etwas ganz Schlechtes beschlossen wird.

Eine Zukunft für landwirtschaftliche Produkte gibt es, genauso wie beim Wein, nur mit Qualität und mit nachvollziehbaren Kriterien. Und eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, aus der Praxis: Wir betreiben zu Hause einen Gasthof, mit einer Auswahl von verschiedensten Weinsorten, aber von den Kunden wird der DAC-Wein wesentlich öfter bestellt als anderer Wein, auch wenn er aus demselben Gebiet kommt, von derselben Traube ist und dieselbe Qualität hat. Aus der Praxis kann ich sagen: Es ist heute schon so, und ich glaube, dass das der richtige Weg für die Steiermark ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.09


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter Schmuckenschlager hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Abg. Scherak: Einmal kannst du’s noch probieren! Abg. Schmuckenschlager auf dem Weg zum Rednerpult : Zweiter Versuch!)


13.09.49

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Frau Präsidentin, Sie haben selbstverständlich recht! Es war keine parlamentarische Richtigstellung im Rahmen der Geschäftsordnung, darum möchte ich in meinem Redebeitrag klarstellen, was hier von sich gegeben wurde.

Natürlich werden alle Gruppen in die regionalen und nationalen Komitees entsendet, das heißt: Traubenproduzenten, Fassweinproduzenten, Flaschenweinproduzenten. Es sind auch Fachexperten mit enormem Wissen mit in diesen Komitees, und ich möchte von dieser Stelle aus diesen Persönlichkeiten danken, die diese Arbeit für die Wein­wirtschaft ehrenamtlich durchführen und damit auch die Sicherheit für den Qualitäts­wein in Österreich gewährleisten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.10

13.10.33


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 89

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 593 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein ent­sprechen­des Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

13.11.21 3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den An­trag 171/A(E) der Abgeordneten Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Nachhaltigkeit und Verteilungsgerechtigkeit für die kommende GAP-Förder­peri­ode 2020+ (604 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 409/A(E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betref­fend verbindliche Vorgaben für die Mitgliedsstaaten zur Verwendung von För­dermitteln für soziale Dienste sowie Mobilität im ländlichen Raum sowie für einen eigenen Frauenförderschwerpunkt in der nächsten Periode der Gemein­samen Agrarpolitik ab 2021 (605 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 530/A(E) der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend europaweite Erhöhung der Tierschutzstandards durch tierwohlgerechten Einsatz der öffentlichen Fördermittel der Gemeinsamen Agrarpolitik (606 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 774/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sowie Weiterentwicklung der bestehenden GAP-Instrumente in der neuen Periode (607 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir kommen zu den Punkten 3 bis 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Preiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.12.54

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörer auf der Galerie und vor den Fernsehapparaten! GAP 2020+ ist insofern ein wichtiges Thema, als wir uns schon etliche Male damit beschäftigt haben, wie es mit der Gemeinsamen Agrarpolitik nach der jetzigen För-


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derperiode in Österreich und in der Europäischen Union weitergeht. Diesbezüglich haben wir hier im Plenum beziehungsweise im Ausschuss auch schon mehrere An­träge eingebracht, die allerdings permanent von der Regierungsmehrheit vertragt wur­den.

Die Regierungsfraktionen haben für heute ebenfalls einen eigenen Antrag eingebracht. Er umfasst neun Punkte und ist aus meiner Sicht sehr oberflächlich gehalten, fast nichtssagend. Man könnte meinen, dass Selbstverständliches darin steht, wie zum Beispiel eine Aufforderung an die Regierung, zu arbeiten. Ich frage: Was sollte die Regierung sonst tun oder hat sie bisher nichts getan?

Kolleginnen und Kollegen! Der letzte Punkt dieses Antrages klingt fast wie Hohn, ich zitiere wortwörtlich: „Absicherung einer modernen europäischen Lebensmittel­pro­duktion auf Basis des Vorsorgeprinzips, insbesondere im Bereich Pflanzenschutz und Tierwohl.“ – Das würden wir natürlich alle zu 100 Prozent unterstreichen, aber die Realität sieht gänzlich anders aus.

Frau Ministerin! Sie sind zuständig für die Landwirtschaft, für die Umwelt. Genau das Gegenteil tun Sie bis jetzt, nämlich nichts. Sie unternehmen absolut nichts, damit zum Beispiel die Verwendung von Glyphosat und Chlorpyrifos gestoppt wird. Sie sind auf nationaler Ebene zuständig und dafür verantwortlich, dass diese Mittel in Verkehr gebracht werden, daher: Schieben Sie dem endlich einmal einen Riegel vor! (Beifall bei der SPÖ.)

Kolleginnen und Kollegen! Wenn die Regierungsparteien die Debatte ernst nehmen, dann lade ich Sie ein, unserem Antrag zuzustimmen. Wir wollen eines ganz klar: eine gerechtere, eine faire und auch eine sozialere Mittelverwendung in der kommenden GAP insofern, als wir natürlich auch dafür eintreten, dass beide Säulen erhalten bleiben, als wir dafür eintreten, dass die Direktförderung in der ersten Säule auf 25 000 Euro gedeckelt wird, dass es für die ersten 20 Hektar pro Hektar 100 Euro mehr an Förderung gibt (Zwischenruf des Abg. Kühberger), dass auch die Arbeitskräfte­ein­sätze im Vergleich zur Flächenbewirtschaftung intensiver gefördert werden.

Wir treten auch dafür ein, dass der biologische Landbau stärker unterstützt und geför­dert wird, obwohl wir da Europameister sind, aber man kann immer besser werden. Das Burgenland zeigt im Sinne der Biowende vor, wie es geht. Wir treten dafür ein, dass es ein Pestizidreduktionsprogramm gibt. Frau Ministerin! Auch da sind Sie chronisch säumig.

Wir treten für den Bienenschutz und für mehr Nachhaltigkeit ein. Die UNO-Studie vor einigen Tagen hat ergeben, dass sich eine Million Arten von acht Millionen bei Vögeln und Insekten auf Nimmerwiedersehen von diesem Globus, von dieser Erde verab­schiedet haben. Sie tun nichts dagegen. (Abg. Kühberger: Sie wollen diesen Bereich kürzen!)

Wir treten dafür ein, dass es im Bereich der zweiten Säule eine Stärkung der sozialen Dienste gibt, für Pflegemaßnahmen, für Kinderbetreuung, aber auch für den Ausbau des Breitbandinternets in ländlichen Regionen. Dafür sind auch Budgetmittel in der zweiten Säule, im Programm für ländliche Entwicklung vorgesehen. Was machen Sie aber bis jetzt? – So gut wie nichts.

Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen, die Steuerzahler in Österreich müssen darüber informiert werden, wie ihre Gelder im Bereich der zweiten Säule, der länd­lichen Entwicklung, nachhaltig verwendet werden und Verwendung finden, auch in der zukünftigen GAP 2020+.


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Daher fordern wir, dass dieser Bereich der ländlichen Entwicklung einem parlamen­ta­rischen Prozess unterzogen wird und dass es diesbezüglich auch einen entsprechen­den Gesetzesbeschluss über die Mittelverwendung gibt.

Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Aus­schusses für Land- und Forstwirtschaft – (in Richtung der mit Abg. Riemer sprechenden Bundesministerin Köstinger) Frau Ministerin, ich glaube, das könnte Sie interessieren; wenn Sie Ihr Geschwätz beenden, könnten Sie mir vielleicht Ihr linkes Ohr leihen (Zwischenruf des Abg. Strasser) –, zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 774/A(E) betreffend „Erhalt von kleinen und mittleren Familienbetrieben und Nebenerwerbsbetrieben, für mehr Regionalität und Direktver­marktung durch die GAP 2020+“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich im Rahmen der Verhandlungen zur Aus­gestaltung der nächsten GAP-Periode 2020+ dafür einzusetzen, dass

- der Bezug von Direktzahlungen in Säule 1 der Gemeinsamen Agrarpolitik mit 25 000 Euro pro Betrieb gedeckelt wird und eine Umverteilungsprämie von 100 Euro je Hektar bis zu 20 Hektar pro Betrieb vorgesehen wird, und

- eine stärkere Förderung der Regionalität und die Direktvermarktung gegeben ist.“

*****

Frau Ministerin! Nehmen Sie sich ernsthaft vor, diesen Antrag, den ich hier eingebracht habe, umzusetzen, dann haben Sie uns als Partner. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.17

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Preiner,

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 774/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Sicherstellung der Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sowie Weiterentwicklung der bestehenden GAP-Instrumente in der neuen Periode (607 d.B.)

betreffend Erhalt von kleinen und mittleren Familienbetrieben und Nebenerwerbs­betrieben, für mehr Regionalität und Direktvermarktung durch die GAP 2020+

Die nächste Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU 2020+ wird zeigen, ob es in Europa gelungen ist, einen gemeinsamen Schulterschluss für mehr Vertei­lungs­gerechtigkeit der Fördermittel, mehr Transparenz, Umweltschutz, Klimaschutz, Tierwohl, eine deutliche Pestizide-Reduktion in der landwirtschaftlichen Praxis mit Ver­zicht auf unter anderem Glyphosat und einem Stopp des Artensterbens und des Insektensterbens, und einen Aufschwung für die ländlichen Regionen zu erreichen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 92

Die Bundesregierung - und die Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus insbe­sondere - haben da eine hohe Verantwortung, ihre Aktivitäten bei den Verhandlungen zu den gesetzlichen Grundlagen der GAP 2020+ nicht von Lobbyismus einzelner starker Gruppen einengen zu lassen, sondern mit Weitblick zu agieren.

Das Bewusstsein, dass es sich bei einer GAP-Periode um die Verteilung hoher öffent­licher Steuergelder handelt, ist im Sinne einer gerechten Mittelverteilung und gesamt­gesellschaftlichen Verantwortung vehement einzufordern!

Ob unseren nachfolgenden Generationen giftfreie Lebensmittel zur Verfügung stehen, eine ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln gegeben ist und ob sie eine Umwelt mit hoher Lebensqualität vorfinden, hängt stark von der nächsten GAP 2020+ ab.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich im Rahmen der Verhandlungen zur Ausgestaltung der nächsten GAP-Periode für 2020+ dafür einzusetzen, dass

•             der Bezug von Direktzahlungen in Säule 1 der GAP mit 25 000 € pro Betrieb gedeckelt und eine Umverteilungsprämie von 100 Euro je Hektar bis zu 20 Hektar pro Betrieb vorgesehen wird, und

•             eine stärkere Förderung der Regionalität und Direktvermarktung gegeben ist.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Strasser. – Bitte.


13.17.55

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lebensmittel und die Landwirtschaft stehen in Wahlkampfzeiten und allgemein im gesellschaftlichen Diskurs immer ganz hoch im Kurs. Die einen schlagen politisches Kleingeld, andere gehen auf Stimmenfang und wieder andere wollen mehr Spenden­gelder.

In diesem unwürdigen Diskurs, den Sie auf dem Rücken der Bäuerinnen und Bauern, der Menschen, die in der Lebensmittelwirtschaft arbeiten, und auf dem Rücken der Menschen, die irgendwo in einer Institution arbeiten, die wissenschaftlich arbeitet und die Genehmigungen herstellt, austragen, ist das wirklich eine traurige Entwicklung.

Das ist eine Hexenjagd, und Sie richten damit einen Schaden an, Herr Kollege Preiner, einen Schaden für das Vertrauen in die österreichischen Lebensmittel, einen Schaden für das Vertrauen in die Märkte und einen weiteren Schaden: Sie rauben uns die Motivation, Herr Kollege Preiner.

Was Sie immer wieder behaupten, ist ein Schlag in das Gesicht jener Menschen, die sich bemühen, im Rahmen der gesetzlichen Regelungen und der guten betrieblichen Praxis ordentliche Lebensmittel in Österreich herzustellen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Preiner: Das ist eine bodenlose Unterstellung!)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 93

Wir reden heute über die Gemeinsame Agrarpolitik. Was sind denn die Ziele dabei? Wir wollen Lebensmittel höchster Qualität erzeugen, und wir wollen angemessene Familieneinkommen erwirtschaften. Der Grüne Bericht ist ein Beweis dafür, dass da noch viel Luft nach oben ist. Die Gemeinsame Agrarpolitik ist in Österreich eine Erfolgsgeschichte. (Abg. Preiner: Das Gegenteil!)

Erste Benchmark: 80 Prozent der Bäuerinnen und Bauern in Österreich nehmen am Öpul teil. Zweite Benchmark: 20 bis 25 Prozent der Betriebe sind bereits biologisch. Wir sind Vorreiter im Bereich des integrierten Pflanzenschutzes, und 35 Prozent der österreichischen Flächen werden ohne synthetischen Pflanzenschutz bewirtschaftet.

So gesehen darf ich, Herr Kollege Preiner, darauf hinweisen – Sie haben ja gefehlt –, dass wir im letzten Ausschuss im Anschluss an unsere Beratungen Leute aus der Ages und aus der Baes dagehabt haben; zwei Institutionen unter einem Dach, die unab­hängig arbeiten und als Grundlage die gesetzliche und die wissenschaftliche Basis haben. Wir haben von diesen erfahren, dass die Regeln der Humanmedizin und höchste Sicherheitsstandards angewendet werden, wenn es um die Genehmigung von Pflanzenschutzmitteln geht (Abg. Preiner: ... Glyphosat, ...! Was brauchst denn ...?), und dass wir in Österreich die besten Lebensmittel im Vergleich zu europäischen Qualitäten und im Vergleich zu internationalen Werten haben. Daher an dieser Stelle ein großes Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ages und der Baes für ihre ordentliche Arbeit. (Beifall bei der ÖVP.)

Was braucht es in Summe? – In Summe sind die aktuellen Vorschläge der Euro­päischen Kommission aus finanzieller Hinsicht absolut unzureichend. Es braucht ein­fachere Programme, und wir brauchen keine nationalen Alleingänge. Das sage ich in aller Deutlichkeit. So etwas, was uns bei den Erdäpfeln oder bei der Putenproduktion in den letzten Jahren passiert ist, darf es nie wieder geben. (Zwischenruf des Abg. Preiner.) Wir fahren mit den Standards rauf, die nationale Produktion geht runter und wir importieren dann minderwertige Lebensmittel aus anderen Ländern dieser Erde. Ich bin Konsum- und Lebensmittelpatriot und ich möchte auch haben, dass in Österreich das ganze Jahr über der Erdäpfelsalat und das Putenfleisch aus österreichischer Produktion kommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Unser Ziel ist somit, in diesem Land gesunde Lebensmittel zu erzeugen, von den Almen bis ins Ackerbaugebiet. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Preiner.) Ich er­suche Sie, Kolleginnen und Kollegen: Lassen Sie uns Bäuerinnen und Bauern unsere Arbeit machen, dann werden wir auch in Zukunft ein verlässlicher Partner für dieses Land sein! – Danke schön. Alles Gute! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

13.22


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.


13.22.22

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher zu Hause! Wie Sie vielleicht wissen, bin ich beruflich viel unterwegs. Ich komme sehr weit in der Welt herum und wenn ich dann mit meinen Kollegen diskutiere und spreche, kommt halt ganz oft die Frage: Wo kommst du her? Sage ich dann, dass ich aus Österreich komme, so wird immer sofort mit Österreich in Verbindung gebracht: Ihr habt ein wunderschönes Land!, Wir wollen dorthin auf Urlaub fahren!, und: Ihr habt großartiges Essen!


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 94

Meine Damen und Herren, diese Dinge sind die Ergebnisse der Arbeit der Bäuerinnen und Bauern, die sich hier in Österreich um eine Kulturlandschaft kümmern; wir haben eine kleinstrukturierte Landwirtschaft. Da gibt es sehr, sehr viele Dinge, die positiv erledigt werden, und natürlich haben wir auch sehr, sehr hochwertige Lebensmittel. Damit das in Zukunft so bleibt, müssen wir uns jetzt um die gemeinsame Ausge­staltung der GAP kümmern.

Die Frau Bundesminister hat am Anfang dieser Woche zu einer diesbezüglichen Veranstaltung eingeladen und sehr viele Expertinnen und Experten dazu geholt, um darüber zu diskutieren, wie man so etwas ausgestalten kann. Das war eine sehr gute Veranstaltung. Da haben wir, glaube ich, auch einige Gemeinsamkeiten gesehen, die darauf hinauslaufen, dass wir alle mit dem jetzigen Vorschlag von EU-Agrarkommissar Hogan, der präsentiert wurde, nicht zufrieden sind.

Warum nicht? – Aus unserer Sicht gibt es zwei große Themen, die wir uns anschauen müssen. Das eine ist die Renationalisierung. Wir alle wissen, wenn da die strengen EU-Vorgaben wegfallen, dann öffnen wir einfach Tür und Tor für Intransparenz, und damit kann es auch sehr, sehr leicht zu unfairen Marktbedingungen kommen – dagegen stellen wir uns.

Die zweite Geschichte, die aber wahrscheinlich noch dramatischer ist, ist, dass es in diesem Vorschlag so gut wie keine Maßnahmen zur Ökologisierung der GAP gibt. Das ist eine Fußnote und das ist aus unserer Sicht wirklich, wirklich gefährlich. Es spricht da keiner von einer gemeinsamen Strategie zum chemischen Pflanzenschutz, Bio­diversität ist kein Thema, das alles soll sozusagen irgendwie den Ländern überlassen werden. Da stellen wir uns natürlich massiv dagegen, denn das sollte der zentrale Inhalt in der GAP sein. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist aus meiner Sicht auch ein Schlag ins Gesicht der Bäuerinnen und Bauern, denn, wie Sie richtig gesagt haben, Herr Kollege Strasser, wir haben die nachhaltigste Pro­duktion in Österreich, wir haben die größte Bioproduktion weltweit – da sollte massiv investiert werden.

Jetzt kann man natürlich sagen: Ja, alles neu macht der Mai, wir haben Wahlen, das wissen wir schon, am 26. Mai ist die EU-Wahl und danach wird wahrscheinlich auch bei diesem Vorschlag eh alles anders sein. – Das sehe ich auch so, aber was man sich natürlich auch überlegen muss, ist, dass das eine Riesenchance ist. Diese Chance muss man eben auch nutzen.

Schaue ich mir jetzt die Regierungsvorlage an, dann geht diese nicht weit genug. Es werden einige wichtige Dinge angesprochen, ja, das gebe ich zu, aber es bleibt eben auch sehr vage, zum Beispiel diese sogenannten Notfall- und Risiko­absicherungs­instrumente. Das wird nicht näher ausgeführt, das ist aus meiner Sicht sehr nebulös. Schaut man sich auch – und das ist wahrscheinlich die große Kritik, die ich jetzt nicht nur im Bereich der Landwirtschaft übe, sondern die generell auf die Bundesregierung abzielt – diesen Begriff: der ökosoziale Weg in der österreichischen Agrarpolitik, an, so ist das inzwischen einfach ein sehr schöner Begriff aus den Achtzigerjahren. Da ist Biedermeier, das ist back to future, alles ist rückwärts gerichtet. Es geht da diese ganz große Vision ab, wo wir eigentlich hinwollen.

Noch einmal: Wir alle wissen, dass der Brexit kommt, der Brexit ist keine Über­raschung. Der Brexit wird sich massiv auf die Agrarpolitik auswirken – das wissen Sie besser als ich –, denn es wird einfach weniger Geld geben. Deswegen sollten Sie aus unserer Sicht in Brüssel ganz massiv dafür kämpfen, dass die erste Säule massiv verändert wird und dass wir da in eine Ökologisierung der GAP gehen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 95

Es gibt einige Vorschläge, die man sofort angreifen könnte. Das eine ist die För­derhöhe: Der Hogan-Entwurf sieht vor, dass ein Capping bei zum Beispiel 100 000 Euro ist. Da gibt es sehr viele Schlupflochmöglichkeiten, vor allem für große Betriebe, für große Konzerne, die auch bei der Lohnanrechnung tätig sind. Und natürlich gibt es auch nach wie vor diese Zerteilung von Betrieben zur Fördermaximierung. Auch das ist aus unserer Sicht etwas, das man sofort bekämpfen sollte. Es ist ganz einfach, das sind Dinge, die erstens einmal intransparent sind, dem ganzen Budget schaden und natürlich für die Industrie und nicht für diese österreichische Struktur sind, die wir hier haben.

Fakt ist also, die Gemeinsame Agrarpolitik wird sich ändern, sie muss sich auch ändern, und der Brexit wird das auch erledigen. Deswegen müssen wir eben jetzt diese mutigen Reformen angehen und können nicht mit dieser rückwärtsgerichteten Politik weitermachen. Es geht um Ökologisierung und, in unserem Sinne, darum, dass die Leistungen der Landwirte für gemeinwirtschaftliche Lösungen abgegolten werden.

Was heißt das, wenn die Landwirtschaft zum Wohle der Allgemeinheit Leistungen erbringt? – Biodiversität, Grünflächen, gesunde und fruchtbare Böden, sauberes Was­ser. Das sind die Dinge, die abgegolten werden müssen, und da kann Österreich eine Vorreiterrolle für ganz Europa einnehmen. – Das ist der große Punkt, es kann und es könnte, aber dafür muss die Bundesregierung jetzt massiv in die Offensive gehen.

Frau Bundesministerin! Ich glaube Ihnen Ihr aufrichtiges Bemühen, um die finanzielle Existenz in der Landwirtschaft abzugelten. Das glaube ich Ihnen, ich glaube aber auch, dass wir da sehr viel mehr Vision und Schwung nach vorne brauchen. Wir brauchen etwas anderes, wir brauchen nämlich eine richtige Reform der GAP. Wir brauchen eine Ökologisierung der GAP, wir brauchen einen Wandel in der ersten Säule, und wir brauchen einfach einen richtig guten Plan, damit wir offensiv in die Verhandlungen nach Brüssel gehen können und nicht als kleiner Bittsteller zaudernd daherkommen, damit wir da wirklich nachhaltig etwas ändern können und die Landwirtschaftspolitik in Österreich im 21. Jahrhundert ankommen lassen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

13.28


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Linder. – Bitte.


13.28.42

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen, geschätzte Kollegen! Liebe Kollegin Doppelbauer, die Risikoabsicherung bezieht sich in erster Linie auf die Unwetterkatastrophen, auf die Dürrezeiten, um da zu versuchen, noch bessere Absicherung zu schaffen.

Die Gemeinsame Agrarpolitik 2021 bis 2027 steht noch mit vielen, vielen Fragezeichen da. Es ist zum Beispiel der Mehrjährige Finanzrahmen für das gesamte EU-Budget bis heute noch nicht geklärt. Es ist das Thema Brexit nach wie vor eine große Frage. Wir wissen, dass wir mindestens ein Verlängerungsjahr haben werden, wir haben aber jetzt schon von Experten gehört, dass man vielleicht mit zwei oder drei Verlängerungsjahren rechnen muss.

Was aber tatsächlich vorhanden ist, ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission für eine mögliche Verteilung des Gesamtbudgets. Da haben wir gesehen, dass alle Bereiche mehr Geld bekommen, ob es die Wirtschaft ist, ob es die Sicherheit ist, ob es das europäische Asylwesen ist. Ein einziger Bereich muss mit Kürzungen rechnen, und das ist die Landwirtschaft. Insgesamt würde das für Österreich 110 Millionen Euro ausmachen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 96

Meine geschätzten Damen und Herren! 110 Millionen Euro weniger für Direkt­zah­lungen und 110 Millionen Euro weniger für die ländliche Entwicklung, das kann so nicht hingenommen werden, denn die Landwirtschaft bringt wirklich riesengroße Leistungen, und ich glaube, es kann nicht sein, dass wir für diese Leistungen noch bestraft werden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das Thema Nahrungsmittelsicherheit, die Pflege der Kulturlandschaft auch als Frei­zeitgebiet – der Tourismus lebt heute, dazu ist gerade eine Studie herausgekommen, vom Sport, von der Bewegung in der freien Natur und von unseren Genussmitteln –, ich glaube, das sind Bereiche, an die wir uns immer wieder erinnern müssen, und deshalb wird es ganz wichtig sein, in Brüssel massiv zu verhandeln und zu fordern. Diejenigen, die bei der Auftaktveranstaltung zur Gemeinsamen Agrarpolitik dabei wa­ren, haben selbst erlebt, mit welch energischen Forderungen die Frau Minister bei dieser Veranstaltung klargestellt hat, wie wichtig es ist, dass die Landwirtschaft nicht unter die Räder kommt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir brauchen ausreichend Mittel, um die Gemeinsame Agrarpolitik entsprechend finan­ziell auszustatten, damit der Erhalt des Zwei-Säulen-Konstrukts – die Direktzahlungen, aber auch die ländliche Entwicklung – gewährleistet bleibt. Es muss sichergestellt sein, dass die Land- und Forstwirtschaft auch in Berggebieten und im benachteiligten Gebiet weiterhin betrieben werden kann und – das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt – dass auch flächendeckend die Almen- und Weidewirtschaft weitergeführt werden kann.

Ziel muss es sein, zur Absicherung der bäuerlichen Landwirtschaft genügend Mittel zu haben, die Lebensmittelproduktion weiterhin auf höchstem Niveau aufrechtzuerhalten und weiterhin – lieber Kollege Preiner, ich sage: weiterhin! – diesen sorgsamen Um­gang der Landwirte mit der Natur, mit der Landschaft und mit den Tieren zu gewähr­leisten. Ich bitte, nicht herzugehen und zu sagen, das ist alles schlecht. Wir haben eine hohe Qualität, wir erbringen eine hohe Leistung und wir müssen weiterhin so ausgestattet sein, dass wir diese erbringen können. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Vor allem ist eines wichtig: Wir müssen wirtschaftlich lebensfähig und konkurrenzfähig bleiben – ich möchte das sogar infrage stellen und sagen: werden, denn derzeit ist das manchmal sogar infrage gestellt. Ich vertraue darauf, dass wir in Brüssel ent­sprechende Erfolge erzielen, und ich vertraue darauf, dass die Landwirtschaft in dieser Form weiterarbeiten kann. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.33


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Zinggl. – Bitte.


13.33.30

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Das ist wieder einmal einer dieser No-na-Anträge, die wir da verhandeln und denen wir grundsätzlich nicht zustimmen.

Knapp vor der EU-Wahl soll gezeigt werden, wie bemüht die Landwirtschaftsministerin agiert. Zwei Abgeordnete stellen den Antrag, die Ministerin möge alles unternehmen, damit die EU auch weiterhin die Landwirtschaft so finanziert wie bisher. Solche Anträge kenne ich, die habe ich schon oft gehabt, aber neu berichten kann ich Folgendes: Ich bin jetzt 15 Jahre dabei, ich war in vielen Ausschüssen, aber das, was ich da im Ausschuss erlebt habe, das habe ich noch nicht erlebt. Der Antrag richtet sich an die Ministerin, wird aber von der Ministerin vorgestellt und erläutert. Die Antragsteller durften sich später auch zu Wort melden und es war ihnen nicht einmal peinlich. – Mir war es schon peinlich. (Zwischenruf des Abg. Hauser.)

Dazu kommt noch etwas: Die Ministerin sagte uns im Ausschuss auch noch, dass die Budgetverhandlungen in der EU frühestens in einem Jahr sein werden, denn vorher wäre einmal die Wahl und dann die Konstituierung.


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Die Ministerin fordert sich also knapp vor der EU-Wahl selbst auf, im Zusammenhang mit den Budgets, die in einem Jahr verhandelt werden, tätig zu werden. Ich würde sagen: Frau Ministerin, machen Sie es einfach, jetzt oder in einem Jahr, aber ver­schonen wir uns selbst mit solchen Anträgen!

Wofür die Gelder verteilt werden – das sind die Anträge der Opposition, die immer ver­tagt oder abgelehnt werden –, das sind die interessanteren Themen. – Danke. (Beifall bei JETZT.)

13.35


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Lindinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.35.19

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zu­seher auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Zum Kollegen Zinggl: Es ist in den Ausschüssen sehr wohl von den Kollegen Strasser und Linder erläutert worden, wie der Ablauf ist, und es wird immer bestens erklärt.

Zum Thema Gemeinsame Agrarpolitik: Der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler hat einmal gesagt: Wer akzeptiert, dass Projekte lebendige Organismen sind, muss auch akzeptieren, dass diese die Chance haben müssen, sich ständig weiterzu­ent­wickeln. – Genau so ist es auch mit der Gemeinsamen Agrarpolitik. Die Gemeinsame Agrarpolitik ist der größte vergemeinschaftete lebendige Organismus in der Euro­päischen Union. Es ist richtig und notwendig, dass wir die Gemeinsame Agrarpolitik weiterentwickeln, aber so wie ich das jetzt sehe, so wie der Vorschlag der Kommission vorliegt, entspricht dieser einer Rückentwicklung.

Der Vorschlag sieht in der ersten Säule, den Direktzahlungen, Kürzungen von 4 Pro­zent vor, in der zweiten Säule Kürzungen von 15 Prozent. Vor allem die Kürzungen in dieser zweiten Säule, bei den Förderungen für die ländliche Entwicklung, dem Herzstück unserer heimischen Landwirtschaft, sind wie ein Schlag ins Gesicht. Als Folge dieser Kürzungen würden mehr landwirtschaftliche Betriebe aufhören, somit auch der Strukturwandel gefördert werden, dadurch würden Betriebe aus dem Agrar­umweltprogramm aussteigen und das würde einen negativen Effekt für die Umwelt und die Natur bedeuten. Eines muss uns klar sein: Dieser Vorschlag bedeutet mehr Leis­tungen und weniger Geld. Das kann und darf nicht sein und ist für uns nicht akzep­tierbar. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Letzten Endes sind die Gelder aus der ländlichen Entwicklung nichts anderes als eine Abgeltung von erbrachten Leistungen. Wir werden uns auf allen Ebenen dafür ein­setzen, dass wir diese beibehalten. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an die Frau Bundesministerin und an den Herrn Bundeskanzler und die Bundesregierung, die sich tatkräftig für unsere Bäuerinnen und Bauern einsetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Neben dem Agrarumweltprogramm müssen aber vor allem die Investitionsförderung, die Ausgleichszulage für die benachteiligten Gebiete und die Bergbauernbetriebe und die Junglandwirteförderung als Kernelemente gesichert werden. Österreich ist in der EU Spitzenreiter, was die jungen Betriebsführerinnen und Betriebsführer anbelangt. Darauf können wir stolz sein und das muss auch in Zukunft so bleiben.

Der Antrag der SPÖ geht genau in die andere Richtung, nämlich zu 50 Prozent Kür­zung der ländlichen Entwicklung. Da würden wir genau bei diesen Kernelementen einsparen, und das kann es nicht sein. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 98

Der bisherige Weg im Agrarumweltprogramm zeigt, dass die Maßnahmen, die frei­willige Teilnahme, greifen. Damit wir da einen erfolgreichen Weg für die nachhaltige Landwirtschaft weitergehen können, braucht es eine Weiterentwicklung, eine Anpas­sung dieses Programms. Die Devise heißt Evolution statt Revolution. Wir sollten nicht alles auf den Kopf stellen, sondern Vereinfachungen, Maßnahmen für eine nachhaltige Bewirtschaftung und somit eine flächendeckende, eine wettbewerbsfähige und eine nachhaltige Landwirtschaft sicherstellen. Basis dafür sind unsere bäuerlichen Familien­betriebe. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wichtig ist auch in diesem Zeitraum, dass wir eine rechtzeitige Vorbereitung auf die Übergangsphase erstellen, damit die Bäuerinnen und Bauern auch eine Planungssicherheit für die nächsten Jahre bis zur neuen GAP-Periode bekommen.

Unsere Bäuerinnen und Bauern sorgen für Lebensmittel von höchster Qualität und täglich für einen gedeckten Tisch. Sie kümmern sich um die wunderschöne Landschaft, was auch einen florierenden Tourismus zur Folge hat, der wiederum Arbeitsplätze, vor allem im ländlichen Raum, sicherstellt.

Wenn man weiß, dass jeder Mensch zum Überleben genau zwei Berufsgruppen be­nötigt, nämlich ab und zu eine Ärztin oder einen Arzt, aber bis zu drei Mal täglich die Bäuerinnen und Bauern, dann sieht man, wie wichtig die Landwirtschaft ist, dann sieht man, wie wichtig die Arbeit unserer Bäuerinnen und Bauern ist.

An dieser Stelle, zum Schluss, ein herzliches Dankeschön, verbunden mit der großen Wertschätzung jeder einzelnen Person, die dazu einen Beitrag leistet. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

13.40


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Unterrainer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.40.14

Abgeordneter Mag. (FH) Maximilian Unterrainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Rängen und vor den Bildschirmgeräten! „Zur Förderung der gesellschaftlichen Funktionen der Landwirtschaft sollte die Politik den Rahmen so setzen, dass das unternehmerische Handeln der Landwirte gleichzeitig dem Gemeinwohl dient.“

Das ist eines der Zitate, das bei der GAP-Auftaktveranstaltung Anfang dieser Woche gefallen ist, und ich glaube, genau darum geht es. Und da sind vor allem Sie, Frau Ministerin, als Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus in der Hauptver­antwortung, nämlich sich im Rahmen der GAP-Verhandlungen dafür einzusetzen, dass die Landwirtschaft und der ländliche Raum so gefördert werden, dass auch Ge­nerationen nach uns noch eine intakte Umwelt vorfinden. Von Ihrer Seite als Land­wirtschaftsministerin sollte man sich schon deshalb einen vehementen Einsatz erwar­ten können, wenn es um ein Glyphosat- und Chlorpyrifos-Verbot geht.

Aber nach wie vor lassen Sie als Ministerin zu, dass Substanzen wie Glyphosat und Chlorpyrifos, die nachweislich schwerste gesundheitliche Schäden anrichten, auf unseren Wiesen und Feldern ausgebracht werden (Beifall bei der SPÖ), wissend, dass damit das Artensterben beschleunigt wird, wissend, dass gesundheitliche Schäden bei Mensch und Tier die Folge sind. Frau Ministerin, verhindern Sie – denn Sie können es verhindern –, dass diese Pestizide weiterhin eingesetzt werden! Bayer ist gerade dieser Tage zu Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe verurteilt worden, da das Gericht Glyphosat als krebserregend eingestuft hat.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 99

Meine Damen und Herren, es ist nicht nachvollziehbar, warum sämtliche Anträge zum Sofortverbot von Glyphosat durch die türkis-blaue Regierung permanent vertagt werden, und dass die Machbarkeitsstudie für ein Verbot immer noch nicht abge­schlos­sen ist, liegt ebenfalls in Ihrer Verantwortung. Frau Ministerin, wenn Sie anführen, dass die Verzögerung aufgrund der nachgereichten Fragen aus den Bundesländern zu­stande gekommen ist, dann möchte ich schon daran erinnern, dass die Fragen aus­schließlich aus drei ÖVP-dominierten Bundesländern, nämlich der Steiermark, Nieder­österreich und Oberösterreich, gekommen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Aus diesem Grund bringe ich heute folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. (FH) Maximilian Unterrainer, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 774/A(E) betreffend „keine weitere GAP mit Glyphosat und Chlorpyrifos!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich im Rahmen der Verhandlungen zur Aus­gestaltung der nächsten GAP-Periode für 2020+ dafür einzusetzen, dass die Förde­rungen so gestaltet werden, dass

- diese an ein Verbot des krebserregenden Wirkstoffes Glyphosat und des Nerven­giftes Chlorpyrifos gekoppelt werden,

- die nächste Periode der GAP einen dringend erforderlichen Beitrag der Landwirt­schaft durch die deutliche Reduktion der chemisch-synthetischen Pestizideverwendung sowie der mineralischen Stickstoffdüngung gegen die Klimakrise und das weitere Arten- und Insektensterben leistet, sowie

sich zeitgleich für ein europaweites Verbot des krebserregenden Wirkstoffes Glyphosat und des Nervengiftes Chlorpyrifos einzusetzen.“

*****

Meine Damen und Herren, setzen wir doch gemeinsam ein Zeichen und stimmen wir gemeinsam diesem Antrag zu! Wir haben uns alle eine pestizidfreie, gesunde Zukunft verdient. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.43

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. (FH) Maximilian Unterrainer, Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 774/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Sicherstellung der Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sowie Weiterentwicklung der bestehenden GAP-Instrumente in der neuen Periode (607 d.B.)

betreffend keine weitere GAP mit Glyphosat und Chlorpyrifos!

Die nächste Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU 2020+ wird zeigen, ob es in Europa gelungen ist, einen gemeinsamen Schulterschluss für mehr Vertei­lungsgerechtigkeit der Fördermittel, mehr Transparenz, Umweltschutz, Klimaschutz,


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 100

Tierwohl, eine deutliche Pestizide-Reduktion in der landwirtschaftlichen Praxis mit Ver­zicht auf unter anderem Glyphosat und einem Stopp des Artensterbens und des Insek­tensterbens, und einen Aufschwung für die ländlichen Regionen zu erreichen.

Die Bundesregierung - und die Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus insbe­sondere - haben hier eine hohe Verantwortung, ihre Aktivitäten bei den Verhandlungen zu den gesetzlichen Grundlagen der GAP 2020+ nicht von Lobbyismus einzelner starker Gruppen einengen zu lassen, sondern mit Weitblick zu agieren.

Das Bewusstsein, dass es sich bei einer GAP-Periode um die Verteilung hoher öffent­licher Steuergelder handelt, ist im Sinne einer gerechten Mittelverteilung und gesamt­gesellschaftlichen Verantwortung vehement einzufordern!

Ob unseren nachfolgenden Generationen giftfreie Lebensmittel zur Verfügung stehen, eine ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln gegeben ist und ob sie eine Umwelt mit hoher Lebensqualität vorfinden, hängt stark von der nächsten GAP 2020+ ab.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich im Rahmen der Verhandlungen zur Aus­gestaltung der nächsten GAP-Periode für 2020+ dafür einzusetzen, dass die Förde­rungen so gestaltet werden, dass

•             diese an ein Verbot des krebserregenden Wirkstoffes Glyphosat und des Nervengiftes Chlorpyrifos gekoppelt werden,

•             die nächste Periode der GAP einen dringend erforderlichen Beitrag der Land­wirtschaft durch die deutliche Reduktion der chemisch-synthetischen Pestizidever­wendung sowie der mineralischen Stickstoffdüngung gegen die Klimakrise und das weitere Arten- und Insektensterben leistet, sowie

sich zeitgleich für ein europaweites Verbot des krebserregenden Wirkstoffes Glyphosat und des Nervengiftes Chlorpyrifos einzusetzen.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag steht mit in Ver­handlung.

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Hauser zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.43.53

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuseher und -hörer vor den Fernseh­bild­schirmen! Hohes Haus! Bei der Gemeinsamen Agrarpolitik geht es um die Einkommen unserer Landwirte im Zeitraum 2021 bis 2027. Das ist eine entscheidende Frage. Das ist nicht nur eine entscheidende Frage für die Landwirtschaft an sich, sondern auch für den Tourismus, für unsere Lebensmittel, für die Qualität unserer Produkte überhaupt, für unseren Lebensraum an sich. Es ist also wirklich eine aus meiner Sicht existenzielle Frage, die zu klären ist.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 101

Sie wissen ja, ich komme selbst aus einem Berggebiet, dem wunderschönen Osttirol, Defereggental, und wir wissen, wie schwer es unsere Bergbauern dort Tag für Tag haben, ihre Felder, ihre Wiesen, ihre Höfe zu bestellen. Daher setze ich mich sehr intensiv für diese Bergbauernbetriebe ein. Wenn man sich die Zahlen des Grünen Berichtes anschaut – diese Zahlen stammen aus dem Jahr 2017, betreffen also noch die alte Periode, der Grüne Bericht aus dem Jahr 2018 kann ja nur auf die Zahlen von 2017 zurückgreifen –, die ich jetzt gerne vortragen werde, weiß man, dass gerade Bergbauernbetriebe der Gruppe 3 und speziell der Gruppe 4 mit ihrem Einkommen weit, weit unter den durchschnittlichen landwirtschaftlichen Einkommen liegen. (Abg. Plessl: Warum ist das so?) – Ihr wart in der Regierung, die Frage müsst ihr beant­worten, stellt also die Frage an euch selbst. Diese Zahlen betreffen das Jahr 2017, also geht in euch, schaut nach! Möglicherweise war die Förderpolitik nicht die richtige (Zwischenruf des Abg. Plessl), und ich werde auch Vorschläge zur Änderung dieser Förderpolitik machen.

Das durchschnittliche Einkommen aller Betriebe liegt im Jahr 2017 bei 31 133 Euro. Bei Nichtbergbauernbetrieben liegt der Durchschnitt bei 36 476 Euro und der Durch­schnitt der Bergbauernbetriebe liegt bei 25 912 Euro, also schon eklatant weniger. Und schaut man sich jetzt im Konkreten die Bergbauernbetriebe der Gruppe 3 an, mit einem durchschnittlichen Einkommen von 21 789 Euro, sind das um 30 Prozent weni­ger als der Durchschnitt der Einkommen aller Betriebe und um 40 Prozent weniger als das durchschnittliche Einkommen der Nichtbergbauernbetriebe. (Zwischenruf des Abg. Preiner.)

Noch krasser schaut das für die Bergbauernbetriebe der Gruppe 4 aus. Die durch­schnittlichen Einkommen liegen bei 16 679 Euro, im Gegensatz zu 31 133 Euro bei allen Betrieben. Das sind minus 46 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Preiner.) Und setzt man diese Zahl in Relation zu den Nichtbergbauernbetrieben, dann ist das ein Minus von 54 Prozent. Diese Betriebe der Zone 4 waren jene Betriebe, die im Jahr 2017 als einzige Betriebe überhaupt ein Einkommensminus in Höhe von 5 Prozent mitnehmen mussten, während alle anderen Betriebe, Gott sei Dank, auf ein Plus verweisen kön­nen.

Was heißt das? – Ich sage noch einmal, es geht um unseren Siedlungsraum (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Wittmann und Preiner), es geht um die Talschaften, es geht um den Tourismus, es geht um die Sicherheit. Das müssen wir ernst nehmen! Und wenn wir das ernst nehmen  – und dafür steht die Freiheitliche Partei mit voller Kraft –, dann müssen wir schauen, dass wir diese Bergbauernbetriebe der Zone 3 und 4, generell die Bergbauernbetriebe stärken (Beifall bei der FPÖ), und das kann nur sein, indem wir die öffentlichen Mittel für diese Betriebe erhöhen.

Die öffentlichen Gelder für die Bergbauernbetriebe der Gruppe 4 betrugen 30 Prozent vom Ertrag, und von diesen 30 Prozent betrug circa 50 Prozent die Ausgleichszulage, die diese Ertragsunterschiede wettmacht. Das heißt, wir müssen schauen, dass diese Ausgleichszulage für die extremen Bergbauernbetriebe der Zone 4, der Zone 3 erhöht wird, wenn wir unseren Anspruch ernst nehmen, unseren ländlichen Raum erhalten zu wollen, unsere Regionen lebenswert erhalten zu wollen. Das ist unser Auftrag und dafür werden wir mit voller Kraft kämpfen müssen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 102

13.49.00

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte ZuseherInnen! Meinem Vorredner Hauser von der FPÖ kann ich ans Herz legen: Setzen Sie sich mit dem früheren Agrarsprecher Jannach zusammen, der hat noch eine vertretbare Agrarpolitik gemacht, die uns allen gefallen hat! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Plessl: Ja, so ist es!)

Zum Kollegen Strasser von der ÖVP: Sie stellen sich hier heraus, vor das öster­reichische Parlament, und sagen, die neue GAP hat das Ziel – ich zitiere Sie –, ge­sunde Lebensmittel zu produzieren. Wieso verbieten Sie dann nicht das krebs­erregende Totalherbizid Glyphosat? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strasser: Sie waren aber schon bei der Arge-Präsentation dabei?) Wieso verbieten Sie es nicht endlich? Ich fordere Sie auf, beweisen Sie Mut! Sie stellen sich hier heraus und fordern als Ziel eine ordentliche Entlohnung unserer Bäuerinnen und Bauern. Wieso verteilen Sie dann die Förderungen nicht gerecht? (Abg. Strasser: Sie wollen uns die Mittel streichen, Frau Kollegin! Lesen Sie Ihre Aussendung!) Wieso lassen Sie dieses Bauernsterben zu? Seit Jahrzehnten arbeiten Sie an den Zielen vorbei. (Beifall bei der SPÖ.)

Und nun zur GAP: Die Europäische Union ist seit ihrer Gründung (Abg. Zarits: Das ist ein Wahnsinn!) – es würde mich auch nervös machen, ich habe durchaus Verständnis (Beifall bei der SPÖ – Abg. Zarits: Die Rede ist ein Wahnsinn!) – für den Bereich der Landwirtschaft zuständig. Rund 55 Milliarden Euro gibt der Staatenbund jährlich für den Agrarbereich aus. Man kann also ohne schlechtes Gewissen behaupten, kein anderer Bereich hat so viel Einfluss auf die EU wie die Landwirtschaft. Für mich ist es unverständlich, dass von diesen Geldmitteln zum Großteil leider nur die industrielle Landwirtschaft profitiert. (Beifall bei der SPÖ.)

Wer viel Land besitzt, wer entsprechend viele Tiere hält, der erhält üppige EU-Sub­ventionen. Dabei ist es egal, ob tonnenweise Pestizide ausgebracht werden, dabei ist es egal, ob man Tiere mit Antibiotika vollpumpt, das ist alles egal. Aber genau diese Agrochemie, werte Kolleginnen und Kollegen, ist schuld an diesem Massensterben. Und ja, es ist ein Wahnsinn, denn schon Einstein hatte behauptet: Gibt es die Bienen nicht mehr, gibt es unsere Menschheit nicht mehr! – Das sollte bei Ihnen nicht in Vergessenheit geraten. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Traurige ist, dass in diesem System jene Bauern, die sich um die Umwelt sorgen, die nachhaltig produzieren, momentan von der Förderpolitik eigentlich benachteiligt sind. (Abg. Strasser: Die Biobauern!) – Danke, Sie haben es schon erkannt, Bioland­wirtschaft, gratuliere! (Beifall bei der SPÖ.)

Dabei könnte man durch die biologische Landwirtschaft Düngemittel einsparen, man könnte bei artgerechter Tierhaltung die Antibiotikabelastung unseres Fleisches dras­tisch nach unten drücken und noch viele, viele Dinge mehr. Die Agrarpolitik geht momentan in die falsche Richtung und die EU hat mit der neuen GAP-Periode eine Riesenchance, die Landwirtschaft innerhalb Europas grundlegend zu ändern.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Aus­schusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 774/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sowie Weiter­ent-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 103

wicklung der bestehenden GAP-Instrumente in der neuen Periode (607 d.B.) betreffend „Erreichung einer Bio-Wende durch die GAP“

Der Nationalrat wolle beschließen:

 „Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich im Rahmen der Verhandlungen zur Ausgestaltung der nächsten GAP-Periode für 2020+ für eine ‚Biowende‘ einzusetzen, und daher vorzusehen, dass eine schrittweise Umstellung des Fördersystems zur verstärkten Unterstützung des Umstiegs auf Biolandwirtschaft mit dem mittelfristigen Ziel, über 50 Prozent biologische Landwirtschaft zu erreichen, beinhaltet ist.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.53

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Cornelia Ecker,

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 774/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Sicherstellung der Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sowie Weiterentwicklung der bestehenden GAP-Instrumente in der neuen Periode (607 d.B.)

betreffend Erreichung einer Bio-Wende durch die GAP

Die nächste Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU 2020+ wird zeigen, ob es in Europa gelungen ist, einen gemeinsamen Schulterschluss für mehr Vertei­lungs­gerechtigkeit der Fördermittel, mehr Transparenz, Umweltschutz, Klimaschutz, Tierwohl, eine deutliche Pestizide-Reduktion in der landwirtschaftlichen Praxis mit Verzicht auf unter anderem Glyphosat und einem Stopp des Artensterbens und des Insektensterbens, und einen Aufschwung für die ländlichen Regionen zu erreichen.

Die Bundesregierung - und die Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus insbe­sondere - haben hier eine hohe Verantwortung, ihre Aktivitäten bei den Verhandlungen zu den gesetzlichen Grundlagen der GAP 2020+ nicht von Lobbyismus einzelner starker Gruppen einengen zu lassen, sondern mit Weitblick zu agieren.

Das Bewusstsein, dass es sich bei einer GAP-Periode um die Verteilung hoher öffent­licher Steuergelder handelt, ist im Sinne einer gerechten Mittelverteilung und gesamt­gesellschaftlichen Verantwortung vehement einzufordern!

Ob unseren nachfolgenden Generationen giftfreie Lebensmittel zur Verfügung stehen, eine ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln gegeben ist und ob sie eine Um­welt mit hoher Lebensqualität vorfinden, hängt stark von der nächsten GAP 2020+ ab.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 104

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich im Rahmen der Verhandlungen zur Aus­gestaltung der nächsten GAP-Periode für 2020+ für eine „Biowende“ einzusetzen, und daher vorzusehen, dass eine schrittweise Umstellung des Fördersystems zur ver­stärkten Unterstützung des Umstiegs auf Biolandwirtschaft mit dem mittelfristigen Ziel, über 50 Prozent biologische Landwirtschaft zu erreichen, beinhaltet ist.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Auch dieser Antrag ist ordnungsgemäß einge­bracht worden und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kühberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.53.17

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Meine Vorrednerin – ist sie noch da? Ah! –, Kollegin Ecker, aber auch Herr Preiner, der Agrarsprecher der SPÖ, sprechen von Zielen. Ich habe ein anderes Ziel gehabt, habe eine Rede geschrieben, aber ich möchte jetzt auf die Ziele der SPÖ eingehen. Im Speziellen, wo liegen die Ziele – Anträge Tagesordnungspunkt 3 und 4 –, wo sind diese Ziele? (Abg. Preiner: Habt ihr keine Ziele?) Die wurden nicht erklärt.

Halbierung unserer Agrargelder und Umschichtung in soziale Bereiche, das tut einem weh (Beifall bei der ÖVP), vor allem, wenn ich mich in die Lage unserer Bäuerinnen und Bauern versetze, die diese Debatte heute über die Bildschirme zu Hause mit­verfolgen. Welches Bild hat die SPÖ mit Ihren Anträgen überhaupt von diesen Men­schen? (Zwischenrufe der Abgeordneten Preiner und Plessl.) Sind das Arbeitstiere, sind das gläserne Lebensmittelproduzenten? Ich komme noch zu diesen Anträgen. (Abg. Duzdar: Was ist das für eine Unterstellung?) – Das ist keine Unterstellung. Kennen Sie Ihre Anträge? (Abg. Ecker: Lesen Sie unsere Anträge!) – Ich kenne Ihre Anträge, ich werde diese Anträge jetzt auch genau erklären.

Ich musste heute, und Sie, Frau Kollegin Ecker, und Sie, Herr Kollege Preiner, nicht um 5 Uhr aufstehen, um in den Stall zu gehen. Wir mussten auch nicht aufstehen, um den Acker zu bestellen. Wir mussten auch nicht aufstehen, um in die Obstkultur zu fahren. Nein, das machen Hunderttausende Bäuerinnen und Bauern hier in Österreich tagtäglich, 365 Tage im Jahr, und produzieren hochwertige Lebensmittel. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir hier im Saal – liebe Frau Kollegin und Herr Kollege –, wir haben das Privileg, wir haben uns heute in Wien ausschlafen können, wir haben in unseren Hotels gefrüh­stückt und haben dort ein ordentliches Frühstück bekommen. Und dieses üppige Früh­stücksbuffet in unseren Hotels, ja, das spiegelt heute den globalen Markt. Da sind hochwertige Lebensmittel aus Österreich dabei, da sind aber auch verschiedene Lebensmittel aus aller Welt, und das ist die Herausforderung. Wir haben sehr hohe Umweltstandards in Österreich, wir haben strenge Tierschutzgesetze, zum Wohle unserer Tiere. Das ist auch gut so, das wollen wir auch, aber wenn ich hohe Standards habe, dann habe ich auch hohe Produktionskosten. Und die müssen ausgeglichen werden und die werden mit diesen Ausgleichszahlungen ausgeglichen, die Sie kürzen möchten, meine Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir laufen fleißig in Brüssel und in Österreich, damit es keine Kürzungen gibt. Nein, im Gegenteil, wir wollen, dass diese Menschen und diese Betriebe mehr bekommen, diese kleinen bäuerlichen Familienbetriebe, deren Gelder Sie kürzen möchten. (Abg.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 105

Plessl: Das stimmt ja nicht!) Wir haben die Leader-Projekte laufen, da haben wir Gelder, die umgeschichtet werden, und die kommen bei den Leader-Projekten auch gut an. (Abg. Plessl: Wer schichtet um?) Wir haben Arbeiten, die bezahlt werden müs­sen.

Diese sogenannte zweite Säule, das sind die Gelder, die für besondere Leistungen bei unseren Betrieben ankommen. Und jetzt kommt es: Der Herr Kollege Preiner hat vorhin von Tierschutz, von Umweltschutz und von den ländlichen Regionen ge­sprochen. Ich sage, die wollen Sie kürzen. (Abg. Plessl: Das stimmt nicht, was du sagst!) Sie wollen weniger Tierschutz, Sie wollen weniger Umweltauflagen, denn das sind genau die Gelder, die unsere bäuerlichen Familienbetriebe auf ihren Höfen bekommen, um solche Leistungen zu erbringen, um Insektenschutz zu garantieren (Beifall bei ÖVP und FPÖ), indem Blühstreifen, Ökostreifen angelegt werden.

Als ich in dieses Haus gekommen bin, habe ich mir gedacht, es gibt keinen Klas­senkampf. Aber das ist reiner Klassenkampf. Hier wird ein Spalt in die Gesellschaft, vor allem in die ländlichen Regionen getrieben. Aber ich verspreche euch, unsere Regie­rungsparteien werden für diesen ländlichen Raum, für diese bäuerlichen Familien­betriebe kämpfen und werden für diese Gas geben. Wir haben noch zehn Tage bis zur EU-Wahl, wir haben das wahre Gesicht der SPÖ gesehen. (Abg. Plessl: Das ist der wahre Grund, warum Sie das sagen! Jetzt wissen wir es!) Die ländlichen Räume vertretet ihr schon lange nicht mehr, denn deren Gelder wollt ihr kürzen. Ihr wollt weniger Umweltschutz mit diesen Anträgen, weniger Tierschutz und auch weniger für die ländlichen Regionen. Wir stehen dazu! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Als Steirer sei es mir erlaubt, gerade in Zeiten, in denen die SPÖ für die ländlichen Regionen sicher nicht wählbar ist: Wir in der Steiermark haben eine tolle Spitzen­kandidatin, Simone Schmiedtbauer, die braucht viele Vorzugsstimmen, um für den ländlichen Raum eine starke Stimme zu sein. – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

13.58


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Ecker zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Abgeordnete. (Abg. Haubner: Das wird jetzt was werden!)


13.58.24

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Kühbauer – Berger, Bauer hätte ich beinahe gesagt, aber das stimmt auch –, Herr Kühberger hat sich hier herausgestellt und einige Unwahrheiten berichtet, die ich gerne tatsächlich berichtigen würde.

Sie behaupteten, ich wüsste nicht, was es heißt, in der Früh aufzustehen und sich um die Kühe zu kümmern, sie zu füttern, die Ernte einzubringen. Da darf ich Sie be­richtigen: Ich bin Kind eines Biobauern. Ich weiß, was das heißt, ich habe das alles erlebt. Ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen in meinem Bundesland (Ruf bei der SPÖ: Hört, hört!) und ich weiß, wie schwer sie es haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Er hat unter anderem auch behauptet, die SPÖ stehe nicht für Tierschutz. Ich kann Sie einladen, es gibt gerade ganz aktuell eine Petition des Kollegen Maurice Androsch zum Tierschutz. Ich lade Sie ein, unterschreiben Sie diese! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Zinggl.)

Dann möchte ich auch noch berichtigen, denn das haben Sie noch nicht verstanden: Der ländliche Raum hört nicht beim Bauernhof auf! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jenewein: Das ist aber auch keine tatsächliche Berichtigung!)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 106

13.59


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Wimmer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.59.35

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Kollege Kühberger, die SPÖ setzt sich nicht für Kürzungen ein (Abg. Lindinger: Das steht aber im Antrag!), sondern für eine Umverteilung, für eine gerechte Verteilung der Förderungen, weg von der Agrarindustrie, hin zur Aufrechterhaltung einer sozialen Infrastruktur. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Eßl: Sie wollen, dass die Bauern Sozialhilfeempfänger werden!)

Wir haben das Ziel, zu verhindern, dass noch mehr junge Menschen, und vor allem junge Frauen in die Ballungsräume abwandern, denn die Zahlen in diesem Bereich sind erschreckend. Vier von zehn österreichischen Gemeinden sind in den vergan­ge­nen zehn Jahren geschrumpft. Der Rückgang konzentriert sich vorwiegend auf den länd­lichen Bereich in der Obersteiermark, in Oberkärnten, im oberen Wald- und im Weinviertel, aber auch in vielen weiteren Regionen fast aller Bundesländer.

Vor zwei Jahren hat der damalige ÖVP-Landwirtschafts- und Umweltminister Rupprechter den Masterplan für die Stärkung des ländlichen Raumes propagiert. Die ersten Vorschläge lauteten: Arbeitsplätze in die Regionen auslagern, Ausbau der Ganztagskinderbetreuung und Breitbandinitiative. Was ist davon übrig geblieben? – Nichts. Für die Menschen im ländlichen Raum ist seither nichts passiert und es ist auch nichts in Sicht.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Gründe für die Abwanderung junger Frauen sind bekannt. Mehrere Studien der Universität für Bodenkultur zeigen diese. Für viele Frauen gibt es schlichtweg keine Beschäftigungsmöglichkeiten, die auch ihrer Aus­bildung entsprechen. Frauen, die einen höheren Bildungsabschluss anstreben, finden oftmals keine entsprechenden Ausbildungsstätten, die in einer halbwegs bewältigbaren Distanz zu ihrer Heimatgemeinde sind. Frauen mit Kinder haben ganz andere Anfor­derungen an ihr kommunales Umfeld, sie kritisieren auch, dass die alternden Ge­meinden vorwiegend Politik für Ältere machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Überalterung sowie der Mangel an Arbeitsplätzen und die Abwanderung von Know-how ist der Beginn einer Negativspirale. Die Spirale führt weiter zu sinkender Finanzkraft der Privathaushalte, zu einer Verschlechterung der Nahversorger und der Infrastruktur. In weiterer Folge sinkt die Finanzkraft der öffentlichen Hand, Investitionen gehen zurück, der Gebäudeleerstand nimmt zu und die Standortattraktivität sinkt. Die Folge davon ist, dass das Gemeindeleben stirbt. Die Forderungen des Antrages der SPÖ – der von der ÖVP und der FPÖ im Ausschuss abgelehnt wurde – versuchen, genau diese Abwanderungsspirale zu durchbrechen.

Ich lade die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ hiermit nochmals ein, unserem Antrag im Sinne der ländlichen Bevölkerung zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.02


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter Schmiedlechner gelangt zu Wort. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.02.55

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Zuhörer! Die GAP, die Gemeinsame Agrarpolitik, war bisher kein Erfolgsmodell der europäischen Politik. Tausende landwirtschaftliche Betriebe in


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 107

Österreich mussten aufgeben. Nun sind wir gefordert, einen Richtungswechsel einzu­leiten, Kompetenzen zurückzuholen, die Höhe der GAP-Mittel für Österreich sicher­zustellen, Erleichterungen für die Bauern umzusetzen und dafür zu sorgen, dass das Geld bei den bäuerlichen Familienbetrieben ankommt.

Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Kürzungen in der GAP bedeuten für Österreich bei den Direktzahlungen ein Minus von 28 Millionen Euro pro Jahr. Die Kürzungen betreffend ländliche Entwicklung würden weitere 82 Millionen Euro im Jahr ausmachen. Dieser Vorschlag ist schlichtweg inakzeptabel, die Bauern stehen mit dem Rücken zur Wand. Sollte dieser Vorschlag durchgehen, würde dies den Strukturwandel weiter vorantreiben und befeuern. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Unsere Aufgabe muss sein, die bestehenden Maßnahmen der GAP der vergangenen Jahrzehnte zu verbessern und die Maßnahmen der neuen GAP-Periode zu verein­fachen. Die GAP der vergangenen Jahrzehnte hat zu einer stärkeren Marktorientierung geführt, Österreichs Bäuerinnen und Bauern stehen heute im globalen Wettbewerb und sind zudem mit starken Preisschwankungen konfrontiert. Die ständig steigende Kom­plexität, der gewaltige Bürokratieaufwand und auch die öffentliche Verwaltung müssen reduziert werden.

Die Bundesregierung wird daher ersucht, alle Mittel auszuschöpfen, um in den Ver­handlungen in Bezug auf die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020 gute Ergebnisse für die Bäuerinnen und Bauern zu erzielen. Wir brauchen eine Sicherstellung der Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik, die Erhaltung einer flächendeckenden, wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Land- und Forstwirtschaft auf Basis unserer Familienbetriebe, mehr Subsidiarität und weniger Bürokratie, den Erhalt der Zwei-Säulen-Struktur der GAP – mit den wesentlichen Elementen der Direktzahlungen und der ländlichen Entwicklung – und die Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen für den Agrarsektor im Bin­nenmarkt. (Beifall bei der FPÖ.)

Was wir auch brauchen, ist eine rechtzeitige Vorbereitung der Übergangsphase für die reformierte GAP, um die Planungssicherheit für unsere Bäuerinnen und Bauern sicher­zustellen. Wir alle sind stolz auf unser Land und unsere tolle Kulturlandschaft. Damit das so bleibt, müssen wir dafür sorgen, dass unsere Bauern und Bäuerinnen von ihrer harten Arbeit auch leben können. (Beifall bei der FPÖ.)

14.06


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gruber. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Unsere Agrarexpertin! – Abg. Vogl: Jetzt wird es wieder ein bisschen lebendiger!)


14.06.40

Abgeordnete Renate Gruber (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Abgeordnete! Bauern und Bäuerinnen sind immer verlässliche Partner, und ich darf Herrn Abgeordneten Strasser ansprechen, der als Bauern­bund­präsident mit Sicherheit auch bei den Verhandlungen betreffend die zukünftige För­derperiode maßgeblich dabei ist. Es liegt in seiner Hand, dass die Agrarindustrie nicht in diesem Ausmaß gefördert wird, sondern kleinere Betriebe, die für den ländlichen Raum und die Gemeinden von enormer Wichtigkeit sind und natürlich auch für die regionalen Produkte verantwortlich sind. Die gehören entsprechend gefördert, und es ist eine Notwendigkeit, dies auch zu tun, sonst stirbt der ländliche Raum. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Kühberger hat hier vorne sehr emotional gesprochen (Abg. Prinz: Aber richtig!), aber der ländliche Raum ist nicht nur der Bauernhof alleine – gerade du


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als Bürgermeister weißt das auch. (Abg. Kühberger: Nein, nein! Ich habe davon gesprochen!) Ich hoffe, dass du dich dafür einsetzt, das auch zu tun, weil gerade Familienbetriebe, kleinstrukturierte Familienbetriebe für eine Gemeinde unerlässlich sind. Man sollte auch immer die Gesamtheit betrachten, und das ist, glaube ich, von enormer Wichtigkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir alle haben mittlerweile auch gehört, dass die Gemeinsame Agrarpolitik 2021/2022 auf EU-Ebene verhandelt werden soll. Wir fordern, dass in der nächsten Förderperiode alle Menschen im ländlichen Raum vom Programm für die ländliche Entwicklung profitieren müssen. Die Gelder der GAP müssen zum Aufschwung des ländlichen Raumes beitragen. Im Übrigen müssen in der nächsten Periode der GAP die Agrar­förderungen gerechter verteilt werden. Das aktuelle europäische Agrarmodell unter­stützt die Massenproduktion zulasten der Ressourcen. Es ist erfreulich, dass auch Frau Minister Köstinger dies klar artikuliert hat. Wir müssen weg von dem Modell, wonach Betriebe mit den höchsten Einkommen die höchsten Subventionen erhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin Köstinger! Meine Damen und Herren Mitglieder von der Bundes­regie­rung! Der ländliche Raum ist weit mehr als die Landwirtschaft. Setzen Sie sich daher auf EU-Ebene dafür ein, dass in der nächsten Periode, ab 2021, ein deutlich höherer Anteil des Budgets vom Mitgliedstaat für soziale Dienste verwendet werden muss. Die Entwicklung des ländlichen Raumes hängt maßgeblich von den Rahmenbedingungen für Frauen ab. – Wandern die Frauen ab, stirbt die Region. (Beifall bei der SPÖ.)

14.09


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste hat sich die Frau Bundesminister zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Minister.


14.09.30

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Vielen herzlichen Dank für die sehr inter­essante Debatte! Danke speziell auch an die Regierungsparteien hier im Hohen Haus für den Antrag und die Möglichkeit, speziell auch die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik zu diskutieren. Ich glaube, was den wenigsten hier herinnen – was man annehmen kann, wenn man die Beiträge hört – wirklich voll bewusst ist, das ist, dass die Gemeinsame Agrarpolitik der einzige Politikbereich der Europäischen Union ist, der vergemeinschaftet worden ist. Ich glaube, das ist etwas ganz Besonderes, und zehn Tage vor der EU-Wahl kann man das auch einmal hervorstreichen.

Das ist deswegen besonders hervorzustreichen, weil es uns in Europa zurzeit in so vielen Bereichen nicht gelingt, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Vielleicht würde uns das heute in der Landwirtschaftspolitik auch nicht mehr gelingen, weil wir einfach viel zu viele unterschiedliche Interessen haben und weil – ich glaube, das konnten wir auch heute wieder verfolgen – die Forderungen oft sehr inkohärent sind. Auf der einen Seite wird permanent gefordert, bäuerliche Familienbetriebe und Klein­betriebe vorne hinzustellen, und auf der anderen Seite wird gesagt, es muss weniger Förderungen geben. Das geht sich schlichtweg nicht aus. (Abg. Vogl: Das behauptet kein Mensch!) Das geht sich vor allem nicht aus, wenn man gleichzeitig auch mehr Umweltleistungen haben will; das alles können unsere Familienbetriebe unter dem derzeitigen Preisdruck nicht leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Vieles an der Kritik an der Gemeinsamen Agrarpolitik ist mit Sicherheit zu teilen. Die Förderverteilung erfolgt derzeitig so, dass zum Teil wirklich Millionenförderungen an Großbetriebe gehen, die natürlich unsere bäuerlichen Familienbetriebe vor allem im


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Marktfruchtbereich bei Ackerbaubetrieben massiv unter Druck setzen. Deswegen sehen auch wir als Bundesregierung es höchst an der Zeit – das war auch bereits unsere Forderung bei der letzten GAP-Reform –, dass es verpflichtende Förder­ober­grenzen für alle Mitgliedstaaten der EU geben muss, um wirklich eine Wettbewerbs­gleichheit herstellen zu können.

Das Zweite, das wir eben auch haben wollen, ist weniger Bürokratie. Wenn man sich heute anschaut, wie beispielsweise das ganze Thema ökologische Vorrangflächen definiert wird, dann findet man da drin auch Mindestabstände von Baumkronen und Sonstiges geregelt. Das geht bei Weitem über das hinaus, was in der Natur Stand der Dinge ist und was unsere bäuerlichen Familienbetriebe leisten können. Die Bauern sitzen zum Teil schon viel länger an den Zetteln, die sie ausfüllen müssen, als sie in letzter Konsequenz im Stall oder am Feld verbringen.

Auch da braucht es wirklich eine Änderung. Diesbezüglich können wir unserem Spit­zenkandidaten auf europäischer Ebene, Manfred Weber, nur zustimmen, wenn er fordert, dass die EU-Kommission die Gesetzesmaterien durchleuchten und schauen soll, wo wir unnötige Bürokratie streichen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Ob die vorliegende Reform, die der EU-Kommissar vorgeschlagen hat, das erfüllen kann, lässt sich zurzeit nicht abschätzen. Das, was wir auf jeden Fall unterstützen, ist, dass die erfolgreichen österreichischen Programme fortgesetzt werden. Das sind vor allem die Agrarumweltprogramme. Jedes Jahr werden 266 Millionen Euro an unsere bäuerlichen Familienbetriebe ausbezahlt, weil sie ökologische Mehrleistungen liefern. Das sind konventionelle Betriebe in Österreich, die massiv zur Artenvielfalt, zum Um­weltschutz, zum Bodenschutz beitragen und damit Österreich auch zu einem derartig lebenswerten Land werden ließen.

Die Bundesregierung steht klar hinter den bäuerlichen Familienbetrieben, und wir werden das vor allem auch in den kommenden Verhandlungen zum Ausdruck bringen. Das Entscheidende für uns ist aber natürlich der Mehrjährige Finanzrahmen. Die Kürzungen, die ins Haus stehen, sind absolut inakzeptabel. Wer heute in der länd­lichen Entwicklung kürzt, kürzt Agrarumweltprogramme, kürzt Bioförderungen, kürzt Investitionsförderungen, kürzt die Förderungen im Berggebiet, und das kann von uns so nicht unterstützt werden und ist inakzeptabel. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Diese Bundesregierung steht auf allen Ebenen hinter den Bäuerinnen und Bauern, und das haben wir vor allem auch mit der aktuellen Steuerreform klar zum Ausdruck gebracht. Die Entlastung muss bei den bäuerlichen Familienbetrieben ankommen und das, was wir jetzt vom Finanzminister vorgelegt bekommen haben, ist ein Entlastungs­paket für unsere bäuerlichen Familienbetriebe, das es in dieser Art und Weise noch nie gegeben hat.

Zwei Drittel dieses Paketes betreffen vor allem auch die Familienbetriebe bis zu einem Einheitswert von 30 000 Euro. Es betrifft vor allem auch den Bereich der Pensionistin­nen und Pensionisten. Es wurde angesprochen, dass die Gemeinsame Agrarpolitik sozialen Dienstleistungen zugutekommen muss. Diese Bundesregierung macht das bereits heute, indem sie die Mindestpensionen anhebt. Das ist echte Sozialpolitik, wie es sie in dieser Art und Weise in dem Land noch nicht gegeben hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Preiner: Wie schaut’s bei der Kinder­betreuung und Pflege aus?)

An dieser Stelle – und das wirklich ehrlich gesagt – möchte ich dem Koalitionspartner Danke schön sagen, da wir genau in diesen Dingen gemeinsam an einem Strang


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ziehen. Es werden keine ideologischen Gräben ausgehoben, sondern es stehen wirk­lich die bäuerlichen Familienbetriebe im Zentrum der Entlastung. (Abg. Loacker: Zwi­schen euch zwei gibt es wirklich keine ideologischen Gräben! – Ruf bei der FPÖ: Weil wir sachlich orientiert sind!)

Das Zweite – und auch das ist ein ganz zentraler Punkt –: Wenn man Landwirt­schafts­politik und Lebensmittelpolitik diskutiert, müssen natürlich auch der Konsument und die Konsumentin miteinbezogen werden. In letzter Konsequenz entscheidet jeder Einzelne vor dem Regal, welche Art der Landwirtschaft er unterstützt. Ist es die billige, anonyme Massenproduktion, wo die Lebensmittel unter dem Preishammer im Centbereich verschleudert werden, oder greift man zu Produkten regionaler Herkunft, greift man zu heimischen Produkten, die saisonal produziert werden? Genau da trägt jeder einzelne wirklich Verantwortung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wie bei Sonntagsreden am Rednerpult zu stehen und auf der einen Seite bäuerliche Produktion zu fordern, auf der anderen Seite aber auch immer wieder zu sagen, dass die Lebensmittel in Österreich zu teuer sind, geht sich schlichtweg nicht aus. Das sei auch einmal ganz klar gesagt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir dürfen an dieser Stelle allen Bäuerinnen und Bauern, die dieses Land zu einem der lebenswertesten Europas machen (Abg. Preiner: Das ist aber nicht Ihr Verdienst!), die im höchsten Maße biologisch produzieren, im Berggebiet produzieren, mit höchsten Standards produzieren und all das den Konsumentinnen und Konsumenten trotzdem zu einem leistbaren Preis zur Verfügung stellen, ein herzliches Dankeschön aus­sprechen. Sie sind das Herz und das Rückgrat unseres Landes. Wir werden alles dazu beitragen, dass sie auch in eine gute Zukunft schauen können. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

14.16


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gerstner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.16.47

Abgeordneter Peter Gerstner (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrte Besucher und Zuseher! (Ruf bei der SPÖ: Für wen war die Vorzugsstimme?) Zum Antrag der Kolleginnen und Kollegen der SPÖ betreffend „europaweite Erhöhung der Tierschutzstandards durch tierwohlgerechten Einsatz der öffentlichen Fördermittel der Gemeinsamen Agrarpolitik“, kurz GAP, muss gleich vorweg festgehalten werden, dass wir alle hier, natürlich auch insbesondere meine Person, mit Sicherheit am Wohlergehen der Tiere, speziell an artgerechter Haltung der Nutztiere und am Tierschutz generell, in all seiner Form und in all seinen Facetten, interessiert sind.

Vom Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes, der hier zitiert wird – das muss man auch sagen –, wurden ausschließlich Negativbeispiele herausgepickt, denn in diesem Bericht ist auch zu lesen, dass sehr wohl von Orientierungshilfen als auch von Durchsetzungsmaßnahmen Gebrauch gemacht wurde und dass sehr, sehr viele getätigte Maßnahmen in wichtigen Bereichen erfolgreich waren.

Auch der Antrag betreffend „Sicherstellung der Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik sowie Weiterentwicklung der bestehenden GAP-Instrumente in der neuen Periode“, der gemeinsam von ÖVP und FPÖ eingebracht wurde, setzt sich mit den verschiedenen Themen der Gemeinsamen Agrarpolitik auseinander und behandelt auch die Negativ­berichte mit.


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Es ist einfach nur billig, den Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes so zu zerpflücken, dass lediglich die negativen Phrasen übrig bleiben, einfach die guten, die erreichten, die umgesetzten Dinge zu ignorieren und wegzustreichen und alles nur schlechtzureden. Das sieht den Kollegen und Kolleginnen der SPÖ wieder einmal ähnlich.

Klar ist jedenfalls, dass die österreichische Bundesregierung weiterhin dafür kämpfen wird, dass unsere Landwirtinnen und Landwirte ihre Höfe erhalten können und auch gedeihlich arbeiten können. Das beinhaltet selbstverständlich auch das Wohlergehen unserer Tiere. Unter der FPÖ-ÖVP-Regierung wird nicht nur geredet und es werden keine Berichte zerpflückt, sondern es wird gearbeitet, gehandelt und umgesetzt. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.19


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Androsch. – Bitte.


14.19.54

Abgeordneter Ing. Maurice Androsch (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhöre­rinnen und Zuhörer! Ich danke Kollegen Gerstner, dass er diesen Rechnungshofbericht in die Diskussion mitaufgenommen hat.

Ja, wir haben ihn zerpflückt, wir haben ihn uns genau angesehen, und das hätte ich auch Ihnen empfohlen, denn dann hätten Sie gesehen, dass der Rechnungshofbericht nicht nur davon spricht, dass es Gutes und Negatives gibt, sondern dass er auch Vorschläge macht, wo es in der zukünftigen GAP-Periode sinnvoll wäre, anzusetzen. Genau dort nämlich setzt dieser Antrag an: eine Erhöhung der Tierschutzstandards in der Europäischen Union mit einem zielgerechten Einsatz der GAP-Fördermittel zu erreichen. Das ist ein wesentlicher Punkt. Die Investitionsförderungen sind ganz wesentliche Mittel, um den Tierschutz zu fördern.

Aber darüber hinaus muss man sich auch weitere Säulen und weitere Maßnahmen überlegen, um ein Mehr an Tierschutzstandards zu erzielen. Frau Bundesminister, wir haben das schon sehr oft diskutiert und miteinander darüber geplaudert: Es ist wichtig, dass auch in der Landwirtschaft die entsprechenden Möglichkeiten gegeben werden, und die GAP ist dafür eine wichtige Förderschiene. Daher haben wir diesen Antrag eingebracht.

Wir machen Druck für mehr Fördermittel für Forschung, was die mobilen Schlachthöfe betrifft. Wir weisen ganz besonders darauf hin, dass es im Bereich des Tierschutzes auch für die Landwirtschaft klare Zielvorgaben geben muss. Wir weisen darauf hin, dass es kürzere Tiertransporte geben muss. Es sollen Förderungen der GAP ein­gesetzt werden, um dies in Zukunft auch zu ermöglichen. Das ist besonders wichtig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Gerstner! Ihr habt diesen Antrag im Ausschuss in der ersten Runde vertagt und jetzt abgelehnt. Und dann höre ich auf der anderen Seite von der Regierungspartei ÖVP, von Kollegen Kühberger: Wir wollen weniger Tierschutz in der Europäischen Union haben, wir wollen weniger Tierschutz durch die GAP haben. – Dann hat er das nicht verstanden, was wir eingebracht haben, sage ich ganz offen. (Beifall bei der SPÖ.) Wir wollen mehr Tierschutz und wir wollen einen besseren und zielgerechten Einsatz dieser Fördermittel.

Wir müssen auch danach trachten, dass wir Augenmerk darauf legen, dass auch die Zahl der Tiertransporte verringert wird. Wir haben deswegen in der letzten Aus­schuss­sitzung einen Antrag eingebracht, sich zu diesem Thema mit einem Rahmenplan zu


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beschäftigen, und auch diesem haben die Regierungsparteien nicht zugestimmt, sondern ihn vertagt. Also wer ist jetzt für mehr Tierschutz, wer ist für weniger Tierschutz? – Da können Sie sich jetzt ein Bild machen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bringe jetzt folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 774/A(E) betreffend „deutliche Reduktion von Tiertransporten durch klugen Mitteleinsatz der GAP“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich im Rahmen der Verhandlungen zur Aus­gestaltung der nächsten GAP-Periode für 2020+ dafür einzusetzen, dass diese zu einer deutlichen Reduktion von Tiertransporten in Österreich und europaweit und somit zu mehr Tierwohl führt.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie unsere Bauern und wenn Sie die Landwirtschaft unterstützen wollen, dann setzen Sie sich auch dafür ein, dass wir höhere Tierschutzstandards in ganz Europa haben. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

14.22

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 774/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Sicherstellung der Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sowie Weiterentwicklung der bestehenden GAP-Instrumente in der neuen Periode (607 d.B.)

betreffend deutliche Reduktion von Tiertransporten durch klugen Mitteleinsatz der GAP

Die nächste Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU 2020+ wird zeigen, ob es in Europa gelungen ist, einen gemeinsamen Schulterschluss für mehr Vertei­lungsgerechtigkeit der Fördermittel, mehr Transparenz, Umweltschutz, Klimaschutz, Tierwohl, eine deutliche Pestizide-Reduktion in der landwirtschaftlichen Praxis mit Verzicht auf unter anderem Glyphosat und einem Stopp des Artensterbens und des Insektensterbens, und einen Aufschwung für die ländlichen Regionen zu erreichen.

Die Bundesregierung - und die Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus insbe­sondere - haben hier eine hohe Verantwortung, ihre Aktivitäten bei den Verhandlungen zu den gesetzlichen Grundlagen der GAP 2020+ nicht von Lobbyismus einzelner starker Gruppen einengen zu lassen, sondern mit Weitblick zu agieren.


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Das Bewusstsein, dass es sich bei einer GAP-Periode um die Verteilung hoher öffent­licher Steuergelder handelt, ist im Sinne einer gerechten Mittelverteilung und gesamt­gesellschaftlichen Verantwortung vehement einzufordern!

Ob unseren nachfolgenden Generationen giftfreie Lebensmittel zur Verfügung stehen, eine ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln gegeben ist und ob sie eine Umwelt mit hoher Lebensqualität vorfinden, hängt stark von der nächsten GAP 2020+

ab.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich im Rahmen der Verhandlungen zur Aus­gestaltung der nächsten GAP-Periode für 2020+ dafür einzusetzen, dass diese zu einer deutlichen Reduktion von Tiertransporten in Österreich und europaweit und somit zu mehr Tierwohl führt.“

*****

14.22.57


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Da nun dazu niemand mehr zu Wort gemeldet ist, schließe ich die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter noch ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Somit kommen wir zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag ge­trennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Das ist der Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 604 der Beilagen zur Kennt­nis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Das ist der Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 605 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Das ist der Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 606 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Das ist der Antrag, die dem Ausschussbericht 607 der Beilagen angeschlossene Entschließung betref­fend „Sicherstellung der Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sowie Weiter­entwicklung der bestehenden GAP-Instrumente in der neuen Periode“ anzunehmen.


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Jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen. (E 74)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Preiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt von kleinen und mittleren Familienbetrieben und Nebenerwerbsbetrieben, für mehr Regionalität und Direktvermarktung durch die GAP 2020+“. 

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, nicht angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Unterrainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine weitere GAP mit Glyphosat und Chlorpyrifos!“. 

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, nicht angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erreichung einer Bio-Wende durch die GAP“. 

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, nicht angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „deutliche Reduktion von Tiertransporten durch klugen Mitteleinsatz der GAP“. 

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, nicht angenommen.

14.26.307. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Petition Nr. 5/PET: „WOLF – AUSNAHMEREGELUNG Antrag gemäß ,Fauna Flora Habi­tat – Artikel 16 b und c‘“, überreicht von der Abgeordneten Martina Diesner-Wais (608 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Petition Nr. 7/PET: „WOLF – Petition für ein wolfsfreies Tirol“, überreicht vom Abgeord­neten Hermann Gahr (609 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Petition Nr. 11/PET: „Petition für ein wolfsfreies Salzburg“, überreicht vom Abgeordneten Franz Leonhard Eßl (610 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 7 bis 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hammerschmid. – Bitte, Frau Abge­ordnete.



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14.27.29

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen! Wir verhandeln jetzt drei Petitionen – die Frau Präsidentin hat die Titel ja bereits erwähnt und vorgestellt –, jeweils eine für ein wolfsfreies Tirol beziehungsweise ein wolfsfreies Salzburg und eine weitere für eine Ausnahmeregelung. Es ist eine schwierige Diskussion, keine Frage, sie ist sehr emotional aufgeladen, und natürlich gilt es, hier auch eine sehr schwierige Abwägung zwischen dem Artenschutz, dem strengen Artenschutz für Wölfe auf der einen Seite und natürlich den Interessen der Bauern und der Touristiker auf der anderen Seite zu treffen.

Ich würde jetzt gerne mit Fakten und Daten zu einer qualifizierten Diskussion beit­ragen. Aus gutem Grunde wurde bereits 1997 die länderübergreifende Koordinierungs­stelle für Braunbär, Luchs und Wolf geschaffen; eine Koordinierungsstelle, der Ver­treter aus Ministerium, Umwelt- und Wasserwirtschaft, Landwirtschaftskammer, Jagd- und Naturschutzabteilungen der Länder, WWF, Landesjagdverbänden sowie Bären­anwälte, Wolfsbeauftragte der Länder angehören. Diese Koordinierungsstelle hat den Job, zu monitoren, Maßnahmenpakete auszuarbeiten, und diese Koordinierungsstelle hat auch den Job, die wissenschaftliche Begleitung dazu über die Veterinär­medi­zinische Universität und die Universität für Bodenkultur bereitzustellen. Mit deren Doku­menten habe ich gearbeitet.

Voranstellen möchte ich dieser Diskussion, bevor ich die Fakten präsentiere, dass natürlich die österreichischen Zahlen nicht ohne eine europäische Betrachtung inter­pretiert werden können, da die Wölfe vor Grenzen nicht haltmachen. Sie wandern über Grenzen hinweg ein, aber auch aus. Die Aufenthaltsdauer der Wölfe in Österreich schwankt sehr stark: Einige bleiben wenige Monate, manche bleiben länger und sind einige Jahre da. Die Nachweisführung geht über DNA-Proben, also wirklich über stichhaltige wissenschaftliche Beweismethodik.

Wie viele Wölfe gibt es in Österreich? – Schauen wir uns die Zeitreihen an: 2016 wurden sechs Wölfe in Österreich gesichert nachgewiesen; 2017 wurden acht Wölfe in Österreich gesichert nachgewiesen; 2018 wurden 13 Wölfe in Österreich gesichert nachgewiesen. Wenn wir jetzt unbestätigte Sichtungen von Wölfen, Welpen und Jähr­lingen dazurechnen, dann sind wir bei maximal 35. Das Hauptverbreitungsgebiet ist in Niederösterreich zu suchen. Das zeigen diese Daten auch recht klar.

Schauen wir uns jetzt die Nutztierrisse dieser Wölfe an, wobei es sich großteils um Schafe handelt: 2016 35, 2017 20, 2018 130 Stück. Wenn ich alle Kulanzfälle mit­berücksichtige und ich erst gestern auf ORF Tirol darüber gelesen habe, dann muss ich sagen, es sind 2019 sechs DNA-Proben von Beutetieren gefunden und auch beurteilt worden. Drei davon waren von Füchsen, zwei von Wölfen und eine war nicht genau zuordenbar. Das sind die Fakten in aller Kürze.

Was ist jetzt zu tun? – Auf der einen Seite verstehe ich die Sorgen der Bäuerinnen und Bauern, denn es sind ja oft vor allem Kleinbauern, die betroffen sind. Natürlich müssen sie unterstützt werden, natürlich braucht es für sie entsprechende Beratungs­maß­nahmen, und es braucht auch Abschlagszahlungen für Verluste, die sie erlitten haben, das ist auch klar. Auf der anderen Seite zeigen diese Zahlen aber auch: Lassen wir die Kirche im Dorf! (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT.) Lernen wir aus der Vergan­genheit, lernen wir von den Best-Practice-Beispielen, die jetzt schon gelaufen sind, aber lernen wir vor allem auch von anderen Ländern, die höhere Besatzdichten haben! Dort gibt es ja Erfahrung. Lernen wir davon und schauen wir uns etwas ab! Rütteln wir nicht gleich am Artenschutz und greifen wir nicht gleich zum Gewehr! Das braucht es


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wirklich nicht. Schauen wir hin, helfen wir den Bauern, die Verluste zu vermelden haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Warum die Landwirtschaftsministerin allerdings die gut etablierte, länderübergreifende Koordinierungsstelle jetzt einfach links liegen lässt, beiseiteschiebt und ein neues Österreichzentrum aus dem Hut zaubert, obwohl sie mir trotz mehrfachem Nachfragen im Ausschuss nicht sagen konnte, was dieses Österreichzentrum jetzt besser kann als die Länderkoordinierungsstelle, die seit 22 Jahren arbeitet, das ist schon die Frage. – Es bleibt jetzt eigentlich nur mehr eine Interpretation übrig: Es gibt wieder einmal einen neuen Job zu vergeben für die Türkis-Blauen (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ), und das bleibt als Interpretation jetzt einmal im Raum stehen. – So viel zum Sparen im System, liebe Frau Ministerin! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Zinggl.)

14.32


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Diesner-Wais. – Bitte.


14.32.55

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen im Nationalrat! Liebe Zuschauer! Die Wölfe sind europaweit sehr streng geschützt. Ich sage, das ist auf der einen Seite gut und wichtig, aber auf der anderen Seite muss der Schutz der Menschen und die Sicherheit für die Haustiere im Siedlungsgebiet ebenfalls gegeben sein. Das Thema ist ein kontro­verses Thema, wie wir schon von meiner Vorrednerin gehört haben. Wir im Waldviertel sind in den letzten Jahren besonders bedroht gewesen, daher beschäftigt uns dieses Thema natürlich sehr stark.

Die Population ist nicht nur in Österreich, sondern auch in den angrenzenden Nach­barstaaten stark ansteigend. In Europa haben wir bereits 30 000 Wölfe. In gewissen Teilen vermehren sie sich um 30 Prozent im Jahr.

In Österreich gibt es eben Konflikte in Siedlungsgebieten. Wir haben 2016 ein Wolfsrudel am Truppenübungsplatz in Allentsteig gehabt, mittlerweile sind zwei weitere Rudel dazugekommen. Ich kann von zwei Gemeinden in meinem Heimatbundesland, nämlich Langschlag und Bad Großpertholz, berichten, dass voriges Jahr 28 Schafe gerissen worden sind; und zwar ist auch nachgewiesen, dass das wirklich Wölfe waren. Nun ist dort die Angst natürlich sehr groß. Den Wölfen fehlt die Scheu vor Gebieten, wo sich Menschen aufhalten, und daher haben bei uns die Kinder im ländlichen Raum, in unserer Gegend, in entlegenen Gebieten Angst auf ihrem Schul­weg, Angst, wenn sie in der Früh zu den Bussen gehen müssen – und die Eltern fürchten sich mit. (Abg. Keck: Hören Sie doch auf ...!) – Wenn Sie es nicht glauben, dann sprechen Sie mit den Betroffenen dort! (Beifall bei der ÖVP.)

Es wird immer davon gesprochen, der Wolf tut dem Menschen nichts. – Warum gibt es dann die Meldung, dass 2018 in Polen zwei Kinder angegriffen wurden? (Rufe bei der SPÖ: Wo? Wo?)

Ich möchte mich bei allen bedanken, die meine Petition unterstützt haben. In Nieder­österreich haben die Landwirtschaftskammer und der Bauernbund eine Unterschrif­tenaktion gestartet, die die Sorge um die Sicherheit der Bürger und der Bevölkerung unterstreichen soll. Es haben 60 000 Menschen unterschrieben, und ich denke, 60 000 Unterschriften kann man einfach nicht nur so hinnehmen, sondern man muss sie auch vonseiten der Politik ernst nehmen. (Zwischenruf des Abg. Keck.)

Es konnte aber auch schon einiges anderes erreicht werden. So haben wir auf Bun­desebene das Österreichzentrum für Bär, Wolf und Luchs, das sich eben mit der Problematik Wolf beschäftigt und in Zukunft auch Schutzmaßnahmen für Mensch und


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Tier, vor allem Herdenschutzmaßnahmen, und Maßnahmen in Bezug auf Entschädi­gungszahlungen ausarbeiten wird. Dafür möchte ich mich bei dir, Frau Ministerin, herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Am 4. Dezember wurde in Niederösterreich eine Verordnung durch die Landes­regie­rung erlassen, wonach Problemwölfe entfernt werden können; das aber nur unter besonders strengen Auflagen. Ich denke, das ist ein erster Schritt. Grundsätzlich gibt es Ausnahmeregelungen in Europa, und die sollte man auch umsetzen; ein Beispiel ist Finnland, das jetzt um eine Ausnahmeregelung zur Wolfsjagd angesucht hat. Es muss möglich sein, auch bei geschützten Arten die Bestandsdichte zu regulieren. Eine Entscheidung darüber wird in der zweiten Hälfte des Jahres fallen. Ich kann nur sagen, der Bevölkerung in den betroffenen Gebieten, dort, wo die Wölfe sind, ist es einfach wichtig, dass die Bestände auch reguliert werden. (Zwischenruf des Abg. Keck.) – Sie können noch so schreien, reden Sie mit den Leuten draußen – ich habe es schon einmal angesprochen –, es herrscht Angst und sie fühlen sich teilweise sozusagen in ihren Ängsten nicht wahrgenommen!

Ich hoffe, es funktioniert in Zukunft besser. Wir von den Regierungsfraktionen und auch die Frau Bundesminister werden jedenfalls auch weiter daran arbeiten, dass wir eine gute Lösung für Wolf und Mensch, für die Menschen in den betroffenen Gebieten erzielen können. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.37


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Linder. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Antoni: Max, in Kärnten gibt’s keine Wölfe!)


14.37.49

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Minis­terin! Geschätzte Kollegen! Geschätzte Kolleginnen! Liebe Zuhörerinnen! Liebe Zu­hörer! Liebe Kolleginnen von der SPÖ, vor allem liebe Kollegin Hammerschmid! Ganz kann ich Ihrer Logik nicht folgen. Der Wolf, der in der Natur draußen unkontrolliert unterwegs ist, sollte geschützt werden, während Ihre Kollegin, die SPÖ-Stadträtin in Wien, für alle Listenhunde einen Tötungsbefehl ausgeben will. Das müssen Sie der Bevölkerung erst einmal erklären. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Auch auf das Risiko hin, dass ich mich wiederhole, die Kollegen im Ausschuss wissen, was ich dort gesagt habe: 1954 wurde in meinem Heimatgebiet, in Afritz am See, am Wöllaner Nock, das erste Rotwild, der erste Hirsch geschossen. Das war damals eine Aufregung, eine Attraktion. Wir hatten Rotwild. Das war etwas Besonderes. Die Jäger haben sich gefreut, die Bauern haben sich gefreut. Heute haben wir mit dem Rotwild riesengroße Probleme. Jeder Jäger muss pro Jahr zwischen fünf und zehn Stück Rotwild erlegen, damit wir den Nachwuchs halbwegs im Griff haben. Es ist in unserem Gebiet kein ganz normaler Jungaufwuchs im Wald mehr möglich. Wenn man heute etwas aufforsten will, muss man Zäune errichten, muss man schauen, dass die Zäune bleiben, weil es nicht mehr möglich ist, für einen ganz normalen Nachwuchs im Wald zu sorgen. Wir kriegen die Jäger nicht mehr, die sich diesem Stress aussetzen, bei uns zu jagen, weil man das Ganze einfach übersehen hat.

Im Gailtal hat man sich gefreut, als die ersten Bären gesehen wurden. Alle haben Freude gehabt, und der erste Bär ist selbstverständlich zu schützen. Dann ging das Ganze weiter, und man musste plötzlich erleben, dass die Bären Schafe gerissen haben, dass sie Pferde gerissen haben, dass sie Kälber, junge Rinder gerissen haben. Das Schlimme dabei war und ist nicht, dass ein Nutzrind gerissen wurde – das wurde ersetzt –, sondern das Schlimme ist, dass diese Herden nicht mehr auf die Weide zu


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treiben sind. Die Schafe, die einmal mit einem Bär in Kontakt waren, kann man auf keine Weide mehr treiben, weil sie verstört und verrückt sind.

Noch schlimmer war es, als vor zwei Jahren die ersten Bären in Gärten am Stadtrand von Villach fotografiert wurden. Da ist auch das erste Mal die Bevölkerung munter geworden und hat gesagt: Hopp, ganz so ungefährlich ist es nicht!

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Nutztiere, die der Wolf reißt – wenn es auch dem Landwirt wehtut –, wird man ersetzen können. Wie viel Gefahr für den Men­schen geht von Wölfen wirklich aus? – Ich glaube, Gefahr ist gegeben, aber wenn wir heute keine vernünftige Weidewirtschaft mehr betreiben könnten, weil der Wolfbestand überhandnimmt, weil die Tiere verstört sind, dann wäre das, denke ich, ein Schaden, der für die Landwirtschaft wirklich katastrophal wäre. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Deshalb sage ich, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, achten wir darauf, dass wir mit dem Wolf nicht dasselbe erleben, wie wir es bei uns mit dem Rotwild in den 60, 70 Jahren erlebt haben. Achten wir darauf, dass der Wolfbestand nicht überhand­nimmt, achten wir darauf, dass wir nicht aus einer falschen Sozialromantik heraus han­deln, aus der Freude, dass sich ein Tier wieder bei uns angesiedelt hat; ein Tier, das nicht vom Aussterben bedroht ist, von dem in anderen Gebieten in Europa über 30 000, 40 000 Stück leben. Wir müssen darauf achten, dass wir dadurch keinen Schaden erleiden und dass nicht vieles von unserer Identität und Berglandwirtschaft verloren geht.

Ich glaube, wir sollten wachsam sein und sollten nicht der Sozialromantik unterliegen, dass wir den Wolf schützen müssen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.41


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Frau Abgeordnete Doppelbauer ist zu Wort gemel­det. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.42.03

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und liebe Zu­seher! In den Medien gibt es ja immer das Schlagwort Bad News sind Good News – das sorgt nämlich für Quote. Meine Damen und Herren, in der Umweltpolitik sind Bad News jedoch einfach nur Bad News. Und die schlechten Nachrichten häufen sich halt im Augenblick.

Wir alle wissen, da wir den Biodiversitätsbericht der UNO gelesen haben: Eine Million Arten sind weltweit vom Aussterben bedroht. Und jetzt gibt es natürlich diese seltenen Nachrichten, die zumindest aus ökologischer Sicht schon aufhorchen lassen sollten, nämlich dass der Wolf, der in Österreich de facto ausgerottet ist, langsam, aber sicher wieder ein paar Pfoten hier in die Wälder setzt. Das ist gerade in Zeiten des Artensterbens eine bemerkenswerte Sache und wir sollten daher sachlich diskutieren – sachlich! –, wie wir damit umgehen.

Was aber passiert stattdessen – man sieht das ja auch heute in dieser Diskussion schon wieder –: Es gibt die einen, die hier sagen: uralte Angst, Feindbilder, der Wolf, alles ist ganz furchtbar und ganz schlecht!, und dann gibt es die anderen, die sagen: Sozialromantik, man darf gegen den Wolf gar nichts unternehmen! Und wie es halt oft so ist: Die Wahrheit liegt in der Mitte. Es ist eine unwürdige und eine sinnbefreite Streiterei, die wir hier zu diesem Themen führen. (Beifall bei den NEOS.) – Danke sehr.

Faktencheck: Ist es also tatsächlich ein realistisches Bedrohungsszenario, dass, wie manche behaupten, Kinder auf dem Schulweg inzwischen Angst haben müssen, weil


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der Wolf wieder da ist, dass sie wie dereinst das Rotkäppchen vom bösen Wolf angefallen werden? (Abg. Eßl – ein Schriftstück in die Höhe haltend, auf dem ein Wolf abgebildet ist –: Frau Kollegin!) – Es ist es nicht, wie wir aus Erfahrungen aus anderen Ländern wissen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Eßl.) Weder in Italien noch in der Schweiz noch in Polen, wo es beträchtliche Wolfspopulationen gibt, hat es seit 1950 einen einzigen Fall gegeben – es hat keinen einzigen gegeben! (Beifall bei den NEOS.)

Wenn man sich die Studien anschaut, dann kommt man zum gleichen Ergebnis: Kanada, Russland, USA, dort ist die Wolfspopulation sehr, sehr groß. (Zwischenruf des Abg. Eßl, der besagtes Schriftstück noch in die Höhe hält.) – Herzlichen Dank, Herr Kollege! – Es gab dort wirklich keine reale Gefahr für die Menschen.

Zu einer realen Gefahr für die Menschen: Wenn wir hier über Fakten reden wollen, Herr Kollege, dann muss man sich Folgendes anschauen: 2017 waren 3 600 Men­schen im Krankenhaus, weil sie von Hunden attackiert wurden. Ja, tragischerweise sind sogar Menschenleben, Leben von Kindern, zu beklagen gewesen. Deswegen möchte ich hier eben diese sachliche Diskussion zu diesem Thema.

Ich will nichts verharmlosen: Der Wolf ist kein Kuscheltier. Der Wolf ist ein Tier mit einem Jagdtrieb, und um seine Rolle im Ökosystem und die Probleme, die dadurch manchen Viehzüchtern entstehen werden, müssen wir uns kümmern, und das müssen wir ehrlich diskutieren.

Ja, der Wolf wird Schafe reißen und das wird er auch weiterhin machen. Ja, der Wolf wird Wildbestände beeinflussen, und diesen Punkt müssen wir auch lösen. Und der Wolf wird womöglich nicht in jede Kulturlandschaft in Österreich passen, das heißt aber nicht unbedingt, dass wir ganze Bundesländer sofort als wolfsfrei deklarieren sollten. Wir Menschen haben Verantwortung gegenüber anderen Lebewesen, auch wenn sie uns nicht nützlich sind. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was sollten wir also tun – ganz zum Schluss –: Wir sollten uns ein Beispiel an Ländern nehmen, die da sehr viel Expertise haben, und sinnvolle Regeln aufsetzen, die praxis­tauglich sind, nachhaltiges Wolfsmanagement, Aspekte des Naturschutzes gleicher­maßen wie natürlich auch die Bedürfnisse der landwirtschaftlichen Praxis berück­sichtigen, was auch heißt, dass es klar geregelte Entschädigungsmodelle für Landwirte geben soll.

Wir können diesbezüglich – noch einmal! – auf Erfahrungen von Nachbarstaaten zu­rück­greifen, und das sollten wir auch tun, denn das, was wir brauchen, ist Exper­tenwissen und keine populistische Diskussion.

Und weil es sich halt so schön anbietet, noch ein kleines Wortspiel zum Schluss – und das ist an die Damen und Herren hier in diesem Haus gerichtet –: Der einzige Wolf, vor dem wir PolitikerInnen uns im Augenblick in Acht nehmen müssen, der heißt Armin. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

14.46


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Zinggl. – Bitte.


14.46.32

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Ja, ich weiß nicht, warum man dieses Thema nicht so seriös behandeln kann wie meine Vorrednerin oder insbeson­dere auch Kollegin Hammerschmid. Da gibt es gelegentlich ein Problem – ich sehe es noch nicht wirklich, aber es könnte eines kommen –, und dem kann man auch gemein­sam mit dem WWF begegnen und Lösungen erarbeiten, bevor noch etwas passiert.

Hier hingegen – und das habe ich schon im Ausschuss erlebt – werden Ängste ge­schürt, und ich komme mir manchmal vor wie in den Schauermärchen der Gebrüder


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Grimm. Angst machen mir aber weniger die Wölfe, sondern Angst macht mir diese Art der Diskussion und auch die Wortwahl beispielsweise in den Petitionen, wenn es da heißt: Tirol muss wolfsfrei werden!, oder so ähnlich (Heiterkeit und Beifall bei Abge­ordneten der ÖVP), oder: „für ein wolfsfreies Tirol“ – na bitte. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Jetzt überlegen wir das einmal für andere Länder: Wie sieht das in Kenia aus? Würden Sie sagen, Kenia soll löwenfrei werden? Indien soll tigerfrei werden?

Also Sie sind eigentlich dafür, dass die Tiere verschwinden, wenn sie uns nicht direkt nützen – weg damit, brauchen wir nicht! Und das macht mir wirklich Angst.

Die Parallele zur deutschen AfD ist auch gegeben, wobei die AfD noch viel harmloser argumentiert und eigentlich nur von unkontrollierter Wolfspopulation oder einer Ober­grenze der Zuwanderung spricht. Sie sehen die Parallele ganz deutlich. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Und die gesamte Lächerlichkeit des Nationalismus zeigt sich beim Nationalismus in Bezug auf die Fauna, der da irgendwie auch übertragen wird, denn die Wölfe dürften eigentlich nicht an die Staatsgrenze, weil sie dort erschossen werden, nur: Die Wölfe wissen nicht, wo die Staatsgrenze ist, die haben da irgendwie keinen Plan. (Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS.)

Und die Staatsgrenzen ändern sich auch – das wird Ihnen nicht mitgeteilt. Jetzt haben wir zum Glück Europa, zum Glück haben wir auch die entsprechenden internationalen Schutzmaßnahmen, die wir übrigens auch mit den anderen europäischen Ländern erarbeitet haben; die sind ja nicht von Brüssel zu uns gekommen, sondern wir sind ja mit dabei gewesen, um das zu erarbeiten.

Herr Kollege Linder, weil Sie von den Rothirschen gesprochen haben – das ist nämlich wirklich ein tolles Beispiel –: Es gibt in Amerika die Wolfspopulationen, die extra im Yellowstone-Nationalpark wieder angesiedelt wurden, nachdem der Wolf dort ausge­storben war. Österreich hat – das stimmt – die höchste Dichte an Schalenwild, und das ist für das ökologische Gleichgewicht nicht gut. Viele Pflanzen sterben ab, viele Tiere können dann aufgrund der fehlenden Pflanzen nicht existieren. Wir wissen, das ökologische Gleichgewicht ist dadurch gestört. Gerade die Wölfe und die Raubtiere sind jedoch in der Ernährungspyramide wichtig, sie sind dafür zuständig und verant­wortlich, dass das nicht passiert.

Im Yellowstone-Nationalpark hat sich ganz deutlich gezeigt, dass sich die Fauna und Flora deutlich erholt haben; nicht nur, weil die Wölfe gerissen haben, sondern auch, weil die Hirsche abgezogen sind, weil sie vor den Wölfen Angst haben. (Zwischenruf des Abg. Eßl.) Und das ist für mich die beste Art des Naturschutzes. (Beifall bei JETZT.)

Zum Schluss möchte ich noch eine Zahl bringen: In Europa gibt es 30 000 Wölfe – und Österreich hat 30 davon – wir brauchen nicht lange zu rechnen, wie viel das ist –, das ist 1 Promille, die Fläche beträgt aber 8 Prozent. Wir haben also noch viel Zeit, bis wir wirklich Angst haben müssen. – Danke. (Beifall bei JETZT.)

14.50


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.


14.50.24

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Frau Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich glaube, die Debatte zeigt, dass es eben eine Gruppe gibt, die dieses Thema verharmlost, und dass es Menschen gibt, die Angst und Sorge um ihre Zukunft haben. Es ist speziell die bäuerliche Welt, deren


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Zukunft das betreffen würde, und daher habe ich diese Petition für ein wolfsfreies Tirol eingebracht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Kollege Zinggl, es ist ein Faktum, dass es in Europa 30 000 Wölfe gibt. Die Wölfe sind nicht vom Aussterben bedroht (Zwischenruf bei der SPÖ), sondern sie siedeln sich derzeit in Europa flächendeckend an und sind eben für gewisse Gebiete so nicht handelbar. Das bringt für die Almwirtschaft, für die Berglandwirtschaft, aber auch für den Tourismus durchaus Probleme und Herausforderungen, die wir gemeinsam bewäl­tigen müssen. Da stimme ich Ihnen eindeutig zu.

Aber was ist Faktum? – Der Zuzug von Wölfen bedeutet einen massiven Eingriff in unsere Kulturlandschaft; das Zusammenleben zwischen Mensch, Nutz- und Haustieren wird gefährdet und wird infrage gestellt. Es gibt Erfahrungen in ganz Europa: Im Jahr 2018 wurden in Frankreich 10 000 Schafe, in Südtirol über 200 Schafe gerissen, in Deutschland gab es Hunderte Risse von Nutztieren. In der Schweiz, die über 20 Jahre Erfahrung mit Herdenschutz verfügt, wurde letzte Woche beschlossen, dass es Entnahmen braucht, weil man sonst nicht mehr des Wolfes Herr werden kann.

Daher ist es, glaube ich, durchaus angebracht, dass wir uns damit auseinandersetzen. Die Wolfspopulationen wächst relativ rasch. Ein Wolf braucht im Jahr zwischen 1 000 und 1 500 Kilo Fleisch – man sieht also, dass er ein Nahrungsangebot braucht und es darum geht, diesbezüglich einen Ausgleich zu schaffen.

Aus meiner Sicht ist es ganz wichtig, dass wir die Maßnahmen, die die Frau Bundes­minister diesbezüglich eingeleitet hat, begleiten, dass wir die Wiederansiedelung des Wolfes nicht offen und ungezügelt zulassen, sondern dass wir Maßnahmen entwickeln und unsere Haus- und Nutztiere schützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Der Wolf hat einen sehr strengen Schutzstatus, er hat aber keine natürlichen Feinde. Ich stelle mir daher hin und wieder die Frage: Wo bleibt da der Schutz für unsere Nutz- und Haustiere? – Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte darauf auch einmal eine Antwort haben. Man bagatellisiert und verharmlost die Dinge und betont, dass es Entschädigungszahlungen gibt. Wir sollten uns auch darauf besinnen, dass unsere Bäuerinnen und Bauern keine Entschädigungszahlungen brauchen und wollen, sondern sie wollen Weidewirtschaft betreiben, sie wollen Almwirtschaft betreiben und wollen ein friedliches Miteinander. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Dass es Ängste und Sorgen gibt, können wir einfach nicht verschweigen. In diesem Sinne geht es darum, dass wir uns mit dieser Thematik auseinandersetzen. Der Wolf ist in Europa angelangt, er ist flächendeckend vertreten. Wir sollten diese Ängste und Sorgen ernst nehmen und eine Lösung finden, durch die wir einerseits Artenschutz zulassen, aber andererseits eine geordnete, verlässliche und flächendeckende Land­wirtschaft nicht gefährden. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

14.53


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kainz. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.54.03

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseher! Ja, der Wolf ist zurück in Österreich, und es scheint, als wolle er bleiben. Das Thema Wolf weckt starke Emotionen, umso


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wichtiger ist ein sachlicher Umgang mit dieser Thematik, ohne Euphorie und ohne hemmende Angst.

Heute beträgt die Wolfspopulation in Europa – je nachdem, ob man den europäischen Teil Russlands mit einbezieht oder nicht – circa 10 000 bis 19 000 Individuen. Der Wolf ist eine international streng geschützte Tierart, für Europa maßgebend ist die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, welche in Österreich in den Naturschutzgesetzen und in den Jagdgesetzen der Länder umgesetzt ist.

Ziel der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ist es, für bestimmte wild lebende Tier- und Pflanzenarten einen günstigen Erhaltungszustand zu bewahren beziehungsweise zu erreichen. Diese Maßnahmen sind wichtig und haben unbestritten ihre Berechtigung. Eine klare rote Linie wird für mich aber dann überschritten, wenn die Österreicherinnen und Österreicher mit ihren realen Sorgen und Nöten alleingelassen werden. Verklärte Umweltromantik ist da fehl am Platz.

Die Rückkehr des Wolfes bedeutet für unsere Landwirte und für den Bereich der Jagd erhebliche finanzielle Einbußen, welche manchmal sogar existenzbedrohende Aus­maße erreichen können. Auch die Sorge um die Sicherheit der Menschen, welche die Natur zu Erholungszwecken nutzen wollen, ist begründet.

In meiner Heimatgemeinde Allentsteig wurde 2016 erstmals ein Wolfsrudel nach­gewiesen, welches seither jedes Jahr mit einem Wurf für Nachwuchs gesorgt hat. Der Truppenübungsplatz Allentsteig bietet dem Wolf aufgrund seiner Ausdehnung von rund 157 Quadratkilometern ein ausreichend großes Revier – für ein Wolfsrudel. In diesem Fall funktioniert ein Leben mit dem Wolf nahezu klaglos.

Gemeinsam mit dem Land Niederösterreich und der Universität Wien wurde ein For­schungsprojekt ins Leben gerufen, um wichtige Erkenntnisse über den Wolf und des­sen Einfluss auf das Rotwild zu gewinnen. Die dortigen Wölfe sind mit Sendern aus­gestattet worden, um Aufschlüsse über ihre Wanderbewegungen bei der Reviersuche zu gewinnen.

Letztendlich ist es einzig und allein der Gesetzgeber, der die Rahmenbedingungen für eine vernünftige Koexistenz zwischen Mensch und Wolf schaffen muss. Auch wenn sich die Länder und der Bund bemühen, mit Beratung, Entschädigungszahlungen und der Förderung von Schutzmaßnahmen rasch Hilfe zu leisten, muss eines klar sein: Ein österreichischer Alleingang bei der Lockerung des Schutzstatus des Wolfes ist aufgrund der Vorgaben aus Brüssel nicht möglich.

Meine Damen und Herren! Der Wolf ist Europäer und nützt spätestens seit dem Fall des Eisernen Vorhanges die europäische Reisefreiheit. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Aus diesem Grund appelliere ich an die zuständigen Entscheidungsträger und fordere von der Europäischen Union mehr regionalen Spielraum für die Abwehr von Problem­wölfen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.57


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Loacker. – Sie haben noch knapp 3 Minuten. Geht das? (Zwischenruf des Abg. Loacker.) – Hervor­ragend. – Bitte. (Abg. Belakowitsch: Das geht sich locker aus für den Wolf!)


14.57.57

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wie wir an den Petitionen erkennen können, ist der Wolf ein hochsensibles Thema. Das Thema ist nicht neu, aber die Politik hat einfach so lange geschlafen, dass die Menschen nicht mehr zugewartet haben. Man hat den Wolf zwischen Bund, Ländern und Interessenvertretungen hin und hergeschoben wie eine heiße Kartoffel.


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Die Forderung nach Abschuss des Wolfes oder die Forderung nach Beschränkung des Wolfes auf bestimmte Zonen, wie es Landesrat Waldhäusl vorschwebt, funktioniert nicht. Das hat auch Bundesministerin Köstinger in einer Anfragebeantwortung so erklärt. Frau Ministerin, Sie haben geschrieben: „Die Einrichtung von Wolf-Freihalte­zonen ist mit dem derzeitigen Schutzstatus des Wolfs laut Fauna/Flora/Habitat- Richtlinie (FFH-RL) nicht vereinbar.“

Und: „Wölfe sind durch die Bestimmungen der FFH-RL 92/43/EWG eine in allen Mit­gliedstaaten streng zu schützende Tierart. Durch die Listung in Anhang IV sind sie dem besonderen Schutzregime des Artikels 12 FFH-RL unterworfen. Von diesen Bestim­mungen kann nur in bestimmten, begründeten Einzelfällen abgewichen werden.“

Auch die EU hat erwartungsgemäß deutlich gemacht, dass die Jagdfreigabe für Wölfe der falsche Weg ist und dass diese nur im absoluten Ausnahmefall möglich ist. Natürlich ist die Jagd auch nicht das richtige Mittel, um die Frage zu lösen.

Wir haben nicht einmal einen fundierten Überblick über die Risse, die durch Wölfe überhaupt entstanden sind. Wir wissen nicht, wie viele Entschädigungszahlungen angefallen sind. Diesbezüglich schreibt die Ministerin in ihrer Anfragebeantwortung: „Entschädigungsregelungen fallen in die ausschließliche Kompetenz der Bundesländer und sind je nach Bundesland unterschiedlich gestaltet. Im Wesentlichen gibt es zwei Abgeltungsbereiche: Versicherungen der Jagdwirtschaft sowie Abgeltungen durch die Ämter der Landesregierungen. Das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Touris­mus hat im letzten Jahr exemplarisch die Entschädigungshöhen in einigen Bundes­ländern abgefragt, sie bewegen sich je nach Nutzung und Tierart zwischen rund 100 und 800 Euro je Tier. Über die tatsächlich ausgezahlten Entschädigungen gibt es im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus keinen Gesamtüberblick.“ (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Das ist sehr bedauerlich, und wir hoffen, dass es sehr bald eine belastbare Entschei­dungsgrundlage für Maßnahmen zum Schutz gibt. Einheitliche und verlässliche Schadenersatzregelungen wären da angebracht. Es gibt in anderen Ländern – in Südtirol, in der Schweiz – langjährige Erfahrungen, wie man mit dem Herdenschutz umgeht. Ich kann auch jedem nur empfehlen, das Wolfsforschungszentrum in Ernst­brunn anzuschauen, das sein zehnjähriges Bestehen gefeiert hat; dort sitzen Exper­tinnen und Experten, die sich mit diesem Thema auskennen.

Man braucht weder vom bösen Wolf noch vom armen Wolf auszugehen; es geht um ein Wildtier, das seit Langem nicht mehr heimisch war, jetzt wieder heimisch ist, in Österreich und in Europa immer heimisch war. Die Rückkehr ist ein völlig normales Phänomen. – Suchen wir doch gemeinsam nach einem Management, es wäre nämlich leicht möglich! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von JETZT.)

15.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich werde nun die Verhandlungen über die Punkte 7 bis 9 der Tagesordnung unterbrechen; zu diesen Tagesordnungspunkten stehen noch vier Redner auf der Rednerliste, die im Anschluss an die Debatte zur Dringlichen Anfrage aufgerufen werden.

Ich unterbreche die Sitzung.

*****

(Die Sitzung wird um 15.01 Uhr unterbrochen und um 15.02 Uhr wieder aufge­nom­men.)


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*****

15.02.48Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Putins Freunde in der FPÖ bedrohen unsere liberale demokratische Ordnung in Europa und die ÖVP schaut zu“ (3565/J)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 3565/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Begründung

Die Bundesregierung steht einer der größten Bedrohungen für unsere europäischen Demokratien nicht oder im besten Fall schlecht vorbereitet gegenüber: der Mani­pu­lation von Institutionen und politischen Entscheidungsprozessen durch gezielte Des­informationskampagnen. Verstrickungen der Bundesregierung mit der Kreml-Partei und mangelhafte Vorbereitung auf mögliche Desinformationskampagnen oder Cyberan­schläge gefährden die Sicherheit Österreichs. Bei allen langfristigen Maßnahmen, die in die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft gegen Manipulation einzahlen könnten, zeigt die Bundesregierung wenig Einsatz und wenig Verständnis für die Heraus­for­derung, vor der Europa vor dieser Wahl und vor allen weiteren politischen Entschei­dungs­findungsprozessen steht.

Zwei Wochen vor den Wahlen zum Europäischen Parlament warnt die EU-Kom­missarin für Justiz vor Manipulationen der Europawahl – insbesondere durch Russland. „Wir dürfen nicht zulassen, dass auch nur in einem Mitgliedsstaat die Wahlergebnisse durch Manipulation verfälscht werden. Nicht nur, aber auch, weil diese Wahlen Schicksalswahlen für Europa sind“, sagte Jourová den Zeitungen des Redaktions­Netzwerks Deutschland (RND) und sprach von einem digitalen Wettrüsten in Europa.

Gleichzeitig zeigt sich, dass es seit Jahren beste Beziehungen zwischen dem Kreml und den europäischen rechten Kräften, zum Beispiel in Italien (Lega Nord), Frankreich (Front National, mittlerweile Rassemblement National), Deutschland (AfD) und Öster­reich (FPÖ) gibt. Das Ziel dieser systematischem Unterstützung scheint dabei die dezidierte Förderung einer nationalistischen und europafeindlichen Haltung zu sein. In Österreich ist bekanntermaßen die FPÖ der strategische Partner der Putin-Partei Jedinaja Rossija („Einiges Russland“). Neben besten persönlichen Kontakten von Seiten der FPÖ Führung mit Vertretern von Einiges Russland, bestehen auch gute Kontakte zu ausgewiesenen russischen Ultra-Nationalisten. Die systematische Unter­stützung zeigt sich auch daran, dass zum Beispiel Vertreter der FPÖ, AfD und der Lega Nord regelmäßig an „Wahlbeobachtungsmissionen“ in Russland und auf der Krim teilgenommen haben und zu zahlreichen Konferenzen eingeladen waren, um Pro-Kremlin und Anti-EU Positionen zu vertreten. In Frankreich vergaben russische Banken Kredite an Marine Le Pens Partei. Die „Vereinbarung über Zusammenwirken und Kooperation“ zwischen der FPÖ und „Einiges Russland“ war ein Jahr später auch Vorlage für einen nahezu identischen Vertrag zwischen der Lega Nord mit Putins Partei. In Deutschland ging die Zusammenarbeit zwischen Einiges Russland und AfD sogar soweit, dass das Pro-Kremlin Lager plante, mit Markus Frohnmaier, dem


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Sprecher von Alice Weidel, einen komplett kontrollierten Abgeordneter im Bundestag haben könnte.

Besonders zeigt die österreichische Außenministerin und mit ihr die ganze Bun­desregierung ein besonders kremlfreundliches Gesicht, erinnert man sich an die Teilnahme des russischen Präsidenten an der Hochzeit der Außenministerin, die Weigerung Österreichs, nach der Skripal-Affäre im Gleichklang mit anderen EU-Staaten russische Diplomaten auszuweisen oder die grundsätzliche Offenheit Öster­reichs, Sanktionen gegen Russland abzubauen, ohne dafür eine Gegenleistung zu fordern und das Freundschaftsabkommen der FPÖ mit der Putin-Partei "Einiges Russ­land".

Diese direkte Verbindung zwischen Vertretern der FPÖ als Regierungspartei und der russischen Regierung sowie der BVT-Skandal sorgten auch dafür, dass Österreich im europäischen Informationsaustausch auf Nachrichtendienstebene abgeschnitten wurde. Österreich hat kurzfristig sogar der Ausschluss aus dem Berner Club, dem Netzwerk europäischer Geheim- und Nachrichtendienste, gedroht und bekommt weiterhin nur eingeschränkt Informationen bzw. wird von einigen anderen Mitgliedern explizit von gemeinsamen Aktionen ausgenommen. Das ist ein gravierender Schaden für Öster­reichs sicherheitspolitische internationale Zusammenarbeit und somit für die Sicherheit Österreichs.

Einer Eurobarometer-Umfrage im November 2018 zufolge fürchten 61 Prozent der Befragten Cyberattacken auf die europäischen Wahlen bzw. eine Beeinflussung der Wahlergebnisse dadurch. Nur 58 Prozent waren der Meinung, dass ihr Land genug tue, um das zu verhindern. 73 Prozent fürchten Desinformation und Missinformation bei den Wahlen und 83 Prozent sind der Überzeugung, dass Fake News eine Bedrohung für die europäischen Demokratien sind.

Europäische Sicherheitsexpert_innen charakterisieren die EU-Wahlen als einen einzig­artigen Test für Europa hinsichtlich der Abwehr von Manipulation von außen. Es geht um Milliarden von Postings jeden Tag in 28 Ländern und 24 offiziellen Sprachen. Allein Facebook hat in Europa mehr User als in den USA, die während der letzten US-Prä­sidentschaftswahlen zu einem besonderen Ziel für Einflussnahme feindselig einge­stellter Gruppierungen im Ausland wurden.

In Österreich beschränken sich die Maßnahmen gegen diese Art der Bedrohung aktuell auf Scheinmaßnahmen und zu kurzfristig gedachte Symptombekämpfung. Es ist keine Langzeitstrategie erkennbar, unsere Gesellschaft nachhaltig widerstandsfähig gegen Manipulation von außen zu machen.

Russland als primäre Quelle von Desinformation und Cyberattacken in Europa

Als die größte Quelle von in Europa grassierenden Fake News und von Desinformation nennen Expert_innen und politische Entscheidungsträger Russland. „Es gibt starke Beweise, die darauf hinweisen, dass Russland die primäre Quelle von Desinformation in Europa ist“, sagte etwa der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Andrus Ansip. „Desinformation ist ein Teil der russischen Militärdoktrin und der russischen Strategie den Westen zu spalten und zu schwächen. Russland gibt jährlich 1,1 Milliarde Euro für Pro-Kreml-Medien aus“, warnte Kommissar Ansip.

Um das Jahr 2008 herum begannen russische internationale Medien (Russia Today, Voice of Russia, Sputnik u.a.) in der rechten Szene westlicher Staaten aktiv zu werden und den Konsens der liberalen Demokratie zu untergraben, indem sie Miss-trauen säten und anti-europäische Ressentiments bedienten. Sie boten rechten Parteien große Plattformen, um rassistische, homophobe, anti-europäische Positionen und Verschwörungstheorien zu teilen. Sie publizieren Artikel, die die EU als „bürokratisches


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Monster“, als korrupt und dysfunktional porträtieren sowie den Westen als gescheiterte Idee und als instabil.

Eine Reihe von Staaten verzeichneten in den vergangenen fünf Jahren konkrete Des­informationskampagnen von russischer Seite rund um demokratische Entschei­dungs­prozesse. Einige Beispiele:

•             Schweiz, 2014: Russische Hacker stehlen Daten über geheime Projekte des Verteidigungsdepartements beim Schweizer Rüstungskonzern RUAG. Da dieser ein wichtiger Geschäftspartner des Bundes ist, bestehen zwischen der RU-AG und dem Bund zahlreiche Informatikschnittstellen, die damit den Russen zugänglich wurden.

•             Deutschland, 2015: Russischer Cyberangriff auf den Deutschen Bundestag.

•             Großbritannien, 2016: Mehr als 150.000 russischsprachige Twitter Accounts posten zehntausende Messages auf Englisch, um die „Leave“-Kampagne zu unter-stützen.

•             Deutschland, 2017: Russische Staats- und pro-Kreml-Bots verbreiteten laut Be­richterstattung deutscher Medien im Netz die Botschaft, die AfD sei das Opfer von Wahlbetrug geworden. Unter dem Hashtag „Wahlbetrug“ befeuerten russische und westliche Accounts der extremen Rechten die Falschmeldung, das deutsche Bun­des­tagswahlergebnis sei gefälscht und auch zukünftige Wahlen würden vom „politi­schen Establishment“ manipuliert werden. Russische Stake-holder versuchten die AfD mit finanziellen Mitteln und Mediensupport auszustatten, die für den Bundestag kan­di­dierten.

•             Frankreich, 2017: Die Macron-Kampagne im Vorfeld der französischen Prä­sident­schaftswahlen wurde Ziel russischer Cyberattacken. Zwei Tage vor der Stichwahl berichteten französische Medien Versuche von russischer Seite, Websiten und Mailaccounts der Kampagne lahmzulegen.

•             Spanien, 2017: Die East Stratcom Task Force und die George Washington University kamen zu dem Schluss, dass Russland eine gezielte Desinformations-kam­pagne fuhr, um das Referendum um die Unabhängigkeit Kataloniens zu beeinflussen und die Separatisten zu stärken. Sie registrierten mehr als fünf Millionen Messages auf Social Media Plattformen, die von pro-Kreml Accounts sowie Russia Today und Sputnik gesendet wurden.

•             Montenegro, 2017: Britische Sicherheitskräfte äußerten die Vermutung, der gescheiterte Coup gegen Montenegros Regierung sei der Versuch der Russen ge­wesen, den NATO-Beitritt Montenegros zu stören und zu verhindern.

•             Nordmazedonien, 2018: Amerikanische Wissenschaftler_innen, die ebenso die letzten US-Wahlen analysiert hatten, warnten vor russischer Einmischung um das Namensreferendum in Mazedonien. Sie registrierten Desinformationskampagnen und finanzielle Unterstützung durch Russland für Gegner des Namensdeals.

Meldungen von Desinformation im Vorfeld der Europäischen Wahlen

Im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament wurde in mehreren Mitglied-staaten das Aufkommen von Desinformationskampagnen beklagt.

Einem Bericht einer Kampagnenplattform zufolge gibt es besonders unter den fran­zösischen Gelbwesten überproportional viele Zugriffe auf Desinformationsportale. In dem Bericht heißt es, Fake News im Umfeld der Bewegung seien allein auf Facebook 105 Millionen Mal aufgerufen worden. Dabei gebe es in Frankreich nur 35 Millionen regelmäßig aktive Facebook-Nutzer. Vier Millionen Mal hätten Nutzer die Inhalte


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zudem geteilt, also weiterverbreitet. Besonders stark ist das russische Portal Sputnik News.

Französische Sicherheitsbehörden bestätigen, dass Facebook-Profile, Twitter-Trolle, WhatsApp-Gruppen und verschiedene Websites in größerem Stile Fake News gegen die Europäische Union, NATO, Migrant_innen etc. verbreiten. Ein Bei-spiel dafür war die falsche Geschichte, dass der Notre Dame Brand von islamistischen Terroristen gelegt worden sein soll.

Spanien nennt Desinformation und andere Cyberbedrohungen als eines der größten Sicherheitsrisikos während der Wahlen. Die spanische Regierung hat im Sicher­heitsministerium eigens eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die solche Angriffe beobachten, bewerten und bewältigen soll, nachdem in Spanien die Fake News Erfahrungen rund um das Referendum in Katalonien noch in Erinnerung sind.

In Italien wiesen Seiten von Vorfeldorganisation politischer Parteien plötzlich die-selben elektronischen Signaturen wie pro-Kreml-Websiten auf. Ein ähnliches Problem besteht in Deutschland, wo extreme politische Gruppierungen offenbar Server mitverwenden, die auch russische Hacker nutzen.

Mangelhafte Maßnahmen der Österreichischen Bundesregierung gegen Desinfor­ma­tion

In Österreich gibt es aktuell keine ernstzunehmende öffentliche Debatte um die Bedrohung durch gezielte Desinformationskampagnen. All jene Mitglieder der Bundes­regierung, die in den Ausschüssen des Österreichischen Parlaments dazu befragt wur­den, gaben vage und weitgehend allgemeine Antworten darüber, wie man die Be­drohung aktuell von Regierungsseite wahrnimmt und was dagegen zu tun ist.

Um die Mitgliedstaaten beim Kampf gegen Desinformation zu unterstützen und auf EU-Ebene einen Konsens über die weitere Vorgehensweise zu skizzieren, veröffentliche die Europäische Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst 2018 einen Aktionsplan gegen Desinformation, der den Mitgliedstaaten bestimmte Maßnahmen vorgibt.

Laut Anfragebeantwortungen der Bundesregierung wurden bei der Umsetzung dieser zwar kleine Schritte gesetzt, aber von einer vollständigen Umsetzung vor den EU-Wahlen kann nicht die Rede sein. So beruft sich die Regierung bei der Einrichtung einer Stelle zur Beobachtung und Meldung von Fake News fortwährend auf den Büro­leiter des Regierungssprechers, Sven Wagner. Was genau diese „Stelle“ tut, hat die Bundesregierung bisher nicht beantworten können.

Entsprechende Anträge der Opposition über die Erstellung einer Strategie zur Bekämp­fung von Desinformation und Deepfakes wurden im Innenausschuss vertagt, anstatt das Gesprächsangebot der Opposition anzunehmen, um gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten.

Nachhaltige Investition in Medienkompetenz der österreichischen Bevölkerung

Aus dem E-Paper Kritische Medienkompetenz und Community Medien auf der Website erwachsenenbildung.at geht klar hervor, dass Medienkompetenz in der Erwachsenen­bildung ein Thema ist, das in den vergangenen Jahren weitgehend vernachlässigt wurde. In einer EU-weit durchgeführten Studie zu Media Literacy-Projekten in Europa wurde aufgezeigt, dass sich Bildungsangebote zum Thema Medienkompetenz in fast allen Ländern fast nur an Kinder und Jugendliche wen-den und sich nur in wenigen Fällen auch an Erwachsene richten. Doch gerade heute sind alle Generationen vom Medienwandel betroffen und gerade von Erwachsenen wird erwartet, dass sie selbst verantwortungsvoll handeln und Kinder und Jugendliche dabei unterstützen, Medien


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kompetent zu nutzen. Laut dem E-Paper braucht es, um diese Lücke in der Aus­einandersetzung zu schließen, längerfristiger Anstrengungen vieler Akteur_innen in der Erwachsenenbildung.

Einer Anfragebeantwortung der Bundesregierung zufolge, besteht hier jedoch ein gra­vierender Mangel an klarer Kompetenzenverteilung auf die verschiedenen Stakeholder. Wo der Bund zuständig ist, gibt die Bundesregierung drei Bereiche an, in denen sie tätig geworden ist:

1.          Das Portal der Erwachsenenbildung (EB-MOOC „Digitale Methoden und Ressourcen“) mit 2.900 registrierten Teilnehmenden und einer Abschlussquote von 64 Prozent.

2.          Der Bereich der Basisbildung: Jedoch gab es nur 260 geförderte Basisbildungs-angebote für 2015-2018 in ganz Österreich.

3.          Als drittes Feld definiert die Bundesregierung Aus- und Weiterbildungsangebote von in der Erwachsenenbildung tätigen Personen durch das Bundesinstitut für Er­wachsenenbildung. Was das mit Erwachsenenbildung im Bereich Medienkompetenz­vermittlung zu tun hat, ist nicht klar. Hier scheint es eher um die Aus-bildung der Ausbildner_innen zu gehen.

Auch über die Geldflüsse in diesem Bereich konnte die Bundesregierung keine genaue Auskunft geben. Über den diesbezüglichen Stand der Dinge in den Ländern ist die Bundesregierung nicht informiert. Das ist insgesamt eine eher bescheidene Leistung im Bereich der Medienkompetenzvermittlung bei Erwachsenen. Ernstzunehmende Überlegungen für ein Erwachsenenbildungskonto und die Förderung entsprechender Angebote scheint es nicht zu geben.

Transparenz bei der Parteienfinanzierung

Die Regierungsparteien haben weder ein geplantes Budget für die Europawahl noch die Einnahmen und Ausgaben der letzten Nationalratswahl offengelegt. Die Partei­finanzen von ÖVP und FPÖ sind nach wie vor eine Black Box. Das ist eine Zumutung gegenüber den Bürger_innen. Nur volle Wahrheit an 365 Tagen im Jahr bringe das lückenlose Prinzip: Wer finanziert die Parteien und wen bezahlen Sie. Nur dadurch kann sichergestellt werden, dass keine Einflussnahme von außen durch Spenden von der europäischen Demokratie feindselig gestimmten Kräfte geschieht.

Der Rechnungshof soll endlich Prüfrechte für Parteienfinanzen erhalten. Es braucht bereits bei der Europawahl echte Strafen für die schamlosen Überschreitungen der Wahlkampfkostenobergrenze. Es kann nicht sein, dass sich Parteien nicht an das Gesetz halten und dann ein kleines Bußgeld zahlen, das sie ohnehin eingeplant haben. Es braucht Strafzahlungen von bis zu 150 Prozent des Überschreitungsbetrages bei gleichzeitiger Senkung der Wahlkampfkostenbeschränkung auf einen Euro pro Wahl­berechtigten.

Freie, starke und unabhängige Medien

Durch kritischen Qualitätsjournalismus gut informierte Unionsbürger_innen sind schwer zu täuschen und widerstandsfähig gegen Einflussnahme von außen. Die Bundes­regierung bekennt sich zwar auf Nachfrage zu starken, unabhängigen Medien und will politische Einflussnahme auf diese zurückdrängen. Gleichzeitig greift eine Regierungs­partei öffentlich den Österreichischen Rundfunk an und der Spitzenkandidat derselben für die Europawahl spricht sich offen für die Entlassung eines unabhängigen Jour­nalisten aus, weil ihm die Interviewfragen nicht gepasst haben.


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Auf die Anfrage, was die Bundesregierung konkret tut, um die Medien zu stärken, antwortet der Medienminister: „Um die Rahmenbedingungen für freien Journalismus bestmöglich zu sichern, wurden auf Initiative der Bundesregierung im Rahmen der Begleitgesetze zur Umsetzung der Datenschutz Grundverordnung (DSGVO) daher Medien im Hinblick auf die journalistische Tätigkeit vom Anwendungsbereich der DSGVO ausgenommen.“, geradeso als wäre das ausreichend, um die Attacken seines Koalitionspartners auf die Pressefreiheit zu kompensieren.

Stärkung der europäischen Institutionen im Bereich der Bekämpfung von Des­infor­mation

Auch auf europäischer Ebene gibt es Handlungsfelder für die Bundesregierung. Da Desinformationsaktivitäten an Umfang und Bedeutung gewinnen und das Bewusstsein für die negativen Folgen von Desinformation geschärft werden muss, sollte das Mandat der East StratCom Task Force aufrechterhalten und das Mandat der beiden anderen Task Forces für strategische Kommunikation (Westbalkan und South) überarbeitet werden. Gleichzeitig braucht es entsprechende finanzielle Ausstattung dieser Task Forces. Dafür gilt es, sich auch von österreichischer Seite auf EU-Ebene einzusetzen. Auch dazu hat die Bundesregierung sich bisher nicht geäußert.

Letztlich ist nur eine resiliente, also eine widerstandsfähige Gesellschaft ein Lösungs­ansatz für diese Herausforderung. Das bedeutet, wir brauchen einen gut auf solche Herausforderungen trainierten Sicherheitsapparat, starke Anti-Korruptionsbehörden, Transparenz bei der Parteienfinanzierung, aber auch unabhängige und finanziell stabile Medien und kritische und medienkompetente Bürger_innen. In den meisten dieser Bereiche kann die Bundesregierung aktuell keine Erfolge oder zumindest ange­messene Bemühungen verzeichnen.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

Dringliche Anfrage

1.          Wurde eine umfassende Bedrohungsanalyse bezüglich Desinformationskam­pagnen und Cyberattacken im Vorfeld und während der EU-Wahlen 2019 bezie­hungs­weise auch hinsichtlich zukünftiger Wahlen durchgeführt, die alle Ressorts beleuchtet?

a) Wenn ja, wann und durch welches Ministerium bzw. Amt?

b) Wenn nein, warum nicht?

2.          Andere Staaten haben bereits Auffälligkeiten im Bereich Desinformation im Vor-feld der EU-Wahl gemeldet. Gab es in Österreich diesbezüglich ähnliche Beobach­tungen und Vorfälle?

a) Wenn ja, welche?

b) Wenn ja, wurde das über die Kontaktstelle Sven Wagner dem EEAS und den anderen Mitgliedstaaten gemeldet und wann?

3.          c) Wenn ja, wie wurde darauf reagiert?

4.          Die meisten Wissenschaftler_innen, die sich mit Beeinflussung von politischen Entscheidungsprozessen durch Desinformation auseinandersetzen, weisen auf hohe Aktivität von russischsprachigen Twitter- und Facebook-Accounts hin, die koordiniert ihre Botschaften anbringen. Wurde so etwas mit Relevanz für Österreich bzw. die EU-Wahlen in Österreich auch beobachtet?

a) Wenn ja, in welchem Umfang?


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5.          Haben Angehörige des Bundeskanzleramts bzw. der Sicherheitsressorts an Trainings, Briefings, einem Gedankenaustausch zu konkreten Vorfällen im Bereich Desinformation in Europa teilgenommen?

a) Wenn nein, warum nicht?

b) Wenn ja, welche Personen welches Ressorts und wann?

c) Welche Maßnahmen werden getroffen, um für die diesbezügliche Fortbildung von verantwortlichen Personen auch im Büro des Regierungssprechers zu sorgen?

6.          Am Montag, den 13. Mai fand der Rat der EU-Außen- und Verteidi­gungs­minister statt. Das Bundeskanzleramt koordiniert in der Frage der Desinfor­mations­bekämpfung die Aktivitäten der einzelnen Ressorts. Waren die Themen Desinformation und Wahlmanipulation Ihres Wissens dort Thema?

a) Wenn ja, welche Position vertrat Österreich in diesem Gremium?

7.          Welche konkreten Maßnahmen haben Sie gesetzt, um im Falle von gezielten Desinfor­mationskampagnen von außerhalb Österreichs reagieren zu können?

8.          Die meisten Desinformationskampagnen, die im großen Stil Europa beein­flus­sen, stammen Expert_innenangaben zufolge aus Russland. Die Österreichische Bun­desregierung hat sich bisher betont russlandfreundlich gezeigt. Hat Ihrer Information nach bereits ein Mitglied der Bundesregierung das Thema Wahlmanipulation und Des­information in Gesprächen mit Ihren russischen Gegenübern angesprochen?

a) Wenn ja, bei welcher Gelegenheit und mit welchem Ergebnis?

b) Wenn nein, warum nicht?

c) Wenn nein, wann werden Sie das tun?

9.          Österreich befindet sich in einem engen Verhältnis mit den Staaten des West-balkans, die verschiedenen Analysen zufolge besonders stark von russischen Des­informationskampagnen betroffen sind. Der Verteidigungsminister betonte während des österreichischen Ratsvorsitzes wiederholt, dass er dabei sei, die Kooperation mit den Westbalkanstaaten im Verteidigungsbereich auszubauen. Gibt es Ihrer Information nach Kooperation mit den Westbalkanstaaten im Bereich der Bekämpfung von Desinformation, Wahlmanipulation?

a) Wenn nein, warum nicht?

b) Wenn ja, wie sieht diese aus?

10.        Die Bundesregierung hat auf Nachfrage von NEOS beteuert, mit der Umset­zung des Aktionsplans gegen Desinformation der Kommission und des EEAS be­schäftigt zu sein. Wird der Plan Ihrer Einschätzung nach bis zu den EU-Wahlen voll umgesetzt sein?

a) Wenn nein, warum nicht?

11.        Maßnahme 1 des Aktionsplans betrifft die bessere personelle und technische Ausstat­tung der Task Forces für strategische Kommunikation des Europäischen Auswärtigen Dienstes, insbesondere mehr Expert_innen für Datamining und Daten­analyse durch die Kommission und die Mitgliedstaaten. Welchen konkreten Beitrag leistet Österreich zur besseren Ausstattung des EEAS in diesem Bereich? Steuert Österreich Expertise bei? Wenn ja, in welchem Bereich?

12.        Maßnahme 2 betrifft die Überarbeitung der Mandate der Task Force für strate­gische Kommunikation Westbalkan und South durch die Hohe Vertreterin. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage der besseren finanziellen Ausstattung der


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East StratCom Task Force und der beiden anderen Task Forces für strategische Kommunikation (Westbalkan und South). Setzt sich Österreich in den Verhandlungen um den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen für eine bessere finanzielle Ausstattung dieser ein?

a) Wenn nein, warum nicht?

13.        In Umsetzung der Maßnahme 3 des Aktionsplans gegen Desinformation wurde auf europäischer Ebene ein Frühwarnsystem gegen Desinformation eingerichtet, durch das sich die Mitgliedstaaten der EU besser im Kampf gegen Desinfor­mations­kam­pagnen, die von außerhalb der EU ausgehen, austauschen können. In Österreich ist die Kontaktstelle dieses Frühwarnsystems laut Ihren Angaben der Büroleiter des Regierungssprechers, Sven Wagner. Was genau macht Sven Wagner im Bereich er Beobachtung von Desinformation?

a) Welche Quellen benutzt er und wie geht er bei seiner Recherche vor?

b) Hat das Büro des Regierungssprechers, das wohl auch einige andere Aufgaben hat, genügend Zeitressourcen für die Beobachtung von möglichen Desinformations­kam­pagnen?

c) Wie viel Zeit verwendet Herr Wagner auf dieses Thema pro Woche?

d) Sie gaben an, seine Aufgabe sei vor allem, das Bewusstsein auf gezielte Desinformationskampagnen aus Drittstaaten zu schärfen. Welche Maßnahmen wurden diesbezüglich bisher gesetzt? Wie wird dieses Bewusstsein konkret geschärft und wie erfolgreich waren Sie dabei bereits? Gibt es irgendwelche Zielvorgaben für diese Maßnahme? Wenn ja, welche?

14.        Aus dem E-Papier Kritische Medienkompetenz und Community Medien auf der Website erwachsenenbildung.at des Bildungsministeriums geht hervor, dass Medien­kompetenz ein Thema ist, das in der Erwachsenenbildung in den letzten Jahren und aktuell noch immer sträflich vernachlässigt wurde und wird. Sie sagen, dieses Thema betrifft keinen Gegenstand Ihrer Vollziehung, allerdings ist das Bundeskanzleramt koordinierend und im Sinne einer Gesamtstrategie zum Thema Desinformation bzw. widerstandsfähige Gesellschaft zuständig und Medienkompetenzvermittlung ist ein konkreter Punkt des Aktionsplans gegen Des-information. Welchen Beitrag werden Sie also leisten, um diese Situation zu verbessern?

15.        Transparente Parteienfinanzierung ist ein integraler Bestandteil eines resilien­ten Staates. In Österreich gibt es nach wie vor nur sehr lockere Regeln diesbezüglich. Wann werden Sie sich endlich für eine gesetzliche Regelung aussprechen, die politische Parteien dazu anhält, Einnahmen und Ausnahmen zu veröffentlichen?

16.        Wann werden Sie sich endlich dafür einsetzen, dass der Rechnungshof Prüf-rechte für Parteifinanzen erhält?

17.        Wann werden Sie sich dafür einsetzen, dass deutlich spürbare Strafzahlungen für die Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze bei gleichzeitiger Senkung der Wahlkampfkostenbeschränkung auf einen Euro pro Wahlberechtigten eingeführt werden?

18.        Bundesminister Blümel antwortete auf eine Anfrage zum Thema Desinformation unter anderem: „Die Presse- und Meinungsfreiheit ist in Österreich als Grundrecht verfas­sungsrechtlich verankert und stellt damit einen wesentlichen Grundpfeiler unserer Demokratie und selbstverständlich auch unserer Politik dar. Insbesondere Regierungsinstitutionen und öffentliche Einrichtungen tragen eine besonders hohe Verantwortung, freien und unabhängigen Journalismus sicherzustellen. Die Bundes-


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regierung bekennt sich daher zu einem uneingeschränkten Schutz dieses Grundrechts, stellt es doch auch den wichtigsten Grundpfeiler im Kampf gegen Desinformation dar, und tritt für eine aktive, faktenbasierte und transparente Kommunikation gegenüber den Vertreterinnen und Vertretern und internationalen Medien sowie den Bürgerinnen und Bürgern ein.“ Wie ist Ihre Position zu den direkt aus Ihrer Bundesregierung kom­menden Attacken auf die Freiheit des Öffentlichen Rundfunks sowie den durch Ihren Koalitionspartner ausgedrückten Wunsch, einen unbequemen Journalisten des ORF zu entlassen?

a) Bitte teilen Sie den Bürger_innen Ihre Position zu den vom Innenminister Ihrer Bundesregierung ausgegebenen Informationssperren für ihm unangenehmen Medien (explizit genannt Standard, Falter und Kurier) mit. Wie ist eine solche Vorgehensweise mit einem Bekenntnis zur Presse- und Meinungsfreiheit vereinbar?

b) Wie würde sich die Einschränkung der Arbeit von Qualitätsjournalist_innen zum Beispiel bei den oben genannten Blättern Ihrer Meinung nach auf die Bekämpfung von Desinformation und Missinformation auswirken?

c) Was werden Sie konkret unternehmen, um solche Attacken auf die Presse- und Meinungsfreiheit von höchster Stelle – also aus Ihrer Bundesregierung – in Zukunft zu verhindern?

19.        Hat das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Aktivitäten gesetzt, um nachrichtendienstliche Angriffe von russischer Seite durch Desinformationen im Rahmen der EU-Wahl zu identifizieren?

a.          Wenn ja, was war das Ergebnis dieser Aktivitäten?

b.          Welche Maßnahmen wurden in der Folge gesetzt?

20.        Liegen Ihnen Informationen vor, dass Österreich vom Informationsaustausch, der zwischen Geheim- und Nachrichtendiensten Europas geschieht, zumindest teilweise ausgeschlossen ist? Wenn ja, wie planen Sie darauf zu reagieren und wann?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor ich der Begründerin das Wort erteile, darf ich auf der Besuchergalerie die Abgeordneten außer Dienst aus Oberösterreich in der Begleitung ihres Obmannes Franz Hiesl recht herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Ich darf nun Frau Abgeordneter Meinl-Reisinger als erster Fragestellerin zur Begrün­dung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort erteilen.

15.03.44


Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Bundesministerinnen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Galerie! Uns ist es sehr wichtig, diese Punkte – mögliche Wahlmanipulationen, gezielte Desinformations­kam­pagnen im Zuge der Europawahl und die Maßnahmen der österreichischen Bundes­regierung dagegen – heute zu thematisieren, weil wir große Sorge haben. Wir wissen seit Monaten, dass es eigentlich in ganz Europa, mit Ausnahme Österreichs – darauf komme ich noch zu sprechen –, sehr rege Diskussionen über mögliche Wahl­mani-


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pulationen, was die Europawahl betrifft, gibt. Es geht um technische Manipulationen, wie sie heute in der Fragestunde schon einmal ganz kurz angesprochen wurden, es geht aber vor allem auch um sogenannte Desinformationskampagnen im Bereich der sozialen Medien.

Dass dieses Thema auf der politischen Agenda ganz weit oben stehen muss, zeigt die jetzt seit Monaten andauernde Diskussion in den USA rund um den Wahlsieg von Donald Trump und die mögliche Beeinflussung durch russische Bots oder massive russische Intervention in den sozialen Medien. Sie kennen ja auch die Diskussion zur Nähe des Wahlkampfteams von Donald Trump zu einigen Akteuren aus Russland.

Erst am Montag hat die zuständige EU-Kommissarin, Justizkommissarin Věra Jourová, eindringlich gewarnt und gesagt: „Wir dürfen nicht zulassen, dass auch nur in einem Mitgliedstaat die Wahlergebnisse durch Manipulation verfälscht werden“. Sie verweist da einmal mehr vor allem auf Russland als Quelle von solchen Desinfor­mations­kampagnen und möglichen Beeinflussungen der Wahl.

Jetzt fällt eben auf, wie ich eingangs gesagt habe, dass diese Diskussion, wie man sich gegen Hackerangriffe – ist ja auch in Österreich passiert – zur Wehr setzt, wie man Cybercrime abwehrt, wie man ganz gezielt Fake-News-Kampagnen, Desinformations­kampagnen in den sozialen Medien stoppt, wie man im Zusammenhang mit der Wahl auch Finanzierungen aus fraglichen Quellen stoppt, in den USA und in vielen europäischen Ländern – ich komme dann auch noch auf Fälle zu sprechen – sehr intensiv geführt wird, nur in Österreich nicht. Es gibt hier keine Diskussion und es gibt auch keine Aktivität.

Diese Diskussion findet zehn Tage vor der Europawahl nicht statt, und jetzt kommt ein Punkt dazu, der es uns ganz dringlich erscheinen lässt, darüber zu diskutieren: dass ausgerechnet die Behörden, die dafür zuständig sind, diese Attacken abzuwehren, sozusagen unsere Verfassung, unsere liberale Demokratie zu schützen, möglicher­weise – so wird es geschrieben – im europaweiten oder weltweiten Kontext isoliert sind, nämlich das BVT und auch das Heeresnachrichtenamt; und zwar aus folgendem Grund: aufgrund der expliziten Kremlnähe der Regierungspartei FPÖ.

Worum geht es? – Diese Wahlen zum Europäischen Parlament sind ein Test für Europa. Sie sind ein Test hinsichtlich der Abwehr von Manipulationen, aber sie sind natürlich auch global sehr entscheidend. Das ist übrigens an dieser Stelle ein dring­licher Wahlaufruf, weil natürlich weltweit schon darauf geschaut wird, wie die Mehr­heitsverhältnisse in Europa sein werden, welche Politik Europa weiterverfolgen wird, wie sich das Europäische Parlament zusammensetzen wird. Es geht hier um die Stärke Europas, und es geht auch um nichts weniger als die liberale, demokratische Ordnung, den europäischen Weg, wie wir ihn hier in Europa auch weitergehen wollen.

Da stelle ich schon ganz gezielt die Frage: Wer hat eigentlich ein Interesse daran, dass Europa nicht stark ist? – Es sind nämlich genau die, die ich vorhin erwähnt habe. Wir haben diese Woche gehört, dass sich Donald Trump explizit gegen eine verstärkte Außenpolitik, aber vor allem auch eine verstärkte gemeinsame Sicherheits- und Ver­teidigungspolitik ausgesprochen hat – weil ein starkes Europa in dieser Frage den USA nicht nützt. Die gleiche Position sehen wir natürlich im Russland Putins, der auch kein Interesse daran hat, dass ein wirtschaftlich starkes Europa besteht, das in außen­politischen Belangen mit einer Stimme spricht und auch eine Stimme hat, wenn es um Sicherheits- und Verteidigungsfragen geht. Daher darf man nicht naiv sein; es ist ganz wichtig, dieses Thema zu beachten, und natürlich wird auch diese Frage ganz bewusst gestellt: Wer hat eigentlich ein Interesse an der Destabilisierung?

Jetzt muss man eines sagen: Seit Jahren gibt es beste Kontakte von rechten bis rechtsextremen Parteien in Europa, von Nationalisten zum Kreml, zur Partei Einiges


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Russland von Wladimir Putin und zu Ultranationalisten in Russland – und ganz vorne dabei ist die FPÖ. Das wissen wir, das steht immer wieder in Berichten, es gibt wissenschaftliche Bücher dazu. Wir als NEOS haben uns von Anton Shekhovtsov ein Dossier erstellen lassen; er hat auch ein wissenschaftliches Buch dazu geschrieben, „Russia and the Western Far Right“, über die wirklich vielen Beziehungen zwischen Russland, dem Kreml und vor allem rechten und ultrarechten Parteien in ganz Europa und darüber, wie diese Beziehungen über Jahre gestärkt wurden.

Ich bedaure sehr, dass der Klubobmann der FPÖ, Johann Gudenus, heute nicht hier ist, denn er ist ganz vorne mit dabei; bis in die Führungsriege der FPÖ bestehen diese besten Kontakte. (Abg. Drozda: ... Russland sein, in Moskau!) – Wahrscheinlich ist er in Russland! Nein, ich möchte jetzt ehrlich gesagt keinen Witz darüber machen, weil mir das Thema wirklich sehr, sehr ernst ist.

Es geht um hochrangige Vertreter, die immer wieder die Nähe gesucht haben: Es geht um Ihren Parteiobmann H.-C. Strache, es geht um Herrn Klubobmann Gudenus, es geht auch um Harald Vilimsky, der da in bestem Kontakt ist. Das geht ja so weit, dass Sie mit Einiges Russland, mit der Partei von Wladimir Putin, einen Freund­schafts­vertrag geschlossen haben, der im Übrigen – ich glaube, ein Jahr später war das – nahezu wortident auch mit der Lega Nord, also mit Salvini, geschlossen wurde. (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Belakowitsch, Stefan und Hafenecker.)

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Es geht hier nicht darum, dass man sich dagegen ausspricht, dass es diplomatische Beziehungen des Staates Österreich zu Russland gibt – die sind wichtig; die sind sogar ein Faktor, warum wir ein starkes Europa mit einer eigenständigen Russlandpolitik brauchen. Es geht hier nicht um das offizielle Österreich. Es geht darum, dass nationalistische Parteien in ganz Europa die Nähe zu Ultranationalisten suchen und umgekehrt und damit systematisch die liberale Grundordnung in Europa infrage stellen.

Dieses Dossier, das wir erstellen lassen (ein Dokument in die Höhe haltend), das im Übrigen auch online geht – Sie können es auf unserer Webseite nachlesen –, listet auch die Vorfälle auf, die es immer wieder gegeben hat.

So hat es 2015 im Zuge der Bundestagswahlen einen russischen Cyberangriff gege­ben, und zwar strahlten die deutsche Ausgabe von Russia Today, vor allem aber Sput­niknews immer wieder eine Vielzahl von fremdenfeindlichen Beiträgen aus, in denen vor allem Angela Merkel diffamiert und die AfD gelobt wurde. (Zwischenruf des Abg. Rosenkranz.) Kremltreue Bots – wir wissen aus Berichten von den Sankt Petersburger Trollfabriken – haben diese Geschichten dann verbreitet, ja vertausendfacht. Es geht um Millionen (Ruf bei der FPÖ: Milliarden!) solcher Postings in den sozialen Medien – ja, bei der Europawahl in Wahrheit um Milliarden! Machen Sie sich nicht lustig, da geht es tatsächlich um sehr viel! (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Belakowitsch. – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sie haben kurz vor der Bundestagswahl auch dieses Gerücht – das wissen Sie – des Wahlbetrugs zulasten der AfD gestreut. Mit dem Hashtag #wahlbetrug wurde ein Twittersturm, der glauben machen sollte, dass die Eliten in Deutschland diese Wahl zulasten der AfD manipulieren, wirklich angelegt. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Großbritannien, die Leave-Kampagne, Brexit (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch): Mehr als 150 000 russischsprachige Twitteraccounts haben auf Englisch Zehntau­sende Messages zugunsten der Leave-Kampagne gepostet, so die Aufmerksamkeit auf dieses Thema gelenkt und natürlich diese Abstimmung, dieses Referendum beein­flusst.


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Frankreich, Präsidentschaftswahl, Hackerangriff auf das Kampagnenteam rund um Emmanuel Macron: Wir wissen, dass diese Manipulation der Präsidentschaftswahl von russischer Seite erfolgt ist. (Abg. Belakowitsch: Das war der einzige Grund, warum er gewonnen hat!) Die Gegnerin war Marine le Pen – in bestem Kontakt mit Einiges Russland, wie ich noch ausführen werde.

Spanien: Die East StratCom Task Force und die George Washington University kamen zu dem Schluss, dass Russland eine gezielte Desinformationskampagne fuhr, um das Referendum um die Unabhängigkeit Kataloniens zu beeinflussen und die Separatisten zu stärken. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Die Frage ist: Wie weit geht diese Unterstützung? Es gab nach  Recherchen von BBC, „Spiegel“, ZDF und „La Repubblica“ den Ansatz, auch AfD-Kandidaten finanziell - - (Ruf bei der FPÖ: Wahnsinn! – Weitere Zwischenrufe und Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) – Ich weiß nicht, warum Sie so lachen! Es ist zutiefst antipatriotisch, was Sie hier machen! Entschuldigen Sie, wirklich, Sie vertreten hier ganz offensichtlich nicht die Interessen Österreichs! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Rufe bei der FPÖ: ... patriotische Rede! – Aluhut! – Lupenreine Verschwörungstheorien, Frau Abgeordnete! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Also: Eine gemeinsame Recherche von BBC, „Spiegel“, ZDF und „La Repubblica“ – offensichtlich alles Medien, die die FPÖ nur lächerlich findet – deckte auf, dass es den Vorschlag gab, einen Kremltreuen AfD-Kandidaten, nämlich den Sprecher von Alice Weidel, Markus Frohnmaier, zu unterstützen. Dieser Vorschlag ist Monate vor der Wahl im Kabinett des russischen Präsidenten eingelangt. Der Verfasser des Vor­schlags begründet die Idee damit, dass Russland einen eigenen absolut kontrollier­baren Abgeordneten im deutschen Bundestag haben könnte.

Sie wissen auch, dass Marine le Pen ein Darlehen bekommen hat, ihre Kampagne aus Geldern finanziert hat - - (Abg. Wurm: Ein Darlehen! Ein Darlehen!) – Schauen Sie, Sie können sich über alles lustig machen! (Abg. Rosenkranz: Über alles nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Ich finde es nicht lustig, wenn man ganz offensichtlich nationale Interessen in Richtung Ultranationalisten in Russland verrät. Das ist nämlich nicht patriotisch. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Hafenecker: Wer ist denn die Oligarchenpartei in diesem Haus? Das sind doch Sie!)

Ich könnte Ihnen auch auflisten – Sie können das auch nachschauen –, was sozu­sagen die Gegenleistungen waren: Dubiose Wahlbeobachtermissionen, die nach außen hin den Eindruck erwecken sollten, dass alles – jede Wahl – wunderbar abläuft, auch das Referendum auf der Krim. Johann Gudenus hat sich daran wirklich sehr willfährig beteiligt. Auch Ihr Parteiobmann ist ja immer wieder in die Bresche gesprungen, um die Politik des Kreml zu verteidigen.

Wir wissen, dass H.-C. Strache zum Beispiel im Oktober 2008 öffentlich gesagt hat, dass Russland im Krieg mit Georgien nicht als Angreifer agiert habe und EU-Staaten ihre Meinung nicht von den USA übernehmen sollten; das wurde von russischen Medien wie Sputniknews natürlich dankbar übernommen, denn es geht ja auch um das Bild nach außen. (Abg. Hafenecker: Hat der Haselsteiner in Russland Geld ver­dient? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich will jetzt nicht so weit gehen, zu sagen, dass ich es auch ziemlich blamabel finde, dass unsere Außenministerin bei ihrer Hochzeit vor Wladimir Putin einen Knicks gemacht hat (Zwischenruf des Abg. Stefan), aber eines ist schon klar: Die Russ­landnähe der FPÖ in dieser Regierung (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) hilft natürlich dem Kreml – das ist völlig klar.


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Und jetzt kommen wir zu etwas Wesentlichem dabei, das auch dramatisch ist – und auch das können Sie in vielen Artikeln und auch in unserem Dossier nachlesen –: Die Kontrolle der FPÖ über das Innen- und das Verteidigungsministerium hat natürlich das Vertrauen westlicher Partner in Österreich unterwandert, da sie fürchten, dass diese Ministerien kompromittiert wurden und sensible Informationen an Russland weiter­geben könnten. (Ruf bei der FPÖ: ... ein Blödsinn!)

Britische und niederländische Nachrichtendienste sollen deshalb bereits den Aus­tausch von Informationen mit österreichischen Behörden pausiert haben. (Zwi­schen­rufe des Abg. Deimek.) Eine Konsequenz dieses Misstrauens gegenüber Österreich dürfte auch gewesen sein, dass die österreichischen Behörden noch Stunden nach der furchtbaren Tat in Christchurch nicht gewusst haben, dass der Attentäter auch in Österreich war – etwas, was andere offensichtlich gewusst haben, davon ist auszu­gehen.

Dieses Misstrauen geht sehr weit. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Sie können das auch im Bericht des amerikanischen State-Departments nachlesen; da steht: Unser Missionsziel ist die Stärkung der Rolle Österreichs als ein aktiver und verläss­licher Partner bei der Terrorismusbekämpfung und der polizeilichen Zusammenarbeit. Gleichwohl gibt die russlandfreundliche Haltung der FPÖ uns zu denken, wenn es um den Austausch gewisser Informationen geht. Wir werden den bilateralen Austausch von Informationen weiter forcieren, bei gleichzeitiger Beob­achtung von Österreichs Vorgehen beim Austausch von Informationen. – Zitatende.

Jetzt komme ich zum springenden Punkt: Für alles, was ich angesprochen habe – die Sorge im Hinblick auf Desinformationskampagnen und Cyberattacken –, sind genau diese Dienste zuständig, in die unsere Partner – unsere westlichen Partner – aufgrund der Russlandnähe der FPÖ kein Vertrauen mehr oder nur mehr wenig Vertrauen haben und nicht mehr alle Informationen teilen. (Ruf bei der FPÖ: Das ist ja völlig absurd, was Sie da ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wissen Sie, Sie können das alles nachlesen, Sie können das auch auf der Website nachlesen (Abg. Belakowitsch: Wer hat das geschrieben?), es ist nicht absurd. Es ist nicht absurd! Sie müssen es sich gefallen lassen (Ruf bei der FPÖ: Wir müssen uns gar nichts gefallen lassen!), und Sie sind es den Österreicherinnen und Österreichern schuldig, zu sagen, ob Sie da wirklich im Interesse Österreichs handeln. (Beifall bei den NEOS. – Ruf bei der FPÖ: Wenn Sie noch weiter berichten, schläft der Bundeskanzler ein! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Für die FPÖ ist das offensichtlich kein Problem. (Abg. Belakowitsch: Es ist eh keines, wird wieder gut!) Man hat aber den Eindruck, dass es leider auch für die ÖVP kein Problem ist, dass die Nachrichtendienste unter Parteieinfluss der FPÖ stehen, dass es Berichte gibt, dass Österreich nicht mehr am Austausch von Informationen teilnimmt, und dass Österreich eigentlich nichts oder wenig zur Abwehr von Cyberattacken unternimmt.

Ich habe mich an unsere gestrige Debatte erinnert. Wir haben hier gestern über unseren Antrag zur Stärkung der Medienkompetenz von Erwachsenen gesprochen, und da geht es genau darum, Fake News zu erkennen. (Abg. Belakowitsch: Ich glaube, das wäre für Sie wirklich notwendig gewesen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Der Antrag wurde von den Regierungsparteien abgelehnt.

ÖVP-Kollegin Theresia Niss hat sich hierhergestellt und hat gesagt, die NEOS hätten Fake News verbreitet, weil sie gesagt haben – das war, glaube ich, im Zusammenhang mit der Digitalisierungsapp –, dass zwei von vier Applikationen nicht funktionieren; dabei würden drei von vier Applikationen funktionieren. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Das hat mich schon empört, weil das ehrlich gesagt lächerlich ist. Darum geht es nicht! Es


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geht hier um den systematischen Angriff auf unsere demokratische Grundordnung! Das ist die Art von Fake News, die wirklich gefährlich ist, und nicht die Frage, wie viele Applikationen der App funktionieren. (Beifall bei den NEOS.) Das zeigt mir, dass Sie dieses Thema, das wirklich große Sorgen macht, nicht ernst nehmen.

Es gibt in diesem Bereich aber Maßnahmen, die vorgeschlagen werden. Es geht um eine Langzeitstrategie. Es geht tatsächlich darum, dass man als Demokratie gegen Manipulationsversuche von außen widerstandsfähig ist. Es geht um nichts weniger als unsere Werte in Europa und in Österreich. Es geht um die Stärkung der Medien­kompetenz von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Es geht um den gezielten Versuch, diese Fake News auch zu identifizieren, um mit Sachinformation dagegen­zuarbeiten, und selbstverständlich geht es auch – ich weiß, das ist in Österreich ein bisschen ein Fremdwort – um echte Transparenz bei der Parteienfinanzierung, weil wir sicher sein müssen, dass hier nicht in irgendeiner Form ausländische Interessen vertreten werden. Das ist mir sehr ernst, und das ist eine ganz klare politische Empfehlung, die überall gegeben wird, nur in Österreich wird sie nicht umgesetzt. Wir befinden uns hier absolut im Blindflug, wenn es um die Finanzierung von Parteien und vor allem auch um nahestehende Organisationen geht. (Ruf bei der FPÖ: Und was ist mit dem Haselsteiner? – Abg. Herbert: Was macht denn der Herr Haselsteiner, wenn wir schon darüber reden?)

Es geht auch um ein klares Bekenntnis zu einer wirklichen Pressefreiheit in Österreich und in ganz Europa, und auch da wissen wir, dass Österreich zuletzt im Ranking heruntergestuft wurde (Abg. Jenewein: Von wem? Von wem?), da immer wieder Angriffe auf die Pressefreiheit, auf die Freiheit der Redaktionen gefahren werden und Druck ausgeübt wird. Das ist ein Zustand, der mir wirklich große Sorge macht, wenn ich mir – und darauf möchte ich noch einmal zurückkommen – vor Augen führe, wer eigentlich ein Interesse daran hat – deshalb unsere Fragen an Sie, Herr Bundes­kanzler.

Es geht da um sehr viele Fragen im Medienbereich, aber auch um die Frage der Nachrichtendienste. Es ist eine sehr ernst gemeinte Sorge, die da zum Ausdruck gebracht wird, dass wir mit dieser FPÖ in der Regierung nicht vor Angriffen auf unsere liberale Demokratie geschützt sind, und ich möchte hier noch einmal etwas sagen: Auch der Vizepräsident der Europäischen Kommission Andrus Ansip hat davor gewarnt, dass Russland die primäre Quelle von Desinformation in Europa ist. Und das Ziel ist ganz klar, das möchte ich schon noch einmal sagen: Neben dem Ziel, sozusagen russlandfreundliche Berichterstattung zu bekommen, besteht das Ziel ganz klar darin, den Westen zu spalten und zu schwächen! Und das heißt nichts anderes, als dass unsere Demokratie, unsere liberale Demokratie, unsere Pressefreiheit ernst­haft bedroht sind.

Ein letztes Wort noch: Wenn ich mir heute das Interview – ich glaube, in der „NZZ“ – mit Steve Bannon durchlese, der ja – noch einmal: Donald Trump, seine Kampagne, durchaus auch gute Russlandkontakte –, wahrscheinlich auch gemeinsam mit Ihrer Fraktion, davon schwärmt, dass es darum geht, eine „Super Group“ im Europäischen Parlament zu haben, die dann alles blockiert – da gibt es auf der einen Seite Macron mit seiner Vision einer handlungsfähigen Union (Abg. Belakowitsch: So hand­lungs­fähig wie Frankreich? Die französischen Verhältnisse wollen Sie haben?) und, ja, auch der Vision der Vereinigten Staaten, und Sie wollen gemeinsam mit Steve Bannon zurück zum Zerfall in die Nationalstaaten, zum Westfälischen System –, dann frage ich Sie wirklich: Ist das patriotisch, in Österreich im Interesse eines Steve Bannon, eines Donald Trump und eines Putin zu agieren und damit Europa zu schwächen? (Abg. Stefan: Wollen Sie jetzt patriotisch sein? – Abg. Rosenkranz: Einmal will man den Staat abschaffen, das andere Mal will man patriotisch sein!)


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Deshalb mein Appell am Schluss an alle: Bitte gehen Sie zu dieser Wahl! Es geht um wirklich, wirklich viel! – Herzlichen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

15.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Jenewein, ich bitte Sie, den Ausdruck „Blödsinn“ zurückzunehmen. (Ruf bei der FPÖ: Es stimmt ja! – Abg. Jenewein: Ich nehme den Ausdruck „Blödsinn“ zurück und ersetze ihn durch: schlecht informiert!)  Danke vielmals.

Zur Stellungnahme zu Wort gemeldet ist nun der Herr Bundeskanzler. – Bitte.


15.22.54

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Minis­terinnen! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Frau Klubobfrau! Vielen Dank für die Möglichkeit, im Parlament zu den Bedrohungen für die Europäische Union Stellung zu nehmen, vielleicht aber auch ein paar Worte ganz allgemein dazu zu sagen, warum ich die Wahl am 26. Mai, die Wahl zum Europäischen Parlament, für ganz entscheidend erachte.

Ich möchte vielleicht zunächst mit dem Thema der Bedrohungen beginnen, das Sie angesprochen haben, mit der Desinformation, mit dem Einfluss von außen, mit Supermächten dieser Welt, die natürlich ihre Interessen in aller Welt haben und auch da und dort versuchen, Einfluss zu nehmen. Ich möchte mit einem Appell an uns alle beginnen: Ich glaube, die beste Antwort auf all die Gefahren, Bedrohungen und Angriffe von außen ist Zusammenhalt; Zusammenhalt innerhalb der Europäischen Union und auch Zusammenhalt und Miteinander in Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Nur wenn wir stark sind, können wir auch robust gegenüber Bedrohungsszenarien aus dem Ausland sein!

Die Europäische Union ist meiner Meinung nach die größte Errungenschaft des ver­gangenen Jahrhunderts und, um ehrlich zu sein, als jemand, der als Außenminister viel in der Welt unterwegs war, war ich bei jeder einzelnen Reise, die ich machen durfte, immer wieder dankbar, zurückkehren zu dürfen, und ich war immer wieder dankbar und bin es heute nach wie vor, dass ich in Österreich leben darf, dass ich öster­reichischer Staatsbürger sein darf, dass ich aber auch Teil eines vereinten Europas, einer gemeinsamen Europäischen Union sein darf. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Ich bin darüber hinaus, neben dieser Dankbarkeit, auch überzeugt davon, dass es unsere Aufgabe ist, uns nicht einfach mit dem Status quo zufriedenzugeben, sondern daran zu arbeiten, die Europäische Union besser zu machen. Und Sie haben vollkom­men recht, Frau Klubobfrau, wenn Sie Bedrohungen ansprechen, denn es gibt viele Bedrohungen, mit denen wir als Europäische Union im Moment umgehen müssen.

Wir haben die Bedrohung der Desinformation, der Fake News, die Einflussnahme von anderen Supermächten dieser Welt, wir haben aber auch andere Sicherheits­bedro­hungen wie Terrorismus, kriegerische Auseinandersetzungen am Rand der Europä­ischen Union – wenn ich an den Osten der Ukraine denke –, und wir haben im 21. Jahr­hundert etwas, von dem wir eigentlich geglaubt haben, dass das der Vergangenheit angehört, nämlich die Bedrohung durch potenzielle Handelskriege, durch Zollkriege und Auseinandersetzungen, die unsere Wirtschaft gefährden können und somit unseren Wohlstand bedrohen.

Insofern ist meine große Bitte an alle Bürgerinnen und Bürger: Nehmen Sie die Mög­lichkeit wahr, am 26. Mai wählen zu gehen! Versuchen Sie, mitzubestimmen, wie sich


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die Europäische Union weiterentwickelt, denn es ist entscheidend, dass nicht der Status quo erhalten bleibt, sondern dass wir stetig daran arbeiten, die Europäische Union besser zu machen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Jede Partei hat da unterschiedliche Konzepte, und ich als überzeugter Demokrat finde es auch gut, dass es diese unterschiedlichen Konzepte gibt. Ich selbst werde meinem Weg treu bleiben und gemeinsam mit der Volkspartei dafür kämpfen, dass die Euro­päische Union weiter gestärkt wird, dass wir an einem subsidiären Europa bauen, dass wir stärker zusammenarbeiten in den großen Fragen, in denen es die Zusammenarbeit braucht, vom Außengrenzschutz über die Gemeinsame Außenpolitik bis hin zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, vom digitalen Binnenmarkt bis hin zu Fragen der Währungsunion oder Fragen des Freihandels.

In all diesen Bereichen braucht es mehr Europa, mehr Tiefe, mehr Kooperation – und es gibt auch viele Bereiche, in denen Mitgliedstaaten, Regionen gut für sich alleine entscheiden können und in denen es sinnvoll ist, diese auch alleine entscheiden zu lassen, um Regulierung und Bürokratie zurückzudrängen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte ganz gern auch die Möglichkeit nutzen, einen Appell an Sie alle zu richten, auch selbst behutsam mit Desinformation zu sein (Abg. Vogl: Wiener Schnitzel!), denn Desinformation ist ja nicht nur etwas, was eine Bedrohung aus dem Ausland ist, sondern wir erleben ja auch immer wieder, dass gerade in Wahlkampfzeiten versucht wird (Abg. Leichtfried: Ich mein, das sagen jetzt gerade Sie, Entschuldigung! Was ist mit dem Schnitzel?), mit einer Kultur der Aufgeregtheit, mit Unterstellungen, mit Angriffen, teilweise an der Wahrheit vorbei, Stimmungen und Emotionen zu schüren und damit Politik zu machen. Insofern ein Appell an Sie alle für die letzten zehn Tage dieser Wahlauseinandersetzung: Ich glaube, je sachlicher wir die Debatte führen, je ehrlicher wir in unseren Ansätzen sind, je weniger wir auch versuchen, immer nur den anderen zu positionieren und den anderen in ein schlechtes Licht zu rücken, desto besser ist es für die demokratische Auseinandersetzung in Österreich! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Da einige vonseiten der Opposition in den letzten Tagen, 14 Tage vor der Wahl, versucht haben, so zu tun, als sei der Kurz jetzt auf einmal ein Antieuropäer, erlauben Sie mir vielleicht auch einen Satz dazu (Zwischenruf des Abg. Drozda): Ich verlange von der Europäischen Union nichts, was ich nicht selbst auch in Österreich tue. (Abg. Meinl-Reisinger: ... ernsthafte Fragen! Das ist keine Wahlkampfrede bitte!) Wenn ich davon spreche, dass ich weniger Bürokratie auf europäischer Ebene sicherstellen möchte, dann ist das genau dasselbe Ziel, das diese Regierung auch in Österreich vertritt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben gleich zu Beginn unserer Tätigkeit als Bundesregierung sichergestellt, dass Tausende Gesetze, die es nicht mehr braucht, gestrichen werden. Wir haben sicher­gestellt, dass im Bildungsbereich Hunderte teils widersprüchliche Verordnungen für Lehrerinnen und Lehrer gestrichen werden. Und ja, ich unterstütze Manfred Weber, wenn er genau denselben Weg auf europäischer Ebene gehen möchte und tausend Regulierungen auf europäischer Ebene streichen oder zurückdrängen möchte, weil ich ein liberaler Mensch bin (Zwischenrufe der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Leichtfried) und der Meinung bin, dass Freiheit und Eigenverantwortung nicht nur in Österreich, sondern auch in der Europäischen Union ein hohes Gut sein sollten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Etwas überrascht bin ich, wie empört manchmal die Reaktionen der Opposition sind (Unruhe im Saal – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), aber ich habe da teilweise ein Déjà-vu. Ich kann mich ganz gut erinnern, als ich im Jahr 2015 gesagt


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habe, wir können nicht unbegrenzt Menschen in Mitteleuropa aufnehmen, wir müssen unsere Außengrenzen schützen, alles andere führt zu einer Überforderung in Mittel­europa. Ich bin als rechts und rechtsradikal bezeichnet worden. Ich bin diffamiert wor­den. Heute ist das der europäische Mainstream, und die Regierungschefs aller Frak­tionen, egal ob Sozialdemokraten, Liberale oder Konservative, sprechen sich dafür aus. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Als ich vor zwei Jahren kritisiert habe, dass einige der Rettungsaktionen im Mittelmeer nicht zu weniger Toten, sondern zu mehr Toten führen (Abg. Scherak: Das hat genau nichts mit der Anfrage zu tun!) und dass es schlecht ist, wenn es keine Regeln für NGOs gibt, gab es eine Riesenaufregung und Empörung von da bis Brüssel, bis hin zum Vatikan. Heute haben sich alle Regierungschefs in der Europäischen Union dazu bereit erklärt und darauf verständigt, dass es Regeln für NGOs geben muss, und die Rettungsaktionen, die zu mehr Toten geführt haben, finden heute so nicht mehr statt – auch ein Punkt, wo die Aufregung umsonst war. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Als ich vor zwei Jahren gefordert habe, dass die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abgebrochen werden müssen, gab es bei vielen eine riesige Aufregung. Einige hier haben gemeint, es sei populistisch, der erste schwere Fehler von Sebastian Kurz (Ruf bei der SPÖ: Nein, das war nicht der erste!), ein außenpolitischer Fauxpas. Heute haben wir als Europäische Volkspartei mit Manfred Weber einen Spitzenkandidaten, der verspricht, dass er, wenn er Kommissionspräsident wird, die Dienste der Euro­päischen Union anweisen wird, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu beenden. Auch da haben wir recht behalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Beim Thema der Regulierung wird es genauso sein. Ich verspreche Ihnen heute: Sollten wir als Volkspartei die Wahl gewinnen, sollte es eine Kommission mit einem Kommissionspräsidenten Manfred Weber an der Spitze, der das Ziel, das er im Wahl­kampf definiert hat, auch Wirklichkeit werden lassen kann, geben (Abg. Leichtfried: Dann wird er das Mitterlehner-Schicksal erleiden, irgendwann!), dann werden wir auf europäischer Ebene genauso wie in Österreich gegen Regulierung, gegen Bürokratie ankämpfen. Wir werden uns für ein Europa mit wenig Regeln, aber mit Regeln, die dafür von allen eingehalten werden müssen, für ein Maximum an Freiheit für die Bürger nach innen und für ein Maximum an Stärke der Europäischen Union nach außen einsetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Sie haben mich eingeladen, einige Fragen zu beantworten, die Sie zum Thema Cyber­sicherheit, Falschinformation, Fake News und Desinformationskampagnen an mich gerichtet haben. Lassen Sie mich vielleicht einleitend noch einmal festhalten, dass wir als Republik diese Bedrohungen sehr ernst nehmen sollten, denn es sind reale Gefahren. Da haben Sie vollkommen recht, Frau Klubobfrau. Was ich ergänzen möchte - - (Abg. Leichtfried: Ja, aber wieso machen Sie es dann nicht?) – Ich habe Sie ausreden lassen, vielleicht geben Sie mir auch die Möglichkeit, meine Rede zu beenden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Ich unterbreche Sie ja nicht! Das ist ein Zwischenruf! – Abg. Leichtfried: Sans net so wehleidig!)

Ich war gerade dabei, Ihnen recht zu geben, dass diese Bedrohungen sehr ernst sind, und Ihnen zu sagen, dass wir als Republik daher gemeinsam, parteiübergreifend dage­gen ankämpfen sollten. Ich wage nur zunächst noch einmal festzuhalten, dass wir nicht den Fehler machen sollten, uns jetzt zu brüsten, wie gut wir als Republik sind und wie böse manche anderen Nationen dieser Welt sind.


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Ich habe im Nationalratswahlkampf im Jahr 2017 selbst miterlebt, dass von der Sozial­demokratischen Partei mit Tal Silberstein mitten in Österreich versucht wurde, mit Desinformationskampagnen und Manipulation zu arbeiten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Ich verstehe schon, dass Sie das ungern hören (Abg. Leichtfried: Da lacht sogar der Herr Präsident! – Abg. Rosenkranz: Die Mundwinkel sind aber unten!), aber da zahlreiche Kollegen und Mitarbeiter von Tal Silberstein auch jetzt wieder für die Sozialdemokratie tätig sind, ist es mir schon ein Anliegen, noch einmal darauf hinzuweisen, mit welchen Methoden damals gearbeitet wurde. (Zwischenruf des Abg. Schieder. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Tal Silberstein hat damals im Wahlkampf für die Sozialdemokratie antisemitische und rassistische Homepages und Facebook-Seiten erstellt – ein Versuch (Zwischenrufe bei der SPÖ), sie so darzustellen, als wären es Plattformen der Freiheitlichen Partei und der Volkspartei; ein Versuch, so bei Journalistinnen und Journalisten, bei Meinungs­bildnern den Eindruck zu kreieren, dass wir bewusst diese antisemitischen und ras­sis­tischen Plattformen betreiben würden. (Ruf: Schäbig!) Ich bin froh, dass es aufgedeckt wurde; ganz aufgeklärt ist es noch immer nicht.

Ich glaube, genau so, wie wir die Verantwortung haben, Desinformation, Manipulation und Fake News aus dem Ausland zu bekämpfen, sollte auch jede Partei für sich selbst einen Beitrag leisten, indem sie nicht zu solchen Methoden greift. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Zu Ihrer 1. Frage (Ruf bei der SPÖ: Da waren wir schon!):

Selbstverständlich wurden in Vorbereitung auf die EU-Wahl mehrere Bedrohungs­analysen direkt bei den Landeswahlbehörden durchgeführt. Darüber hinaus erfolgte zwei Mal eine Bedrohungsanalyse im Bundesministerium für Inneres. Während der EU-Wahl sind selbstverständlich auch Cyberexperten in Bereitschaft, um auf poten­zielle Bedrohungen direkt und rasch zu reagieren.

Zu den Fragen 2, 3 und 4:

Es gibt derzeit keine Informationen. Dementsprechend haben wir, genauso wie zahl­reiche andere Mitgliedstaaten, auch keine Einmeldung in das Rapid-Alert-System durchgeführt. Ich betone noch einmal: so wie zahlreiche andere Mitgliedstaaten auch. Wenn Sie Informationen haben, über die die Behörden nicht verfügen, sind die Behör­den selbstverständlich froh, diese von Ihnen zu erhalten.

Zur Frage 5:

Mitarbeiter des Büros des Regierungssprechers und der sicherheitsrelevanten Abtei­lungen des Bundeskanzleramts nehmen selbstverständlich regelmäßig an Treffen und Veranstaltungen der Europäischen Kommission und des EAD in Brüssel teil und bringen sich da auch sehr aktiv ein.

Zur Frage 6:

Das Thema der Desinformation wird immer wieder in verschiedenen Ratsgremien behandelt, und wir leisten da auch einen aktiven Beitrag. Zuletzt hat die Hohe Vertreterin Federica Mogherini am 21. Jänner ausführlich über den Umsetzungsstand zum Aktionsplan gegen Desinformation informiert. Aus unserer Sicht ist ein breiter geografischer und inhaltlicher Ansatz erforderlich. In der letzten Sitzung der EU-Außen- und Verteidigungsminister am 13. und 14. Mai war dieses Thema allerdings unserer Information nach nicht auf der Tagesordnung.


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Zu den Fragen 7 und 19:

Unsere Behörden haben natürlich Maßnahmen gesetzt und sind auch gut vorbereitet. Aus Gründen der nationalen Sicherheit verweise ich bei den detaillierten Fragen auf den Ständigen Unterausschuss für Inneres..

Zur Frage 8:

Österreich sieht sich als Brückenbauer, und daher halte ich es für absolut richtig, dass nicht nur die Bundesregierung und der Parlamentspräsident, sondern auch der Bun­despräsident und Sie, sehr geehrte Damen und Herren, als Abgeordnete auf diesen offenen Dialog mit allen Teilen der Welt setzen. Insbesondere im sensiblen Bereich der Menschenrechte oder auch der Desinformation ist es gerade der bilaterale Kontakt, der die Möglichkeit schafft, diese Fragen zu thematisieren. Ich selbst hatte, was Russland betrifft, dazu zuletzt bei meinem Besuch in Sankt Petersburg die Gelegenheit, aber auch der Bundespräsident tut das meines Wissens gerade eben. Wir brauchen einen ausgeglichenen Zugang, die Einschränkung auf nur eine Region oder nur eine bestimmte Gruppe ist meiner Meinung nach nicht zielführend.

Zur Frage 9:

Zum Bereich Falschinformationen gab es bereits während der österreichischen Rats­präsidentschaft eine gemeinsame Strategiekonferenz. Diese ist von den Sitzungsteil­nehmern explizit gelobt worden. Im Herbst 2019 gibt es außerdem ein Ausbildungs­angebot für die Bekämpfung von Falschinformation in den Westbalkanstaaten, weil es uns wichtig ist, auch über die europäischen Grenzen hinaus einen Beitrag zu leisten.

Zur Frage 10:

Die österreichische Bundesregierung ist sich der Bedrohung durch Desinformation durchaus bewusst. Wir treiben die Umsetzung des Aktionsplans daher intensiv voran, und es geht generell um mehr Transparenz und Verantwortlichkeit im Internet-Öko­system, insbesondere in Bezug auf Onlineplattformen.

Zur Frage 11:

Das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres ist sowohl mit der Taskforce für strategische Kommunikation als auch mit den Botschaften und EU-Delegationen der jeweiligen Staaten in Kontakt. Die Zusammenarbeit funktioniert aus unserer Sicht sehr gut und wird ständig verbessert.

Zur Frage 12:

Bei den Budgetverhandlungen gilt auch weiterhin die österreichische Position – das wird Sie nicht überraschen.

Zur Frage 13:

Wir setzen den Aktionsplan auf nationaler Ebene entschieden voll und ganz um. Die zu­ständigen Kolleginnen und Kollegen im Bundeskanzleramt, in den Ressorts und unser nationaler Kontaktpunkt sind im ständigen Austausch und tragen zur Arbeit des Wahlkooperationsnetzwerkes bei. Unser Ziel ist es, bei allen Beteiligten das Bewusst­sein in Bezug auf gezielte Desinformationskampagnen aus Drittstaaten zu schärfen und vor allem die freie Presse in ihrer wichtigen Aufgabe zu unterstützen und zu stärken. In diesem Zusammenhang bin ich froh, dass erst kürzlich ein von der RTR ausgerichtetes Veranstaltungsformat zum Thema Desinformation in den Medien statt­gefunden hat.


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Zur Frage 14:

Medienkompetenz und kritisches Denken sind Voraussetzungen im Bemühen gegen Desinformation, ganz gleich, ob aus dem Inland oder aus dem Ausland. Maßnahmen zur Stärkung der Medienkompetenz müssen daher in alle Bereiche einfließen. Erst gestern wurde beispielsweise die Aufstockung des Privatrundfunkfonds von derzeit 15 Millionen Euro auf 20 Millionen Euro jährlich beschlossen, mit Fokus auf die För­derung der Medienkompetenz im Bewegtbildbereich, auch um gegen Manipulation und Desinformation anzukämpfen.

Zu den Fragen 15, 16 und 17:

Das Parteiengesetz 2012 ist damals von allen Parteien als Meilenstein in der Ent­wicklung des politischen Systems in Österreich deklariert worden. ÖVP, SPÖ und Grüne haben es gemeinsam verhandelt und beschlossen. (Zwischenrufe der Abge­ordneten Meinl-Reisinger und Scherak.) Die Regelungen sind das Ergebnis intensiver parlamentarischer Verhandlungen, und ich bin nach wie vor der Meinung, dass die Frage der Parteienförderung von allen Parteien im Parlament thematisiert werden sollte.

Darin waren sich alle Fraktionen stets einig, dass es eine Aufgabe des Parlaments und nicht der Regierung ist. Ich halte es daher für wünschenswert, wenn sich in dieser Frage auch zukünftig die parlamentarischen Klubs untereinander verständigen und versuchen, diese Fragen nicht nur zu diskutieren, sondern bei möglichen Weiterent­wicklungen auch gemeinsame Lösungen zu finden.

Zur Frage 18:

Die Presse- und Meinungsfreiheit ist eines der höchsten Güter unserer Demokratie und unserer westlichen Welt. Die Politik hat generell nichts mitzureden bei Beschäfti­gungs­verhältnissen von Journalistinnen und Journalisten in Medien und auch nicht bei der Berichterstattung. Um den freien Journalismus bestmöglich zu sichern, haben wir die journalistische Tätigkeit sogar von der DSGVO ausgenommen, was ich für richtig erachte. (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Zur Frage 20:

Unsere Behörden sind weiterhin Teil des europäischen Sicherheitsverbandes und tragen damit maßgeblich zur Sicherheit Österreichs bei. Insbesondere die Verhaftung von zwei mutmaßlichen IS-Terroristen vor kurzer Zeit in einem Wiener Gemeindebau wäre ohne die internationale Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern niemals möglich gewesen.

Im Übrigen bin ich den Sicherheitsbehörden sehr dankbar für ihre Tätigkeit zum Schutz der Österreicherinnen und Österreicher. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Gamon. – Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Ihre Redezeit laut Geschäftsordnung 10 Minuten nicht überschreiten darf. Bitte.


15.43.20

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich glaube, Sie hätten sich bei der Beantwortung der Fragen schon ein bisschen mehr Zeit lassen können – und in dem Fall die Wahlkampfrede und die lange Erklärung darüber ein wenig kürzer gestalten können –, dann hätten wir nämlich auch genauere Antworten auf die sehr wesentlichen


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Fragen gekriegt, die wir gestellt haben. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie haben gesagt, es sei ein Appell vor allem an die Eigenverantwortung der Bürger, dass sie selbst behutsam sein müssen. Das mag richtig sein, aber geben wir den Menschen auch wirklich die Instrumente in die Hand, die sie brauchen? Geben wir Kindern, Teenagern, Erwachsenen die Instrumente in die Hand, die sie brauchen, um Fake News auch wirklich erkennen zu können? Tun wir das?

Ich glaube, dass Sie jetzt mit Ihrer Anfragebeantwortung eine Ablenkung präsentiert haben, indem Sie über ganz viele andere Themen geredet haben. Über dieses kon­krete Thema, über dieses wichtige Anliegen und die Gefahr, darüber haben Sie sich im Endeffekt lustig gemacht. Sie haben es heruntergeredet, indem Sie über ganz andere Dinge gesprochen haben, die mit der konkreten Gefahr von Desinformation wenig bis absolut gar nichts zu tun hatten. Das zeigt, dass dieses Thema hier von der Bundes­regierung nicht ernst genommen wird. Es ist aber ein ernstes Thema, denn es betrifft unsere Demokratie. (Beifall bei den NEOS.)

Sie haben im Übrigen ein Beispiel aus dem letzten Nationalratswahlkampf genommen, nämlich die Diskussion, die es damals gegeben hat: Wer hat die größere Dreck­schleu­der bei Unwahrheitsverbreitungen? Ich finde das aber deshalb auch ganz interessant, weil das natürlich stimmt, es war extrem verwerflich, was damals passiert ist. Aber was ist denn in der Zwischenzeit passiert, um so etwas zu verhindern? Hat es in der Zwi­schenzeit in Schulen eine groß angelegte Offensive für Medienkompetenz gegeben? – Nein. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Kurz.) Hat es eine Erhöhung der Presse- und Medienförderung gegeben – mit Qualitätskriterien, die gezielt darauf einwirken würden, dass sich Medien darauf konzentrieren, keine Falschmeldungen zu verbrei­ten –, die qualitativen Journalismus unterstützt? – Nein. Hat es immer wieder klare Zurückweisungen gegenüber der FPÖ gegeben, wenn diese die Pressefreiheit angegriffen hat? – Na ja, manchmal. (Beifall bei den NEOS.)

Was wäre also in der Zwischenzeit anders gewesen? Was wäre heute anders? Wäre die Bevölkerung anders gewappnet gegenüber solchen Geschichten, die Sie ange­sprochen haben? – Nein. (Bundeskanzler Kurz: Aber die Partei muss es ja auch nicht machen! Es ist eine Frage des Empfängers!) – Herr Bundeskanzler, okay, Sie sagen, die Partei soll es nicht machen. Aber wenn wir nicht wollen, dass solche Meldungen – unabhängig davon, ob sie jetzt von einer Partei in Österreich kommen oder aus dem Ausland – unsere Wahlen beeinflussen, dann müssen wir die Bevölkerung wappnen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.) Wir müssen sie mit Infor­mation, mit Bildung wappnen.

Man kann sich nicht sicher sein. Wir können nicht garantieren, dass das nicht passiert, nämlich Desinformationskampagnen, ob vom Inland oder vom Ausland ausgehend; und weil wir es nicht garantieren können, muss in der Bevölkerung Resilienz da sein. Man muss resilient sein gegenüber Desinformationskampagnen, Falschmeldungen und Lügen! (Beifall bei den NEOS.)

Das macht das letztendlich aus und das haben wir in der Zwischenzeit nicht gemacht. Dabei gebe ich Ihnen recht: Ja, es liegt vor allem in der Verantwortung von Parteien, zu sagen, wir machen das nicht. Es liegt auch in der Verantwortung eines jeden Politi­kers, sachlich und ehrlich zu handeln. Das sollte im Mittelpunkt stehen. Hier im Nationalrat erleben wir das aber leider immer wieder nicht. Deshalb muss die Bevöl­kerung resilient sein, und wir müssen dafür sorgen, dass unsere Demokratie auch hier geschützt ist. (Beifall bei den NEOS.)

Bei der Europawahl steht wirklich verdammt viel auf dem Spiel in Bezug auf diese Fragen. Man hat es eben an diesem Interview von Steve Bannon in der „NZZ“ ge-


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sehen, das unsere Klubobfrau angesprochen hat. Er hat gesagt, nach der EU-Wahl ist in Brüssel jeden Tag Stalingrad. Ich halte das für eine harte Formulierung, aber das ist die Sprache, die er spricht. Er hat auch angekündigt: Die Nationalisten werden zusam­menarbeiten. Sie werden gemeinsam eine Allianz bilden, die, auch wenn sie noch keine Mehrheit haben, alles blockieren wird, was notwendig ist, um die Europäische Union weiterzubringen. Das ist die Gefahr, der wir bei dieser Wahl jetzt gegen­über­stehen. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist die Gefahr der nationalen Internationalen, es ist die Gefahr der Allianz der Rechtspopulisten im Europaparlament; und wir dürfen keinen Millimeter weichen, wenn es darum geht, unsere europäische Demokratie und den Rechtsstaat zu schützen. Es gibt ganz viele Akteure in dieser Welt, die nur ein Ziel haben, nämlich eine Welt zu schaffen, in der den Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr klar ist, was Wahrheit und was Lüge ist, und man es selbst auch kaum mehr herausfinden kann. Wem nutzt das? – All jenen, deren politisches Programm aus Lügen besteht und die davon profitieren, wenn Menschen unsicher sind, ob sie dem Staat noch vertrauen können, ob sie Institutionen noch vertrauen können, ob sie den Medien vertrauen können. Wenn wir uns gegen das, was immer wieder an Zweifel gesät wird, nicht sofort wehren, wird das die Demokratie nachhaltig zerstören. Es ist eine nachhaltige Gefahr.

Jedes Jahr, in dem wir es verabsäumen, Medienkompetenz in die Schulen zu bringen, jedes Jahr, in dem wir es verabsäumen, jungen Menschen diese Instrumente in die Hand zu geben, damit sie sich im Netz als mündige, informierte Bürger bewegen können, ist ein Jahr mehr, in dem Schüler aus der Schule kommen und nicht dafür gewappnet sind. Wir werden langfristig Probleme damit haben, und ich bin mir sicher, dass wir in zehn Jahren darauf schauen und uns wirklich fragen werden: Wie hat es sein können, dass wir es nicht geschafft haben, uns darauf vorzubereiten? (Beifall bei den NEOS.) Es wird für uns alle noch ein Problem sein.

Um jetzt ein Beispiel zu nennen, das, glaube ich, sehr praktisch darlegt, was das denn sein kann und wie Desinformation in sozialen Medien in Europa ausschaut, müssen wir nicht einmal über die USA oder das Brexitreferendum sprechen. Sie alle haben es gesehen, als Notre-Dame gebrannt hat. Das war eine sehr emotionale Situation für viele Franzosen, für alle von uns, für jeden Europäer, jede Europäerin. Schon während des Brandes haben sich im Netz in einer unfassbaren Geschwindigkeit Falsch­mel­dungen verbreitet, in denen es geheißen hat, das Feuer sei von Terroristen gelegt worden, obwohl es dafür natürlich keinen Anhaltspunkt gegeben hat. Es hieß, dass Muslime auf der ganzen Welt über das Feuer lachen. Das war eine von Rassisten und Spaltern verbreitete Lüge, die sich in so einer unfassbaren Geschwindigkeit verbreitet hat, dass einem wirklich schwindelig wird.

Diese Geschichte wurde auch von österreichischen Accounts geteilt, aber vor allem von russischen. Das ist ein ganz lebensnahes Beispiel dafür, wie das funktionieren kann. Es geht nicht nur um Wahlen. Es geht um unseren Alltag, es geht um unsere Realität. Es geht darum, dass man auch sehen kann, was Wahrheit und was Lüge ist. Es sind Desinformationsportale, die dem Kreml nahestehen, die diese Geschichten aufgreifen und ganz gezielt weiterverbreiten.

Die Europawahl ist auch ein Testlauf, ob die Abwehrmechanismen gegen eine solche Einflussnahme wirklich funktionieren. Es ist ein Testlauf, den wir unbedingt bestehen müssen. Wenn wir nämlich am Tag nach der Europawahl dastehen und ähnlich wie damals bei der Wahl in Deutschland eine riesige Kampagne wieder aufgefahren wird von wegen Wahlbetrug – denn man weiß ja nie, die Rechten?, da gibt es ja diesen linken Mob, der will das nicht, die haben das deshalb verhindert, und die Eliten haben sich gegen uns verschworen –, dann weiß man nicht mehr, was Wahrheit und was


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Lüge ist. Das ist die größte Gefahr, der die europäische Demokratie jetzt gegenüber­steht. (Beifall bei den NEOS.)

Wenn wir es nicht schaffen, gemeinsam die europäische Demokratie in diesem Kampf zu verteidigen, dann haben wir alle verloren. Diese Frage stellt sich jetzt bei dieser Europawahl und natürlich stellt sich die Frage: Was machen wir jetzt? – Ich zweifle gar nicht an, dass die Bundesregierung da Arbeitsgruppen, Kontaktstellen, Koordinations­runden und so weiter hat. Das ist auch richtig und wichtig, aber es dürfen keine Schein­maßnahmen bleiben und sein.

Wir alle müssen uns dem widmen! Das ist wirklich ein Aufruf. Es ist eine überpar­tei­liche Aufgabe, dass wir uns dem widmen. Es ist eine überparteiliche Aufgabe, dass wir uns endlich zusammenreißen und sagen: Wir wollen Medienkompetenz in die Schulen bringen, wir wollen die unabhängigen Medien in Österreich stärken, wir wollen qualita­tiven Journalismus unterstützen, wir wollen uns vor allem europaweit vernetzen, damit es in keinem europäischen Land passiert. Das ist unsere Verantwortung als Politike­rinnen und Politiker, die wir alle haben, um die Demokratie weiterleben zu lassen.

Eines muss auch einmal geklärt sein: Es geht hier nicht um das Thema Meinungs­freiheit. Es geht um Lügen. (Beifall bei den NEOS.) Eine Meinung kann man haben, wenn man auf Fakten basierend andere Schlüsse zieht. Dann hat man eine andere Meinung. Was wir aber nicht machen können, ist, zuzulassen, dass sich Menschen auf Lügen basierend vermeintlich Meinungen bilden und das dann weitergesponnen wird, um irgendeine politische Agenda zu unterstützen. Das hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun. Wir müssen die Meinungsfreiheit schützen, indem wir es verunmöglichen, dass Lügen im Internet verbreitet werden, denn das zerstört unsere Demokratie! Das ist unsere Aufgabe als österreichischer Nationalrat und das ist auch unsere Aufgabe im Hinblick auf diese Europawahl.

Es ist auch wichtig, dass es im Europaparlament eine breite proeuropäische Mehrheit gegen den rechten Block gibt. Das ist wichtig, um den Menschen die Zuversicht zu geben, dass Europa ein Ort ist, wo morgen immer besser ist als heute und wo es eine klare Ansage gegenüber jenen gibt, die Europa zerstören wollen, die die europäische Demokratie zerstören wollen und sich lieber von Externen beeinflussen lassen, anstatt selber zur Wahrheit zu stehen und ihre Meinung ordentlich zu verteidigen. Das ist keine demokratische Auseinandersetzung, das ist das Niveau, das Rechtspopulisten haben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!


Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (fortsetzend): Ich rufe Sie auf, zur Europa­wahl zu gehen, und ich rufe diese Bundesregierung auf, das Thema Desinformation ernst zu nehmen, weil es um unsere Demokratie geht. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Lindner.)

15.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Lopatka ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


15.53.48

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Jetzt spricht ein Vertreter der größten proeuropäischen Partei, der Europäischen Volkspartei. (Beifall bei der ÖVP.) Das ist eine richtige Information – dass nicht zu viel an Sorge und Angst bei den NEOS hier aufkommt. (Abg. Loacker: Da lacht er selber! – Abg. Leichtfried: Nicht nur bei den NEOS.) Also die proeuropäische Stimmung ist gegeben, und die Gefahr, dass diese positive Ent-


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wicklung, die die Europäische Union trotz all der Krisen, die wir gehabt haben, nehmen konnte, nicht fortgesetzt werden könnte, die ist bei Weitem nicht so groß, wie Sie sie hier darstellen wollen.

Die Begründung der Dringlichen Anfrage der NEOS ist schon ein Konvolut an ver­schwörungstheoretischen Befürchtungen und an Behauptungen. Noch haben wir in Europa nämlich Nationalstaaten, die verantwortlich sind. Wenn etwas in Spanien, in Deutschland oder in Frankreich vorgefallen ist, dann können Sie doch nicht Sebastian Kurz und die österreichische Bundesregierung dafür verantwortlich machen, und erst gar nicht, wenn in den USA im letzten Präsidentschaftswahlkampf Cyberkriminalität betrieben worden ist.

Meine Damen und Herren von den NEOS, Sie haben als Dämon jetzt den russischen Präsidenten ausgemacht. Fürchten Sie sich bitte auch hier nicht zu sehr! Bundes­präsident Van der Bellen war gestern in Russland, und wissen Sie, was er gesagt hat? – Er sehe keine Vertrauenskrise zwischen Europa und Russland, es brauche aber Geduld, da man in 5 Minuten sehr schwierige Probleme nicht lösen könne.

Bundespräsident Van der Bellen hat den von Ihnen dämonisierten Präsidenten Putin nach Salzburg eingeladen. Der „Kurier“ schreibt heute: „Eineinhalb Stunden sprachen die Präsidenten miteinander – länger als geplant und [...] in bestem Klima.“ – Also fürchten Sie sich nicht! Zu viel gefürchtet ist auch gestorben, sagt man bei uns in der Oststeiermark! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir sehen die Gefahren, und wir wollen diese Fragen viel offensiver angehen, als Sie es tun. (Abg. Meinl-Reisinger: Woher nehmen Sie das?) Was mich bei Ihnen als proeuropäischer Partei schon wundert, ist, dass Sie so wenig Vertrauen in die Europäische Kommission in dieser Frage haben und auch so wenig Vertrauen in die einzelnen Nationalstaaten, was ihre digitale Stärke betrifft. So hintennach sind wir nicht hier in Europa! (Abg. Scherak: ... Digital Native Reinhold Lopatka! – Weitere Zwi­schenrufe bei den NEOS.)

Was Österreich betrifft, hätten Sie heute Vormittag schon Innenminister Kickl zuhören können, denn da haben wir genau diese Fragen schon diskutiert, was Falschinfor­mationen und Manipulation betrifft. Auch die jetzige Anfragebeantwortung von Bun­deskanzler Sebastian Kurz war, glaube ich, sehr klar und überzeugend. Wenn es um unsere liberale Rechtsordnung geht, brauchen wir von Ihnen keine Aufforderungen. Das ist uns sehr, sehr wichtig. (Abg. Meinl-Reisinger: Doch, bedauernswerterweise schon!) – Nein, das ist uns sehr, sehr wichtig.

Wir treten für eine wehrhafte Demokratie im Sinne von Karl Popper ein. Wir sehen viel früher die Gefahren. Da sind wir dann in keiner Weise tolerant – wenn Sie Intolerante unterstützen (Ruf bei den NEOS: Unterstellen Sie uns nicht, ...!), wenn unsere Grund­werte gefährdet werden. Das hat gestern Kollege Taschner sehr schön heraus­gearbeitet bei der Diskussion, in der es um das Kopftuch gegangen ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Wir wollen eine offene und freie Gesellschaft! Dafür treten wir ein. Wir wollen nicht, dass Frauen in Österreich aus falsch verstandener Toleranz auch nur etwas von dieser Freiheit genommen wird. (Abg. Scherak: ... am falschen Tag heute! – Ruf: Es ist Donnerstag!)

Eines sage ich Ihnen aber schon: Wir nehmen das Unbehagen der Menschen durch­aus ernst, und das unterscheidet uns von der SPÖ. Wenn wir das hier artikulieren und Bundeskanzler Sebastian Kurz richtigerweise Reformvorschläge macht, dann wird er von Ihnen als antieuropäisch abgekanzelt. Es gibt jedoch eine weitverbreitete Skepsis gegenüber der EU. Wir begegnen heute einer Stimmung der Verunsicherung und manchmal auch der Ablehnung. Viele Menschen sind enttäuscht und verärgert. (Abg.


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Meinl-Reisinger: Sie machen Tür und Tor auf ...! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS.)

Kollege Drozda! Viele Menschen sind enttäuscht und verärgert über die geringen Fortschritte, die die EU erreicht hat. Viele Menschen beklagen das Demokratiedefizit der EU und mangelnde Transparenz; und viele Menschen haben den Eindruck, dass sich die EU mehr mit sich selbst beschäftigt als mit den Problemen der Menschen. (Abg. Heinisch-Hosek: Was war während der Ratspräsidentschaft?) – Nein, das war vor unserer Ratspräsidentschaft. (Abg. Heinisch-Hosek: Was hat er gemacht?) Das haben im berühmten Brief Gusenbauer und Faymann gesagt – das waren Ihre beiden Bundeskanzler. Das war ihr berühmter Brief an die „Kronen Zeitung“, den ich zitiert habe, wo sie all das gesagt haben. Kennen Sie die beiden nicht mehr? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Professor Taschner hätte jetzt gesagt, damnatio memoriae ist das, was hier bei der SPÖ betrieben wird. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) – Ja, die kennen Sie beide nicht mehr.

Wir sind da viel offensiver als Sie. Diese Bundesregierung hat in ihrem Regie­rungsprogramm festgeschrieben, dass wir ein verlässlicher und aktiver Partner der EU sind (Abg. Heinisch-Hosek: ..., seine Ratspräsidentschaft hat nichts gebracht!), und es nicht so jämmerlich formuliert, wie das Ihre beiden Bundeskanzler, als Sie noch den Bundeskanzler gestellt haben, getan haben. Da sind Sie weit weg von dem, was diese Bundesregierung für Europa leistet. Wir bleiben nicht im Jammern stecken! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Unser Ansatz ist ein positiver, aber es ist so, wie Bundeskanzler Kurz gesagt hat: Wir müssen diese Europäische Union näher zu den Menschen bringen, damit eben die Menschen bereit sind, auch an Wahlen teilzunehmen, und das gelingt uns nur, wenn wir menschennahe Regelungen treffen. Dort, wo die Gemeinde eine Lösung findet, braucht es nicht den Landeshauptmann dazu (Zwischenruf des Abg. Drozda), dort, wo die Bundesländer das schaffen, braucht es nicht die Bundesregierung dazu – und wir brauchen dort nicht Europa, wo wir zuständig sind!

Diesbezüglich hat es in Europa in der letzten Zeit eine schleichende Entwicklung gegeben, die ich hier schon ansprechen möchte. Bei delegierten Rechtsakten zum Beispiel haben wir als nationales Parlament keine Möglichkeit mitzuwirken. Die Zahl dieser delegierten Rechtsakte ist innerhalb der letzten Jahre von 38 im Jahr auf 133 angestiegen. Da kann ich nicht sagen, dass ich weniger Regelungen hatte!

Im Jahr 2000 hatten wir in Europa 16 Verordnungen – da können wir nicht mitreden – und 34 Richtlinien – wenn Richtlinien richtig abgefasst sind, haben wir noch Möglich­keiten, hier mitzureden. Das hat sich auf den Kopf gestellt: Wir haben jetzt jedes Jahr über 50 solch neue Verordnungen, neue Gesetze, und nur mehr 14 Richtlinien. (Abg. Leichtfried: Ja, aber wer ...? – Zwischenruf des Abg. Drozda.)

Wir sind gegen solche Tendenzen, dagegen, dass die Europäische Union schleichend auch auf Bereiche zugreift, für die sie nicht zuständig ist: Arbeitsmarkt, neue Be­richtspflichten, das ist so ein Beispiel. Reden Sie mit Ihrem S&D-Spitzenkandidaten Timmermans! Wir haben das im Detail besprochen. Sie finden die Ergebnisse der Taskforce auf der Homepage der Europäischen Union.

Daher sage ich Ihnen, ich bin den NEOS dankbar für diese Dringliche Anfrage. (Abg. Meinl-Reisinger: Also das ist ...!) Bundeskanzler Kurz konnte sehr klar darstellen, wofür diese Bundesregierung steht. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)


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Diese Bundesregierung steht für eine aktive Teilnahme am Prozess in der Euro­pä­ischen Union, dass sich die Europäische Union gut weiterentwickelt.

Sie wird sich nur dann gut weiterentwickeln, wenn sie auf das Grundprinzip der Subsidiarität Rücksicht nimmt – ein Grundprinzip, das schon die Gründungsväter der Europäischen Union für ganz, ganz wichtig erachtet haben. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie relativieren das ...! Sie relativieren! Einmal mehr ...!) Und das vergessen Sie immer mehr, wir nicht, was notwendig ist! Wir brauchen die Einbindung aller Ebenen, damit sich Europa gut weiterentwickelt. Es darf kein Kopfprojekt werden, es muss ein Projekt der Menschen bleiben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Wittmann: Das war absur­des Theater!)

16.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Gäste der Präsidentin Kitzmüller recht herzlich bei uns auf der Galerie begrüßen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Leichtfried. – Bitte.


16.02.24

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Ruf bei der SPÖ: ... Silberstein ...!) Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie, zu Hause – wo immer Sie zusehen oder zuhören! Ich wollte mich eigentlich nicht auf dieses Niveau begeben, Herr Bundeskanzler, aber jetzt möchte ich auf dem gleichen wie Sie bleiben: Jemand, der einen Aprilscherz der „Presse“ entweder missversteht oder verwendet, um mit dem Wiener Schnitzel Europapolitik zu betreiben, sollte beim Thema Desinformation vielleicht eher ruhig sein, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Geschätzte Damen und Herren! Die „New York Times“ hat vor einigen Tagen Fol­gendes geschrieben: „Indeed, Vienna, a famed hub of international spy intrigues during the Cold War, is back at the center of a battle between liberal Western ideas and extremist forces increasingly allied across European borders.“ – Das schreibt die „New York Times“.

Es war die österreichische Erfolgsgeschichte als neutrales Land, eingebettet in die Werte des Westens – Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Pressefreiheit, Kampf gegen Rechtsextremismus –, was die Katastrophe des 20. Jahrhunderts zu einem solchen Erfolgsweg für unser Land gemacht hat und wodurch wir Freiheit und Wohlstand erlangt haben, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Und leider waren es Sie, Herr Bundeskanzler - - (Bundeskanzler Kurz blickt auf sein Handy.) – Diesmal ist es nicht Candy Crush (Bundeskanzler Kurz: Ich höre Sie!), es ist etwas anderes. (Abg. Schwarz: Er kann Multitasking, im Unterschied zu vielen ande­ren!) Haben wir den letzten Highscore erledigt, und jetzt sind wir wieder da, nicht? (Abg. Neubauer: Die Rede ist eh nicht so interessant, dass ...! – Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Sie, Herr Bundeskanzler, haben die Diskussion (Ruf: Hast du dir keine Rede vorbereitet?), ob wir diesen Weg weiter beschreiten (Abg. Neubauer: Er kann ja nicht einmal herunterlesen!) oder ob diese Auseinandersetzung wieder bei uns stattfindet, wieder nach Wien gebracht.

Als ich Sie kennengelernt habe, Herr Bundeskanzler, habe ich bei allen inhaltlichen Unterschieden, die uns politisch trennen, und vielleicht bei allen Unterschieden, wie wir unsere Arbeit erledigen, schon gemeint, dass wir bei diesen fundamentalen Fragen auf der gleichen Seite stehen (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Kurz), also


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Demokratie, Rechtsstaatlichkeit. Ich habe jetzt massive Zweifel. – Meinen Sie nicht, dass wir auf der gleichen Seite stehen, Herr Bundeskanzler? Ich nehme das zur Kennt­nis. Danke schön, Herr Bundeskanzler. (Beifall bei der SPÖ.)

Es waren nämlich Sie, der die FPÖ mit dem Innenministerium betraut hat. Es waren Sie, der die FPÖ mit dem Verteidigungsministerium betraut hat. Es sind Sie, der jetzt als Bundeskanzler am Ende die Verantwortung dafür trägt (Abg. Hauser: Die Wähler ...!), dass westliche Staaten Informationen nur mehr teilweise oder gar nicht mehr mit uns teilen, und das ist extrem gefährlich für unser Land, Herr Bundeskanzler. Das ist Ihre Verantwortung! (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT.)

 Wenn wir diese Informationen nicht bekommen, ist das schlecht für die Terror­bekämp­fung. Wenn wir diese Informationen nicht mehr haben, ist das schlecht, wenn wir De­stabilisierungsversuche bekämpfen wollen. Wenn wir diese Informationen nicht mehr haben, ist das schlecht, wenn wir Wahlbeeinflussung, wie es die Klubobfrau der NEOS angemerkt hat, bekämpfen wollen. Und der Grund dafür ist relativ leicht nachvoll­ziehbar: Das sind die Kontakte und Informationsflüsse Ihres Regierungspartners einerseits zu den Rechtsextremen und andererseits nach Russland. Das war der Grund für diese Entwicklung, Herr Bundeskanzler, und auch das haben Sie zu verant­worten! (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT.)

Es ist doch kein Zufall, dass das Erste, was passiert ist, als die FPÖ in Regierungs­beteiligung gekommen ist, war, dass gerade jene Behörde, die beides verhindern sollte, mit einer illegalen Razzia ausgeschaltet worden ist. Das war kein Zufall, Herr Bundeskanzler, nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Sie haben mit der FPÖ eine Partei in die Regierungsverantwortung geholt, die schein­bar nicht nur unsere Zugehörigkeit zum westlichen Wertesystem, zur gelebten Neu­tralität (Ruf: Die Neutralität wollen die NEOS abschaffen!), zum Kampf gegen den Rechtsextremismus nicht wirklich vor sich trägt, Sie haben eine Sicherheitsrisikopartei, Sie haben das blaue Trojanische Pferd der Frau Le Pen und des Herrn Putin in die Regierung geholt. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Das ist Ihre Verantwor­tung, für die wir lange die Folgen tragen werden, Herr Bundeskanzler. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Leichtfried, ich ersuche Sie, den Ausdruck „illegale Razzia“ zurückzunehmen, weil es keine illegale Razzia war, sondern eine Hausdurchsuchung aufgrund der staatsanwaltlichen Anordnung. (Abg. Meinl-Reisinger: Die rechtswidrig war! Rechtswidrig! – Weitere Zwischenrufe.) – Dann erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf dafür. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schieder: Skandal!) – Bitte?


Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (fortsetzend): Ich wollte es gerade zurück­neh­men. (Abg. Pilz: Das ist eine wirkliche Sauerei! – Weitere Zwischenrufe.)

16.08.17*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Pilz, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf. (Abg. Wittmann: Eine Sauerei!) Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf, merken Sie sich das, bitte!

*****


16.08.29

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (fortsetzend): Der Herr Präsident hat mich auf­gefordert, den Ausdruck „illegale Razzia“ zurückzunehmen.


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Ich nehme es zurück und sage es so: eine Hausdurchsuchung, die nachträglich als rechtswidrig erkannt wurde. (Der Redner dreht sich zu Präsident Sobotka.) – Aber jetzt ist der Ordnungsruf auch weg, oder? (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Abg. Schieder: Was heißt rechtswidrig auf Latein, nur einmal so gefragt? Illegal! – Abg. Rosenkranz: Kollege Schieder, ungesetzlich und rechtswidrig sind auch zwei verschiedene Dinge!)

16.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Das ist in Ordnung. Der Ordnungsruf ist zurück­genommen, ganz klar.

*****

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haider. – Bitte.


16.09.08

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Herr Präsident! Wenn man dem Kollegen Leichtfried zuhört, fragt man sich, warum die SPÖ dann nach der letzten Wahl die FPÖ förmlich angewinselt und angefleht hat, dass sie mit ihr in eine Koalition geht (Oh-Rufe bei der FPÖ), damit die SPÖ ihren Bundeskanzler halten kann. Das ist ja wirklich lächerlich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Und weil in dieser Dringlichen Anfrage - - Aber nein, ich muss bei der SPÖ bleiben: Es ist schon sehr interessant, weil uns hier vorgeworfen wurde, die Freiheitlichen hätten Verbindungen zu russischen Parteien, und das ist ganz schlimm und ganz schrecklich und so weiter, und da erinnere ich an Folgendes, weil ich gerade Herrn Schieder hier sitzen sehe, der ja auch Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats ist – sein eigener Vater war ja auch Präsident dieser Versammlung (Zwischenruf des Abg. Schieder) –: Interessanterweise war der Ultranationalist Schirinowski von der LDP Russlands damals (erheitert) Mitglied der sozialistischen Fraktion im Europarat. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Das sind eure Freunde! (Beifall bei der FPÖ.) Und Herr Sluzki, der Nachfolger von Herrn Schirinowski in der Schirinowski-Partei im Europarat, war sogar (erheitert) stellvertretender Fraktionsvorsitzender bei den Sozialisten im Europarat. (Ruf bei der FPÖ: Ui!) So viel also dazu! (Ruf bei der FPÖ: Um Gottes willen! Wahnsinn!)

Ganz kurz zu dieser wirklich befremdlichen, komischen Dringlichen Anfrage der NEOS: Ja, wir als FPÖ haben Kontakte zu Parteien aus anderen Ländern. (Abg. Rosenkranz: Jö!) Wir suchen patriotische, freiheitsliebende Kräfte, um mit ihnen in der EU, im Europarat oder in der Parlamentarischen Versammlung der OSZE jene Politik voran­zutreiben, die patriotische und freiheitsliebende Kräfte eben machen möchten, und ihr zum Durchbruch zu verhelfen. Jawohl, das machen wir. Das ist auch in Ordnung. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir machen das nicht nur in Russland, nein, wir machen das auch in den USA! Das überrascht jetzt vielleicht die NEOS, aber Herr Vilimsky war in den letzten Monaten einige Male in den USA und hat von Ministerebene abwärts viele Gespräche geführt. Ich war im Dezember bei einer Sicherheitskonferenz im Kongress in Washington und habe dort viele Gespräche geführt.

Wir pflegen aber nicht nur Parteikontakte, nein, Verteidigungsminister Mario Kunasek war kürzlich beim amerikanischen Verteidigungsminister (Ruf bei der FPÖ: Nein! Das gibt es doch gar nicht!) und hat dort tatsächlich eine Kooperation Österreichs mit der amerikanischen Armee abgeschlossen. (Ruf bei der SPÖ: Mit der Steinschleuder oder was?) Ein freiheitlicher Minister hat mit dem US-Militär eine Kooperation Österreichs vereinbart.


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Also merken Sie jetzt schon langsam, wie Ihr Feindbild mit Russland und den Frei­heitlichen ins Wanken gerät? Merken Sie selbst die Absurdität Ihrer Argumentation? (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Nein!) Sind Sie da überhaupt nicht einsichtig? (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Kollege Lopatka hat schon über den Bundespräsidenten gesprochen, der gestern im Rahmen des Sotschi-Dialogs den russischen Präsidenten getroffen hat. Darüber brauche ich gar nichts zu sagen, obwohl ich da einige Zitate hätte, worin beide völlig übereinstimmen und einig sind. Ich erspare es mir, denn anscheinend ist ja jetzt auch der Bundespräsident nach eurer Diktion ein ganz böser Rechter. Aber davon distanziere ich mich, das möchte ich auf gar keinen Fall so hingestellt wissen.

Wichtig ist Folgendes: Jede Großmacht, jede weltbeeinflussende Macht – USA, China, Russland – hat natürlich ihre eigenen Interessen und verfolgt diese selbstverständlich. (Abg. Meinl-Reisinger: Das können Sie sich als FPÖ ...!) Gerade den NEOS sollte bekannt sein, dass solche Bestrebungen von jeder dieser Weltmächte natürlich auch strategisch und zielgerichtet durchgeführt werden.

Ich erinnere an Alexander Graf Lambsdorff, euren eigenen Fraktionskollegen in der ALDE, der liberalen Fraktion im EU-Parlament. Er ist Vorstandsmitglied der soge­nann­ten Atlantik-Brücke. Das ist nichts anderes als ein Verein, der massiv Lobbying für die USA betreibt. Das ist auch in Ordnung. Zum Beispiel müssen alle Mitarbeiter des Springer Verlags ihre Solidarität mit der USA unterschreiben. Das ist Einflussnahme, so wird da gearbeitet, und eure Leute sind da dabei. Ich komme später noch einmal darauf zurück.

Österreich vertritt seit Kreisky – genauso wie die Freiheitlichen – eine Politik des Aus­gleichs zwischen Ost und West. Wir verstehen Österreich als neutrales Land, als Brückenbauer zwischen Ost und West. Wir bewahren immer auch unsere Äquidistanz zu den großen Mächten außerhalb der EU. (Abg. Meinl-Reisinger: Haben Sie einen Kooperationsvertrag ...? Wo ist die Äquidistanz?)

Gerade unsere Frau Außenminister Kneissl hat ja noch im Dezember vorigen Jahres gemeinsam mit dem amerikanischen Außenminister Pompeo einen strategischen Dialog initiiert. Es entbehrt also wirklich jeglicher Grundlage, dieser Bundesregierung da auch nur irgendetwas vorzuwerfen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Frau Klubobfrau, da können Sie motschgern, wie Sie wollen: Ich erinnere Sie nur an Herrn Strolz, Ihren eigenen Parteigründer und Vorgänger. Er hat sich im Zuge des letzten EU-Wahlkampfs hingestellt und gesagt – ich glaube, das habe ich sogar hierher mitgenommen (den entsprechenden Artikel der „Presse“ in die Höhe haltend) –, er sieht Russland langfristig als Mitglied der EU. Was haben Sie also auf einmal gegen Russland? Wir können nur miteinander und durch Dialog für uns alle das Beste herausholen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Neuerliche Zwischenrufe der Abg. Meinl-Reisinger.)

Aber ich verstehe es schon: Desinformation und Einflussnahme sind ja Themen Ihrer Dringlichen Anfrage. (Abg. Hafenecker: Die NEOS sind eh desinformiert! Das stimmt ja!)

Na ja, schauen wir uns das einmal an: Die Gaspipeline Nord Stream ist ein gutes Beispiel. Das ist ein Projekt, bei dem eine Erdgaspipeline von Russland nach Deutsch­land gebaut werden soll, um Versorgungssicherheit für Europa herzustellen, und in Wahrheit könnte man ja gar nicht dagegen sein. Herr Weber von der Europäischen Volkspartei – auf ihn komme ich noch zurück – ist allerdings dagegen, und interes­san-


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terweise ist auch Herr Auštrevicius, der Vizepräsident der liberalen ALDA-Fraktion im Europäischen Parlament, dagegen.

Wie kann man gegen Versorgungssicherheit, gegen Nord Stream 2 sein? – Na, das ist eine ganz klare Sache: Durch den Frackingboom haben die Amerikaner selbst billiges Erdgas, das sie verkaufen möchten, und daher ist es ihnen natürlich ein Dorn im Auge, wenn die Russen uns Erdgas verkaufen wollen, und darum wird das bekämpft.

Wenn man solch eine Weltmacht ist, die geschäftliche Interessen hat, dann kommt natürlich die Einflussnahmemaschinerie in Gang und dann geht man zu seinen Partnern und aktiviert die Verbündeten, um Stimmung gegen das Projekt zu machen.

Meine lieben Damen und Herren von den NEOS, wir sehen jetzt, wie Einflussnahme wirklich ausschaut, denn eure Fraktion ist da ganz munter dabei. Ihr solltet euch vielleicht selbst einmal über die Einflussnahme von Großmächten in eurer eigenen Fraktion Gedanken machen (Abg. Meinl-Reisinger: Sie reden einfach irgendwas! Das ist Ihnen so unangenehm ...!), bevor ihr noch weiteren Schaden in Österreich und auch in Europa anrichtet. (Beifall bei der FPÖ.)

Damit komme ich auch langsam zum Schluss. Es wundert mich ohnehin nicht: Zehn Tage vor der Europawahl kommt man als NEOS mit den Orchideenthemen Vereinigte Staaten von Europa und europäische Armee halt nicht weiter, da muss man schauen, dass man andere irgendwie anpatzt. Wenn 21 europäische Staaten Nato-Mitglieder sind, zu glauben, da wäre irgendwie noch etwas mit den Vereinigten Staaten von Europa zu machen?! Wenn das bei 21 europäischen Nato-Mitgliedstaaten passiert, wissen Sie, was dann ist? – Dann können wir uns als 51. USA-Bundesstaat anmelden, denn dann kommen die Befehle direkt aus Washington. So schaut das aus. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist das beste Argument für eine souveräne Verteidigungspolitik! Genau das ist das beste Argument für eine souveräne Europäische Union, das stimmt!) Das scheint offensichtlich eure Strategie zu sein.

Ich bin dem Bundeskanzler auch sehr dankbar, weil er vorhin gesagt hat, dass er den EVP-Spitzenkandidaten Weber unterstützt. Ich gebe zu bedenken, dass das jener Herr Weber ist, der schon öffentlich kundgetan hat, dass er lieber mit Sozialisten, mit Liberalen, mit Grünen, mit Linkslinken aller Couleur zusammenarbeitet als mit den patriotischen und freiheitsliebenden Kräften, die diese Wahl höchstwahrscheinlich gewinnen werden. Darum bin ich auch für die Klarstellung sehr dankbar, wo die EVP nach dieser Wahl stehen wird, denn das zeigt uns auch, dass das halt das Lager der Zentralisten ist.

Für diese EU-Wahl ist daher völlig klar, dass die FPÖ der einzige Garant für mehr Österreich und für weniger Bevormundung aus Brüssel ist und dass wir der einzige Garant für den Schutz unserer Bürger vor unkontrollierter Zuwanderung und Asylchaos sind.

Völlig klar ist auch: Derjenige, dem Österreich egal ist, hat die Wahl aus fünf Zentra­lisiererparteien. Der, dem Österreich wichtig ist und der Österreich liebt, der wird bei dieser Wahl nur die FPÖ wählen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Zadić. – Bitte.


16.19.23

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Frau Ministerin! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und


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Zuseher! Die freiheitlich-russische Freundschaft ist ja schon länger bekannt und auch gut dokumentiert. Es gibt zahlreiche Medienberichte dazu, und basierend auf diesen Medienberichten habe ich vor ungefähr einem Monat zahlreiche Anfragen an die FPÖ-geführten Ministerien gestellt. Ich muss sagen, ich freue mich schon sehr auf deren Beantwortung, denn ich glaube noch an das Instrument der parlamentarischen Anfra­gen.

Vor Kurzem hat eine Tageszeitung die FPÖ als Trojanisches Pferd Russlands bezeich­net, auch Abgeordneter Leichtfried hat die FPÖ als Trojanisches Pferd bezeichnet. (Abg. Rosenkranz: Welche Zeitung war denn das? Damit ich nachschauen kann!) Ich muss dem leider widersprechen, denn der Vergleich hinkt. Bei einem Trojanischen Pferd wissen wir nämlich nicht, was dahintersteckt, aber bei der FPÖ wissen wir sehr wohl, dass Putin immer wieder Versuche unternimmt und die FPÖ auch dazu verwen­det, in der österreichischen Politik Fuß zu fassen. (Abg. Rosenkranz: Aber in der Sage war der Odysseus an sich der Gute, gell?) Das ist ja auch belegt, es gibt ja einen Freundschaftsvertrag zwischen der FPÖ und Putins Partei Einiges Russland. Dieser Freundschaftsvertrag aus dem Jahr 2016 wurde auch unterzeichnet von den Herren Strache, Hofer, Vilimsky und Gudenus.

Wir alle, die wir aus der Privatwirtschaft kommen, wissen ja, warum man Verträge ab­schließt, Verträge sollen ja Vorteile für beide Seiten bringen. Was sind denn nun die Vorteile für Russland und was sind die Vorteile für die FPÖ? – Die Vorteile für Russland liegen meines Erachtens klar auf der Hand; Russland schweigt auch nicht, die geben ja offen zu, was sie wollen, dass gewisse europäische Parteien für sie tun. Sie wollen – sie fordern ja auch dazu auf – Unterstützung, wenn es um das Ende der Russlandsanktionen geht. Sie fordern auch eine Anerkennung der völkerrechtswidrig besetzten Krim.

Russland wünscht sich auch einen zweiten Punkt – und da ist Russland wahrscheinlich mit den Großmächten nicht allein –: Geopolitisch ist es weder in Russlands Interesse noch im Interesse der USA, dass wir ein starkes Europa haben. Und Europa ist nur dann stark, wenn es gemeinsam mit einer Stimme in allen außenpolitischen Fragen spricht. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Leichtfried.)

Aber die Sorge, dass mit diesem Vertrag Einfluss auf die österreichische Politik aus­geübt wird, haben nicht nur wir, sondern die haben laut internationalen Medien­berich­ten auch die Sicherheitsbehörden Europas. Die Geheimdienste Europas machen sich Sorgen und teilen deswegen nicht alle Informationen mit unserem Geheimdienst. Sie haben Angst, dass russlandrelevante Informationen in falsche Hände geraten, sie haben Angst, dass ihre Informationen weitergeleitet werden.

Russland übt einen gewissen Einfluss auf Europa aus. (Abg. Höbart: Die Geostrategin Alma Zadić!) Es macht das mit den Freundschaftsverträgen, die ich eingangs erwähnt habe; diese Freundschaftsverträge gibt es ja auch mit anderen Parteien. Es gibt sie mit der Lega Nord, es gibt sie auch mit Le Pens Partei. (Abg. Höbart: Die ist eine richtige Geostrategin, die Frau Kollegin!)

Was macht aber Russland so gefährlich für uns und was macht Russland so gefährlich für Europa? – Russland hat in den vergangenen Jahren neben Gas sehr erfolgreich einen weiteren Exportschlager entwickelt, und das sind Fake News. Diese Fake-News-Kampagnen werden über Pro-Moskau-Plattformen wie Russia Today oder Sputnik News, aber auch über zahllose andere Fake-Accounts verbreitet. Allein während der Brexitkampagne 2016 wurden auf Twitter 150 000 russische Fake-Accounts gesperrt. Das wäre ungefähr so, als würde ganz Linz für Putin twittern. Mit diesen Fake News


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soll das Vertrauen in unsere Demokratie und unseren Staat und seine Institutionen geschwächt werden.

Es gibt auch zahlreiche andere russische Cyberangriffe, die belegt sind. Wenn man sich allein das Jahr 2017 anschaut, beispielsweise Deutschland: Nach der Bundes­tagswahl streuen gewisse Plattformen und Social-Media-Accounts das Gerücht, Wah­len seien zuungunsten der AfD manipuliert worden.

Frankreich, 2017: Das Team von Macron wird wenige Tage vor den Wahlen gehackt, um seine Kampagnen lahmzulegen.

Spanien, 2017: Es gibt zahlreiche russische Fake News im Zusammenhang mit dem Katalonienreferendum.

All das, meine Damen und Herren, ist eine Taktik, eine Taktik, um Europa zu schwächen, um das gemeinsame europäische Ziel zu schwächen. (Beifall bei JETZT. – Abg. Höbart: Was ist denn das gemeinsame europäische Ziel?) – Ein starkes Europa.

Die EU findet leider vor der EU-Wahl keine wirksamen Mittel gegen diese Desinfor­mationskampagnen. Recherchen eines Journalistennetzwerks, Investigate Europe, haben ergeben, dass die Einheit, die die Europäische Union im Europäischen Auswär­tigen Dienst ins Leben gerufen hat, die East StratCom Task Force, weitgehend wirkungslos ist, wenn es um Desinformationskampagnen geht, die ihren Ursprung in Europa haben. Sie ist schon ganz gut, wenn der Ursprung außerhalb Europas liegt, aber wenn der Ursprung in Europa liegt, ist sie weitgehend wirkungslos. Genau das ist auch der Grund, warum sich gewisse russische Akteure gerne europäischer Akteure und europäischer Parteien bedienen, um ihre Fake News in Europa zu streuen.

Das alles ist sehr beunruhigend und macht uns allen zu Recht Angst. Daher fordere ich auch den Bundeskanzler auf, hier wirklich genau zu schauen und darauf zu achten, dass Österreich nicht dem politischen Einfluss Russlands unterliegt und dass wir Europa vor russischem Einfluss schützen. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


16.26.27

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Frau Ministerin! Hohes Haus! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Galerie! Ja, es wurde schon gesagt: Wir leben in Zeiten, in denen Desinformation und Fake News immer mehr in die Wohnzimmer kommen und als etwas ganz Normales gelten. Umso erstaunter bin ich in der Debatte gewesen, als ich den Vorrednern insbesondere von den Regierungsparteien zugehört habe. Es hat eigent­lich schon gestern am Abend mit der Ablehnung des Antrages für mehr Medien­kompetenz in der Erwachsenenbildung begonnen. Ich bin nach wie vor schwer erstaunt, was die Regie­rungsfraktionen da getrieben hat.

Es ging aber heute weiter: Der Herr Bundeskanzler hat zu meinem Erstaunen eigent­lich nicht über das Thema Fake News geredet, sondern hier nur eine Wahlrede gehalten. Es ist schön und gut, dass ihm die Europawahl wichtig ist, aber ich glaube, dass unsere Demokratie noch etwas viel, viel Wichtigeres ist und wir diese gemeinsam schützen müssen und das im Vordergrund stehen sollte. (Beifall bei den NEOS.)

Herr Kollege Haider hat etwas Ähnliches gemacht, er hat als Erstes einen Haufen von Terminen aufgelistet, die ganz wichtig waren, dann hat er ein paar Medienartikel zitiert,


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und abschließend hat er auch eine Wahlkampfrede gehalten. Auch da stelle ich die Frage: Ist Ihnen nicht unsere Demokratie wichtiger? (Abg. Hafenecker: Wahlen sind ein starkes Element der Demokratie! Das sollte man auch nicht vergessen!)

Die Rede des Herrn Kollegen Lopatka hat mich wirklich erschüttert, weil sie gezeigt hat, dass Sie, Herr Kollege, entweder die Anfrage nicht gelesen haben oder null Ahnung vom Thema Fake News haben. (Abg. Lopatka: Was ist in Österreich passiert bei Fake News? Nennen Sie mir ein Beispiel! Nennen Sie mir ein Beispiel!) – Ich nenne Ihnen nachher ein Beispiel. Es gibt ständig Angriffe auf unsere Demokratie, und es ist der ÖVP einfach egal. Es ist der ÖVP einfach egal! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Lopatka: Nennen Sie mir ein Beispiel!) – Ich nenne Ihnen nachher eines, warten Sie! (Abg. Hafenecker: Wahlergebnisse, wo die FPÖ gewinnt, das ist ein Angriff auf die Demokratie!)

Wenn wir über die Bekämpfung reden, sind das Einzige, das von der Regierung kommt, Maßnahmen, die meistens an Zensur erinnern. Es gab die Geschichte aus dem Innenministerium – Sie werden sich möglicherweise erinnern –: Der Innenminister hat damals E-Mails geschrieben beziehungsweise Mitarbeiter aus seinem Kabinett, dass man bitte nicht mehr mit den Medien reden soll. (Abg. Lopatka: Das sind Fake News!) Das sind ganz klassische Beispiele von ersten Schritten in die Zensur.

Der zweite Punkt ist diese großartige Möglichkeit, die Sie versucht haben zu schaffen - - (Abg. Rosenkranz: Das betreiben Sie auch, die Zensur: keine Inserate für „Wochen­blick“!) – Hören Sie mir zu, Herr Klubobmann! Ich höre Ihnen auch immer zu. – Das Zweite, was Sie gemacht haben: Jetzt versuchen Sie Online-Portale mit diesem Identi­tätsnachweis zu schützen. Abgesehen davon, dass das aus meiner Sicht verfassungs­rechtlich sehr zu hinterfragen ist, wenn man für die Meinungsfreiheit irgendeine Grund­bedingung erfüllen muss, abgesehen davon ist es ja so, dass wir nachweislich wissen, dass das nicht funktioniert. Schauen wir uns Südkorea an: In Südkorea gab es eine ähnliche Maßnahme, das hat dort nicht funktioniert und hat sogar zu etwas anderem geführt, nämlich dazu, dass 30 Millionen Datensätze gestohlen wurden, die jetzt auf dem Schwarzmarkt zur Verfügung stehen, wo ganz persönliche Daten von der Bevöl­kerung abrufbar sind.

Desinformationskampagnen zielen grundsätzlich immer auf die Gesellschaft ab und wollen die Gesellschaft in einem gewissen Zugang vielleicht sogar zerstören, auf jeden Fall wollen sie Ängste und Unsicherheit schüren und das Vertrauen in die Gesellschaft zerstören. (Abg. Belakowitsch: Das ist gelungen, so viel Angst, wie Sie haben!)

An langfristigen Maßnahmen – das hat Frau Kollegin Gamon schon angesprochen – gibt es nur eine, die wirklich hilft, und das ist Bildung, Bildung, Bildung. Da geht es einerseits um die Jugendlichen – dazu hat Frau Kollegin Gamon schon sehr viel Wichtiges gesagt –: Wir müssen endlich anfangen, Medienkompetenz in die Schule hineinzubringen. Ja, es ist mittlerweile oberflächlich im Lehrplan verankert, aber noch viel zu wenig. Es geht darum, die nächste Generation auf die wichtigen Dinge, die sie betreffen, vorzubereiten.

Wenn wir uns anschauen, wie schnell sich das Thema rund um Fake News und Desinformation entwickelt, dann sehen wir, wie rasant, schnell das geht. Wir reden ja heute nicht mehr nur darüber, dass irgendwelche Medienartikel – unter Anführungs­zeichen – „gefälscht“ sind oder falsche Fakten verwendet werden. Wir haben Deep Fakes, das sind Videos und Tonaufnahmen, die massiv manipuliert sind. Wir können uns die Rede vom Bundeskanzler anschauen und ihm heutzutage theoretisch mit solchen Deep-Fake-Methoden ohne Probleme ganz andere Worte in den Mund legen. Das ist etwas, mit dem wir als Gesellschaft umgehen müssen und wovor wir nicht die


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Augen zumachen können und sagen können: Wir sehen nichts, wir hören nichts und wir sagen nichts dazu!, sondern wir müssen das aktiv angreifen.

Wir haben gestern unseren Antrag zum Thema Medienkompetenz in der Erwach­se­nenbildung diskutiert. – Es passiert nichts! Die Regierung hat ihn abgelehnt mit der Begründung, wir machen in dem Bereich so großartig viel. Ich sage Ihnen noch einmal, weil es gestern so spät am Abend war, die Fakten, das, was Sie hier machen: Sie bieten auf dem Portal erwachsenenbildung.at einen Kurs an, an dem jedes Jahr rund 3 000 Personen teilnehmen; das ist ein Kurs mit meistens 18 Lernstunden, die zu erfüllen sind. Im Jahr 2017 waren es 64 Prozent, die diesen Kurs abgelegt und bestan­den haben, mittlerweile sind es 52 Prozent; das geht massiv nach unten. Sie inves­tieren insgesamt knapp 80 000 Euro im Jahr in diese Erwachsenenbildung, um da etwas zu verbessern.

Wie wichtig diese Erwachsenenbildung ist, sehen wir auch am Vizekanzler und am Kanzler. Ich habe im vorletzten Plenum, glaube ich, vor eineinhalb Monaten circa, diese Schnitzelgeschichte angesprochen, dass das am Ende des Tages ein April­scherz war, auf den der Vizekanzler 2015 reingefallen ist. Und jetzt, ein paar Jahre später, fällt der Herr Bundeskanzler noch einmal darauf rein und kommt plötzlich mit den Fake News vom Aprilscherz der „Presse“ daher. Das zeigt uns, wie wichtig es ist, endlich Medienkompetenz in den Bereich Erwachsenenbildung hineinzubekommen. (Beifall bei den NEOS.)

Ich habe während der ganzen Debatte das Gefühl gehabt, insbesondere bei der Rede von Frau Beate Meinl-Reisinger, unserer Klubobfrau, die FPÖ hat Angst davor, sie schreit die ganze Zeit unqualifiziert dazwischen – und die ÖVP sitzt still in der Ecke und macht nichts. (Abg. Belakowitsch: Nein, wir nicht! Ihr redet dauernd von Angst! – Abg. Rosenkranz: Sie haben dauernd Angst!)

Am Ende des Tages – vergessen Sie das nicht! – geht es um unsere Demokratie. Wir müssen hier dringend handeln und dürfen nicht mehr zuschauen, was Sie als Regie­rung die ganze Zeit machen! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Rosenkranz: Sie haben die Fakenewsophobie! – Ruf bei der ÖVP: Ihr Beispiel sind Sie schuldig geblieben! – Abg. Zarits: Wo war das Beispiel? – Weitere Rufe bei der ÖVP: Das Beispiel! Wo ist das Beispiel? – Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Schnitzel!)

16.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Nehammer ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


16.33.01

Abgeordneter Karl Nehammer, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Die Dringliche Anfrage der NEOS beinhaltet tatsächlich ganz wichtige Fragen, nämlich die Fragen nach dem Schutz der parlamentarischen Demokratie und der Wahlfreiheit für Bürgerinnen und Bürger. Diese kann man nur dann sicherstellen, wenn man den Bürgerinnen und Bürgern auch tatsächlich die Chance gibt, sich frei informieren zu können. Das heißt, ja, es ist eine Aufgabe von uns allen, gegen Falschinformation anzukämpfen. Der Bundeskanzler hat erwähnt, dass die Bundesregierung alles unter­nimmt, um den Aktionsplan der EU-Kommission in Umsetzung zu bringen, damit wir unsere Demokratie vor diesen Angriffen schützen, die permanent drohen.

Wenn man sich jetzt aber die Frage stellt: Ist das an sich schon genug, was man dafür tun kann?, dann, glaube ich, ist es auch wichtig, darüber nachzudenken: Was können wir hier in unserem Land, auch als Parteien, dafür tun, damit das nicht passiert? Wie


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können wir verhindern, dass Falschinformation und bewusste Desinformation, die Un­sicherheit verursachen sollen, Angst schüren sollen, in den politischen Alltag einzie­hen? Und dann müssen wir als politische Parteien, wir als Abgeordnete in diesem Haus uns die Frage stellen: Wird dafür in unseren Reihen genug getan?

Da drängt sich mir die Frage auf, wieso die Sozialdemokratische Partei Österreichs unter der Vorsitzenden Rendi-Wagner (Abg. Neubauer: Wo ist die überhaupt? – Abg. Hafenecker: Die ist weniger da als der Kern!) bis heute nicht die Zusammenarbeit mit dem Silberstein-Mitarbeiter einstellt, der im Wahlkampf 2017 die antisemitischen und rassistischen Inhalte ins Internet gestellt hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ. – Abg. Jarolim: Soll ich jetzt den Katalog aufmachen mit den Mitar­beitern?) Ich habe das gestern schon mit Kollegen Leichtfried diskutiert und weiß, dass ihm das selbst auch unangenehm ist, aber es gibt von eurer Fraktion, es gibt von eurer Partei kein klares Bekenntnis, diese Taten einzustellen, denn wenn man den Mann weiterbeschäftigt, der dafür verantwortlich ist, dann ist das unglaubwürdig. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Nein, stattdessen wird hier herausgegangen und wieder die moralische Keule ge­schwungen. Ich bin ja schon neugierig auf Kollegen Drozda, auf das, was er sagen wird, denn er ist der Bundesgeschäftsführer. Du hast es in der Hand, das Vertrags­verhältnis sofort zu beenden, es liegt nur an dir! Nützen wir den heutigen Tag, nehmen wir uns ernst in dem, was wir betreffend Parlamentarismus tun! (Heiterkeit des Abg. Knes.) Du kannst heute hier herausgehen und sagen, ich beende die Zusammenarbeit mit Pöchhacker, der antisemitische und rassistische Inhalte auf Facebook gestellt hat! Das wäre tatsächlich ehrliche Politik. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es ist nur eine Frage der Umsetzung. – Leider können Sie das zu Hause vor den Fernsehgeräten jetzt nicht hören: Die SPÖ raunt und sagt, das sei alles nicht so, der Nehammer könne nichts anderes, als über Silberstein zu reden. Hören Sie sich die Zwischenrufe an oder lesen Sie sie nach, sie zeigen auch das parlamentarische Verständnis des SPÖ-Klubs! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Warum beenden Sie die Zusammenarbeit nicht? (Zwischenruf des Abg. Knes.) – Weil es die SPÖ, glaube ich, einfach schon verinnerlicht hat, dass Propaganda, dass Falschinformation zum politischen Geschäft gehört. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der SPÖ-Klub, dem ihr als Mandatarinnen und Mandatare angehörig seid, betreibt den sogenannten Kontrast-Blog. Der Kontrast-Blog deklariert sich aber nicht als SPÖ-Propagandainstrument, sondern auf Facebook steht neben kontrast.at „Tages­zeitung“, um den Konsumentinnen und Konsumenten den Eindruck zu vermit­teln, dass dort objektive Information verbreitet wird. Das Gegenteil ist der Fall! Es wird ganz brutal SPÖ-Politik verbreitet, es wird ganz brutal Unsicherheit geschürt, es wird Angst gemacht. Der Kontrast-Blog ist ein Instrumentarium, um Angst zu schüren und das Land zu spalten. Das werdet ihr wohl auch nicht beenden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Bleiben wir also bei dem, was heute tatsächlich und ernsthaft angesprochen worden ist: Schützen wir unsere parlamentarische Demokratie, schützen wir die Freiheit der Meinungsäußerung! Die SPÖ soll ein Zeichen setzen, Kollege Drozda soll heute hier herausgehen und sagen, er beendet die Zusammenarbeit mit einem, der antisemi­tische und rassistische Inhalte auf Facebook stellt. Setz dieses Zeichen! Es wäre ein positives Zeichen, wenn du es tust, weil wir alle hier, wir alle hier gemeinsam im Haus, Verantwortung für die parlamentarische Demokratie tragen, besonders jetzt, da am 26. Mai die EU-Wahl ansteht. Das ist auch von meiner Seite ein Appell an die Wähle­rinnen und Wähler, diese Wahl zu nützen, ihre Stimme abzugeben.


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Und abschließend meine Aufforderung an die SPÖ: Nehmen Sie teil an einem leben­digen demokratischen Austausch, aber verzichten Sie auf Fake News und Falschinfor­mation! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Drozda. – Bitte. (Abg. Höbart – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Drozda –: Sind Sie für kontrast.at verantwortlich? – Zwischenruf des Abg. Jarolim.)


16.38.53

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Ja, das ist natürlich ein dramaturgisch ganz toller Nachmittag, den der Herr Bundeskanzler da inszeniert hat (Abg. Rosenkranz: Mit Ihrer Burgtheater-Erfahrung kann man das leicht beurteilen! – Abg. Hafenecker: Hat der Herr Bundeskanzler die Anfrage an sich selbst gestellt?), indem er seinen Zentralsekretär zu sich gebeten und gesagt hat: Geh unbedingt vor dem Drozda raus und sag: Silberstein, Silberstein, Silberstein! – Keine Sorge, ich werde auch dazu etwas sagen. (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Bevor ich aber dazu etwas sage, erlaubt mir, dass ich jemanden zitiere, der mir wesentlicher erscheint als Karl Nehammer, es ist Hannah Arendt: „Wenn jeder dich immerzu anlügt, dann ist die Folge nicht, dass du die Lügen glaubst, sondern vielmehr, dass keiner mehr irgendetwas glaubt.“ – Dieser Satz von Hannah Arendt bekommt in diesen Tagen besorgniserregende Aktualität. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Höbart: Selbsterkenntnis, gell?)

Wenn wir diesem Satz folgen – und es spricht alles dafür, dass sie recht hat –, dann geht es jenen, die lügen (Abg. Nehammer: Das ist eine Selbstbeschreibung!), wissentlich und vorsätzlich lügen, nicht darum, zu lügen oder zu betrügen, sondern darum, jeglichen Glauben – und damit komme ich zu Ihnen, meine Damen und Herren, mehr Herren als Damen – an etwas zu zerstören. Das ist die Idee; denn wer am Ende nichts mehr glaubt, dem fehlt die Kraft und Fähigkeit, zu denken, zu urteilen, und letztlich seine Chance, zu handeln. Hannah Arendt sagt: Mit einem solchen Volk kannst du dann tun, was du willst. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Stefan. – Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Das ist die Absicht und die Idee von Fake News, Herr Abgeordneter. (Abg. Rosenkranz: Deshalb gibt es auch sozialistische Bildungspolitik, um Unwissenheit zu erzeugen!) Es geht nicht darum, dass jemand die Lüge glaubt, es geht darum, die Wahrheit zu dis­kreditieren. (Ruf: Wer die Lüge setzt!) Das ist die Idee. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Stefan: Silberstein! SPÖ fragen! – Rufe bei der FPÖ: Silberstein! Silberstein! – Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Rosenkranz.)

Wer heute wissen will, wie man professionell Fake News erzeugt, muss nicht nach Amerika schauen. (Rufe bei der FPÖ: SPÖ! Silberstein! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte, trotz der Emotionalität den Redner ausreden zu lassen. Es kann sich jeder zu Wort melden. (Zwischenruf der Abg. Holzleitner.) – Bitte, keine Zwischenrufe, Frau Abgeordnete! (Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.) – Können wir auch die Zwischenrufe zwischen den Fraktionen einstellen?! Hören Sie zu, und dann können Sie argumentieren.


Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (fortsetzend): Ich würde dem Protokollführer raten, einfach den Namen Silberstein hinzuschreiben und eine Stricherlliste zu machen.


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Das ist wahrscheinlich einfacher beim Führen des Protokolls. – Herr Präsident, schönen Dank, dass ich fortfahren darf.

Russland – die NEOS haben das heute angesprochen –: Es sind die Netzwerke von Sputnik, Russia Today und News Front, die seit Jahren vorzeigen, wie man Meinungen manipuliert, wie man die Wahrheit verzerrt und wie man Gerüchte so lange streut, bis nur mehr Zweifel und Skepsis übrig bleiben. Anstatt sich aber klar auf die Seite der aufgeklärten, freien, liberalen Demokratie zu stellen, finden diese Methoden Nach­ahmer. Sie sitzen in Polen, in Ungarn und bei den rechten Parteien Europas; es sind der Front National, die Lega Nord, die AfD und selbstverständlich auch die FPÖ. (Zwischenruf des Abg. Rosenkranz.)

Die Menschen hier in Österreich haben ein Recht, zu wissen, wessen Interessen Sie vertreten, weshalb die Außenministerin der Republik vor Wladimir Putin auf die Knie geht (Abg. Hafenecker: Auf die Knie!), weshalb zu Weihnachten Delegationen der FPÖ am Roten Platz auftauchen (Abg. Stefan: Am Roten Platz, das war der Gusenbauer! – Zwischenrufe der Abg. Schimanek – Ruf bei der FPÖ: Nordkorea!) und warum unzensuriert.at und „Wochenblick“ ihren russischen Vorbildern genauso ähnlich sehen, wie die Ableger der AfD und anderer.

Auch hier im Parlament sitzen Experten, die ein bisschen mehr zur Aufklärung der Verbindung beitragen könnten und sollten. Heute sitzt Herr Abgeordneter Gudenus ja leider nicht hier. Ich frage einmal in die Reihen der ÖVP oder ich frage den Herrn Bundeskanzler: Haben Sie auch eine russische Mailadresse? Ist es normal, russische Mailadressen zu haben? Wer von Ihnen hat russische Mailadressen, und wozu bedarf es russischer Mailadressen? Ich lasse die Passwörter einmal aus. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Abg. Nehammer: Das ist ein super Hinweis!)

Eine Bemerkung zur Pressefreiheit, weil der Herr Bundeskanzler das heute ange­sprochen hat (Zwischenruf des Abg. Neubauer): Wir wissen um das Problem, dass Österreich im Ranking betreffend Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen um fünf Plätze auf den 16. Platz abgerutscht ist. (Abg. Neubauer: Was ihr da aufführt!) Das basiert auf einer objektiven Untersuchung. (Abg. Neubauer: Wie spät ist es auf deiner Rolex?) – Du, ehrlich gesagt, die Rolex-Dichte im FPÖ-Klub ist höher als irgendwo sonst, das wissen wir alle! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Wenn du dich auf diesem Niveau bewegen möchtest, können wir auch diese Diskussion führen; dann halten wir alle unsere Uhren in die Höhe und schauen einmal, wie es im FPÖ-Klub ausschaut. Das ist ja lächerlich. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hafenecker: Alle Rolex zusammen kosten weniger als deine Uhr! – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Wenn der Generalsekretär und Spitzenkandidat einer Partei im Interview mit Folgen droht, dann sind dies Grenzüberschreitungen in Richtung illiberale Demokratie. (Abg. Rosenkranz: Wie schaut es denn mit deiner Bildergalerie aus?) Ich zitiere Andreas Koller, angesehener Journalist, Vorstand des Kuratoriums für Journalistenausbildung: Wenn „der Bundeskanzler persönlich dem ORF-Sender Ö3 öffentlich eine ‚ultimative Form der Falschinformation‘ unterstellt“, „geht es darum, ein Medienunternehmen sys­tematisch zu diskreditieren, zu delegitimieren – und damit sturmreif zu schießen für eine Reform, die dem ORF die letzten Reste seiner Unabhängigkeit nimmt. Beispiels­weise, indem die GIS-Gebühren gestrichen werden“. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Abg. Stefan: Wenn es noch Reste gibt! – Zwischenruf des Abg. Haubner. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.)

Jetzt faltet der Herr Bundeskanzler die Hände, und ich bin sehr froh, dass er das an dieser Stelle tut, denn es ist nämlich so, dass die Landeshauptleute heute einen


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Beschluss gefasst haben, der in dieser Frage an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt, der die Gebührenfinanzierung ganz klar außer Streit stellt. (Unruhe im Saal.) Von den Landeshauptleuten mögen einige schwarz sein, manche mit türkiser Färbung, die anderen sind rot, aber klar ist, sie sind die Stimmen der Vernunft. Ich glaube, Sie sollten auf diese Stimmen der Vernunft hören, Herr Bundeskanzler! (Abg. Belakowitsch: Der Doskozil!)

Es gibt eine weitere Stimme, die ich hier noch zitieren möchte (Abg. Höbart: Rudi Fußi!), eine Stimme, die Sie heute nicht besonders gerne hören werden, ich zitiere sie aber vielleicht genau deshalb; es ist die Stimme von Daniel Kehlmann, einem wichtiger Autor, der Ihnen möglicherweise bekannt ist. (Ah-Rufe bei ÖVP und FPÖ.) Er hat anlässlich der Verleihung des Anton-Wildgans-Preises – interessanterweise in der Industriellenvereinigung, das ist natürlich besonders peinlich, dass so etwas in der IV passiert (Abg. Rosenkranz: Wildgans ist schon gut!); daran sieht man, dass die Message Control nicht so funktioniert, wie sie sollte – folgende Worte gefunden.

Ich darf zitieren (Abg. Strasser: Was ist Ihre Meinung?): Darum möchte ich „unseren schweigenden Kanzler“ ganz sachlich fragen, „ob er sich darüber klar ist, dass künftige Geschichtsbücher ihn als den Mann bewahren werden, der es einer rechtsextremen Partei ermöglicht hat, diesem Land in seinem äußeren Bild und seinem inneren Gefüge Schaden zuzufügen, der so bald nicht mehr in Ordnung zu bringen ist. Draußen in der Welt wird Österreich inzwischen zuverlässig neben Trumps Amerika, Orbans Ungarn und Bolsonaros Brasilien genannt.“ (Abg. Höbart: Doskozil! – Abg. Stefan: Im Burgenland! – Abg. Neubauer: Das ist das Beste!)

Er würde den Kanzler gerne fragen, und ich frage jetzt für Kehlmann: „Möchten Sie wirklich der Mann sein, der das bewirkt hat? Möchten Sie tatsächlich von künftigen His­torikern beschrieben werden als jener Regierungschef, der einen das parlamentarische System, den Rechtsstaat und die Pressefreiheit offen verachtenden Innenminister ermöglicht hat“ (Abg. Haubner: Sie haben nichts mehr zu sagen?) „und neben sich einen ehemaligen Neonazi als Vizekanzler geduldet hat?“ – Daniel Kehlmann – „Sie sind jung genug. Sie werden diese Geschichtsbücher noch lesen können. Wollen Sie die Farce nicht beenden?“ – Zitatende, Redeende. Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und JETZT. – Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Drozda, auch in einem Zitat jemanden als Neonazi zu bezeichnen und das darauf zurückzuführen, ist nicht statthaft. Ich würde Sie bitten, das zurückzunehmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Das ist ein Zitat!) – Auch das Zitat! Wenn Sie das Götzzitat verwendet hätten – auch wenn es von Goethe, besonderer Literatur, stammt –, wäre das hier auch nicht gestattet.


Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (fortsetzend): Ich denke nicht daran, ein Zitat eines der wichtigsten Autoren dieses Landes am Rednerpult des Parlaments zurück­zunehmen. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Belakowitsch: Aber für ein Bibelzitat bekommt man einen Ordnungsruf!)

16.47

16.48.00*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich erteile Ihnen dafür einen Ordnungsruf. (Abg. Drozda: Danke schön! – Abg. Duzdar: Jetzt weiß ich, warum die SPÖ so viele Ord­nungsrufe hat! – Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 162

*****

Klubobmann Rosenkranz zur Geschäftsbehandlung. – Bitte.


16.48.15

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Prä­sident, es ist Usus und seit jeher hier gebräuchlich, so wie Sie es dem Abgeord­neten auch gesagt haben, dass jedwedes Zitat, das dazu geeignet ist, Angehörige des Hauses respektive Angehörige der Bundesregierung in einer Form zu diskreditieren, eben nicht gestattet ist. Es ist in der letzten Präsidiale auch besprochen worden, dass man, wenn es um einen Ordnungsruf geht, diesen nicht wie einen Orden hinnimmt, darum bettelt oder Ähnliches.

Offensichtlich ist mit diesem Zitat der Vizekanzler der Republik gemeint. Ich muss von dieser Stelle aus betonen: H.-C. Strache ist in seinem ganzen Leben nicht in irgend­einer Form wegen Wiederbetätigung oder sonst etwas strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen oder verurteilt worden. Das ist der Vorwurf einer strafbaren Handlung. Auch wenn Sie es als Zitat eines Künstlers verkaufen, bleibt es in diesem Haus schändlich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schieder.)

16.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Leichtfried zur Geschäfts­be­handlung. – Bitte.

*****


16.49.42

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Prä­sident (Abg. Martin Graf: Der schon wieder!), ich wollte nur Herrn Rosenkranz entgeg­nen: Ich glaube, es ist schlimm genug, dass man extra darauf hinweisen muss. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Schauen Sie, dass Sie end­lich die Bilder zurückgeben!)

16.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung gelangt Herr Abgeordneter Jarolim zu Wort. – Bitte. (Ruf bei der FPÖ: Jetzt berichtigt er den Drozda!)


16.50.08

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Herr Nehammer hat vorhin mitgeteilt, dass das renommierte Medium Kontrast (Abg. Nehammer: Vom SPÖ-Klub!) für die Benutzer nicht erkennbar machen würde, wer dahintersteckt.

Ich entgegne Ihnen (ein Schriftstück in die Höhe haltend): Es steht auf jeder Seite aus­drücklich ein Impressum, und zwar groß, erkennbar, weil das auch erkennbar sein soll. (Abg. Nehammer: Wie ist das bei Facebook?) Da steht also groß - - (Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Nehammer.) – Wenn Sie jetzt bitte Ihren Mund halten! Es steht drinnen: „Produziert wird dieser Blog von MitarbeiterInnen des SPÖ-Parlamentsklubs.“

Auch wenn es im Auftrag des Herrn Bundeskanzlers geschieht: Mit derartigen Lügen­geschichten werden Sie sicherlich nicht weiterkommen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Nehammer: Das ist die Wahrheit! Das sind Ihre Lügengeschichten!)

16.50

16.51.08*****



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 163

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich erteile den Abgeordneten Jarolim und Nehammer für „Lügengeschichte“ einen Ordnungsruf. (Abg. Nehammer: Tatsäch­liche Berichtigung!)

*****

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Nehammer zu Wort gemeldet. (Rufe bei der SPÖ: Das geht ja nicht! Das ist gesetzwidrig! Nach 18 Mona­ten! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie können beruhigt sein, ich informiere mich, wie es geht. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Wittmann: Ein Präsident, der die Regeln nicht kennt! Ein Wahnsinn! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Nehammer: Eine persönliche Erwiderung!) – Nein, melde dich noch einmal zu Wort. Du kannst eine Wortmeldung machen und dich eintragen lassen. (Ruf bei der SPÖ: Unglaublich, ein Präsident, der die Geschäftsordnung nicht kennt! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hafenecker. – Bitte.


16.51.54

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! (Zwischenrufe bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.) Nachdem ich mir die Ausführungen von Herrn Kollegen Drozda zu Gemüte geführt habe, ist mir klar geworden, warum sich Ihre Klubobfrau offenbar für Ihren Klub geniert und gar nicht mehr herkommt. Jetzt verstehe ich das. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wissen Sie, Herr Kollege Drozda, wenn Sie hier vorne gscheitmeiern und alle mög­lichen Unterstellungen machen (Abg. Heinisch-Hosek: Er hat zitiert!), rufe ich Ihnen schon in Erinnerung, dass es Herr Gusenbauer war, der den Moskauer Boden geküsst hat, dass es Herr Fischer war, der Kuba und Nordkorea besucht hat, und dass es im Übrigen Herr Kern war, der den ORF boykottiert hat, indem er nicht mehr in Sen­dungen gegangen ist. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Es war auch Herr Kern – in dessen Regierung Sie auch waren –, der gesagt hat: Wir schalten keine Inserate mehr in „Österreich“, weil der Glaskinnvergleich ja wirklich unwahrscheinlich ist! Herr Drozda, denken Sie einmal nach, was in der eigenen Partei passiert ist, bevor Sie sich hier herausstellen und gscheitmeiern! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Greiner: Was heißt „gscheitmeiern“?! Unglaublich!)

Zurück zu den NEOS: Ich bin sehr dankbar, dass Kollegin Meinl-Reisinger wieder zurück ist und uns mit einer sehr wichtigen Dringlichen Anfrage beglückt hat. Ich habe mir wirklich gedacht: Unglaublich, was da alles passiert! Wenn ich mir die Dringliche Anfrage durchlese, kommt sie mir eigentlich wie eine Zusammenfassung von mindes­tens fünf James-Bond-Filmen vor, ein bisschen noch mit „Der dritte Mann“ untermischt. So ist mir das in etwa vorgekommen, als ich es gelesen habe. Da gibt es dunkle Machenschaften, geheime Angriffe, Vermutungen ohne Ende; natürlich ist neben dem Kalten Krieger Russland auch die europäische Rechte eingebunden – alles in allem also ein ganz furchtbarer Mix. (Abg. Meinl-Reisinger: Es ist alles wahr!) Es ist also ganz furchtbar. (Abg. Meinl-Reisinger: Schieben Sie es nur zur Seite! Offensichtlich ist Ihnen das sehr unangenehm, wenn Sie es so wegschieben!)

Frau Kollegin Meinl-Reisinger, es sind eigentlich nur ganz krude Vorwürfe, und ich würde Ihnen von den NEOS raten, sich vielleicht einen Aluhut oder ein Alunudelsieb zu bestellen; vielleicht können Sie sich das aufsetzen, um damit diese Strahlungen abzu­wehren. Und ich würde Ihnen noch vorschlagen, sich aus dem Internet abzumelden,


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 164

dann brauchen Sie sich nicht mehr zu fürchten, dann können Sie am Abend beruhigt schlafen gehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wissen Sie, Frau Kollegin, was ich gerne gewusst hätte? Sie haben ja gesagt, wir haben Connections mit den Russen, mit Oligarchen, Gelder fließen und so weiter, und so fort. Es ist aber, glaube ich, schon Herr Haselsteiner, der Ihre Partei sponsert, und ich glaube, es ist auch Herr Haselsteiner, der halb Sotschi gebaut hat. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist transparent und auf der Homepage!) Man könnte ihn jetzt als Oligarchen bezeichnen und in einem weiteren Schritt sagen, dass Sie eigentlich Rus­sengeld, Blutgeld aus Russland in Ihrer Partei verwenden. Wäre das ein Schluss, der zulässig ist? (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Jetzt reicht es aber! – Abg. Rosenkranz: Wer verdient in Sotschi?) Ich glaube, wenn man im Glashaus sitzt, sollte man nicht mit Steinen werfen. Im Gegensatz zu uns, wo kein Geld geflossen ist, haben Sie russisches Geld von Herrn Haselsteiner.

Zurück zum Thema: Es gibt das Problem mit Fake News, nur so, wie Sie sich daran versucht haben, würde ich das nicht machen. Wissen Sie, was das Problem mit Fehlinformation und Fake News ist? – Es sind nicht russische Angriffe, sondern die Angriffe kommen meistens hier aus dem Haus. Kollege Nehammer hat bereits vom Kontrast-Blog gesprochen, der in einer unauffälligen Aufmachung daherkommt und den Eindruck erwecken soll, dass es sich dabei um objektive Berichterstattung handelt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Nein, ist es nicht!

Wenn man sich den Kontrast-Blog anschaut, der vom Parlamentsklub der SPÖ betrie­ben wird, und sich anschaut, welche Kommentare dort zugelassen werden, dann dreht sich einem der Magen um. Da steht zum Beispiel im Hinblick auf einen Minister in dieser Regierung: Fette, gierige S...! Jeder bekommt, was er verdient, bei dir ist es deine Fresse! – Das schreiben sie in Ihrem Kontrast-Blog! Ich würde mich als ehe­malige staatstragende Partei schämen, das zuzulassen. (Beifall und Zwischenruf bei der FPÖ.)

Da gibt es eine andere Seite, von der niemand weiß, wo sie herkommt, die nennt sich FPÖ-Fails. Das ist Fehlinformation! Das ist eine Seite, die sich hinter einem amerika­nischen Server versteckt, wo niemand weiß, wer den sponsert, wo niemand weiß, wer das betreibt, und wo niemand weiß, in welchem Interesse hier gehandelt wird. Das sind Skandale, die wir aufarbeiten sollten! Ich bin überzeugt davon, dass die Wurzeln dafür auch hier im Haus zu finden sind. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Der Fußi vielleicht!)

Dort gibt es wiederum Sachen zu lesen! Abgeordneter Graf ist zum Beispiel mit einem Kommentar bedacht worden, wo gesagt worden ist: Tu der Menschheit einen Gefallen, zünde dich an und hau dich auf die Gleise! – Das ist vorgestern auf FPÖ-Fails über unseren Abgeordneten Martin Graf gepostet worden. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) – Gratulation! Sehr geschmackvoll!

Besonders ungustiös ist aber eine Gruppe, die gar keinen Genierer hat, die einfach gleich schreibt: Wir sind die SPÖ Langenzersdorf! – Dort geht es einmal grundsätzlich um Sexismus – jeden Tag rauf und runter –, dort werden Hasstiraden geschwungen, dort findet jeden Tag Entmenschlichung sondergleichen statt, abartige Bildmontagen sind dort zu finden und vieles mehr. – Und niemand von Ihnen entschuldigt sich dafür, geschweige denn, setzt irgendwelche Konsequenzen. Ich würde mich schämen! (Bei­fall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dort ist es normal, dass man unseren Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl als Scham-Harry bezeichnet oder dass eine Abgeordnete unseres Klubs als besoffene Haus­besorgerin bezeichnet wird, dass wir alle als peinliche Arschlöcher und ein Minister als Nazignom bezeichnet werden. – Das alles sind Dinge, die auf der Seite der SPÖ


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Langenzersdorf zu finden sind. (Abg. Schieder: Arschloch darf man hier sagen?) Wie gehen Sie damit um? Was machen Sie damit? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es ist unglaublich, was sich die SPÖ hier leistet. Man muss sich die Frage stellen: Warum funktioniert das eigentlich so?

Kollege Schieder regt sich auf! Das ist Kollege Schieder, der Zitate aus „Mein Kampf“ im Hinblick auf die FPÖ verwendet. Ich würde mich an Ihrer Stelle auch genieren, Herr Kollege Schieder! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zurück zur SPÖ Langenzersdorf: Wissen Sie, warum Sie nichts machen? – Ich weiß es mittlerweile. Ich weiß, warum sich die SPÖ Langenzersdorf radikalisiert hat und jene Kräfte aus der Partei geworfen hat, die dem Einhalt gebieten wollten, und warum jetzt nur mehr Radikale dort fuhrwerken. Wissen Sie warum? – Weil der Studienkollege Ihrer Parteivorsitzenden, Herr Christoph Baumgärtel der Chef dieser Seite ist. Das ist ein Studienkollege von Frau Klubobfrau Rendi-Wagner. Ich weiß auch, warum sie heute nicht da ist. (Abg. Herbert: Genau! Das passt zu ihr! – Zwischenruf des Abg. Plessl.)

Wissen Sie noch etwas? – Herr Dr. Baumgärtel war nicht nur Studienkollege von Frau Dr. Rendi-Wagner, sondern er war auch noch ihr Stellvertreter in der Rezeptpflicht­kom­mission, und jetzt ist er in der Ages. Zufälligerweise ist er zu einem Zeitpunkt im Gesundheitsministerium aufgeschlagen, als Frau Dr. Rendi-Wagner dort auch einiges zu sagen hatte. (Ruf bei der FPÖ: Die linke Partie!) Jetzt ist mir klar, warum man sich damit schwertut, sich zu distanzieren: weil man ja mehr als nur Parteikollegen ist; ich würde sogar sagen, man ist ziemlich beste Freunde. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwi­schenrufe bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Nehammer.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihr ehemaliger Vorsitzender Bruno Kreisky hätte sich mittlerweile im Ehrengrab um zwei Reihen nach vorne geschraubt, wenn er sehen könnte, wie Ihre Fraktion, wie Ihre Partei momentan geführt wird. Es ist wirklich eine Schande für die ehemalige staatstragende Partei, so zu agieren. (Abg. Deimek: Die „ehemalige“!) Ich sage Ihnen eines: Erstens einmal werden wir uns das nicht mehr gefallen lassen. Die Fake News, die Sie produzieren, werden wir jetzt enttarnen, und wir werden Sie jeden Tag fragen, wo Ihre Konsequenzen bleiben. Wenn wir einen Fehler machen, setzen wir Konsequenzen. Das haben Sie noch nie getan! (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei SPÖ und NEOS.)

Ich fordere Sie daher auf: Richten Sie bitte Ihrer Klubobfrau, die vielleicht schon beim Nachmittagsschläfchen weilt, aus (Abg. Scherak: Sag einmal, jetzt reicht es aber!), dass sie endlich Konsequenzen ziehen muss und dass diese abartigen Seiten sofort eingestellt werden müssen! (Ruf bei der SPÖ: Was soll das?) Eines gebe ich Ihnen auch noch mit auf die Reise (Zwischenrufe bei der SPÖ): Herr Kollege Schieder, Sie werden auf jeden Fall am 26. Mai vom Wähler abgestraft werden! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

17.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Krisper zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.00.09

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kanzler! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Jetzt von diesem unfassbaren Whataboutism der FPÖ zurück zum Thema (Beifall bei NEOS und JETZT sowie bei Abgeordneten der SPÖ – Zwischenrufe bei der FPÖ): Versetzen Sie sich in die Situation eines Landes, das mit


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EU-Sanktionen konfrontiert ist, das sehr groß ist und über einen Nachrichtendienst mit Tausenden Mitarbeitern verfügt! Dieser Nachrichtendienst wird analysieren, wie man diese Sanktionen loswird, wird ein Lagebild machen und sich dafür entscheiden, die nächsten Wahlen zu manipulieren, und zwar durch Desinformation auf Social Media. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Die Situation ist nicht fiktiv. Es handelt sich natürlich um die Russische Föderation. Wir reden heute über Österreich, denn wir haben eine Regierung, die uns nicht vor diesen Angriffen der Desinformation hinsichtlich EU-Wahl schützen will. Die FPÖ will das natürlich nicht, weil es ihr mehr als egal ist, denn sie macht ja schließlich mit diesen Feinden der europäischen Selbstbestimmung – der Partei von Putin – gemeinsame Sache. Innenminister Kickl hat uns heute in der Fragestunde geantwortet, dass er nicht für Desinformation und deren Bekämpfung zuständig ist. Das BVT ist dafür zuständig. Was wir also von seiner Seite, Herr Lopatka, zu erwarten haben, ist klar, nämlich nichts. (Beifall bei den NEOS.)

Die ÖVP: Herr Bundeskanzler, liegt Ihnen nichts daran? Liegt es Ihnen nicht am Herzen, die Österreicherinnen und Österreicher vor Desinformation zu schützen? – Offensichtlich nicht, denn Sie nehmen, solange es Ihren Umfragen gutgeht, in Kauf, dass Desinformationsangriffen von russischer Seite nichts entgegengestellt wird und auch dass wir durch die FPÖ ein Sicherheitsrisiko in Österreich erleben. Trotz gegen­teiliger Beteuerung der Bundesregierung ist Österreich wegen der FPÖ in Sachen Informationsaustausch mit den westlichen Geheimdiensten isoliert. Allein die Tatsache, dass die FPÖ beide Sicherheitsressorts innehat, lässt die Partnerdienste zurück­schrecken. In Papieren der U.S. Mission in Wien finden sich Statements betreffend right-populist Freedom Party’s leadership of the Ministry of the Interior, in denen gesagt wird: „The Freedom Party’s pro-Russian stance should, and does, give us pause when it comes to sharing certain types of sensitive information.“

Wenn das von Diplomaten bereits in dieser Deutlichkeit gesagt wird, kann man sich vorstellen, wie es auf der darunterliegenden nachrichtendienstlichen Ebene ausschaut, nämlich derartig, dass sogar das russische Portal Sputniknews schon darüber be­richtet, dass der niederländische Geheimdienst die Zusammenarbeit mit Österreich eingestellt hat. (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.) In Russland freut man sich also ganz öffentlich darüber, wenn es gelingt, einen Keil zwischen die europäischen Staaten zu treiben. Dass das stimmt, wissen wir aus der „New York Times“, in der eine Aus­sage von BVT-Chef Gridling zitiert wurde, dass die USA, England, die Niederlande und Deutschland nicht mehr mit Österreich zusammenarbeiten. (Beifall bei den NEOS.)

Die Partnerdienste in Europa beunruhigt auch die mangelnde Abgrenzung der FPÖ zu den Rechtsextremen. Woran zeigt sich das? – Ich habe die Leiterin des Extremis­mus­referates im Untersuchungsausschuss gefragt, von welchen Treffen sie ausgeladen wurden, und sie hat gesagt, von einem. Ich fragte dann, zu welchem Thema, und sie antwortete, zum Thema Identitäre. Mittlerweile müssen wir uns auch fragen, ob aus dem blauen Innenministerium nicht jemand Sellner vor der Hausdurchsuchung gewarnt hat und wie weit da das Sicherheitsrisiko geht.

Diesem Sicherheitsrisiko FPÖ, Herr Kanzler, könnten Sie ein Ende setzen, und Sie müssten es auch, Sie kommen dieser Verantwortung aber nicht nach. Solange Sie das nicht tun, müssen wir innerhalb der parlamentarischen Möglichkeiten versuchen, das Treiben von Kickl beziehungsweise seine Untätigkeit – wie im Fall der Desinfor­ma­tionsattacken von russischer Seite hinsichtlich EU-Wahl – zu beobachten.

Effektive parlamentarische Kontrolle erfordert aber das Recht, Fragen ohne Einschrän­kung durch von der Regierung vorbestimmte Themen zu stellen. Wenn sich die Tages­ordnungspunkte bis hinter den Mond stauen, dann müssen diese einmal abgearbeitet


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werden, denn sonst wird dieses Gremium – landläufig der Geheimdienstausschuss genannt – völlig ineffizient. Ich fordere daher weiterhin, dass dieser Ausschuss monatlich tagt, bis die Tagesordnung abgearbeitet ist, denn sonst wird das ein sinn­loses Gremium. Zudem erwarte ich mir – da bleiben wir dran – eine seriöse Debatte über unseren Vorschlag zur Reform dieser parlamentarischen Kontrollgremien.

Was in Summe bleibt, symbolisiert der Kniefall unserer Außenministerin vor Putin im letzten Jahr ganz treffend, nämlich den Weg Österreichs unter der Regierung Kurz: Man lässt sich ausgerechnet von jenem Regime vor den Karren spannen, welches versucht, Europa zu destabilisieren. Dass die einstige Europapartei ÖVP bereit ist, diesen Weg mitzugehen, ist eine traurige Realität. (Beifall bei den NEOS.) Daher ersuche ich Sie, Kanzler Kurz, wachen Sie auf und bereiten Sie dieser Zäsur in der so erfolgreichen Geschichte der Zweiten Republik ein Ende – im Sinne Österreichs, im Sinne Europas! (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Zadić.)

17.05


Präsidentin Doris Bures: Ein zweites Mal zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Abgeordneter Karl Nehammer. – Bitte.


17.05.30

Abgeordneter Karl Nehammer, MSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! (Abg. Scherak: Magst du jetzt was zur Dringlichen sagen?) Das ist also die Anmutung (einen Ausdruck der Facebook-Seite von kontrast.at in die Höhe haltend) – Kollege Jarolim unterstellt mir eine Lüge (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Scherak) –, dass sich der Blog kontrast.at ausreichend ausweist, wenn man auf Facebook draufklickt (Zwi­schenruf bei der SPÖ): Da steht „kontrast.at“, „Tageszeitung“; das Impressum findet man dann ganz, ganz unten. Die Anmutung ist aber ganz klar, als wäre das eine objektive Informationsplattform. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren vor den Fernsehgeräten, könnten Sie die Zwischen­rufe hören, würden Sie sich wieder ein Bild vom parlamentarischen Verständnis der SPÖ machen können. Wenn Sie selbst aber einmal auf kontrast.at schauen, werden Sie sehen, das ist nichts anderes als SPÖ-Propaganda, die verunsichert und den Men­schen Angst macht. (Rufe bei der FPÖ: Fake News! Silberstein!)

Kollege Drozda, du bist mir die Antwort schuldig geblieben. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Du hast unglaublich lange gesprochen und hast zitiert und zitiert und zitiert – ich bin mir fast wie bei einer literarischen Lesung vorgekommen –, aber wo ist deine Antwort? (Zwischenruf des Abg. Vogl. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Warum sagst du nichts dazu, wann ihr die Zusammenarbeit mit dem Tal-Silberstein-Mitarbeiter Pöchhacker beendet? (Abg. Drozda: ... absurde Rede!)

Du bist die Antwort noch immer schuldig. Vielleicht macht es dann eine oder einer deiner Nachrednerinnen oder Nachredner. Wenn aber Kollege Jarolim so mutig herauskommt und wieder von Lüge et cetera spricht, dann sollte er sich selbst bei der Nase nehmen (Abg. Krist: Jeder vor seiner eigenen Tür!) und dich dazu ermutigen, die Zusammenarbeit mit Kollegen Pöchhacker zu beenden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

17.07


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Mag.a Muna Duzdar zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Hafenecker: Die Kollegin wird es dann erklären! – Ruf bei der FPÖ: Jetzt geht es dahin! – Abg. Duzdar – auf dem Weg zum Rednerpult –: Sie haben es erkannt! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.)



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 168

17.07.07

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frauen Ministerinnen! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen auf der Galerie! Herr Bundeskanzler, für mich war das so was von klar, dass Sie natürlich mit der Silberstein-Kiste daherkommen werden. (Abg. Haubner: Warum ändert ihr es nicht? – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Das war keine Kiste!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es war für mich wirklich wie in einem Film, es war wieder einmal so ein richtiger Klassiker: Die NEOS bringen eine Dringliche Anfrage ein, in der es um die Beziehungen zwischen der FPÖ und Russland und um globale Desinformationskampagnen geht, und was machen Sie von der ÖVP, von den Türkisen? – Sie stellen sich hierher und reden nur von der SPÖ! Wissen Sie, was Sie sind? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Sie sind Meister der Ablenkung, Sie sind Meister des Ablenkungsmanövers! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Darin sind Sie wirklich ausgezeichnet: wenn es darum geht, abzulenken.

Da wir heute von Fake News reden und Sie, Kollege Nehammer, gemeint haben, wir sollen von dem reden, was in Österreich passiert: Ja, reden wir von der Desinfor­mation, die von Ihrem ÖVP-Parlamentsklub ausgeht! (Zwischenruf des Abg. Rosenkranz.) Sie haben in ganz Österreich plakatiert, dass die SPÖ für Atomstrom sei. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Ihr Parlamentsklub ist gerichtlich verurteilt worden. (Abg. Nehammer: Das ist ja leider so!) Über Sie ist eine Beugestrafe verhängt worden, weil Sie nicht einmal bereit waren, die Plakate runterzunehmen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Nehammer.) Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Knes.)

Herr Bundeskanzler, ich kann Ihnen daher nur sagen: Wenn Sie von Desinfor­mations­kampagnen anderer Parteien reden (Abg. Stefan: Wer macht jetzt mehr Fake News?), dann kehren Sie gefälligst vor Ihrer eigenen Haustür! (Beifall bei der SPÖ.)

Da Sie, Herr Bundeskanzler, heute so schöne Worte von sich gegeben haben – Sie haben an die Gemeinsamkeit und an den Zusammenhalt appelliert –: Wer wissen möchte, wie es der Herr Bundeskanzler dieser Republik mit der Gemeinsamkeit und dem Zusammenhalt hält, dem lege ich nahe, doch das Buch „Haltung“ von Reinhold Mitterlehner zu lesen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei den NEOS. – Oh-Rufe bei der ÖVP.) Mir fallen da nämlich nicht so viele Gemeinsamkeiten oder Zusammenhalt ein. Wissen Sie, was mir da einfällt? (Abg. Rosenkranz: Ich glaube, Frau Duzdar hat ein Exemplar mit Widmung!) Da fallen mir andere Begriffe ein, etwa Rücksichtslosigkeit und Machtbesessenheit. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich möchte jetzt zur Dringlichen Anfrage kommen: Ich bedanke mich bei den NEOS dafür, dass sie sie eingebracht haben, weil sie in der Tat in dieser Dringlichen Anfrage eine wichtige Frage aufwerfen, nämlich jene der Parteienfinanzierung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist, aber es gibt zwei Parteien in diesem Land, die die Wahlkampfkostenobergrenze um Millionen über­schritten haben, zum einen die ÖVP mit 6 Millionen Euro und zum anderen die FPÖ mit 4 Millionen Euro. (Abg. Hafenecker: Aber wir haben unsere Bücher nicht so frisiert wie Sie!) Daher ist es wirklich eine berechtigte Frage – auch in diesem Land –: Wer finanziert die ÖVP und wer finanziert die FPÖ? (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Bei der ÖVP wissen wir es: Die Großkonzerne finanzieren die ÖVP, das wissen wir ja alles schon. Man zahlt einmal bei der ÖVP ein und bekommt Vielfaches heraus. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Bei der FPÖ wissen wir es aber nicht so. Wer finanziert eigentlich die FPÖ? – Ich bin der Meinung, meine sehr geehrten Damen und Herren


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 169

(Ruf bei der FPÖ: Die Mitglieder!), jeder Bürger und jede Bürgerin hat das Recht, zu erfahren, von wem die politischen Parteien Gelder beziehen und ob es tatsächlich eine Auslandsfinanzierung gibt. Das ist meiner Meinung nach sehr wohl wichtig, weil es um Fragen von politischer Einflussnahme geht.

Das Um und Auf in einer Demokratie ist es, Transparenz zu schaffen, daher, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen – also mehr Kollegen – von der FPÖ (Zwischenruf bei der FPÖ): Legen Sie es doch offen, haben Sie den politischen Mut, zu sagen, woher Ihre Gelder stammen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haider: Aber pathetischer geht es wirklich nicht! Schauspielschule!)

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass es nicht sein kann, dass die Überschreitung von Wahlkampfkostenobergrenzen in unserem Land ein Kavaliersdelikt ist, immerhin geht es um Gelder von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. Daher sollen all jene, die Wahlkampfkostenobergrenzen um Millionen überschreiten, auch tatsächlich saftige Strafen bekommen, denn in Wirklichkeit muss man sehr vorsichtig mit den Geldern der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler umgehen. (Ruf bei der FPÖ: Das sagt die SPÖ!) – Danke sehr. (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

17.12


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.


17.13.21

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler! Werte Ministerinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf vielleicht wieder zur Sache selbst kommen. (Zwischenruf des Abg. Schieder.) Wir haben heute ein ziemliches Sammelsurium an Themen vorgelegt bekommen. Ich darf mich vor allem auf das Thema Desinformation – Fake News, Deepfakes et cetera – konzen­trieren.

Es ist schon wahr, in zehn Tagen wählen die Österreicherinnen und Österreicher die österreichische Vertretung im Europäischen Parlament. Viele von ihnen informieren sich dieser Tage natürlich noch über die zur Wahl stehenden Parteien und die antre­tenden Personen, und wollen auf Basis dieser Information eine für sie richtige Ent­scheidung treffen. Die Medien, die diese Informationen liefern – ich glaube, wir können nicht über zu wenig Informationen klagen, sei es in den klassischen oder in den modernen Medien –, sind wichtiger Bestandteil eines breiten demokratischen Mei­nungsbildungsprozesses und notwendig für das Funktionieren einer Demokratie. Diese Medien können – da gebe ich Ihnen recht – aber auch dazu missbraucht werden, gezielt Falschinformationen zu verbreiten, um die öffentliche Meinung in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen, gezielt bestimmte Gruppen anzupatzen und zu diffamieren.

Sie werden sich nicht wundern, wenn auch ich auf den Nationalratswahlkampf 2017 eingehen werde. Die Kampagne Ihres Beraters Silberstein war ein Tiefpunkt in der Zweiten Republik und hat das Vertrauen vieler Wählerinnen und Wähler in die Politik massiv beeinflusst und beschädigt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Wir haben gehofft, wir würden vielleicht von Kollegin Duzdar eine Antwort bekommen, wie die SPÖ mit ihrem Silberstein-Netzwerk oder mit den ehemaligen Mitarbeitern, die in diese Silberstein-Affäre involviert waren, umgehen würde, ob sie sich distanzieren würde – auch gegenüber dem Mitarbeiter Pöchhacker –, aber wir haben nichts dazu gehört. (Ruf bei der ÖVP: Schweigen!) Abgrenzung sieht anders aus, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 170

Gerade im Hinblick auf die EU-Wahl teile ich die Einschätzung, dass es Kräfte innerhalb und außerhalb Europas gibt, die klassische und moderne Medien nutzen, um Falschinformation zu verbreiten, zu streuen und den Ausgang von Wahlen zu beeinflussen. Es sind aber auch die gezielten Angriffe auf unsere Wahlsysteme Gefahren, mit denen wir uns befassen müssen und mit denen wir uns auch befassen.

Der Aktionsplan gegen Desinformation, der im Rahmen der österreichischen Rats­präsidentschaft präsentiert worden ist, ist schon angesprochen worden. Dieser sieht ein Frühwarnsystem betreffend Desinformation vor, bei dem besonders der Austausch zwischen den Mitgliedstaaten und auch den Vertretern in den Mitgliedstaaten forciert wird. Ganz wichtig ist auch, glaube ich, wenn es um die sozialen Medien geht, der Ver­haltenskodex, der im vergangenen Jahr etabliert worden ist und bei dem es darum  geht, für mehr Transparenz und objektive Informationen zu sorgen und Desinfor­ma­tionen entgegenzutreten.

Man sieht gerade im Zuge dieser EU-Wahl auch, dass dieser Verhaltenskodex greift. Es sind diverse Gruppen gesperrt und falsche Profile, Fakeaccounts, gelöscht worden. Es wird vor allem auch eine transparente Auskunft darüber gegeben, wer von wem eine Werbung erhält und warum. Ich glaube, das alles sind wichtige Schritte, die es weiterhin zu forcieren gilt. Wir lernen natürlich noch tagtäglich dazu, sammeln Erfah­rungen und entwickeln diese Maßnahmen weiter.

Wir müssen in diesem Bereich auf EU-Ebene zusammenarbeiten, wir tun aber auch einiges auf europ- -, also auf österreichischer Ebene. (Abg. Vogl: Ist eh das Gleiche!) Dazu möchte ich aber auch sagen, dass es nicht allein die Politik sein kann, die darüber entscheidet, was wahr oder falsch ist. Ganz im Gegenteil! Wir brauchen für eine unabhängige Faktenprüfung unabhängige Institutionen, unabhängige Medien und unabhängige Wissenschaftler.

Was ich keinesfalls will, ist eine europäische oder staatliche Behörde – eine Zensur­behörde –, die darüber entscheidet, was im Internet richtig oder falsch ist. Was machen wir stattdessen? – Wir bringen Journalisten mit Forschern, mit Faktenprüfern an einen Tisch, beispielsweise über unsere Regulierungsbehörde RTR. Wir haben die Medien­kompetenzwoche im März 2019 dafür genutzt, auch den Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrerinnen und Lehrern im Bereich der Desinformation Unterrichts­mate­rialen an die Hand zu geben und diese eine Woche konkret zum Thema Desinfor­ma­tion zu gestalten, um auch die Schülerinnen und Schüler auf die Europawahl vorzube­reiten. Wir machen das aber nicht nur bei Schülerinnen und Schülern, sondern bei­spielsweise über  Fit4Internet auch für ältere Zielgruppen; es werden Kurse angeboten, die Grundkenntnisse vermitteln, die aber auch so weit gehen, eine kritische Auseinan­dersetzung mit Onlineinhalten zu forcieren.

Wer heute richtig zugehört hat, hat auch mitbekommen, dass Bundesminister Kickl gesagt hat, gerade auf der technischen Ebene arbeiten alle Ministerien zusammen, um Bedrohungsszenarien zu erkennen, Maßnahmen zu setzen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richtig zu schulen und innerhalb dieses Kooperationsnetzwerkes Informa­tionen auszutauschen.

Ich darf auch noch den Schutz kritischer Infrastruktur erwähnen, betreffend den wir im vergangenen Jahr das NIS-Gesetz beschlossen haben; er ist ebenso ein wichtiger Faktor, um Sicherheit herzustellen. Es gibt in Österreich einige Notfallteams, die vor allem den Branchen, aber auch der öffentlichen Hand zur Verfügung stehen, um im Fall der Fälle schnell reagieren zu können.

Gestern – viele haben sich diesbezüglich auch positiv ausgesprochen – sind die Mittel im Fördertopf für die privaten Medien von 15 auf 20 Millionen Euro erhöht worden. Es


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sollen gerade da TV-Formate gefördert werden, die die Medienkompetenz fördern. Das ist ein positiver Zugang, um eine entsprechende Informationsvielfalt zu gewährleisten.

Am Ende dieser Debatte kann ich feststellen, dass sie meiner Meinung nach wenig zur Sicherheit beziehungsweise zur Klarstellung für die Wählerinnen und Wählerbeige­tragen hat. Ich befürchte, sie hat sogar zu mehr Unsicherheit geführt und zu Fragen, die sich betreffend 26. Mai stellen. Trotzdem sage ich aber, Gott sei Dank hat die Bundesregierung im Vorfeld viele Maßnahmen gesetzt und arbeitet daran, auch diesen 26. Mai im Sinne der Bürgerinnen und Bürger Österreichs und Europas sicher zu gestalten, sodass jeder die Möglichkeit hat, frei, demokratisch seine Stimme abzu­ge­ben. Ich kann Sie nur einladen, am 26. Mai Ihre Stimme für die ÖVP abzugeben. (Beifall bei der ÖVP.)

17.19


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak ist der nächste Redner. – Bitte.


17.20.16

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bun­deskanzler! Sehr geehrte Ministerinnen! Mit dem ernsten Thema, zu dem wir heute eine Dringliche Anfrage gemacht haben, haben sich nur ganz wenige ernsthaft befasst. Es gib nur wenige Ausnahmen, beispielsweise Frau Kollegin Himmelbauer hat sich ganz offensichtlich mit dem Thema beschäftigt, im Gegensatz etwa zu ihrem Sitznachbarn im ÖVP-Klub, der hier eher über andere Dinge geredet hat. (Abg. Lopatka: Jeder hat eben seine Schwerpunkte!) Kollege Hafenecker hat uns gezeigt, dass die FPÖ nicht nur nicht an den Klimawandel glaubt, sondern auch nicht an die Existenz von Fake News. Kollege Nehammer hat zum wiederholten Mal versucht, sein Trauma mit Tal Silberstein irgendwie zu bearbeiten. Frau Kollegin Schimanek sagt seit einer halben Stunde in Richtung des NEOS-Parlamentsklubs: Das ist eine schwache Dringliche! Das ist eine schwache Dringliche! (Rufe bei der FPÖ: Das stimmt ja auch! Genau! – Abgeordnete der FPÖ wenden sich Abg. Schimanek zu und spenden ihr Beifall.)

Ich glaube, Sie merken ja - - Also, das ist ja unfassbar! Es geht hier knapp eine Woche vor der Europawahl darum, ob Österreich gegen etwaige Desinformationskampagnen entsprechend und ausreichend gewappnet ist. Sie können das alles gerne ins Lächerliche ziehen. Falls wir nachher draufkommen, dass wir es nicht sind, dann wünsche ich Ihnen viel Glück bei der Aufklärung und womöglich noch bei der Wieder­durchführung der Europawahl. Ich habe ein anderes Anliegen.

Herr Bundeskanzler, Sie haben ein paar Fragen beantwortet. Ein paar Antworten finde ich zumindest ein wenig widersinnig. Auf die Frage nach der transparenten Parteien­finanzierung haben Sie gesagt, das sei Aufgabe des Parlaments und Sie halten sich zurück. Ich erinnere mich an viele Schlagzeilen, die Sie in der „Kronen Zeitung“ mit Aussagen über die Parteienfinanzierung produziert haben, insofern denke ich, dass Sie dazu eigentlich eine Meinung haben, Sie haben sie uns hier heute nur einfach nicht kundgetan.

Einige Fragen haben Sie gar nicht beantwortet, was mich sehr irritiert hat und auch nicht weitergeholfen hat hinsichtlich der Frage, ob wir gegen Desinformations­kam­pagnen gewappnet sind. Auf die Frage, ob der Aktionsplan gegen Desinformation der Kommission nach Ihrer Einschätzung bis zur EU-Wahl umgesetzt sein wird, haben Sie gesagt: Na, wir treiben es voran. – Also ich finde es relevant, ob er bis vor der EU-Wahl umgesetzt wird, und nicht, ob wir das vielleicht danach auch noch vorantreiben,


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denn die Frage ist, ob wir die EU-Wahl durchsetzen und umsetzen können. (Beifall bei den NEOS.)

Wir haben sehr detaillierte Fragen zu Herrn Sven Wagner aus dem Büro des Regie­rungssprechers gestellt. Sie haben das vielleicht schon einmal mitbekommen. Wir haben einmal im Ausschuss Herrn Bundesminister Blümel gefragt: Wer kümmert sich in Österreich, in der österreichischen Bundesregierung um Desinformation? Seine Antwort war, dass es eine Person im Büro des Regierungssprechers gibt, die sich darum kümmert, nämlich Herr Wagner. Die Frau Außenministerin hat gesagt, dass sie sich dafür nicht zuständig fühlt. Auf die Frage von uns, wie viel Zeit diese eine Person im Büro des Regierungssprechers dafür aufwendet, sich um Desinformations­kam­pagnen beziehungsweise Maßnahmen gegen diese zu kümmern, gab es keine Ant­wort. Auf die Frage, ob es andere Leute gibt, die sich noch darum kümmern, gab es keine Antwort. Ich habe nur gehört, dass es Menschen gibt, die sich irgendwie darum kümmern. Dadurch fühle ich mich nicht sonderlich abgesichert.

Auf die Frage nach der Erwachsenenbildung haben Sie auf den gestrigen Parla­mentsbeschluss verwiesen, dass es im Zusammenhang mit der Medienförderung und der Medienkompetenz 5 Millionen Euro mehr geben wird. Ob das sinnvoll ist, weiß ich nicht. Ich bin mir auch nicht sicher, ob es sinnvoll ist, wenn der sehr geschätzte Herr Kollege Kopf jetzt den Bundeskanzler ablenkt, während ich mit ihm rede, aber das kann man ja ohne Weiteres diskutieren. (Abg. Kopf, der an der Regierungsbank mit Bundeskanzler Kurz gesprochen hat, kehrt auf seinen Sitzplatz zurück.)

Ganz ehrlich: Man kann unterschiedlicher Meinung sein, ob die FPÖ mit Russland ver­bandelt ist oder nicht. Auf die relevante Frage, ob wir ausreichend auf Desinformations- und Fake-News-Kampagnen im Zusammenhang mit der Europawahl vorbereitet sind, haben wir von Ihnen, Herr Bundeskanzler, keine ausreichende Antwort bekommen. Wir hoffen alle, dass die Europawahl trotzdem gut über die Bühne gehen wird – wenn nicht, sind Sie mitverantwortlich, dass das passiert ist. (Beifall bei den NEOS.)

17.23


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Harald Stefan. – Bitte.


17.24.06

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn eine Partei die letzte Möglichkeit vor der Europawahl nützt, um eine Dringliche Anfrage einzubringen, und dann nicht wirklich ein Thema diskutiert, sondern angstbasiert Verschwörungstheorien, eine Mischung aus ein bisschen Realität und ein bisschen Erfindung auftischt und sich in erster Linie fürchtet, dann frage ich mich: Welche Bedeutung soll das haben? (Abg. Meinl-Reisinger: Wo ist die Erfindung?)

Vielleicht liegt es daran, dass Sie schon jetzt vorbauen wollen, falls die Wahlen anders ausgehen, als Sie sich das wünschen (Abg. Meinl-Reisinger: Wo ist die Erfindung?), um dann sagen zu können: Na, es war offenbar die russische Manipulation, die dazu geführt hat, dass patriotische Kräfte in Europa gewonnen haben! (Abg. Meinl-Reisinger: Was ist falsch?) Die Wähler waren offenbar so dumm und haben sich manipulieren lassen! Da wollen Sie also offenbar schon vorbauen. (Abg. Meinl-Reisinger: Was ist falsch?) Das spricht allerdings nicht für Ihr Demokratieverständnis. (Abg. Meinl-Reisinger: Was ist falsch?) Es spricht nicht für Vertrauen in Ihre Argumente, und es spricht nicht für Ihre Selbstreflexion, ob nicht vielleicht Ihre Themen die falschen sind. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


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Ja, Desinformation, Propaganda, Fake News, das ist sicherlich ein wichtiges Thema, aber bedeutend älter als das Internet, würde ich sagen; viel, viel älter, das gab es schon immer und ist nichts Neues. Es ist nichts Neues. (Abg. Meinl-Reisinger: Was ist falsch? Sagen Sie mir das!) Propaganda, Desinformation ist nichts Neues, das Neue ist die schnelle Verbreitung. Tatsache ist auch, dass immer ein Propagandakrieg läuft, und zwar wird er zumindest einmal von allen Großmächten geführt und auch von vielen anderen Mächten. Und ja, sicherlich, Russland betreibt auch Propaganda, Russland betreibt sicherlich auch Desinformation, verbreitet sicherlich auch Fake News. (Abg. Schellhorn: Richtig!) Das tun allerdings auch die USA, das tun viele anderen Mächte; auch überwachen. Überwacht werden wir, wie wir wissen, flächendeckend von den USA, wir können uns an die Diskussion über die NSA-Überwachungsmaßnahmen erinnern – ich weiß nicht, ob Sie da schon im Haus waren –, die ja nach wie vor flächendeckend funktionieren. Es gibt ein Übereinkommen der staatlichen Behörden mit den großen US-Unternehmen, dass unmittelbar Informationen abgezogen werden. Das ist so! Das ist überhaupt nicht gut, das ist sogar sehr schlecht, da wäre Europa auch gefordert, wirklich etwas zu tun. Aber: Das findet statt, und ja, Russland macht es offensichtlich auch.

Man muss aber auch aufpassen, was Propaganda und was Gegenpropaganda ist, denn zum Beispiel bei den Midtermwahlen in den USA im letzten Sommer gab es Hinweise auf große Hackerangriffe aus Russland, die die Wahl beeinflussen sollten. Dann hat sich herausgestellt, dass das gar nicht gestimmt hat, sondern dass das in Wahrheit Marketingmaßnahmen von Microsoft und anderen IT-Unternehmen waren, die ihre Produkte zur Abwehr solcher Systeme verkaufen wollten. Bei einem dieser Angriffe, von dem behauptet wurde, dass er stattgefunden hat, musste sogar die Demokratische Partei selbst zugeben, dass es ein eigener Sicherheitscheck war.

Es gibt also Propaganda und Gegenpropaganda. Sie haben völlig recht, wir sollten uns gegen Desinformation, Fake News und so weiter wappnen. Das ist etwas, was wir in unserer Partei ständig tun müssen, weil ständig Fake News verbreitet werden. Und wie macht man das? Da habe ich keine Auskunft gehört außer Bildung, Bildung, Bildung. – Na gut. Was heißt da jetzt Bildung? Wer betreibt diese Bildung? Wer entscheidet, was Fake News sind? – Da muss ich sagen, ich habe immer so ein Unbehagen, wenn mir jemand erklärt, er erklärt mir jetzt, was Fake News sind und was die Wahrheit ist. Wahrheit ist überhaupt ein sehr gefährliches Wort, habe ich heute ein paar Mal gehört. (Abg. Rosenkranz: Kurt Krenn!) Die Wahrheit soll man sagen dürfen, alles andere nicht.

Wer entscheidet das? – Früher war es viel schöner. Als ich das heute vonseiten der NEOS gehört habe, hatte ich den Eindruck, sie wünschen sich die gute alte Zeit zurück, in der es noch kein Internet gab, in der es noch einen klaren Filter gab. Da gab es zwei Fernsehsender, da gab es gewisse Zeitungen, und die haben die Wahrheit verbreitet. Jetzt gibt es das Internet, und plötzlich gibt es Desinformation. Das ist die Botschaft, die Sie heute transportiert haben. In Wahrheit ist es doch geradezu das Gegenteil. Es gibt jetzt die Möglichkeit, sich andere Informationen zu holen, und dafür bin ich sehr dankbar.

Das Internet ist in Wahrheit ein Hort der Freiheit. Natürlich wird die Freiheit überall dort, wo es sie gibt, auch missbraucht. Wenn man sich anschaut, wie sie missbraucht wird, sieht man, die politische Desinformation ist nur ein kleiner Teil davon. All die Fake­accounts, die von Twitter und Facebook gelöscht werden, sind nur zu einem ganz kleinen Teil politische, die wurden weitgehend von irgendwelchen Leuten eingerichtet, die damit Geld machen, Kleinkriminelle und so weiter, von Organisationen, die etwas verkaufen, damit es mehr Likes und so weiter gibt. Das ist ein Geschäftsmodell, und das wird bekämpft, es ist aber nur zu einem kleinen Teil ein politisches Problem.


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Wo setzen wir jetzt an? Was sind Fake News? Was ist die Wahrheit? Wie machen Sie das? Wollen Sie eine Zensurbehörde einführen? Mir wird da ganz schwummrig, wenn ich höre, wie Sie hier verbal agieren. Die Wahrheit darf gesagt werden, alles andere nicht. Die Wahrheit bestimmen – ich weiß nicht – die NEOS, oder gibt es da jetzt so ein gewisses Meinungsspektrum, und alles, was darüber hinausgeht, muss gelöscht werden, muss zensiert werden? – Nein! In Wirklichkeit müssen die Menschen auf Problematisches aufmerksam gemacht werden, das ist völlig richtig, ja, und sie müs­sen natürlich kritisch sein. Die Menschen sind kritisch, sie sind, Gott sei Dank, auch den Medien in Österreich gegenüber kritisch, sonst könnte die FPÖ nie diesen Erfolg haben, wenn die Menschen in Österreich den Medien im Wesentlichen glauben würden. Gott sei Dank sind die Menschen kritisch! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich bin überzeugt davon, dass gerade wir von der FPÖ einen viel größeren Beitrag dazu geleistet haben, dass Menschen Nachrichten kritisch betrachten und Propaganda nicht so stark erliegen.

Jetzt noch ein kurzer Hinweis zur Parteienförderung, weil ja ein wesentlicher Teil der Vorwürfe war, dass man so in den Raum stellt, die FPÖ werde irgendwie von bösen ausländischen Mächten finanziert, wahrscheinlich Russland oder sonst wem: Es gibt ein Parteiengesetz, in dem ist klar geregelt, wie Parteien geprüft werden. Jedes Jahr gibt es einen Rechenschaftsbericht, der von zwei Wirtschaftsprüfern, die nicht zusam­mengehören, also nicht in einer Kanzlei verbunden sind, und vom Rechnungshof bestimmt werden, geprüft wird; jedes Jahr, die FPÖ auch. Das ist so transparent wie nur sonst etwas. Sie wissen ganz genau, was wir an Einnahmen haben – das steht nämlich auch im Gesetz –, und unsere Ausgaben werden geprüft. Das ist das eine.

Spenden müssen jedes Jahr deklariert werden, dafür gibt es einen eigenen Bericht. Die Spenden sind nach verschiedenen Kategorien aufzuzählen, und jede Spende über 3 500 Euro muss namentlich ausgewiesen sein. Sie können also gerne nachschauen, wie viele Spenden die FPÖ bekommt, dann wissen Sie, wie wir finanziert werden. Sie können sich dann vielleicht ausrechnen, dass der Rest, der so nicht funktioniert hat, vielleicht über einen Kredit finanziert worden ist. Das ist aber bei uns transparent, und das ist das transparenteste System überhaupt. Bei anderen Parteien ist das nicht unbedingt so. Die SPÖ hat, wie wir wissen, ausgegliederte Vorfeldorganisationen, an die Spenden gehen. Es gab die sogenannte Inseratenaffäre, als Geld über Umwege letztendlich an Parteien geflossen ist, etwas mit Arbeiterkammergeld finanziert worden ist – nur als Beispiel, wir können es ja gern ausdiskutieren. Die FPÖ ist völlig trans­parent. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Und die NEOS, gut, die werden weitgehend von einem Unternehmer finanziert, der im Übrigen die größte Russlandnähe hat, wie wir heute schon festgestellt haben. Er selbst hat gesagt, die Sanktionen gegen Russland sind ein Fehler, damit fördern wir das Geschäft der Amerikaner. Seiner Meinung nach sollte Russland eigentlich schon längst in der EU sein. – Ist in Ordnung! (Abg. Scherak: Das ist das beste Beispiel dafür, dass es bei uns keine Abhängigkeit davon gibt!) Das heißt aber dann, Sie werden indirekt mit Russlandgeld finanziert. Wir haben keines, wir haben reine Parteienfinanzierung, und das ist bei uns transparent. Das ist der Riesenunterschied!

Sie werden hier jetzt auch nicht weiterkommen mit Ihren Theorien, mit Ihren Ver­schwörungstheorien, denn bei uns liegt es klar auf der Hand: Wir sind stolz darauf, dass wir gute Kontakte zu Russland haben. Wir halten es für sehr wichtig für Europa, dass es gute Kontakte gibt. Wir sind auch der Meinung, dass die Sanktionen aufge­hoben werden sollten. (Abg. Meinl-Reisinger: Dass die FPÖ gute Kontakte zu Einiges Russland hat, ist wichtig für Europa! Jetzt ernsthaft?) Wir sind sehr froh darüber, denn Europa braucht in Wirklichkeit diesen engen Kontakt mit Russland. Ich nehme ja an,


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dass Sie in Wahrheit auch nicht wirklich dagegen sind. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Tatsache ist jedenfalls: Was Sie hier behaupten, geht völlig ins Leere. Die glaub­würdige Partei ist die FPÖ, deren Finanzierung offenliegt, die sich auch in der Euro­pafrage immer eindeutig für ein selbstständiges Österreich deklariert hat und daher die beste Wahl am 26. Mai ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Die ÖVP applaudiert da auch mit!)

17.32


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Philip Kucher ist jetzt zu Wort gemel­det. – Bitte, Herr Abgeordneter.


17.32.58

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Regierungs­mitglie­der! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was soll ich nach dieser Debatte sagen? – Ich bin gewiss nicht der Familientherapeut der Österreichischen Volkspartei. Was Reinhold Mitterlehner in den letzten Wochen publiziert hat, haben wir alle hautnah mitbe­kom­men, die FPÖ hat die geheimen Unterlagen von Sebastian Kurz ja bereits im letzten Wahlkampf aufgedeckt. Uns ist ja allen bekannt gewesen, wie lange Sebastian Kurz diesen Putsch – das war der Begriff, der seitens der ÖVP verwendet wurde – geplant hat. Es war deswegen doppelt spannend, dass Sebastian Kurz sich heute hier hinge­stellt und lang und breit über den Wahlkampf philosophiert hat, und das in der alten Manier von Sebastian Kurz: ein ganz, ganz Großer, ein Riese beim Austeilen, ein Zwerg bei der Selbstkritik. (Beifall bei der SPÖ.)

Doppelt spannend war dann, dass die Rede von Sebastian Kurz einen Kenner der Materie, nämlich den Generalsekretär der ÖVP, dazu bewogen hat, rauszugehen und die Frage zu stellen: Ja wird denn in unseren eigenen Reihen genug dafür getan, um so etwas abzuwenden? Das war doppelt spannend, weil Sebastian Kurz neben Elli Köstinger gesessen ist. 6 Millionen Euro – 6 Millionen Euro! – mehr sind von der ÖVP im letzten Wahlkampf ausgegeben worden, und wir alle wissen bis heute nicht, wo das Geld herkommt. Wo ist denn da die Transparenz? Wo bleibt denn da die Kritik, Herr Bundeskanzler? (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Wenn man schon immer auf alle anderen mit dem Finger zeigt: Wo sind die 6 Millionen Euro hergekommen? Wir alle haben es im letzten Wahlkampf hautnah miterlebt: Groß­spender aus der Immobilienwirtschaft, Großspender aus der Industrie; und wir alle haben uns die Frage gestellt: Ja, warum spenden die? Weil ihnen Sebastian Kurz so wichtig ist, weil die Projekte so wichtig sind, oder gibt es da Eigeninteressen? – Nach der Wahl wissen wir es: Es gibt Steuerzuckerl für die Großkonzerne – das können wir jetzt alles im Regierungsprogramm nachlesen: eine halbe Milliarde Euro im Bereich der Unfallversicherung –, Steuerzuckerl für Immobilienkonzerne. Was jeder kleine Häusel­bauer zahlen muss, das kann man den Immobilienspekulanten nicht zumuten. Das ist Sebastian Kurz! Diese Themenbereiche haben wir alle miteinander nicht aufgeklärt. Das heißt, wenn wir schon offen miteinander reden, kann man auch selbstkritisch sein und Fehler, wenn sie passieren, eingestehen. Ich erwarte mir aber diese Aufklärung auch einmal in der Österreichischen Volkspartei. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Karl Nehammer hat das doch hautnah mitbekommen. – Du musst den Scherbenhaufen jetzt im Nachhinein reparieren, aufarbeiten. Elli Köstinger hat nichts dazu gesagt, und Sebastian Kurz hat auch nichts dazu gesagt.


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Und dann reden wir immer wieder von Fake News. Da gibt es jede Menge Beispiele! (Abg. Hafenecker: Pass auf dein Herz auf, Philip!) Es kommt Ministerin Hartinger-Klein hierher und verspricht uns eine Patientenmilliarde, worauf der Rechnungshof sagt: Wir wissen alle nicht, woher diese Milliarde kommt, das kann man nicht nachprüfen! (Abg. Hafenecker: Dein Blutdruck!) Da ist dann Klubobmann Rosenkranz ausgeritten und hat den Rechnungshof beschimpft und beleidigt. In welcher Welt leben wir denn? Die Patientenmilliarde war Fake News, das haben wir alle hier hautnah miterlebt, weil es eben keine gleich guten Leistungen für alle gibt. Wir könnten hier noch jede Menge Beispiele darstellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein super Beispiel ist auch der Schmäh vom Sparen im System. Wir sind jetzt durch jede Menge Anfragen der Opposition und durch Medienberichte draufgekommen, dass es im Bereich der Politapparate in den Ministerien Rekordausgaben gibt – Rekord­ausgaben, eine Armada an Pressesprechern, Generalsekretäre ohne Ausschreibung. Und was passiert dann? – Die „Kronen Zeitung“ hat das im letzten Jahr aufgedeckt, als wir draufgekommen sind, dass es diese Rekordausgaben gibt, geht der General­sekre­tär von Sebastian Kurz her und sagt: Stellen wir das alles ein bisschen schlanker dar! Behaupten wir einfach, das gehört zum Apparat! – Ja, sind das Fake News? Ist das Transparenz? Ist das die Wahrheit? Das hat doch keine Vorbildwirkung, Herr Bundes­kanzler! So kann man wirklich nicht arbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte heute das zweite Zitat zum Besten geben. Karl Nehammer: Nutzen wir den heutigen Tag, um gemeinsam zu sagen: Es ist nicht Job und Aufgabe der Politik, Jour­nalistinnen und Journalisten zu beschimpfen, die einfach nur ihren Job machen und kritisch recherchieren. Und es ist ganz gewiss normalerweise unser Job, dafür zu kämpfen, dass wir in Österreich keine amerikanischen Verhältnisse haben, dass Groß­spender in Österreich nicht glauben, dass sie mit irgendwelchen Großspenden Plakate und Inserate finanzieren können. Das hat in Österreich nichts zu suchen! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn es heute schon einen Schulterschluss gibt und wir alle so selbstkritisch sind, dann sagen Sie doch offen, Herr Bundeskanzler: Strenge Kriterien bei der Parteien­finanzierung!, und: Wir brauchen in Österreich keine Großspender! Das ist ganz einfach. Sagen Sie: Spart euch das Geld, das Scheckheft könnt ihr euch behalten! Es ist Aufgabe der Politik, Politik für alle Menschen zu machen, und nicht nur für ein paar Großspender. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Rossmann und Zinggl.)

17.37


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Klubob­mann Dr. Walter Rosenkranz zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Kucher: Sie kennen die Bestimmungen?)


17.37.29

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Ja, ich kenne die Bestimmungen. Kollege Kucher, Sie kennen manches nicht, und daher muss ich hier Ihre Fake News tatsächlich berichtigen.

Von diesem Rednerpult aus haben Sie gesagt, ich hätte – wahrscheinlich im Zuge einer Presseaussendung – den Rechnungshof, eine wertvolle Institution (Abg. Kucher: Die Präsidentin!), oder, wie Sie jetzt auch noch sagen, die Präsidentin beschimpft und beleidigt.

Ich weise das tatsächlich zurück. Ich habe sachliche Kritik geäußert, aber von Be­schimpfung und Beleidigung nicht die Spur! – Fake News damit richtiggestellt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.38



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Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


17.38.18

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Lieber Kollege Philip Kucher, kommen wir trotz deines aufgeregten Auftritts doch wirklich in aller Ruhe zurück zu dem, worum es eigentlich geht. Es geht um Fake News, und es geht um die immer noch offene Frage: Was ist mit der SPÖ? Warum trennt sich die SPÖ nicht endlich von Herrn Pöchhacker (Abg. Kucher: 6 Millionen Euro! Köstinger!), der im Jahr 2017 alles andere gemacht hat, als die Wahrheit zu sagen? Er hat Fake News wirklich derartig breit verbreitet, dass es dazu keinen Ver­gleich gibt.

Ich war 37 Jahre lang Journalistin in einem öffentlich-rechtlichen Unternehmen, und ich bin dem Bundeskanzler unheimlich dankbar dafür, dass er jetzt wieder betont hat, wie wichtig die Pressefreiheit in diesem Land ist. Darauf kommt es nämlich an, denn mündige Journalistinnen und Journalisten, die die Pressefreiheit in diesem Land genießen, machen alles andere als Fake News. Sie sind zur Objektivität verpflichtet. Ich war lang genug Redakteurssprecherin und Mitglied des Redakteursrates: Wir sind dieser Objektivität verpflichtet. Jeder, der den Bundeskanzler und sein klares Bekenntnis zur Pressefreiheit ernst nimmt, weiß, dass Fake News alles andere ist als das, was wir wollen.

Ich verlange von der SPÖ nach wie vor eine Distanzierung von Fake News, von Herrn Pöchhacker und von dem, was er im Jahr 2017 getan hat und auch jetzt noch für die SPÖ tut.

Danke, Herr Bundeskanzler, für die offenen Worte für die Pressefreiheit. Ich denke, dass die Fragen wirklich hinlänglich beantwortet wurden, und ich glaube, dass das, was der Bundeskanzler für den 26. Mai angekündigt hat, im Sinne aller Österreicherin­nen und Österreicher ist, und darum: ÖVP! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.39

Präsidentin Doris Bures: Jetzt liegt noch eine Wortmeldung vor: Herr Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim. – Bitte. (Ui-Rufe bei der FPÖ. – Abg. Jarolim – auf dem Weg zum Rednerpult –: Nur ganz kurz, Herr Bundeskanzler! – Rufe und Gegenrufe zwi­schen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.)

17.40.14

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube nicht, dass Aufrichtigkeit die größte Stärke des Herrn Bundeskanzlers ist. Was auch immer hier gesagt wird, ich möchte nur im Zusammenhang mit Herrn Nehammer kurz replizieren.

Herr Kollege, vorhin haben Sie in Ihrem ersten Redebeitrag gesagt, es sei völlig unmöglich, dass man erkennt, wer hinter kontrast.at steht. (Abg. Nehammer: Auf den ersten Blick, ja!) In Ihrer zweiten Rede haben Sie festgestellt, die SPÖ, der SPÖ-Klub stehe dahinter und das sei besonders schändlich. Sie müssen schon wissen: Sagen Sie hier am Rednerpult A oder sagen Sie B?, denn ich glaube, jeder, der da zuge­schaut hat, hat ganz genau gesehen, dass das nicht funktioniert, Herr Kollege (Abg. Nehammer: Wir haben Sie durchschaut!), dass Sie versuchen, den Leuten Sand in die Augen zu streuen, und es wird relativ leicht – Kollege Stefan grinst schon – als durch­sichtig erkannt.


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Ich möchte Ihnen etwas anderes sagen, weil Sie ja heute hier dargetan haben, wie arg das alles ist, was hier passiert. Ich habe mir jetzt gerade ein Like von Herrn Strache herausgeholt und darf Ihnen das vielleicht vorlesen, und Sie sagen dann selbst, was Sie davon halten – am besten auch Sie, Herr Bundeskanzler –, ob das quasi die Kraft ist, die Sie an Ihrer Seite brauchen: „Nein, ich lasse mich sicher nicht mundtot machen!“ Das sagt Herr Vizekanzler Heinz-Christian Strache in einem Beitrag von „Zaronews“, einer Webseite, in deren Beiträgen der Holocaust als größte Lüge und Adolf Hitler als Retter bezeichnet werden darf.

Ich würde sagen, der Vizekanzler muss zurücktreten. Herr Kurz, was sagen Sie dazu? – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.41


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet, damit ist diese Debatte geschlossen. – (In Richtung des sich verabschiedenden Bundes­kanz­lers:) Danke vielmals!

17.42.11Kurze Debatte über die neue Karfreitagsregelung


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über eine Anfrage­beant­wortung der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumen­tenschutz mit der Ordnungszahl 3006/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen gleich in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried. – Bitte.


17.42.38

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das Interpellationsrecht ist meines Erachtens eines der wesentlichen Goodies (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP), die Abgeordnete – danke schön für den Applaus! – (Heiterkeit bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ) in ihrer parlamentarischen Tätigkeit zur Verfügung haben. (Zwi­schenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Na, gegen das Interpellationsrecht spricht ja nichts.

Es hängt natürlich schon davon ab, wie ein Parlament dieses Interpellationsrecht wahr­nimmt, und es sind meines Erachtens zwei Dinge entscheidend, wie es im gelebten Parlamentarismus funktioniert. Das Erste ist: Wie geht die Regierung mit parlamen­tarischen Anfragen um, wie genau werden sie beantwortet, wie ehrlich ist man, wie ernst nimmt man das? Das Zweite ist abhängig davon, wie die Regierung damit umgeht: Wie geht das Parlament mit Beantwortungen um, die eben diesen Standards nicht entsprechen? Aus dieser Kombination heraus stehen wir jetzt vor einer Situation, in der die Bundesregierung parlamentarische Anfragen sehr, sehr schlecht, sehr, sehr oberflächlich und den Parlamentarismus eigentlich nicht achtend beantwortet.

Sie können sich sicher erinnern, ich habe mich gestern zu diesem Thema zur Ge­schäftsordnung zu Wort gemeldet und den Präsidenten ersucht, auf die Bundes­regie­rung einzuwirken, und da, muss man auch mit allem Respekt sagen, bekommt man manchmal Ratschläge von politischen Mitbewerbern, die recht zweckdienlich sind.

Ich weiß nicht mehr genau, ob es Herr Klubobmann Rosenkranz oder Herr Klubob­mann Wöginger war, der gemeint hat, man müsse ja betreffend eine Anfragebeant­wortung nicht die Geschäftsordnung bemühen, sondern könnte ja eine Kurzdebatte


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darüber machen; ich glaube, es war eher Herr Klubobmann Wöginger, und deshalb sind Sie heute hier, Frau Bundesministerin, sozusagen auf Anraten des Herrn Klubob­manns Wöginger. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei der FPÖ. – Abg. Rosenkranz: Geschäftsordnung ist Geschäftsordnung!)

Das Problem dabei ist, dass die Anzahl der schlechten Beantwortungen derart hoch ist, dass wir mit diesen Kurzdebatten eigentlich nicht zurande kommen, aber ich möchte jetzt eine herausnehmen. (Beifall bei der SPÖ.) Sie ist meines Erachtens wirklich ganz exemplarisch für das, was passiert ist. Frau Bundesministerin, das betrifft eine Anfrage, die Sie beantwortet haben. Zu Ihrer Ehrenrettung muss man sagen, sie ist an die gesamte Bundesregierung ergangen, und die gesamte Bundesregierung hat sie so schlecht wie Sie beantwortet; aber Sie sind eben zuständig, und deshalb sitzen Sie heute hier.

Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Es geht bei dieser Anfragebeantwortung um die wahrscheinlich verfassungsrechtlich nicht haltbare und auch gleichheitswidrige Lösung, die Sie als Regierung für den Karfreitag gefunden haben. Ich glaube, es ist für die Öffentlichkeit schon interessant, zu wissen, wer für so eine eigentlich für alle schlechte Lösung – bis auf die, die damit wieder verdienen, nämlich die großen Konzerne – die Verantwortung trägt, deshalb habe ich eine Anfrage an alle Kabinette gerichtet, in der im Wesentlichen die Fragen 1, 3, 5, 8 und 9 interessant sind.

Frage 1 lautete: „Waren a. Sie, b. ihr Kabinett, c. ihr Generalsekretariat oder d. andere Organisationseinheiten ihres Ressorts jeweils in die Beratungen zur ,Karfreitags-Lösung‘ eingebunden?“

Frage 3 war: In welchen Räumlichkeiten hat das stattgefunden?

Frage 5: Welche Organisationseinheiten des Hauses haben sich damit befasst?

Frage 8: Warum erst so spät?

Frage 9: Welche Einflüsse der Wirtschaft hat es dabei gegeben?

Jetzt schauen wir uns die Chronologie der Geschehnisse betreffend Karfreitags­rege­lung an, die recht interessant war: Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes war am 22. Jänner. Am 24. Jänner gibt es die ersten Reaktionen der Bundesregierung. Herr Minister Blümel sagt am Mittwoch, dem 24., nach dem EuGH-Urteil, dass man es sich genau ansehen werde, ob man das jetzt ändern müsse; man müsse eine recht­liche Klärung durchführen und mit allen Beteiligten sprechen. Den evangelisch-lutherischen Bischof Michael Bünkner habe man zu diesem Zeitpunkt bereits einge­laden.

Dann kommt der 29. Jänner: Herr Bünkner (Rufe bei der FPÖ: Bünker!) – Bünker, Entschuldigung – trifft Herrn Kanzleramtsminister Blümel. Es hat am 29. Jänner ein 15-minütiges Gespräch mit Bundesminister Gernot Blümel gegeben. Beide haben sich erstaunlicherweise zufrieden gezeigt, was dieses Gespräch betrifft.

Am 30. Jänner lobt der Herr Bundeskanzler das gute Gespräch zwischen den beiden.

Am 18. Februar passiert Folgendes: Am Abend vor der Bekanntgabe des Regie­rungs­vorschlags am 19. sagt Herr Bünker, dass ihn Herr Blümel telefonisch über den Stand informiert habe und es sei alles klar.

Am 19. Februar verkünden dann – und bitte achten Sie darauf! – Herr Kollege Haubner und Herr Kollege Rosenkranz die Halbtagslösung für den Karfreitag ab 14 Uhr. Das war die erste – wenn man es so nennen will – parlamentarische Handlung, die dieses ganze Prozedere begleitet hat. Minister Blümel zeigt sich im ORF mit dem Kompromiss zufrieden. Der Sozialausschuss beschließt das am 19. Februar. Am 20. Februar ver-


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weist Blümel wieder auf viele Gespräche mit Experten, viele, viele Expertinnen und Experten waren bei ihm und haben über den Karfreitag mit ihm gesprochen.

Dann geht das Ganze ein bisschen in Schieflage: Am 25. Februar treffen sich Ver­kehrsminister Hofer und Herr Bünker – auch danach sagen sie, dass das alles seine Ordnung hat.

Dann wird es ganz interessant: Es kommt die Meldung, dass die legistische Ausar­beitung der Karfreitagsregelung auf Beamtenebene stattfindet. Am Montag fanden Ge­spräche auf Beamtenebene statt, wie die APA mitteilte, die das aus Regierungskreisen erfahren hat. Da geht es wieder um diese 14-Uhr-Regelung.

Am 26. Februar erfahren wir Folgendes: Der Einigung vorangegangen waren Ge­spräche mit Vertretern der evangelischen und der römisch-katholischen Kirchen – man höre zu – mit den Regierungskoordinatoren Gernot Blümel und Norbert Hofer.

Dann ist das Ganze irgendwie gekippt. Am 27. Februar 2019 wird von der Koalition der Karfreitag-Feiertag gestrichen und stattdessen dieser berühmt-berüchtigte und sinn­lose persönliche Feiertag eingeführt. Das geht dann noch ein bisschen weiter. Am 27.2. sagt Blümel: Wir haben auch mit den betroffenen Religionsgemeinschaften Gespräche gesucht, und ich bin froh, dass der Kompromiss jetzt passt.

Das war die Chronologie, geschätzte Damen und Herren, und jetzt kommt die Antwort, die wirklich verblüffend ist. Die Frau Bundesministerin, die zuständig ist, sagt zu den Fragen 1, 3 und so weiter – das sind jene Fragen zu dem, was Sie und die Regierung getan haben –: „Die parlamentarischen Abläufe, die in der Geschäftsordnung des Nationalrates geregelt sind, sind kein Gegenstand der Geschäftsführung der Bundes­regierung“, deshalb brauche sie dazu nichts zu sagen. Sie hat also behauptet, die Regierung hat mit diesem Gesetz überhaupt nichts zu tun gehabt, das haben die Nationalratsklubs gemacht.

Geschätzte Damen und Herren, es gibt zwei Möglichkeiten: Die eine Möglichkeit ist, Frau Bundesministerin, Sie haben die Unwahrheit gesagt, denn die Chronologie sagt etwas ganz anderes aus. Die zweite Möglichkeit ist, die Herren Blümel und Hofer haben Sie links liegen gelassen und Sie Ihre Verantwortung nicht wahrnehmen lassen. Frau Bundesministerin, welche dieser beiden Möglichkeiten ist wahr? (Beifall bei der SPÖ.)

Sagen Sie uns das, sagen Sie, was wahr ist, sagen Sie uns aber auch, warum Sie diese Beantwortung, die offensichtlich falsch ist, so gemacht haben, Frau Bundes­ministerin! Erklären Sie sich hier! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.51


Präsidentin Doris Bures: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich mitteilen, dass ich Herrn Abgeordneten Josef Schellhorn, der heute früh als ver­hindert gemeldet war, jetzt sehe. Er ist also anwesend, obwohl es in der Früh anders verlautbart wurde.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Ernst Gödl. – Bitte.


17.52.18

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren im Hohen Haus! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Es trifft sich gut, dass exakt diese Anfrage der Sozialdemokraten hier zur Debatte steht, denn zum Inhalt dieser Anfrage hätte ich auch einige interessante Fragen.

Sie schreiben in Ihrer Anfrage als Überschrift: „betreffend Mitwirkung an einer verfas­sungsrechtlich bedenklichen und neuerlich gleichheitswidrigen Lösung betreffend das


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EuGH-Urteil zum Karfreitag“. Es stimmt, es gibt Verfassungsrechtler, die sagen, die Lösung ist verfassungsrechtlich vielleicht zu überprüfen. Es gibt andere, die sagen, sie ist in Ordnung. Es gehört auch uneingeschränkt zu unserem Rechtsstaat, dass jeder­mann, jede Organisation den Verfassungsgerichtshof anrufen kann, wenn ein Gesetz mit Mehrheit beschlossen wird und man meint, dass es verfassungswidrig sei. Das ist in Ordnung. Wir als Regierungsparteien glauben angesichts der Ausgangslage, dass wir eine praktikable Lösung gefunden haben. (Abg. Leichtfried: Aber das ist jetzt nicht die Frage! Die Frage war, warum es falsch beantwortet war! – Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Rosenkranz und Leichtfried.)

Was aber war die Ausgangslage? – Die Ausgangslage war, dass ein EuGH-Urteil vor­gelegen ist, das eine bewährte Regelung, eine über Jahrzehnte bewährte Regelung zu Fall gebracht hat. Lieber Jörg Leichtfried, es war unsere Aufgabe, Aufgabe des Parlaments – da bin ich jetzt mitten im Thema –, hier eine gute Lösung zu finden, und wir haben das mit Initiativantrag eingeleitet.

Dass es zu diesem Urteil gekommen ist, hat ja auch eine Geschichte (Abg. Leichtfried: Ja, aber was ist mit der Antwort?), in die Sie mit involviert sind. Die Arbeiterkammer in Wien und damit auch Sie als Komplize waren Teil dessen, dass wir überhaupt tätig werden mussten, um eine neue Regelung zu schaffen, obwohl vorher niemand ein Problem damit gehabt hat, dass die evangelischen und drei weitere Glaubens­gemein­schaften einen zusätzlichen Feiertag haben.

Herr Jörg Leichtfried, wenn Sie aber dann in Ihrer Anfrage schreiben, die Regierung habe ja wieder etwas gemacht, das gleichheitswidrig ist, und den Jom-Kippur-Tag an­sprechen, im Sinne von: Hallo, warum habt ihr den nicht auch gleich mit gelöst?!, dann sage ich Ihnen, liebe SPÖ: Wer den Jom-Kippur-Tag infrage stellt, so wie Sie in Ihrer Anfragebegründung, rüttelt am Grundkonsens der Zweiten Republik. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Jom Kippur ist der Feiertag der Juden, ein Privileg als Antwort auch für das historische Unrecht, das ihnen zugefügt wurde.

Liebe SPÖ, mit der Vorgangsweise hinsichtlich des Falls dieser Sonderregelung für die evangelische Glaubensgemeinschaft haben Sie bereits genug angerichtet und Unfrie­den gestiftet, der überhaupt nicht notwendig war, weil alle mit dieser Regelung bis dahin zufrieden waren. Hüten Sie sich jetzt bitte davor, so wie Sie in Ihrer Anfrage schreiben, jetzt womöglich noch jemanden zu suchen, um ihn zu begleiten, damit er auch noch den Jom-Kippur-Tag zu Fall bringt! Damit würden Sie einen wesentlichen Grundkonsens dieser Republik überschreiten, denn dieses Feiertagsprivileg ist ein Zugeständnis an die jüdische Glaubensgemeinschaft aufgrund des vorhandenen Un­rechts. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher, meine geschätzten Damen und Herren von der SPÖ: Diese Anfrage mit dieser Begründung ist eine Schande für dieses Parlament! Schämen Sie sich dafür! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

17.56


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Markus Vogl, Sie sind der nächste Redner, der zu Wort gemeldet ist. Bitte.


17.56.41

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Hohes Haus! Ich möchte meine Rede mit einem Dank beginnen. Es ist ein Dank


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an Abgeordneten Wolfgang Zanger von der FPÖ, der leider gerade nicht da ist, für seine hervorragende Unterstützung im letzten Arbeiterkammerwahlkampf.

Seine Entgleisung an diesem Rednerpult, als er Betriebsrätinnen und Betriebsräte als „Beidl“ beschimpft hat – was dann die Gewerkschaftsjugend dazu animiert hat, zum Beispiel dieses Sujet zu verwenden (ein Plakat in die Höhe haltend) –, hat noch einmal eine zusätzliche Motivation gebracht und hat dazu geführt – und dafür möchte ich mich wirklich herzlich bedanken –, dass die FSG ein sensationelles Wahlergebnis erreicht hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Sozialministerin, Sie bezeichnen sich ja fast schon täglich als die soziale Wärme in diesem Land. Ich kann Ihnen nur immer wieder sagen: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land empfinden es ein bisschen anders. Wer heute mit den Menschen redet, weiß, dass das Thema Flexibilisierung der Arbeitszeit eines ist, das nicht unbedingt so empfunden wird, dass es für beide Seiten die gleichen Freiheiten bedeutet. Menschen in diesem Land merken immer mehr, dass es eine schiefe Ebene gibt, wenn es darum geht, was die Wirtschaft bekommt und was die Beschäftigten bekommen.

Frau Ministerin, Sie sind Arbeits- und Sozialministerin und nicht Wirtschaftsministerin, und die Frage am Ende des Tages ist: Was tun Sie für die hart arbeitenden Men­schen? – Man kann nur sagen, Sie haben hier wirklich etwas vorgefunden, das es möglich gemacht hätte, das Urteil dafür zu nutzen, eine Entlastung für diese Menschen zu schaffen, und zwar einen Ausgleich in Freizeit. Wir merken, dass die Arbeits­bedingungen immer belastender werden und die Menschen dringend mehr Freizeit brauchen würden. Wir haben Ihnen deshalb – um es in der Fußballersprache zu sagen – den Ball auf den Elfmeterpunkt gelegt, haben den Tormann herausge­nom­men, und jetzt waren Sie am Zug. Was ist passiert? – Da Sie sich erst am Ende dieser Debatte deklarieren werden, sage ich es Ihnen vorweg – und ich bleibe in der Fuß­ballersprache –, und das ist auch aus Ihrer Anfragebeantwortung ersichtlich: Sie sind nicht einmal zum Elferpunkt gegangen. Sie haben gesagt: Das interessiert mich nicht, das soll wer anderer machen! Das ist Ihre Verantwortung den hart arbeitenden Men­schen in diesem Land gegenüber, Sie haben diese Chance einfach liegen gelassen!

Was machen Sie sonst noch, um Ungleichheiten in diesem Land zu bekämpfen? Und: Was machen andere, um Ungleichheiten zu bekämpfen? Ich kann Ihnen nur sagen: Wie es richtig geht, haben die Betriebsrätinnen und Betriebsräte von Ankerbrot ge­meinsam mit der Geschäftsführung gezeigt, wo über 1 000 Beschäftigten am Karfreitag freigegeben worden ist. (Beifall bei der SPÖ.)

So schaut verantwortungsvolle Politik aus, Politik für die Menschen, die es brauchen, nicht Politik für wenige, sondern Politik für viele!

Wo waren Sie, als wir gestern ein Staatsziel Wirtschaftsstandort diskutiert haben, dem ein ganz wesentliches Kriterium, Beschäftigung, gefehlt hat? Oder: Was passiert jetzt, um diese schiefe Ebene bei der Lohnsteuerreform auszugleichen? Wir wissen, die Menschen zahlen sich die Lohnsteuerreform selber, nein, sie zahlen sogar mehr ein, als sie dann eigentlich bekommen – und ein Teil davon wird der Wirtschaft gegeben.

Es fehlt uns Geld. Wir wissen, es fehlt Geld. Alle Ministerien haben sofort aufgeschrien, als gefragt worden ist: Wo nehmen wir das fehlende Geld her? Alle Ministerien haben gesagt: Stopp! Ein Ministerium hat nicht Stopp gesagt. Heißt das, dass die hart arbeitenden Menschen in diesem Land die Entlastung weniger großer Konzerne mit über 1 Milliarde Euro zahlen müssen? Ist das Ihre Antwort, Frau Ministerin, für die hart arbeitenden Menschen in diesem Land? (Beifall bei der SPÖ.)


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Frau Ministerin, Sie werden jetzt natürlich alles aufzählen, was Sie gemacht haben, aber wissen Sie: Die Lebensrealität der Menschen ist eine andere, und diese wissen schon zu unterscheiden und merken auch tatsächlich, wer Politik für sie macht. Dass es die Menschen immer mehr kapieren, das haben die gestrigen Voest-Betriebs­rats­wahlen gezeigt. (Beifall bei der SPÖ.)

Gestern hat die Voest gewählt. Dass die ÖVP beim Thema ArbeitnehmerInnen­ver­tretung nicht mehr vorkommt, das war vorher schon klar, denn die hat es davor schon nicht mehr gegeben; gestern hat es nicht einmal mehr eine Liste gegeben. Ihr (in Richtung FPÖ) seid aber immer diejenigen, die sagen: Wir sind die Vertreterinnen und Vertreter des kleinen Mannes!, ihr schickt euren Spitzenkandidaten auf Bundesebene in den Kampf. (Abg. Deimek: ...! Das hast du wieder nicht kapiert!) Was passiert? – Zwei Drittel verloren, von drei auf ein Mandat reduziert! Das ist die Antwort der hart arbeitenden Menschen auf eure Politik. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Was darf der Betriebsrat bei der Volksbank ...?)

Ich kann von dieser Stelle aus nur eines sagen: Ein herzliches Glückauf allen Betriebs­rätinnen und Betriebsräten in diesem Land, die tagtäglich hervorragende Arbeit für die Kolleginnen und Kollegen machen! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Abg. Höbart: Wie schaut es bei BMW in Steyr aus?)

18.01


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr.in Dagmar Belakowitsch. – Bitte.


18.01.43

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsident! Frau Bundes­minis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Leichtfried, Sie stellen sich hier zu einer Anfragebesprechung heraus und beginnen mit den Worten: eine wahrscheinlich verfassungsrechtlich nicht haltbare Lösung, weil sie gleichheitswidrig ist. – Sie versuchen hier, das jetzt schon zu implizieren. Da ist noch kein Urteil gesprochen. Wenn sie verfassungsrechtlich nicht haltbar sein wird, dann werden das andere zu entscheiden haben, aber nicht der Klubobmann der SPÖ. – So viel einmal dazu. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Leichtfried und Wittmann.)

Herr Kollege Leichtfried, in Wahrheit aber haben Sie sich hier auf einen Satz beson­ders gestürzt und ihn vorgelesen: „Die parlamentarischen Abläufe, die in der Ge­schäftsordnung des Nationalrates geregelt sind, sind kein Gegenstand der Geschäfts­führung der Bundesregierung.“ (Abg. Wittmann: Die Rechtsmeinung ist noch frei!) Diesen Satz haben Sie hier vorgelesen und haben der Frau Minister vorgeworfen, sie würde hier die Unwahrheit sagen beziehungsweise schreiben. Herr Kollege Leichtfried, das stimmt doch! Was genau ist daran falsch? Die Geschäftsordnung des National­rates – da werden Sie mir doch recht geben – hat ja jetzt nichts damit - - (Abg. Wittmann: Die Unwahrheit hat sie gesagt! – Abg. Leichtfried: Die Frage ist, was sie gemacht hat! ...!) – Das haben Sie nicht gefragt. Nein, das hätten Sie halt fragen sollen. Sie haben sich hier auf diesen Satz gestürzt, der hat Sie so gestört. (Abg. Wittmann: Sie hat die Unwahrheit gesagt!)

Offensichtlich können Sie sich gar nicht vorstellen, dass Abgeordnete hier auch einen Initiativantrag zusammenbringen. Ich weiß nicht, wie das in Ihrer Fraktion war, aber Sie haben sich offensichtlich alles aus den Ministerien sagen lassen beziehungsweise haben es an die Abgeordneten weitergegeben, Sie waren ja in der Ministerrolle. Man hat gesehen, was herausgekommen ist; genau das war das Problem. (Abg. Wittmann: Es wäre Zeit, dass die Frau Ministerin etwas sagt!)


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Jetzt haben wir Abgeordnete, die hier selber initiativ werden, die hier auch zu Lösun­gen kommen. Da können Lösungen dabei sein, die nicht immer gleich praktikabel sind, man kann auch erste Entwürfe verwerfen – darüber haben Sie sich auch lustig ge­macht –, das alles kann im parlamentarischen Geschehen vorkommen. Wesentlich ist in meinen Augen, dass hier eine gute Lösung für die Menschen zustande gekommen ist – und das ist es ja auch. „Der Standard“ hat beispielsweise am 3. April geschrie­ben – das war einen Tag vor Ende der Anmeldefrist für den persönlichen Feiertag Karfreitag –, dass das praktisch nicht genutzt wird. Das heißt, das Ganze ist eine Nebelgranate, die Sie hier zu werfen versucht haben. (Abg. Wittmann: Wieso sagt die Frau Ministerin nichts? – Abg. Leichtfried: Wieso sagt sie nichts?)

Der Herr Kollege hat ja dann gesagt, worum es ihm eigentlich geht. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) – Wie? Nein, aber du hast dich ja hierhergestellt und hast gesagt, man hätte es ja auch in Freizeit umwandeln können. Genau darum ist es Ihnen gegangen (Abg. Vogl: ... Arbeitszeit verkürzen!), zusätzliche Feiertage, weniger Arbeitszeit, denn offensichtlich leben Sie nach dem Motto: Arbeit ist ein Leid für die Menschen, sie können sich der Arbeit gar nicht mehr erwehren, die armen Menschen sind nur geknechtet. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Vogl.) Das Gegenteil ist doch der Fall, das wissen Sie; das kommt übrigens interessanterweise, wenn die Kollegin, die vor Ihnen sitzt, über Frauenrechte spricht: dass sich Frauen selbstverwirklichen und daher arbeiten gehen müssen. Nur wenn es dann um Arbeit für alle geht, dann ist Arbeit etwas Böses. (Abg. Wittmann: Wie erklären Sie sich das Wahlergebnis der Voest?)

Wenn Sie sich hierherstellen, Kollege Vogl, und erklären, wie toll die Betriebsratswahl ausgegangen ist, dann sage ich: Herzliche Gratulation an die FSG! Entscheidend wird halt aber schon sein: Wie wird denn die nächste Landtagswahl in Oberösterreich ausgehen? Wenn Sie sich erinnern, auch bei der letzten Betriebsratswahl war die FSG in der Voest extrem gut, und trotzdem haben dann die Arbeiternehmer der Voest in der Wahlzelle, wo sie geheim wählen dürfen, wo sie nicht unter Druck stehen, die FPÖ gewählt. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Vogl: Ist das jetzt eine Unterstellung? – Abg. Wittmann: He! Unglaublich! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Entgleisung!) Das ist der Unterschied. Daran wird sich erst zeigen – daran wird sich nämlich in Wahrheit erst zeigen –, wie viel dieser Sieg wert ist, ob das nicht ein reiner Pyrrhussieg ist, den Sie hier errungen haben, meine Damen und Herren.

Hören Sie auf, hier permanent irgendetwas zu erklären! Bei der Karfreitagsregelung – wir werden das alle sehen, Sie sind kein Hellseher, ich bin kein Hellseher – sind wir der Meinung, sie wird verfassungsrechtlich halten. (Abg. Leichtfried: Aber eine Rechts­meinung darf man haben?!) – Das ist keine Rechtsmeinung, das ist eine Vermutung. Sie haben ja gesagt: „wahrscheinlich“, und wahrscheinlich drückt für mich eine Vermu­tung aus. Sie wissen es nicht, Sie behaupten es einfach hier, um irgendetwas schlecht­zureden.

Sie sind aber ohnehin zu spät dran. Der Karfreitag war heuer am 19. April. Die Men­schen haben ihn eigentlich nicht so genutzt, wie Sie das gerne gehabt hätten. Die Leute in Österreich sind zufrieden, das zeigen die Wahlumfragen. Wir werden sehen, wer in zehn Tagen bei der Wahl zum Europäischen Parlament letztlich als Wahlsieger hervorgehen wird. Da kann ich Ihnen jetzt schon garantieren: Die Menschen wissen ganz genau und unterschieden auch ganz genau – da hat Kollege Vogl recht, sie unterschieden ganz genau –, vor welcher Wahlurne sie gerade stehen.

Ich sage Ihnen, die Menschen werden sich für die FPÖ entscheiden, weil sie wissen, die FPÖ ist auf der Seite der Menschen (Heiterkeit bei der SPÖ), die FPÖ ist der Anwalt und der Vertreter der Arbeitnehmer in diesem Land und in Europa. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Vogl.)

18.06



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 185

Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Mag.a Beate Hartinger-Klein zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Wittmann: Na endlich! – Rufe bei der SPÖ: Hört, hört!)


18.06.39

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ein bisschen Geduld! Erstens, Herr Kollege Leichtfried (Abg. Leichtfried: Ja!): Sämtliche Regierungs­mit­glie­der beantworten die parlamentarischen Anfragen nach bestem Wissen und Gewissen. (Abg. Leichtfried: Ich war schon so brennend interessiert!) – Hören Sie mir bitte zu! (Abg. Rosenkranz: Zuerst reden sie, dann hören sie nicht zu!) – Ja, ich verstehe es auch nicht. Jetzt hört er mir nicht einmal zu! Herr Kollege Leichtfried, ich habe Ihnen eine Antwort gegeben und Sie hören mir nicht zu! (Zwischenruf des Abg. Leichtfried. – Abg. Wittmann: Sie sagen noch nichts!)

Zweitens: Das, was Sie gesagt haben, widerspricht eigentlich dem, was Kollege Vogl gesagt hat. Da ist es um ein ganz anderes Thema als die Karfreitagssituation gegan­gen. Worüber wollt ihr jetzt eigentlich reden? Über Arbeitsmarktpolitik, über Sozial­politik oder über die Karfreitagssituation? Ihr könnt euch anscheinend selber nicht einigen. (Abg. Wittmann: Die Frage war klar!)

Drittens: Mir ist es wirklich sehr, sehr wichtig, eines zu sagen, nämlich dass der Grund für die Karfreitagssituation eine EuGH-Entscheidung war, die von der Arbeiterkammer unterstützt wird, die längst mein Vorgänger, Kollege Stöger, hätte reparieren können, dann wäre vieles leichter gewesen. Wir müssen laufend eure Versäumnisse korrigieren und entsprechend handeln. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried. – Abg. Wittmann: Waren Sie jetzt verantwortlich oder nicht?)

Herr Kollege Vogl, die Flexibilisierung der Arbeitszeit – und Sie wissen das ganz ge­nau – ist seit September vorigen Jahres in Kraft. Wir haben derzeit drei Beschwer­den in ganz Österreich, und diese sind, sage ich einmal, nicht haltbar. Es ist lächerlich. Die Arbeitszeitflexibilisierung ist wichtig für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und natürlich auch für die Unternehmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Eine weitere Frage von Ihnen: Was tun Sie für die arbeitenden Menschen? – Ich kann Ihnen sagen, was wir tun: Wir entlasten sie! (Abg. Leichtfried: Ich will nur wissen, wer es war!) Die Bundesregierung entlastet sie, damit mehr Geld im Börserl bleibt. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

Dass Sie sich aufregen, dass wir gerade für die kleinen Arbeitnehmer und Arbeitneh­merinnen die Sozialversicherungsbeiträge senken, damit ihnen auch mehr Geld im Geldbörserl bleibt, das wundert mich wirklich und ist für mich unverständlich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wittmann: Das war wieder keine Beantwortung der Frage!)

18.08


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Gerald Loacker ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


18.09.05

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Kollegin Belakowitsch hat vorhin gesagt, sie ist sich sicher, dass sich die Menschen für die FPÖ entscheiden werden. – Ich darf Ihnen mitteilen, die FPÖ hat heute Nachmittag ein Mitglied des Bundesrates verloren (Heiterkeit bei der SPÖ), weil die gesamte FPÖ Götzis aus der Partei ausgetreten ist. (Beifall und Oh-Rufe bei der SPÖ.)


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In der gegenständlichen Sache, zu der Klubobmannstellvertreter Leichtfried die An­frage gestellt hat, ging es um eine Ungleichbehandlung, die der EuGH festgestellt hat, nämlich zwischen den Angehörigen der evangelischen Kirche A.B. oder H.B. und den anderen Arbeitnehmern – eine Ungleichbehandlung, und die war zu beseitigen. Da war die Regierung unter Zugzwang.

Man hätte diesen Punkt zum Anlass nehmen können, gleiches Recht für alle zu schaf­fen, nämlich auch über die Berufsgruppen hinweg. Das hat man nicht gemacht. Es geht aus der Anfragebeantwortung auch hervor, dass bei den Bundesbediensteten üblicherweise der Karfreitagnachmittag frei ist, bei den Angestellten und Arbeitern ist das jetzt nicht der Fall. Man hat also Ungleichbehandlung an einem Ort beseitigt, aber an einem anderen Ort zumindest bestehen lassen und weitergeführt.

Wie aus einer Anfragebeantwortung des Bundesministeriums für öffentlichen Dienst und Sport hervorgeht, gibt es dort noch zusätzlich die Regelung, dass die Mitarbeiter am Allerseelennachmittag für den Besuch der Friedhöfe freibekommen. Normalerweise geht man, wenn man katholisch ist, zu Allerheiligen mit der Familie auf den Friedhof, aber die Mitarbeiter des BMOEDS gehen einen Tag später am Nachmittag, denn dafür brauchen sie frei.

Es gibt also in diesem Bereich noch einige Ungleichheiten zu beseitigen. Den Mut hatte man nicht, die Kraft hatte man nicht. Es liegt vielleicht daran, dass angeblich die klugen Abgeordneten im Parlament diese Gesetze geschrieben haben, die sind dann in dem Stress nicht mehr dazugekommen, das habe nicht die Legistik des Ministeriums gemacht. – Wir glauben ja alles.

Kollege Gödl hat zu Recht darauf hingewiesen, dass auch die Frage des Jom Kippur noch im Raum steht. Auch das wäre mitzubereinigen gewesen, wenn man eine große Lösung gewollt hätte. Man hätte sich nämlich auch der Frage stellen können, welche Position religiös begründete Feiertage in der österreichischen Rechtsordnung haben, haben sollen und welche Gleichbehandlung der unterschiedlichen Religionsgemein­schaften wir vor dem Gesetz wollen. Dieser Frage hat man sich nicht gestellt. Dann müsste man nämlich schon auch einmal hergehen und fragen: Was ist denn eigentlich der Fronleichnamstag? Wer von Ihnen kann erklären, wenn Sie Mitglied der katho­lischen Kirche sind oder nicht – Herr Dr. Rosenkranz kann es wahrscheinlich erklären, weil er ein treuer Kirchgänger ist, aber die meisten anderen können es nicht erklären –, was Fronleichnam genau ist und warum das ein Feiertag ist?

Man hätte sich der Frage der religiös begründeten Feiertage einmal stellen können, wofür sich die Regierung aber entschieden hat, war, einen persönlichen Feiertag ein­zu­führen. Das ist schon allein deswegen eine Glanzleistung, weil diese Regierung, die sich Entbürokratisierung auf die Fahnen geschrieben hat, jetzt eine zusätzliche Ver­komplizierung des Arbeitsrechts geschaffen hat. Sie haben mit dem neu geschaffenen Institut des persönlichen Feiertags wieder neue Rechtsstreitigkeiten eröffnet. Sie haben also nicht entbürokratisiert, sondern das ohnehin schon reichlich komplizierte österreichische Arbeitsrecht weiter verkompliziert. Wenn Sie es sich anschauen: Das österreichische Arbeitsrecht hat mehr Volumen als das ganze Schweizerische Zivilgesetzbuch. Das ist völlig hypertroph, wäre nicht notwendig gewesen. Sie haben noch eines draufgesetzt. Also: Das ist alles in allem schlecht.

Wenn es um die Anfragebeantwortung geht: Wir hatten gestern eine, die war noch wesentlich schlanker als jene von heute. Oft ist es eine Frechheit. Man muss dem Ministerium zugutehalten: Das Sozial- und Gesundheitsministerium macht oft sehr ausführliche Anfragebeantwortungen, da könnten sich einige andere Häuser noch etwas davon abschneiden (Abg. Wittmann: Aber nicht diese!), was aber nichts daran


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ändert, dass die Regelung für den Karfreitag eine schlechte geworden ist. (Beifall bei den NEOS.)

18.13


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

18.13.41Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Damit nehme ich die Verhandlungen über die Tagesord­nungspunkte 7 bis 9 wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Franz Leonhard Eßl. – Bitte.


18.14.00

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine geschätzten Damen und Herren! Wir diskutieren wieder über den Wolf – und das bereits zum wiederholten Male. Ich befürchte, dass es nicht das letzte Mal sein wird, dass wir in diesem Hause über dieses Thema diskutieren. Ich habe die Petition des Salzburger Landesverbandes für Schafe und Ziegen und des Rinderzucht­ver­bandes Salzburg unterstützt, weil ich die Sorgen und Nöte der Bäuerinnen und der Bauern, die in dieser Petition zum Ausdruck gebracht werden, entsprechend ernst nehme.

Wenn ich auf die Diskussion, die vor der dringlichen Debatte stattgefunden hat, ein bisschen eingehen darf, dann komme ich zur Rede von Frau Kollegin Hammerschmid, die Zahlen betreffend die Vergangenheit und die Gegenwart präsentiert hat: Ja, mag sein, dass diese Zahlen stimmen, Frau Kollegin Hammerschmid, aber wir denken in die Zukunft – und das ist der Unterschied. Sie wissen auch, dass Herr Professor Hackländer in der Debatte beim Expertenhearing im Petitionsausschuss klar und deutlich gesagt hat, dass wir, wenn es sich so weiterentwickelt, in 15 Jahren zumindest mit 50, aber unter Umständen mit 500 Wölfen in Österreich zu rechnen haben. Er sagte auch dazu: Futtergrundlage ist in Österreich für 1 000 Wölfe vorhanden.

Wenn wir dann zu diesem Zeitpunkt anfangen, nachzudenken, dann brauchen wir nicht mehr über eine Landwirtschaft nachzudenken, die Weidewirtschaft und Almwirtschaft betreiben soll. Er hat nämlich auch ganz klar und deutlich gesagt, dass Alm- und Weidewirtschaft mit dem Vorhandensein des Wolfs nicht kompatibel ist. Deshalb müssen wir jetzt Maßnahmen setzen, um dem entgegenzuwirken, darum unterstütze ich diese Petition auch. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es gibt ja auch ein paar wenige SPÖ-Bauern im Bundesland Salzburg. Ich würde Ihnen empfehlen, mit diesen zu sprechen, die haben nämlich in der Landwirtschaftskammer einen Antrag eingebracht, in dem sie wortwörtlich schreiben: „Wenn der Wolf bei uns heimisch werden sollte, ist eine Alm- und Weidewirtschaft, wie sie bei uns seit Jahrhunderten praktiziert wird, nicht mehr möglich.“ – Das sagen die SPÖ-Bauern im Bundesland Salzburg, und ich unterstütze sie dabei, weil sie in diesem Punkt recht haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich sage hier ganz klar und deutlich: Wenn der Wolf bei uns heimisch wird, dann wird er das Gesicht des Landes aus den vorhin genannten Gründen entsprechend verän­dern. Ich würde mir wünschen, dass die alpenländische Landwirtschaft mit der traditio­nellen Weidehaltung, mit der Almwirtschaft in Europa und auch von der SPÖ und von den anderen Oppositionsparteien als bedeutendes kulturelles Erbe anerkannt wird und


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der Weidewirtschaft Vorrang vor einem kompromisslosen Schutz des Wolfs, der aus meiner Sicht nicht notwendig ist, gegeben wird.

Warum ist er aus meiner Sicht nicht notwendig? – Es gibt in Europa nahezu 30 000 Wölfe, wenn wir den europäischen Teil Russlands dazuzählen. Es ist ein günstiger Erhal­tungs­zustand gegeben. Wir müssen folgende Änderungen vornehmen: Erstens muss es möglich sein, dass wir den günstigen Erhaltungszustand wirklich europaweit und nicht auf Ebene der Mitgliedstaaten definieren. Zum Zweiten wird es dazu notwendig sein, dass wir die FFH-Richtlinie ändern und tatsächlich wolfsfreie Zonen ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es ist davon gesprochen worden, dass die Bäuerinnen und die Bauern und die Wirt­schaft davon profitieren könnten. – Nein! Das ist im Interesse der gesamten Bevöl­kerung. (Zwischenruf des Abg. Keck.) Der Wolf wird auch in die Städte kommen. Ich zitiere die „Berliner Morgenpost“: Bote fotografiert Wolf mitten in der Stadt. (Abg. Loacker: ... Wissenschaftsmagazin!)

In Schweden: „Heftige Debatte in Schweden: Nachdem die Polizei kurzen Prozess machte mit einem Wolf, der mitten in einer Kleinstadt bei Stockholm sein Unwesen trieb, fordern Bürger aus dem ländlichen Raum Gleichbehandlung.“ 

Im Küstenstädtchen Bormes-les-Mimosas im Département Var ist ein Wolf erschossen worden. Das Tier hatte aggressives Verhalten auf einem Campingplatz an den Tag gelegt.

Weiters: „Wolfsangriff auf Kinder bestätigt. Nun bestehen keine Zweifel mehr: Die beiden Kinder in Polen wurden definitiv von einem Wolf gebissen. Dies hat eine Gen­analyse ergeben.“ „Das Tier, das vergangene Woche zwei Kinder gebissen hatte, war definitiv ein Wolf. Dies bestätigte gestern Abend das genetische Institut der Universität Warschau.“

So könnte ich jetzt noch viele andere Beispiele aufzählen, auch Beispiele aus Öster­reich, die zeigen, dass die Landwirte Sorge haben; eine Landwirtin sagt zum Beispiel: „Vor allem die Landwirte fürchten den Räuber - und dies nicht unbegründet, wie der jüngste Vorfall im Bezirk Murau zeigt: ,Als ich am Morgen des 5. April zu meinen Schafen gegangen bin und die fünf Kadaver entdeckte, habe ich mir gleich gedacht, das war ein Wolf‘, erzählt Bäuerin Andrea Pirker. Dass weder Maschendraht- noch Elektrozaun das Tier stoppen konnten sowie die Tatsache, dass das Gehege nur 70 Meter vom Wohnhaus entfernt liegt, irritieren die 51-Jährige: ,Meine kleine Tochter lasse ich abends nicht mehr außer Haus, das ist mir zu unsicher.‘“

Für mich gibt es nur eines: Wir müssen hier wirklich handeln, und wir haben auch starke Verbündete in Südtirol, in Bayern, in Deutschland, in Frankreich, in Finnland, wo man jetzt überall aufgewacht ist und sagt, man muss etwas ändern. – Ich bitte darum, dass man das auch tatsächlich tut. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

18.20


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Gerald Hauser ist der nächste Redner. – Bitte.


18.20.37

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche jetzt einmal, da das ein sehr emotionales Thema ist, ein bisschen analytisch an diese Sache heranzugehen. Was eint uns in diesem Haus? – Jeder von uns möchte eine funktionierende Berg­landwirtschaft. Ist doch so, oder? Jeder von uns möchte, dass unsere Bauern Einnah-


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men haben, von der Landwirtschaft leben können; das möchte auch jeder. Jeder von uns möchte, dass wir einen funktionierenden Tourismus haben. Okay? So weit, so gut. Das eint uns, oder? Wenn uns das eint, dann müssen wir den Bauern auch die Voraussetzungen dafür geben (Zwischenruf des Abg. Keck), dass sie ihre Weiden, ihre Bergwiesen bestellen können.

Das machen sie mittlerweile mit Schafen. Hermann Gahr hat festgestellt, dass wir in Tirol 80 000 Schafe haben, die wir auftreiben müssen. So, jetzt gibt es den Wolf, diese 80 000 Schafe können nicht schutzlos auf der Alm sein. Ich glaube, das eint uns auch. Was ist zu tun? – Wir müssen die Schafe schützen beziehungsweise die Vorausset­zungen dafür schaffen, dass die Bauern die Schafe auftreiben können. – So weit, so gut.

Wir haben in Osttirol, im Nationalpark in Kals, zwei Jahre ein Herdenschutzprogramm geprobt. Ich bin Mitglied des Nationalparkkuratoriums und habe diesen Vorgang ver­folgt, auch als persönlich Beteiligter und als Betroffener. Nach zwei Jahren wurde das Herdenschutzprogramm eingestellt. (Zwischenruf der Abg. Hammerschmid.) Wieso wurde das Herdenschutzprogramm eingestellt? – Weil viele Fragen rund um das Herdenschutzprogramm, rund um die Herdenschutzhunde nicht geklärt sind. Was alles ist nicht geklärt? – Die Haftung ist nicht geklärt, der Tierschutz ist nicht geklärt. (Zwi­schenruf des Abg. Plessl.)

Kommen wir einmal zu den Herdenschutzhunden! Derzeit haben wir nicht ausreichend Herdenschutzhunde – ist klar. Diese Herdenschutzhunde müssen mit den Schafen aufwachsen. Was war das Problem in Osttirol? – Es wurden Schafe unterschiedlicher Bauern aufgetrieben, die sich nicht kennen, die nicht zusammengehören. Die Hunde kennen diese Schafe nicht, deswegen können diese Hunde diese Schafe von unter­schiedlichen Bauern nicht beschützen (Zwischenruf des Abg. Keck), weil das keine Einheit ist. Das ist halt so. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir sind halt nicht in Frankreich, wo Bauern 800, 1 000 Schafe haben und sich selber einen Herdenschutz oder Herdenschutzhunde leisten können. Wir haben eine kleinstrukturierte Land­wirt­schaft; auch das sollte uns einen. (Zwischenruf des Abg. Knes.) Wir sollten immer bei den Fakten bleiben. (Abg. Hammerschmid: Ja genau, bleiben wir bei den Fakten!) Deswegen haben die Hunde ihrer Aufgabe nicht nachkommen können. Das ist ein Faktum.

So, das nächste Faktum: Das Tierschutzgesetz hat uns betroffen. Wissen Sie, wie es mit dem Tierschutz ist? – Gemäß Tierschutzgesetz müssen bei schlechtem Wetter Unterkünfte für Hunde verfügbar sein, das heißt also, auf der Alm muss eine Unterkunft für Hunde da sein. Wenn das Wetter schlecht ist (Abg. Plessl: Die Schafe ...!), soll also der Hund in der Hütte sein – und der Wolf soll die Schafe fressen? Das funktioniert nicht! Also da müssen wir das Tierschutzgesetz ändern. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Keck.) – Na, immer dasselbe Theater mit den So­zialisten, es wird alles ins Lächerliche gezogen! Sie leben ausschließlich von Silberstein und von Fake News. Das ist das Letzte, was Sie noch aus den Stauden bringen, mehr bleibt Ihnen, linke Fraktion, nicht übrig! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Man kann mit Ihnen nicht einmal vernünftig eine Analyse betreiben, weil Sie alles ins Lächerliche ziehen. Was nicht sein kann, darf nicht sein – das habe ich Ihnen schon gestern mit dem Buch Ihrer Genossin Wiesinger vorgetragen, das durfte nämlich auch nicht sein; alles ein Stilbruch.

Noch etwas: Diese Herdenschutzhunde (Zwischenruf des Abg. Keck), die schauen nett aus, die schauen fürchterlich nett aus, die sind aber extrem scharf; und verzeihen Sie diesen Vergleich: Ich kann in Wien in den Tierpark gehen, da sind überall Zäune


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(Zwischenruf des Abg. Plessl), das ist alles lieb und nett, aber auf der Alm kann ich nicht alles einzäunen. Damit kommen wir zum dritten Problem mit den Hunden zurück. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das dritte Problem ist, dass diese Hunde nicht nur die Wölfe vertreiben, sondern diese Hunde gehen jeden an, der sich auf der Alm bewegt.

Also unterm Strich: Lösen Sie dieses Problem, und solange diese Probleme nicht gelöst sind (Abg. Keck: Sie haben keine Ahnung!), werden wir wohl den einen oder anderen Wolf entnehmen müssen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Jarolim: Aber es hat den Eindruck, dass Sie eher ein Hühnerexperte sind!)

18.25


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Erwin Preiner zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.25.33

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Frau Präsidentin! Kollegin Diesner-Wais und Kollege Eßl haben behauptet, dass der Wolf bereits zwei Kinder angefallen hat.

Ich berichtige tatsächlich: Es hat ein Hearing im Rahmen der letzten Sitzung des Aus­schusses für Petitionen und Bürgerinitiativen stattgefunden, bei der Professor Klaus Hackländer auf die Frage, wie viele Kinder, wie viele Personen vom Wolf angefallen, ja sogar gefressen wurden – im Sinne des Märchens, der böse Wolf kommt (Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS) –, klar gesagt hat: Kein einziger Fall ist bekannt, weder in Österreich noch in Europa. (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT. – Abg. Rosenkranz: War das jetzt eine tatsächliche Berichtigung? War das eine Berichtigung, nur weil es ein anderer nicht kennt?)

18.26


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Franz Hörl. – Bitte. (Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS. – Ruf: ... eine Seilbahn!)


18.26.37

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Bun­desminister! Hohes Haus! Warum die Aufregung? – Ich weiß, der Wolf, ein imposantes Tier, Frau Hammerschmid, ist eigentlich harmlos für den Menschen, weil er nicht in sein Beutespektrum passt; ein Kuscheltier, ein liebes Tier – nur: das spielt es so nicht. (Abg. Jarolim: Der Wolf ist nicht so gefährlich wie die Seilbahn!)

Ich bin auch einigermaßen empört – ich habe auch eine Landwirtschaft, bin Schaf­bauer –, dass man hier einen Unterschied zwischen Nutztieren, die man quasi reißen kann, bei lebendigem Leib das Gedärm herausholen kann, und anderen Tieren, die wir wieder ansiedeln, macht.

Ein Wolf ist, nehmen Sie das bitte zur Kenntnis, zwischen 50 und 70 Kilo schwer, ge­ballte Muskelmasse, ein Gebiss zum Töten, ein intelligentes, lern- und anpassungs­fähiges Raubtier (Zwischenruf der Abg. Greiner); das ist ein Wolf. Sie sagen, es hat keine Toten gegeben: Es gab in den letzten Jahrhunderten (weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) in Europa viele Tote, mit der Ausrottung des Wolfs ging die Zahl natürlich zurück, aber es gab im letzten Jahrhundert, das ist ja noch nicht so lange her, immer­hin über 270 Attacken und 22 Tote; in der letzten Hälfte des vergangenen Jahrhun­derts, 1950 bis 2000 (Zwischenruf des Abg. Keck), gab es noch neun Tote. – Nehmen Sie das einfach zur Kenntnis!


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90 Prozent der Opfer des gesunden Wolfs sind Personen unter 18 Jahren, meist Kin­der und Frauen. Der Wolf ist intelligent und sucht sich als Beute natürlich die leichtesten Opfer; eine Britin wurde in Griechenland vom Wolf gerissen.

Die Zahl der Wölfe nimmt in Europa zu, das ist schon gesagt worden; 30 Prozent beträgt der Zuwachs. Shaun Ellis, ein britischer Wolfsforscher, der unter Wölfen gelebt hat, sagt, dass der Wolf den Menschen nicht mehr als Raubtier wahrnimmt, weil der Mensch aufgrund der modernen Ernährung – oft vegetarisch, vegan auch schon – anders riecht. Beim Anblick eines Wolfs hat der Mensch große Furcht und es kommt zu Schweißausbrüchen (Heiterkeit bei den NEOS), erhöhtem Herzschlag und so weiter. Das alles führt dazu, dass der Wolf uns nicht mehr als gefährlich sieht, und deshalb ist der beste Schutz für diese wilde Raubtierart, sie wild zu halten; dazu gehört auch die Bejagung und Entfernung von Tieren, die sich der Zivilisation nähern.

Es gibt ja die Stellungnahme des schwedischen Generalanwalts beim EuGH, in der dieser feststellt, dass man Wölfe auch entnehmen kann, wenn der Schutzzweck er­reicht wird. Wenn wir in Österreich so lange warten, bis der Schutzzweck erreicht wird, dann werden wir feststellen, dass die Almwirtschaft, so wie wir sie haben, die Land­wirtschaft, so wie wir sie betreiben, und auch der Tourismus und die Bergwanderungen bei Weitem nicht mehr funktionieren können.

Heute wurden die Herdenschutzhunde schon angesprochen, Kollege Hauser hat das ja ganz gut ausgeführt. Das sind Hunde der Rassen Kangal und Maremmano, also schwere Hunde, die man bei den Schafen aufwachsen lässt, damit sie glauben, die Schafe sind ihre Brüder und Schwestern. Da bin ich neugierig, was passiert, wenn diese Hunde bei den Schafen sind und auf diese aufpassen und die erste Münchnerin mit einem Dackel in den unter Herdenschutz stehenden Wald hineingeht, der Her­denschutzhund den Dackel reißt (Abg. Riemer: Genau! Ja!) und sie schreiend mit der Leine ohne Hund wieder herauskommt. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich glaube nicht, dass das ein parteipolitisches Thema ist. Ich glaube auch, die Leute in der Stadt sollen einfach einmal kapieren, dass das ein gefährliches Raubtier ist, ein faszinierendes Tier, groß und stark. Ich denke (Zwischenruf des Abg. Jarolim), wir müssen uns von vornherein entscheiden: Wollen wir die Landwirtschaft, so wie wir sie haben, mit den Almen – in Tirol über 2 800 gemischte Almen –, wollen wir das? Oder wollen wir ein Kuscheltier (Zwischenruf des Abg. Keck), das dann irgendwann einmal auch Menschen anfällt? – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Wittmann: Übrigens: Das Rotkäppchen hat er auch gefressen!)

18.30


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Philip Kucher. – Bitte.


18.30.40

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es geht also um die Wölfe. Ich habe, glaube ich, hier im Parlament selten derartige Reden und derartige Raubersgschichten erlebt wie heute. Es ist unglaublich – unglaublich! –, was wir gehört haben! (Zwischenruf des Abg. Keck. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Die Wölfe sind eine Bedrohung; jetzt haben wir gerade gehört, schuld sind die Vegetarier, die Vegetarier sind schuld, dass die Wölfe nach Österreich kommen – unglaublich! Ohne Fakten, mit Halbwahrheiten und Raubersgschichten tut ihr da Lösungen sozu­sagen herbeiführen. Unglaublich, was da passiert ist! (Zwischenruf der Abg. Schimanek.)

Ich möchte es kurz zusammenfassen: Der Deutsche Bundestag hat sich die Mühe gemacht, sich die Wolfsangriffe anzusehen, ist Jahrhunderte zurückgegangen, agiert hier auf Basis von Zahlen, Daten und Fakten, hat auch festgestellt, dass es in Europa


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keine tödlichen Wolfsangriffe gegeben hat (Zwischenrufe bei der ÖVP), dass deutlich mehr Menschen allein in Österreich aufgrund von Kühen gestorben sind, aber die Ableitung der ÖVP ist: Umbringen, abknallen, weg damit! Wir wissen zwar nicht, warum, aber schießen wir einfach einmal, wird schon irgendwie passen, weg mit dem Wolf! (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist eure Lösung? Das passt aber perfekt in euer Schema. Die ÖVP war immer gegen den Tierschutz; alles, was in Österreich im Tierschutz weitergegangen ist, musste immer gegen die ÖVP erkämpft werden: bei den Tierversuchen, bei der bru­talen Tierhaltung. Überall war die ÖVP dagegen, alles geschah immer gegen die ÖVP. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.)

Besonders spannend ist dann die FPÖ: Bei euch ist es in Wahrheit so leicht, man muss euch nur ein Würschtel vor die Nase halten, und das sind immer die Ausländer. Wir haben heute die Worte gehört – ich habe es kaum glauben können –: Der Wolf ist ein Europäer und nützt seit dem Fall des Eisernen Vorhangs die Reisefreiheit. – Das ist es! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und NEOS.) Aus dem Ausland kommen die Wölfe rein! Aus dem Ausland kommen sie rein und schon fällt die FPÖ um!

Ich sage euch – wenn das nicht so tragisch wäre! –, das ist unglaublich. Es gibt keine Zahlen, keine Daten, keine Fakten (Zwischenruf des Abg. Zanger), aber die aus­län­dischen Wölfe – wir wissen zwar nicht, was passiert – gehören umgebracht, abge­knallt. – Ja, seid ihr noch bei Sinnen? – Ich kann es mir nicht vorstellen! (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es passt auch perfekt zur Politik von Elli Köstinger! (He-Rufe bei der ÖVP.) In anderen Bereichen, wenn es zum Beispiel um Glyphosat geht, wo die großen Agrarkonzerne sagen: Elli, das darfst du nicht machen!, da sagt sie: Nein, da tun wir eh nichts! Da tun wir eh nichts! – Es kann sein, dass es giftig ist, dass es krebserregend ist, da sagt die Elli Köstinger: Nein, nein, wir tun nichts, keine Sorge! Das ist vielleicht krebserregend, aber wir machen nichts! – Aber der Wolf, der muss verfolgt werden, der muss umge­bracht werden, der muss vertrieben werden! Da werden Raubersgeschichten erzählt, vom bösen Wolf, der in die Stadt kommt, und vom Rotkäppchen!

Was ist das für eine Debatte? – Bitte geniert euch! Kehrt zurück zu den Fakten und macht das, was der Deutsche Bundestag macht! Der hat nämlich eine Studie in Auftrag gegeben, hat die Fakten vorher eingeholt (Zwischenruf der Abg. Schimanek) und nicht nur Märchen und Raubersgschichten erzählt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der NEOS. – Abg. Jarolim: Bravo! – Zwischenruf der Abg. Schimanek. – Abg. Kucher – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Na, es sind die ausländischen Wölfe!)

18.33


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Volker Reifenberger ist der nächste Redner. – Bitte.


18.33.42

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Wer hat Angst vorm bösen Wolf? (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Ruf: Die Regierung!) Diese Frage stellt sich nicht erst seit dem berühmten Märchen der Gebrüder Grimm, „Der Wolf und die sieben Geißlein“.

Vorab möchte ich aber eines klarstellen, um Verwechslungen zu vermeiden: Ich spreche nicht vom bösen Wolf, der mit seinem zahnlosen Mundwerk die heimischen Gebüh­renzahler aus dem „ZIB 2“-Studio heraus mit seiner persönlichen politischen Meinung


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zwangsbeglückt – obwohl eine Petition für einen Wolf-freien ORF durchaus einen gewissen Charme hätte, das gebe ich zu.


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass wir uns in der Präsidialkonferenz darauf geeinigt haben, dass wir bei Namen keine Verunglimpfungen und auch keine Vergleiche verwenden, so wie Sie es getan haben – auch wenn er sich mit einem Tiernamen deckt. Wir haben uns darauf geeinigt, das hier nicht zu tun. – Bitte.


Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (fortsetzend): Nehme ich zur Kenntnis!

Als Salzburger liegt mir die Petition für ein wolfsfreies Salzburg besonders am Herzen. Sehr geschätzte Damen und Herren, die Wiederansiedlung des Wolfes hat in Wahrheit fast einen Kulturkampf in unseren Breiten ausgelöst, einen Kulturkampf zwischen jenen auf der einen Seite, die den Wolf als Kuscheltier verniedlichen, und jenen auf der anderen Seite, die den Isegrim als grausame Bestie darstellen. Die Wahrheit liegt in der Mitte.

Auch wenn die Medien Wild- und Raubtiere – und da im Speziellen den Wolf – gerne mit großen Kulleraugen dargestellt verniedlichen, sind sie und bleiben sie im Vergleich zum domestizierten Hund eines – und das sage ich ganz unemotional und objektiv –: ein Raubtier. Und ein Raubtier dieser Art und Größe ist nun einmal potenziell gefährlich und unberechenbar.

Die Weidehaltung von unseren Nutztieren lässt in unserer dicht besiedelten Kultur­landschaft keinen Platz für einen Räuber wie den Wolf. Der Wolf kann mangels eines natürlichen Feindes mit einer Reproduktionsrate von circa 30 Prozent im Jahr auf­warten und die Gefahr von Rudelbildungen ist gegeben. Eine flächendeckende Siche­rung unserer Weideflächen ist nicht nur unwirtschaftlich, sondern auch technisch gar nicht möglich. Weder Elektrozäune noch Hütehunde stellen einen verlässlichen Schutz unserer Herden dar.

Mitnichten bleibt der Wolf dort, wo er hingehört, nämlich in unbesiedelten, bewaldeten Gebieten. Vielmehr kommt es – und in Nachbarländern kann man das schon viel stär­ker beobachten – auch zu Sichtungen in der Nähe von Siedlungsgebieten und somit zwangsläufig auch in der Nähe von Kindergärten und Schulen.

Der Wolf hat natürlich in Europa seinen Platz, das stelle ich gar nicht in Abrede, aber in einer kleinräumigen Siedlungsstruktur wie in Österreich ist der Wolf ein Problem. Mit der wachsenden Anzahl der Wölfe in Österreich steigen auch die Verluste in der heimi­schen Landwirtschaft. Nur ein Beispiel: In Salzburg hat ein durchschnittlicher Schaf­bauer eine kleine Herde von 15 bis 20 Schafen. Jeder Riss bei so einer kleinen Herde stellt ein Problem für den betroffenen Bauern dar. Bei mehreren Rissen helfen auch Entschädigungen finanzieller Natur nicht mehr. Viele Landwirte überlegen daher bereits, die Almwirtschaft aufzugeben. Das würde einen enormen Schaden für die alpine Kulturlandschaft auf der einen Seite, aber auch für die heimische Touris­mus­wirtschaft auf der anderen Seite darstellen.

Deswegen unterstützen wir die vorliegenden Petitionen. Verhindern wir Schlimmeres und setzen wir uns gemeinsam gegen eine Wiederansiedlung des Wolfes in unseren heimischen Gebieten ein! Schaffen wir eine Gesetzeslage, die es uns ermöglicht, Problemwölfe rasch zu entnehmen und eine Rudelbildung zu verhindern! (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)

Wir als rechtschaffene Bürger wollen nicht die Lösungsvariante des Salzburger Lan­des­hauptmanns Dr. Wilfried Haslauer, der bei einer Diskussionsveranstaltung – ich hoffe, ironisch – gesagt hat, ich zitiere ihn hier: Das Wolfsproblem löst man mit vier S:


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erstens sehen, zweitens schießen, drittens schaufeln und viertens schweigen. – Zitat­ende. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.37


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Franz Leonhard Eßl. – Bitte.


18.38.06

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Da uns (Abg. Schellhorn: So, Franz! Jetzt ...!) Herr Kollege Preiner vorgeworfen hat, die Unwahrheit zu verbreiten, muss ich einfach dazu Stellung nehmen. Auf der Facebook-Seite des genetischen Instituts der Universität Warschau war zu lesen – das betrifft Juli 2018 –: „Das Tier, das vergan­gene Woche zwei Kinder gebissen hat, war definitiv ein Wolf. [...] Der nun bestätigte Wolf stamme aus einer lokalen Population der östlichen Karpaten, berichtete das Institut auf seiner Facebookseite. [...] Neben den Kindern hat derselbe Wolf vor einigen Wochen damals bereits eine Touristin gebissen. Das Tier war in diesem Gebiet be­kannt und wurde auch innerhalb der Dörfer mehrfach gesichtet.“ (Zwischenrufe der Abgeordneten Plessl und Zinggl.)

Das sollte man zur Kenntnis nehmen. Wenn Kollege Kucher der ÖVP vorwirft, wir wollen einfach weg mit dem Wolf (Abg. Kucher: Ist ja so!), dann bedeutet das: Was Kollege Kucher will und was die SPÖ will, ist, weg mit den Weidetieren, weg mit der alpen­län­dischen Landwirtschaft und in der Folge weg mit den Bauern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Kucher: Irgendwann schießt ihr die Kühe auch noch!)

18.39

18.39.15


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht seitens der Berichterstattung jemand ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag ge­trennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Aus­schusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 608 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich für diese Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Aus­schusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 609 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich für diese Kenntnisnahme aus? – Das ist auch die Mehrheit. Damit ist der Antrag ebenfalls angenommen.

Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 610 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Das ist auch mit Mehrheit angenommen.

18.40.3410. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Verkehrsinfrastruktur des Bundes – Strategien, Planung, Finan­zie­rung – Reihe BUND 2018/33 (III-157/599 d.B.)


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11. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Nachkontrollen gemäß Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz bei Bundesstraßen – Reihe BUND 2019/13 (III-265/601 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den Tagesordnungspunkten 10 und 11, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße die Frau Präsidentin des Rechnungshofes in unserer Mitte und erteile als Erstem Herrn Abgeordnetem Hermann Gahr das Wort. – Bitte.


18.41.28

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Frau Präsident des Rech­nungshofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Nach dem Thema Wolf kehren wir jetzt wieder zur normalen Tagesordnung zurück.

Es geht heute um einen Bericht des Rechnungshofes zur Verkehrsinfrastruktur in Österreich. Es geht dabei um Planung, Ausbau und Finanzierung. Der Rechnungshof hat die strategische Prüfung für die Jahre 2002 bis 2015 durchgeführt, bei der Finan­zierung umfasste der überprüfte Zeitraum die Jahre 2011 bis 2015.

Insgesamt hat diese Prüfung mehrere Schwerpunkte beinhaltet: die Vorgaben für die Planung und Finanzierung im hochrangigen Verkehrsinfrastrukturbereich, den Prozess der Netzplanungen, die strategischen Prüfungen im Bereich der Netzveränderungen, die Priorisierung der Netzveränderungen und die Finanzierung und den Erhalt des Ausbaus der hochrangigen Verkehrsinfrastruktur. Der Rechnungshof hat insgesamt 23 Schluss­empfehlungen ausgesprochen.

Von 2011 bis 2015 wurden in Österreich insgesamt 15,2 Milliarden Euro – man sieht, das ist eine Dimension, die schon durchaus beachtlich ist – in das hochrangige Ver­kehrsnetz investiert, davon alleine 3,1 Milliarden Euro im Jahr 2015. Die Frau Präsident hat im Ausschuss angemerkt, dass zukünftig, gerade was den Ausbau betrifft, die gesetzlichen Voraussetzungen zu adaptieren und zu verbessern sind.

Als positiv hat der Rechnungshof erwähnt, dass es gerade Aktualisierungen gibt, was die Verkehrsprognosen betrifft, weil sich natürlich die Dinge sehr, sehr rasch verän­dern. Zukünftig soll dies alle drei bis fünf Jahre angepasst werden.

Ein wichtiges Ziel des Ministeriums – und das ist für mich als Tiroler und als jemand, dem das Thema Verkehr natürlich auch tagtäglich im Leben begegnet, wichtig – ist die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Dazu hat Bun­desminister Hofer im Ausschuss erwähnt, dass es zukünftig durchaus Schwerpunkte geben wird, gerade was die Erweiterung der Schienenkapazitäten in Österreich betrifft. Es ist ganz klar ein Ziel – und das hat Bundesminister Hofer auch hier im Ausschuss formuliert –, dass der Güterverkehr in Österreich bis 2025 auf die 40-Prozent-Marke gesteigert werden soll. Dabei wird gerade der Ausbau der Tunnelverbindungen Koralm und natürlich auch Brenner Vorrang haben.

Abschließend kann man sagen, dass der Rechnungshof in diesem Bericht durchaus Verbesserungsmöglichkeiten festgestellt hat, was den Ausbau im hochrangigen Verkehrsnetz betrifft. Er hat auch ganz klar darauf hingewiesen, dass wir die Dinge zukünftig strategisch besser und gezielter abstimmen müssen und dass wir ganz klar und prioritär auch auf die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schie-


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ne Rücksicht nehmen und dem Priorität einräumen sollten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

18.44


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Mag.Karin Greiner ist als Nächste zu Wort gemeldet– Bitte.


18.45.03

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Rech­nungshof hat die Verkehrsinfrastruktur des Bundes überprüft – Schiene, Straße, Wasser. Er hat einen wichtigen Punkt aufgegriffen, nämlich die verkehrsträger­über­greifende Planung. Die strategische Planung der letzten Jahre – der Bericht geht bis 2015 – hat schon positive Auswirkungen gezeigt. Welche waren das? – Man konnte Synergien zwischen den einzelnen Verkehrsträgern verbessert nutzen und Belastun­gen für Anrainer reduzieren.

Herr Bundesminister Hofer war bei uns im Ausschuss als Auskunftsperson. Ich habe ihn zu zwei aktuellen Punkten befragt. Der erste Punkt war der Koralmtunnel. Sie wer­den verstehen: Als Steirerin liegt es mir besonders am Herzen, dass der Koralmtunnel so rasch wie möglich fertiggestellt wird. Da geht es ja nicht nur um die Reisezeiten­verkürzung zwischen Wien und Venedig, sondern es geht vor allem darum, das wurde schon erwähnt, den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu bekommen.

Ich habe den Herrn Bundesminister, da er den Finanzrahmenplan für dieses Projekt Koralmtunnel verändert hat, gefragt, wieso man nicht schneller fertig wird – und vor allem, Herr Bundesminister: Im Finanzrahmen sieht man keinerlei budgetäre Vorsorge, sollte man doch rascher fertigstellen können. Er hat gemeint, das sei kein Problem, durch die jährliche Rollierung habe man schon Geld zur Verfügung. Sehr geehrte Damen und Herren, diese Einschätzung teile ich nicht. Ich finde sie, vornehm gesagt, angesichts der aktuellen Entwicklungen, Stichwort Steuerreform, realitätsfern.

Es klafft ein Loch von 1,5 Milliarden Euro auf. Es werden viele Ressorts ihre Leis­tungen kürzen müssen. Da frage ich mich: Wo ist das Geld für den Koralmtunnel ver­steckt? – Das wird es nicht geben! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein zweites Thema habe ich erwähnt, und zwar die Vergabe des Verkehrsdienste­ver­trages im Verkehrsverbund Ost-Region. Das ist ein sehr brisantes Thema, und es betrifft sehr viele. Wen betrifft das? – Diese Vergabe betrifft 235 000 Pendlerinnen und Pendler, Tausende Bedienstete des ÖBB-Gesamtkonzerns, davon 11 000 in Wien, 5 600 in Niederösterreich und über 380 im Burgenland. Deshalb ist das brisant: weil es da um viele Bedienstete geht.

Und was ist Sache? – Das Bundesministerium hätte die Möglichkeit, direkt zu ver­geben. Da hätte es einer Fristeinhaltung bedurft, und das Ministerium hätte voran­kün­digen müssen, dass es direkt vergeben will. Die Frist war am 3.12.2018 zu Ende. Das ist jetzt mehr als sechs Monate her. Was ist da im Ministerium passiert? Warum wurde diese Frist nicht eingehalten? (Ruf bei der SPÖ: Nicht interessiert!) Und das Fatale dabei, sehr geehrte Damen und Herren, ist: Was heißt das in der Realität? Das heißt, dass wir uns in Richtung europaweite Ausschreibung bewegen. Sie alle wissen: Wenn wir eine europaweite Ausschreibung durchführen, werden viele Anbieter, Mitbewerber mit Kampfpreisen in dieses Angebot gehen, und damit gefährden Sie unsere hochqualitativen einheimischen Verkehrsbetriebe, in dem Fall die ÖBB. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie sagen, ist nicht so schlimm: Na, das ist schon schlimm! Wir alle kennen das Beispiel Großbritannien: massive Qualitätsverschlechterungen im öffentlichen Verkehr


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zulasten der Pendlerinnen und Pendler. (Abg. Deimek: Reden Sie einmal mit dem Herrn Losenicky im Bundesministerium! Der ist eh Ihre Couleur! Der wird Ihnen eine Geschichte erzählen!) Ich appelliere an dieser Stelle an Sie: Unterstützen Sie meinen Appell! Herr Bundesminister, spielen Sie nicht mit 235 000 PendlerInnen, nicht mit mehr als 12 000 Bediensteten! Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr! (Beifall bei der SPÖ. Ruf bei der FPÖ: Keine Ahnung! Abg. Deimek: So einen Blödsinn hab ich selten gehört!)

18.48


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr.in Jessi Lintl. – Bitte.


18.48.48

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rech­nungshofpräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beziehe mich auf den Tages­ordnungspunkt 11, den Bericht des Rechnungshofes zu den Nachkontrollen gemäß Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 bei Bundesstraßen, Autobahnen und Schnellstraßen. Ich bedanke mich bei der Präsidentin des Rechnungshofes und bei ihren Mitarbeitern für diesen ausgezeichneten Bericht. (Abg. Plessl: Warum ist es noch nicht ausgeschrieben worden?)

Überprüft wurden das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus sowie die Asfinag, das Land Niederösterreich, die Stadt Wien und das Umweltbundesamt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Plessl.) Der überprüfte Zeitraum umfasst im Wesentlichen die Jahre 2009 bis 2016. Die Ziele dieser Gebarungsprüfung waren vor allem die rechtlichen Grundlagen der Nachkontrollen und die Überprüfung der Einhaltung der UVP-Auflagen.

Die Behörde, die die Nachkontrolle des UVP-Verfahrens durchzuführen hat, ist das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, gemeinsam mit den mit­wirkenden Behörden, nämlich Wasserrechts-, Naturschutz- und Forstbehörden. Des­halb war bei den Ausschussberatungen auch unser Verkehrsminister Norbert Hofer anwesend.

Die vorliegende Prüfung des Rechnungshofes hat vor allem alte UVP-Verfahren betroffen. Die Verfahren sind kompliziert und technisch sehr aufwendig. Daher sollten sie nach Aussage des Herrn Verkehrsministers einfacher gestaltet werden.

Schon jetzt hat sich im Vergleich zum Untersuchungszeitraum beim UVP-Verfahren viel geändert. Notwendige Auflagen zu Beweissicherung und Monitoring wurden bereits in den aktuellen UVP-Bescheiden vorgeschrieben, und es gibt eine Datenbank für die Nachkontrolle.

Wie Minister Norbert Hofer im Ausschuss betont hat, handelt es sich bei der Nach­kontrolle nicht um eine klare, ausdrückliche europäische Vorgabe. Er begrüßt daher eine Evaluierung des Systems Nachkontrolle, da es sich nach Einschätzung des Ministeriums dabei um Gold Plating handelt.

Die Empfehlungen des Rechnungshofes werden durch das BMVIT bereits umgesetzt. Bei aktuellen UVP-Projekten werden durch die Asfinag-Gesellschaften vierteljährlich die Statusberichte, auch basierend auf den vom Rechnungshof vorgeschlagenen Datenbanklösungen, zuerst erstellt und dann dem Ministerium zur Prüfung übermittelt. Es gibt dafür entsprechend Auflagen, Fristen und in der Folge Auflagenkontrollen.

Es hat sich beim UVP-Verfahren seit der Prüfung des Rechnungshofes viel geändert. Alles ist klarer, transparenter geworden und auf der Webpage des Verkehrs­minis­te-


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riums einsehbar. So wurde durch das BMVIT ein kompliziertes System ein bisschen fitter gemacht – danke dem Verkehrsminister dafür. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.52


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


18.52.21

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Prä­sidentin des Rechnungshofes! Hohes Haus! Ich werde zum Verkehrsinfrastruktur­be­richt des Bundes kurz Stellung beziehen und darf mich gleich bei Ihnen und bei Ihrem Haus für diesen guten Bericht bedanken. Ausgangspunkt sind ja die 15,2 Milliarden Euro, was durchaus eine große Summe, eine beachtliche Summe ist. Wenn man sich anschaut, dass es da doch laut Rechnungshof nicht ganz ideal zugeht, dann ist das durchaus bedenklich, und da müssen wir genauer hinschauen. Insbesondere dass die gesamtstaatliche Planung nicht da ist, dass sehr individuell vergeben wird, kritisiert der Rechnungshof, was, glaube ich, auch ganz klar dafür spricht, dass man genauer hin­schauen muss.

Im Detail ein paar Kritikpunkte: Ich habe es schon angesprochen, es braucht eine ver­kehrsträgerübergreifende Planung – was momentan nicht der Fall ist –, sodass wir auch Schiene und Straße besser vernetzen, vernetzter arbeiten.

Man muss sich auch anschauen, dass die Einkünfte der Asfinag auf der einen Seite, die stark über die Maut erzielt werden, und der Ausbau der Schiene auf der anderen Seite, der stark über das Budget finanziert wird, und da auch über Verschiebungen in die nächsten Jahre im Budget, was natürlich auch für die nächsten Generationen bedenklich ist, besser koordiniert und besser abgestimmt werden.

Was ich beim Lesen des Berichts auch sehr erschreckend gefunden habe, ist, dass das Ministerium geduldet hat, dass es methodische Abweichungen in der Auslegung der Durchführungsbestimmungen und der Leitfäden gibt. Dazu muss man natürlich sagen, dass das nicht sein kann, weil dadurch natürlich die Parteien, die die Förder­gelder bekommen, massiven Einfluss darauf haben, wie diese Mittel verwendet wer­den, was nicht nachvollziehbar ist.

Ein wichtiger Punkt aus meiner Sicht ist auch die Kooperation mit den Nachbarländern, etwas, was essenziell ist. Wir haben erst letzte Woche einen gemeinsamen Verkehrs­ausschuss in Tirol gehabt. Ich darf an dieser Stelle auch dem Obmann des Ver­kehrsausschusses, Alois Stöger, für die Einladung zu dieser Reise danken, weil ich das für eine sehr wichtige Initiative gehalten habe, und Frau Kollegin Pfurtscheller, die, glaube ich, jetzt nicht da ist, die auch massiv dahinter war, weil genau da sehr stark aufgezeigt wurde, wie wichtig diese Zusammenarbeit zwischen den Nachbarstaaten ist.

Wenn man von Innsbruck zurück nach Wien fährt und merkt, dass plötzlich die Bahn­steige nicht lang genug sind, weil die Bahnsteige in Deutschland kürzer sind, und der Zug dort einen Meter weiter nach vorne fahren muss, damit man zwei Züge koppeln kann, dann sieht man, dass diese Zusammenarbeit nicht gut funktioniert.

Das ist aus meiner Sicht auch einer der wichtigsten Punkte – gerade auch jetzt vor der Europawahl –: dass wir nicht weniger Europa brauchen, sondern mehr Europa. Es zeigt sich insbesondere auch im Bereich Verkehr, dass wir enger zusammenarbeiten müssen. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Cox.)

18.55



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 199

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Dr. Wolf­gang Zinggl. – Bitte.


18.55.10

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Frau Ministerin! Der Rechnungs­hofausschuss, diesmal zum Thema Verkehr, war für mich insgesamt sehr aufschluss­reich. Ich fasse gleich alle drei Tagesordnungspunkte zusammen, weil sie alle in die gleiche Richtung gehen.

Zum einen war mir vorher nicht so klar, wie es mir durch den Rechnungshofbericht wurde, dass laufend Straßen ausgebaut und gebaut werden, die eigentlich gar nicht wirklich benötigt werden. Der Rechnungshof kritisiert, dass selbst die vom Ministerium auferlegten Kriterien nicht beachtet werden und dass Einzelinteressen mehr Gewicht haben als die Notwendigkeiten.

Als Beispiele seien aus Niederösterreich genannt – wahrscheinlich sind es die Einzel­interessen eines ehemaligen Landeshauptmannes gewesen, aber das wage ich nur als These hinzustellen –: die Weinviertler Schnellstraße, bei der Alternativen deutlich bil­liger gewesen wären und aufgrund der Bevölkerungsdichte und des dortigen Wirt­schaftsaufkommens keine Notwendigkeit vorhanden gewesen wäre; die Traisental Schnellstraße, bei der das Kriterium 21 000 Autos pro Tag nicht erfüllt wird, sondern wo nur 11 000, nur die Hälfte, fahren und die also auch nicht notwendig gewesen wäre; auch die Marchfeld Schnellstraße, gegen die selbst die Experten des eigenen Minis­teriums gewesen wären, die aber trotzdem gebaut wurde. (Abg. Plessl: Die ist ja noch gar nicht gebaut!)

Na ja, was kann man daraus lernen? – Das ist nicht wirtschaftlich; das ist das eine. Das andere ist aber: Es ist vor allen Dingen auch nicht ökologisch, und nicht nur, weil da wiederum Boden verbraucht wird, sondern vor allen Dingen, weil mit den Mög­lichkeiten, irgendwo zu fahren – das wissen wir aus vielen Studien –, auch die Häufig­keit der Nutzung steigt. Das heißt, wir haben mehr Autoverkehr, wo mehr Autoverkehr möglich ist. Das ist also der völlig verkehrte Weg. Verkehrspolitik ist Umweltpolitik. Wenn das jetzt nicht bald überall verstanden wird, werden wir unsere diesbezüglichen Ziele nicht erreichen.

Damit kommen wir schon zum nächsten Rechnungshofbericht: Umweltverträg­lichkeits­nachprüfungen. Da zeigt sich ganz deutlich, dass die genau genommen niemanden wirklich interessieren. Der Rechnungshof kritisiert, dass sie zu spät durchgeführt wer­den, dass sie schleißig durchgeführt werden, unvollständig und so weiter. Es ist einfach egal.

Das heißt auch da: Wenn wir nicht umdenken, dass wir den Straßenverkehr auf die Schiene verlagern, wenn wir nicht umdenken und die öffentlichen Verkehrsmittel dermaßen günstig machen, dass sie einem Vergleich mit dem Flugzeug zumindest im Nahverkehr standhalten, werden wir es nicht hinbekommen.

Jetzt komme ich zum letzten Punkt, zum letzten Rechnungshofbericht – der wäre eigentlich erst nachher zu verhandeln, aber weil es dazupasst, packe ich es dazu –, da geht es um die ÖBB: Wenn wir nicht den Tarifdschungel bei den ÖBB entflechten, wenn wir es nicht schaffen, dass die ÖBB die Fahrkarten nicht mehr an eine Zeit binden, zu der man unbedingt fahren muss, so wie beim Flugzeug – das kann es ja nicht sein; früher hat man auch ein Ticket gekauft und konnte irgendwann fahren, und jetzt ist man genau an eine bestimmte Abfahrtszeit gebunden –, dann wird das alles nichts.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 200

Verkehrspolitik ist Umweltpolitik. Ich hoffe, irgendwann einmal verstehen das alle. – Danke. (Beifall bei JETZT. Abg. Plessl: Die S 8 ist noch gar nicht gebaut, was du gesagt hast!)

18.58


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler. – Bitte.


18.58.58

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Ich möchte mich mit dem Bericht des Rechnungshofes bezüglich Nachkontrollen gemäß UVP-Gesetz bei Bundes­straßen befassen.

Der Rechnungshof – (in Richtung des mit Abg. Zinggl sprechenden Abg. Plessl) Herr Kollege Plessl, man hört Sie gut hier heraußen, aber deswegen muss ich umso lauter sprechen – überprüfte im ersten Halbjahr 2017 wesentliche Punkte in diesem Bereich. Es geht dabei um „die Darstellung der rechtlichen Grundlagen für die Nachkontrollen und die Beurteilung der Organisation, der Abwicklung der Kontrollen in der Betriebs­phase, der Überprüfung der Annahmen und Prognosen der Umweltverträg­lichkeits­prü­fung [...], der Überprüfung der Einhaltung der UVP-Auflagen bei ausgewählten Bundesstraßen sowie der Ausgaben für Auflagen und Kontrollen in der Betriebsphase.“

Welche Institutionen überprüft wurden, hat schon Kollegin Jessi Lintl erwähnt, darauf will ich jetzt verzichten. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Bearbeitung der Nach­kontrollen gemäß UVP-Gesetz beim BMVIT gegenüber laufenden UVP-Verfahren eher nachrangig behandelt wurde. Die Asfinag verfügte bei Einleitung der Nachkontrolle teilweise nicht vollständig über die erforderlichen Unterlagen, dies führte – wenngleich sowohl beim BMVIT als auch bei der Asfinag BMG eine zunehmende Strukturierung des Bearbeitungsprozesses festzustellen war – zu Verzögerungen in der Bearbeitung von teilweise mehreren Jahren. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass betreffend die Asfinag-Gesellschaften kein direkter Nutzen aufgrund der durchgeführten Überprü­fungen festzustellen war, weil parallel dazu laufend aktuelle Daten der Dauerzähl­stellen zur Verfügung standen. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Seitens des BMVIT wurde festgestellt – das hat Kollegin Lintl auch gesagt –, dass eine Evaluierung bei diesem System der Nachkontrolle erfolgen soll. Bei diesen Nach­kontrollen handelt es sich um eine nicht dezidiert europarechtliche Vorgabe, sondern nach Einschätzung des BMVIT in der derzeitigen Ausformung um eine klassische Form von Gold Plating. Wir sind, glaube ich, aufgefordert, und das ist auch ein Credo der Bundesregierung, dass – unter Federführung von Bundesminister Moser, unserem Deregulierungs- und Reformminister – eben etwaige Formen von Gold Plating abge­schafft werden sollen.

Mir als Energiesprecher ist es auch wichtig zu betonen, dass wir uns ein engagiertes Ziel gesetzt haben: 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Das ist nur mit einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energiequellen möglich, sprich Wind­kraft, Wasserkraft – vor allem Wasserkraft – und PV. Damit wir diese Ziele bis 2030 erreichen können, brauchen wir schlankere Verfahren – natürlich immer unter Auflage der vorgegebenen EU-Richtlinie, unter Wahrung der Anrainerrechte und natürlich auch unter dem ökologischen Aspekt. Umso wichtiger ist es – das will ich hier nicht un­erwähnt lassen –, dass das Standort-Entwicklungsgesetz beschlossen wurde. Es gibt uns bei wichtigen Infrastrukturprojekten die Möglichkeit, eine prioritäre und ra­schere Abhandlung dieser Infrastrukturprojekte durchzuführen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 201

Grundsätzlich – und das ist mein Schlusswort – täte eine bessere Koordinierung zwischen den einzelnen überprüften Stellen dringend Not. Das wurde auch an einem Beispiel sehr gut exemplarisch dargestellt. Seitens des Rechnungshofes hat man bei der S 1 Süd klar festgestellt, dass die einzelnen Institutionen, Behörden nicht miteinan­der kommuniziert haben. Das gilt es in Zukunft nicht nur in diesem Bereich, sondern in vielen Bereichen zu vermeiden. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.03


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Hochstetter-Lackner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.03.20

Abgeordnete Irene Hochstetter-Lackner (SPÖ): Geschätzte Präsidentinnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich als Kärntnerin bin sehr froh und sehr dankbar über den Bericht des Rechnungshofes betreffend die Verkehrsinfrastruktur des Bundes; auch deshalb, weil er unserem Verkehrsminister Hofer in Zukunft auch als Leitfaden für künftige verkehrspolitische Entscheidungen dient. Es zeigt sich, wie wichtig es in der Verkehrspolitik ist, über den Tellerrand hinauszublicken; nicht nur über den Tellerrand, sondern auch über die Grenzen.

Minister Hofer wird sich künftig viel mehr um die Verkehrsinfrastruktur unseres Landes kümmern müssen, oder besser gesagt wird er sich stärker dafür einsetzen müssen; bitte nicht nur für die Frächterlobby, die immer sehr stark auftritt, sondern besonders auch betreffend die Auswirkungen auf uns Menschen.

Große Bauvorhaben, die wichtig für die Pendlerinnen, für die Pendler, für die Weiter­entwicklung und auch für die Wirtschaft in unserem Land sind, verzögern sich derzeit. Denken wir nur an die großen Tunnelbauten, denken wir an den Brennerbasistunnel, bei dem es Probleme gibt, an den Karawankentunnel oder auch an den Koralmtunnel.

Es wird auch Zeit, dass Umweltministerin Köstinger der Umwelt zuliebe endlich ein­greift, denn es geht immer auch um die ökologische Entlastung unseres Landes. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, unser Klima ist derzeit schwer erkrankt. Die Um­weltministerin wäre eigentlich die Ärztin für unser Klima; eine Ärztin, die dazu da ist, alles zu tun und alle Maßnahmen einzuleiten, damit es unserem Klima künftig besser geht. Als Mutter von zwei Kindern kann ich Ihnen dazu Folgendes sagen: Wer jemanden gesund pflegt, braucht einen langen Atem, braucht Mut und braucht einiges an Engagement, nämlich über das normale Maß hinaus. – Gar nichts davon traue ich unseren Ministern zu.

Da wir schon bei der Umwelt sind: Da spielt der Verkehrsminister ganz großes Kino, nur ist der Film leider ziemlich schlecht geworden. Ich nenne hier nur das Wort Nah­verkehrsmilliarde. Das ist wohl ein ganz großer Schmäh unseres Ministers, denn diese Milliarde ist nirgendwo abgebildet. Wo wollen Sie die hernehmen, ohne dass es irgend­wo Bauverzögerungen zur Folge hat? Dabei wäre es so wichtig, dass wir unseren Städten und unseren Gemeinden unter die Arme greifen, denn sie wissen gar nicht mehr, wie sie den öffentlichen Verkehr in Zukunft stemmen können.

Es ist für die PendlerInnen ganz wichtig zu wissen, wie es weitergeht, wenn sie von der Bahn aussteigen. Die Antwort, ein Elektrofahrrad zu haben oder sich eines ausborgen zu können, ist einfach zu wenig. (Abg. Neubauer: Ihnen fehlen die Visionen!) Es braucht große Investitionen in den mikroöffentlichen Verkehr. (Beifall bei der SPÖ.)


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Das ist leider noch nicht alles: Als Draufgabe versemmelt das von Minister Hofer geführte Ministerium noch die Ausschreibungen für den öffentlichen Verkehr. Ge­schätzte Damen und Herren, ich erwarte mir, dass der Minister seine Aufgabe sehr ernst nimmt und endlich von der Sprechblasenpolitik ins Arbeiten übergeht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zanger: Sie waren im Ausschuss aber nicht anwesend! – Abg. Neubauer: Das war nur heiße Luft!)

19.06


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Kaufmann. – Bitte.


19.06.34

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Ich freue mich, heute zu diesen Rechnungshofberichten sprechen zu dürfen, wenngleich ich mich in meinem Redebeitrag mit dem Bericht zur Verkehrsinfrastruktur des Bundes, genauer gesagt zur Planung, Strategie und Finanzierung im Bereich Schienenverkehr auseinandersetzen werde. Das betrifft mich auch selbst, ich bin nämlich eine Öffi­fahrerin; ich fahre auch immer mit der Bahn nach Wien.

Ich konnte dem Redebeitrag meiner Vorrednerin nicht ganz folgen: Diese Nach­haltigkeit, genau das ist notwendig, wenn wir unsere Schieneninfrastruktur ausbauen. Der Berichtszeitraum belegt, dass wir 11,3 Milliarden Euro für die Schiene ausgegeben haben und nur 3,8 Milliarden Euro für die Straße. Das ist ein klarer Beweis dafür, dass wir uns in Österreich darauf verständigt haben, in den nachhaltigen Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu investieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Greiner: ... Projekte kürzt!)

Als Steirerin möchte ich auf zwei Projekte eingehen. Zum einen auf den Ausbau in Richtung Klagenfurt: Es wird in Zukunft möglich sein, in 45 Minuten von Graz nach Klagenfurt – und das natürlich auch retour – fahren zu können. Wenn man als Familie sagt, man möchte am Samstag gerne von Graz zum Wörthersee fahren, braucht man mit dem Auto eineinhalb Stunden. In Zukunft wird man in Graz am Bahnhof in den Zug einsteigen, wird mit der Familie im Familienabteil sitzen können – die Eltern werden noch einen Kaffee trinken und ein bisschen plaudern können, die Kinder werden in der Kinderecke spielen können –, wird dann in Klagenfurt aussteigen und einen herrlichen Tag am Wörthersee verbringen und am Abend wieder zurückfahren können. (Abg. Greiner: 2026! Zwei Jahre zu spät!) – 2024 wird das möglich sein, Frau Kollegin, 2024 wird das schon möglich sein. (Abg. Greiner: Falsch! – Abg. Plessl: 2026! – Abg. Greiner: Kein Budget!)

Schauen wir in die andere Richtung, in die, die mich betrifft, wenn ich nach Wien fahre. Ich nutze das sehr, sehr gerne. Es wird bereits ab 2026 möglich sein, in unter 2 Stun­den von Graz nach Wien zu fahren. Ich als Europäerin, als junger Mensch, dem Mo­bilität besonders wichtig ist, möchte auch darauf hinweisen, was das in Summe für Europa bedeuten wird. Gehen Sie mit mir gemeinsam auf eine Reise: Es wird möglich sein, in Bologna einzusteigen und über Venedig, Triest, Klagenfurt, Graz und Wien nach Warschau und Danzig zu fahren. – Und das alles per Bahn.

Der Herr Minister hat im Ausschuss gesagt, dass es dafür in Zukunft jährlich 2,5 Mil­liarden Euro geben wird. Dieses Geld ist budgetiert. (Abg. Greiner: Schauen Sie sich den Finanzrahmen an, da ist nichts drinnen!) – Keine Sorge, Frau Kollegin, diese Pro­jekte werden möglich sein. Das gemeinsame Ziel, das wir haben, ist, den Güterverkehr und auch den Personenverkehr auf die Schiene zu bringen, und das brauchen wir in


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einem gut ausgebauten Österreich, in einem gut ausgebauten Europa. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.10


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort hat sich die Frau Rechnungshof­präsi­den­tin gemeldet. – Bitte.


19.10.05

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Auf der Tagesordnung stehen heute Berichte des Rechnungshofes zum Thema Verkehr, und zwar zur Ver­kehrs­planung und zur Umweltverträglichkeit bei Bundesstraßen. In diesem Zusam­menhang sind ganz grundsätzlich die Entwicklung des zukünftigen Verkehrsverhaltens in Österreich und die Entwicklung eines intermodalen, das heißt eines zwischen Straße und Schiene vernetzten Verkehrsangebots, das den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger entgegenkommt, von Relevanz. Die Bereitstellung einer hochrangigen Ver­kehrs­infrastruktur ist eine ganz wichtige öffentliche Aufgabe und aufgrund der hohen Gebarungsrelevanz wichtig für den Rechnungshof.

Für den Staat geht es um die Wahl der richtigen Strategien und Planungen, um in Bezug auf eine moderne Mobilität, die auch ausreichend auf Umwelt und Klimaaus­wirkungen Bedacht nimmt, langfristig – es geht wirklich um langfristige Entschei­dun­gen – die richtigen Entscheidungen zu treffen. Was die hochrangige Verkehrsinfra­struktur des Bundes betrifft, haben wir die Strategien zum Ausbau dieser hochrangigen Verkehrsinfrastruktur und den damit verbundenen Mitteleinsatz beurteilt.

Besonders im Fokus standen die Prozesse – wie man dazu kommt – im Hinblick auf die Netzplanung und im Hinblick auf die Netzveränderung. Dazu gibt es die Strate­gische Prüfung Verkehr. Das hochrangige Verkehrswegenetz besteht aus Autobahnen und Schnellstraßen, aus den Hochleistungsstrecken im Bereich der Schiene und aus vier Wasserstraßen.

Der finanzielle Aufwand ist tatsächlich beträchtlich: Alleine im Jahr 2015 wurden in diese Netze 3,1 Milliarden Euro investiert, das waren 4 Prozent der Auszahlungen des gesamten Bundeshaushalts, und im Prüfzeitraum von 2011 bis 2015 flossen in den Ausbau und in die Erhaltung dieses hochrangigen Verkehrswegenetzes 15,2 Milliarden Euro, drei Viertel davon in das Schienennetz – das betrifft das ganze Schienennetz der ÖBB – und ein Viertel in den Ausbau von Autobahnen und Schnellstraßen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Größenordnung entspricht in etwa 15 Mal den Baukosten eines Großspitals und zeigt nach Auffassung des Rechnungshofes ganz besonders, wie wichtig eine gesamt­staatliche, verkehrsträgerübergreifende Planung und ein gesamtstaatlicher Blickwinkel sind. Das ist auch deswegen beachtlich, weil der gesamte Bereich Straße und Schiene in einem Ministerium, im Verkehrsministerium, angesiedelt ist. Wir glauben, dass da der Fokus noch stärker auf die Steuerung durch das Ministerium gelegt werden muss und eine stärkere Rolle des Ministeriums eingenommen werden müsste, um diesen beträchtlichen Mitteleinsatz im wahrsten Sinne des Wortes in die richtigen Wege zu steuern und zu lenken. Es gibt unterschiedliche Finanzierungsmodelle: das Mautmodell im Bereich Straße, im Bereich der Schienenbenützung Infrastrukturentgelte und die Finanzierung der Erhaltung aus dem Bundesbudget.

Wir empfehlen, einen Prozess einzuführen, in dem das Verkehrsministerium eine stär­kere Rolle einnimmt, um Steuerungsfunktionen wahrzunehmen und die Einhaltung der verkehrspolitischen Zielsetzungen sicherzustellen. Der Leitfaden wurde schon ange­sprochen, es gab dazu einige methodische Abweichungen, das haben wir gesehen. Es


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gab eine mangelnde Verkehrsnachfrage in bestimmten Fällen betreffend die Aufnahme in das hochrangige Straßennetz, es gab nicht immer das entsprechende Kosten-Nutzen-Verhältnis, und der sogenannte Initiator spielte eine starke Rolle betreffend Aufnahme und Bewertung von Alternativen.

Positiv haben wir gesehen, dass die Verkehrsprognose aktualisiert wird. Wir glauben, dass das eine gute Grundlage ist, um eine verkehrsträgerübergreifende Planung vorzu­nehmen. In Summe geht es um einen transparenten Prozess der Entscheidungs­fin­dung und der Gesamtabwägung. Die Infrastrukturunternehmen sollten die Rolle der Detailplaner übernehmen, das Verkehrsministerium auf einer aggregierten Ebene die verkehrsträgerübergreifende Planung.

Der zweite Bericht hat mit der Umweltverträglichkeitsprüfung und mit den Nach­kon­trollen bei Bundesstraßen zu tun. Diese sind laut der UVP-Behörde, laut Verkehrs­ministerium drei bis fünf Jahre nach der Verkehrsfreigabe notwendig. Es wird geprüft, ob die Vorschreibungen nach der Trassenverordnung, nach den Genehmigungs­be­scheiden tatsächlich eingehalten wurden und vor allem ob die Prognosen und An­nahmen gestimmt haben, ob jene Wirtschaftlichkeit des Projektes tatsächlich einge­treten ist und sich jene faktische Istsituation dann auch tatsächlich bewahrheitet. Wir haben festgestellt, dass das Thema der Nachkontrollen äußerst nachrangig war und dass sie sehr lange dauerten. Wir stellen die Frage nach dem Mehrwert der Nach­kontrollen in der derzeit gehandhabten Form.

Zu den Datengrundlagen: Bezüglich der Verkehrsprognosen glauben wir, dass der zusätzliche Erkenntnisgewinn gegenüber den Dauerzählstellen gering ist. Wir glauben, dass Wirtschaftlichkeitsberechnungen notwendig sind. Bei den Lärmkontrollmessungen fehlte die Vernetzung, der Informationsfluss zur Exekutive, damit Höchstge­schwindig­keitsgrenzen auch eingehalten werden. Das Interesse an den Berichten der Nach­kontrolle beim Umweltbundesamt war relativ gering.

Es gibt Optimierungsbedarf, und dieser besteht unserer Meinung nach in einer sehr wirksamen Auflagenverwaltung und Auflagenkontrolle in der Betriebsphase. Es ist notwendig, dass es präzise und messbare Auflagen in den Genehmigungsbescheiden gibt und dass es praktikable Systeme dazu gibt und nicht nur ein einmaliges Instru­mentarium der Nachkontrolle, sondern zum geeigneten Zeitpunkt entsprechende Kon­trollen der Überwachung unter Einhaltung der Umweltauflagen. – Danke schön für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

19.16


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Becher. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.16.56

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Ich befasse mich auch kurz mit den Berichten betreffend Verkehrs­infrastruktur und betreffend Nachkontrollen, die sich ja sehr umfassend mit der Gegen­wart und der Zukunft des Verkehrsnetzes auseinandersetzen.

Eine langfristige Verkehrsplanung ist in Österreich eine besondere Herausforderung. Was allerdings auf bundespolitischer Ebene unstrittig oder zumindest breit mehrheits­fähig ist, ist der Bau der Wiener Außenring Autobahn; eine solche Autobahn hat sich ja bereits in vielen Metropolen bewährt.

Das bestehende Teilstück S 1 Süd hat der Rechnungshof ja konkret geprüft. Frau Präsidentin, Sie haben ja in Ihrer Stellungnahme darauf Bezug genommen. Die Nachkontrolle hat ergeben, dass die Nichteinhaltung der 60 km/h in der Nacht – vor allem durch Lkw – zu einer sehr starken Lärmbelastung der Anrainer geführt hat und


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deren Nachtruhe gestört wurde. Da ist natürlich Handlungsbedarf gegeben. Dem gegenüber steht aber die Absicht von Minister Hofer, das Geschwindigkeitslimit in der Nacht von 60 auf 70 km/h zu erhöhen. (Abg. Greiner: Kontraproduktiv!) Ganz klar ist, dass der Transit, der nicht nach Wien will, nicht nach Wien hineinfahren soll, sondern um Wien herumfahren soll. Das spart der Bevölkerung Stau, Frust und setzt sie weniger Abgasen aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Der geplante Lobautunnel wird endlich eine Entlastung auch für die Bezirke links der Donau bringen. Die UVP ist abgeschlossen und vom Bundesverwaltungsgericht auch positiv entschieden worden. 2020 soll der Spatenstich erfolgen und damit ist auch der Lückenschluss für das Wiener Straßennetz gegeben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Plessl: Sehr gut!) Das ist ganz wichtig, weil so der Verkehrskollaps in der Donaustadt abgewendet und verhindert werden kann.

Auch die Qualität der städtischen Zubringer ist besonders wichtig, weil es da um eine lokale Entlastung vor Ort geht. Sie soll etwa die Ortskerne in der Donaustadt entlasten. Die diesbezügliche Zusammenarbeit zwischen Bund, Asfinag und der Stadt Wien hat der Rechnungshof auch positiv hervorgehoben. Durch die Planung der Zubringer in Form einer Stadtstraße kann eine ortsteilangepasste Dimensionierung der Zubringer der Außenring Autobahn auf Wiener Stadtgebiet errichtet werden.

Wir reden hier freilich immer noch von der Planungsphase. Ich hoffe, dass die Um­setzung der Stadtstraße im Nordosten Wiens jetzt wirklich unmittelbar – die Asfinag spricht von 2019/2020 – bevorsteht. Das würde uns enorm entlasten. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.20


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Plessl. – Bitte. (Abg. Jarolim: Jetzt wird die Straße von der anderen Seite beleuchtet!)


19.20.21

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Sehr geehrte Nationalratspräsidentin! Geschätzte Rechnungshofpräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Ich widme mich dem Bericht des Rechnungshofes betreffend Nachkontrollen gemäß Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz; ein sehr wichtiger Be­reich. In Ihrem Bericht, Frau Präsidentin, haben Sie festgehalten, dass auf der einen Seite die Ziele, die rechtlichen Grundlagen und die Nachkontrollen dargelegt sind, aber auch die Annahmen und die Prognosen überprüft werden.

Wir haben auch gesehen, und das haben Sie schon in Ihrer Rede angeführt, dass ein eher geringer Mehrwert erkennbar war. Im Ausschuss ist von Kollegen Lettenbichler, aber auch von Minister Hofer mitgeteilt worden, dass sie eine Schwächung des Um­weltverträglichkeitsprüfungsgesetzes sehen und auch eine Evaluierung bei den Nachkontrollen durchführen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben hier einen unterschiedlichen Zugang. Wir wollen ja nicht das Gesetz schwächen, sondern wir wollen, dass die anstehenden Bestimmungen auch dementsprechend zeitnah und rasch umgesetzt werden. Wir haben auch bemerkt, dass gerade das Einsparungspotenzial, das man bei den Sachverständigen sieht, wo man entsprechende Maßnahmen umsetzt, wesentlich dafür ist, dass eine rasche Abarbeitung gewährleistet wird. Die Aussage des Verkehrs­ministers, dass ein weiterer Abbau bei den Sachverständigen durchgeführt werden soll, ist eher hinderlich und führt nicht zu einer raschen Abwicklung gemäß den Umwelt­verträglichkeitsprüfungsgesetzen, die ein Grundstein und in einer Demokratie auch sehr wichtig sind, damit die Anrainerrechte gewährleistet werden. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ein zweiter Punkt, der uns aufgefallen ist: Es soll auch eine einheitliche Durchfüh­rungs­verordnung vom Minister erlassen werden, damit die Umweltverträglichkeitsprüfungen auch dementsprechend einheitlich durchgeführt werden. Es gibt immer wieder Fälle, dass das eine oder andere Verfahren von Behörden unterschiedlich abgewickelt wird. Auch da gehört eine entsprechende Aktualisierung durchgeführt.

Ein sehr wichtiger Bereich war auch die Koordinierung untereinander, damit man auch die Informationen austauscht. Wir haben gemerkt, dass bei der Nachprüfung nicht alle Informationen vorhanden gewesen sind. Auch was das betrifft, müssen wir den Informationsfluss gewährleisten und intensivieren.

Zum Schluss noch eines, meine sehr geehrten Damen und Herren: Die S 8 Marchfeld Schnellstraße ist noch nicht gebaut, was vorliegt, ist erst der Bescheid, und es freut mich, dass dieser Schritt jetzt gelungen ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.22


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Frau Abgeordnete Margreiter ist zu Wort gemel­det. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.23.00

Abgeordnete Doris Margreiter (SPÖ): Ich werde auch zu den Nachkontrollen sprechen. Frau Rechnungshofpräsidentin, Sie haben es schon erwähnt, das UVP-G, das Um­weltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 sah vor, dass drei bis fünf Jahre nach Ver­kehrsfreigabe Nachkontrollen durchzuführen sind. Vom Rechnungshof wurden eben drei Projekte genauer unter die Lupe genommen, nämlich die S 1 Wiener Außenring Schnellstraße, die A 2 Anschlussstelle Traiskirchen und die A 2 Anschlussstelle Kottingbrunn. Die Nachkontrollen wiesen, wie wir gehört haben, laut Rechnungshof Schwächen auf, sie dauern zu lange. Von insgesamt 30 Projekten waren zudem überhaupt nur bei 15 die vorgeschriebenen Nachkontrollen durchgeführt.

Es mangelte, wie wir gehört haben, auch an der Zusammenarbeit zwischen den Minis­terien, der Exekutive, aber vor allem am Personal, da es aufgrund der Einsparungen zu wenige Sachverständige gibt. Internen Sachverständigen müssen externe beigestellt werden, und deren Honorare sind natürlich wesentlich höher. (Beifall bei der SPÖ.)

Anzumerken ist auch, dass Herr Minister Hofer ja hinsichtlich des Projektes S 1, der Wiener Außenring Schnellstraße, kürzlich mit dem Vorschlag – meine Vorrednerin hat es schon gesagt – hat aufhorchen lassen, dass die 60-km/h-Beschränkung für Lkw in den Nachtstunden auf 70 km/h erhöht werden soll. Auch wenn er meint, dass bei dieser Geschwindigkeit die CO2-Emissionen nicht erhöht werden, so meinen wir doch, dass die Lärmemission dabei nicht außer Acht zu lassen ist, die in einem enormen Umfang stattfinden und sich erhöhen wird.

Wir haben auch mehrmals darauf hingewiesen, dass es angesichts der immer wahrscheinlicher werdenden Strafzahlungen in der Höhe von bis zu 7 Milliarden Euro wesentlich mehr Anstrengungen brauchen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Es macht zunehmend den Eindruck, als hätte diese Regierung weder Ideen noch den Willen, sich dem Klimawandel und der Notwendigkeit einer modernen Umweltpolitik wirkungsvoll zu stellen. Ein am Donnerstag in der EU veröffentlichter Bericht hat wieder ganz klar gezeigt, dass Österreich im EU-Ranking weit hinter der Erreichung der sich selbst gesteckten Klimaschutzziele liegt. Ich frage daher diese Bundesregierung: Was muss noch passieren, dass Sie endlich in die Gänge kommen?

Uns, der Sozialdemokratie, ist eine umweltschonende und nachhaltige Verkehrspolitik wichtig, vor allem die Berücksichtigung eines hohen Modal Split für die Bahn, eben die


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Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsmittel zugunsten der Bahn, wesentlich wichtiger, als 10 km/h schneller zu fahren.

Um tatsächlich Kosten zu sparen, ist, so meinen wir auch, die Aufstockung von Per­sonal zur Nachkontrolle unumgänglich, denn externe Sachverständige kosten viel mehr Geld. Diese Vorgehensweise ist sicher nicht wirtschaftlich und der Erreichung der Klimaziele keinesfalls förderlich. Wenn wir die nicht erreichen, wird es wirklich teurer; vom fehlenden Verantwortungsbewusstsein einmal ganz abgesehen.

Geschätzte Damen und Herren! Ich meine, die Erde hat Fieber, und mit einem Zapferl werden wir das nicht mehr in den Griff kriegen. Handeln Sie endlich! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.26

19.26.09


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens der Berichterstatter ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vorneh­men werde.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Rech­nungs­hofausschusses, den Bericht betreffend Verkehrsinfrastruktur des Bundes – Strategien, Planung, Finanzierung, III-157 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Antrag des Rech­nungs­hofausschusses, den Bericht betreffend Nachkontrollen gemäß Umweltverträglichkeits­prüfungsgesetz bei Bundesstraßen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

19.27.26 12. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes be­treffend Ticket-Vertriebssystem der ÖBB-Personenverkehr AG – Reihe BUND 2018/66 (III-225/600 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Singer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.27.49

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Prä­sidentin des Rechnungshofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Stärkung des öffentlichen Personennah- und -fernverkehrs in Österreich ist eine bewusste Schwerpunktsetzung dieser Bundesregierung. Wir wis­sen, der Verkehrssektor ist einer der größten CO2-Verursacher, und um unsere Klimaziele erreichen zu können, müssen wir mehr Personen von der Straße auf die Schiene bekommen.


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Um das zu erreichen, braucht es im Wesentlichen zwei Schwerpunkte, nämlich eine attraktive Bahninfrastruktur und darauf aufbauend ein attraktives Angebot für die Bahnkunden. Zur Infrastruktur ist zu sagen, wir investieren mit 14 Milliarden Euro bis 2023 so viel in die Schieneninfrastruktur wie nie zuvor und bauen aus meiner Sicht die Netze für die Zukunft gut aus. Auf der anderen Seite brauchen wir ein Ticket-Vertriebssystem, so kundenfreundlich wie nur möglich. Damit bin ich beim zu besprechenden Bericht des Rechnungshofes, nämlich bei der Prüfung des Ticket-Vertriebssystems der ÖBB-Personenverkehr AG.

Seit 2005 hatten die ÖBB das Ziel, ein Ticket-Vertriebssystem aufzubauen, das auf der Höhe der Zeit ist, das einfach und verständlich für die Kundinnen und Kunden ist. Laut Bericht des Rechnungshofes sind dafür in der Projektzeit – die Projektzeit dauerte von 2005 bis 2017 – Kosten in Höhe von 131 Millionen Euro angefallen. Für uns alle ist das natürlich ein hoher Betrag, aber man darf nicht übersehen, dass der technische Fortschritt in diesem Zeitraum beachtlich war, gerade was die Mobiltelefonie betrifft. Wir wissen alle, dass die Funktionen eines Handys aus dem Jahr 2005 nicht vergleichbar sind mit den Möglichkeiten eines Handys heute. Dieser Fortschritt machte auch laufend Umplanungen notwendig, es gab neue Anforderungen an die Technik.

Sehr geehrte Damen und Herren! Beinahe jede Österreicherin und jeder Österreicher fährt zumindest einmal im Jahr mit der Bahn, und fast jeder hat persönliche Anfor­derungen an das Ticketsystem – sei es die Strecke, sei es die Tarifstufe, sei es der Vertriebskanal. Ein System zu entwickeln, das für alle Österreicherinnen und Öster­reicher passt, ist eine große Herausforderung.

Eine Herausforderung ist natürlich auch, und das hat der Rechnungshof – aus meiner Sicht zu Recht – entsprechend kritisiert, die Vielzahl der Tarife in Österreich; man kann durchaus von einem Tarifdschungel sprechen. Damit bin ich auch bereits beim Blick in die Zukunft und einer wichtigen Empfehlung des Rechnungshofes: Je komplexer die Tarifstrukturen und je unterschiedlicher die Regelungen der einzelnen Verbünde sind, umso kostspieliger ist die Abbildung in Vertriebssystemen.

In Österreich haben wir die Tarifstruktur der ÖBB. Wir haben sieben Verkehrsverbünde und natürlich die Mobilitätsdienstleister in den Städten. Ziel muss es sein – und der Rech­nungshof hat das auch entsprechend formuliert –, ein möglichst einheitliches Tarifmodell zu bekommen. Deshalb sind die laufenden Planungen für ein einheitliches Tarifmodell für ganz Österreich absolut zu begrüßen. Länder, Verkehrsverbünde, die ÖBB und die städtischen Verkehrsunternehmen arbeiten unter dem Projekttitel ÖV 2020, also Öffentlicher Verkehr 2020, wie es im Regierungsprogramm entsprechend vorgesehen ist, bereits intensiv an einem einfachen, transparenten und österreich­weiten Tarifmodell.

Der Rechnungshof hat auch festgestellt, dass der ÖBB-Ticketshop das umfangreichste Ticketvertriebssystem ist, das in Österreich bislang für den Erwerb von Tickets im öffentlichen Verkehr angeboten wurde. Diese technische Plattform könnte dann in weiterer Folge auch die Grundlage für ein österreichweites ÖV-Ticketsystem sein, wobei der Rechnungshof eine neutrale Eigentümerstruktur empfiehlt. Eines ist jeden­falls klar: Es muss einfacher werden, sich ein Ticket zu kaufen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Abschließend: Der Rechnungshof hat in seinem Bericht wichtige Punkte im Sinne der Kundinnen und Kunden aufgezeigt, die vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie und den ÖBB bereits aufgenommen wurden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir müssen im Sinne der Bahnfahrer und der Steuerzahler die Vertriebssysteme der öffentlichen Verkehrstickets noch transparenter und noch einfacher gestalten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.33



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 209

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter Kollross ist zu Wort gemel­det. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.33.33

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuhörerInnen und ZuseherInnen! Frau Präsidentin! Ich möchte auch zum Ticketvertriebssystem ein paar Anmerkungen machen, allerdings nicht nur zum Bericht des Rechnungshofes, sondern vor allen Dingen auch zum Ausschuss und zur Aussprache mit Ihnen und mit dem Verkehrs­minister.

Ich möchte mit der Debatte zu den Ticketautomaten beginnen. Wir wissen – wir führen zumindest in Niederösterreich gerade eine Diskussion darüber, aber ich nehme an, es wird in vielen Bundesländern so sein –, dass immer mehr Personenkassen auf Bahn­höfen zugesperrt und durch Ticketautomaten ersetzt werden. Es ist mir bewusst, dass wir den technologischen Fortschritt natürlich nicht aufhalten können und dass aufgrund von Onlinebuchungen und anderen Maßnahmen natürlich nicht mehr auf jedem Bahnhof ein Schalter sein kann. Trotzdem glaube ich – und finde es schade, dass da vom Verkehrsminister keine klare Botschaft im Ausschuss gekommen ist –, dass wir schon eine Richtlinie brauchen und dass die Politik vorgeben sollte, ab welcher Größe, ab welcher Maßnahme es immer noch Personenschalter geben sollte, und dass man nicht ganz einfach die Ticketautomaten allein als heiliges Mittel ansehen kann. Ich glaube – wenn man vor allen Dingen an die ältere Generation denkt und wenn man auch will, dass es einen Umstieg auf den öffentlichen Verkehr geben soll –, man muss es den Menschen so leicht wie möglich machen, und in diesem Sinne ist das Buchen eines Tickets eine auch nicht unwesentliche Maßnahme. (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, ist das Österreichticket, das ja auch im Regierungsprogramm vorgesehen ist. Dazu muss man gleich einmal vorweg fest­stellen: Es ist natürlich zu begrüßen, wenn es ein Österreichticket gibt. Was nicht zu begrüßen ist, ist die Strategie, die da anscheinend verfolgt wird: dass man dieses Thema nämlich – wie auch die Steuerreform – schiebt. Der Minister hat gesagt, es wird wahrscheinlich im Jahr 2022 fällig werden. Das heißt, man hält jetzt einmal die Menschen hin, und ob es dann wirklich kommt oder nicht, wird man noch sehen.

Was auch nicht zu begrüßen ist, ist die finanzielle Ausgestaltung, von der man momentan spricht. Man geht im Vergleich vom Schweizer Ticket aus. Das Schweizer Ticket kostet 3 000 Euro im Jahr. Der Minister hat im Ausschuss gesagt, er geht davon aus, dass es zumindest um ein Drittel günstiger sein wird; aber ein Drittel günstiger heißt, dass es noch immer 2 000 Euro kostet und noch immer um ein Vielfaches zu teuer ist. Deshalb glaube ich, dass es wichtig ist und dass man hier im Parlament auch die Botschaft ausgeben sollte, dass man – da man, vor allen Dingen was die Regierungsparteien betrifft, immer gerne nach Wien schaut – auch in dieser Frage nach Wien schauen sollte, nämlich auf das Öffiticket um 365 Euro im Jahr, und auch das Österreichticket in diese Richtung entwickeln sollte. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein letzter, kurzer Punkt noch – Kollegin Greiner hat es ebenfalls schon angesprochen, aber ich spreche hier als betroffener Bürgermeister –: der Verkehrsverbund Ost-Region. Ich finde es schade, welche Entwicklung wir da gerade erleben. Wir sind in unserer Region, in der eben der Verkehrsverbund Ost-Region tätig ist, monatelang wirklich parteiübergreifend zusammengesessen und haben versucht, eine Fahrplan­verhandlung zu gestalten, und es ist uns auch gelungen, für unsere Gemeinden – theoretisch zumindest – mehr herauszuholen. Es waren nicht immer einfache Ver­handlungen, es waren gute Verhandlungen – und jetzt erfahren wir, dass wir gar nicht wissen, ob das alles stimmt, weil wir leider einen Minister haben, der den Verkehrs-


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dienstevertrag nicht zeitgerecht, nämlich um einen Tag zu spät, abgibt. Somit wissen wir gar nicht, ob der Verkehrsverbund Ost-Region am Ende des Tages überhaupt für die ganze Sache zuständig ist.

Ich meine, dass das ein Wahnsinn ist, wie man hier mit Hunderttausenden Pend­lerinnen und Pendlern umgeht, natürlich auch mit den Beschäftigten, und dass am Ende des Tages nicht die Politik, sondern die Gerichte entscheiden werden, ob das überhaupt stattfindet oder nicht. So geht man nicht mit Menschen um und so gestaltet man nicht den öffentlichen Verkehr in Österreich. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.37


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kainz. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.38.05

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rech­nungs­hofpräsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Zuseher! Ich möchte heute auf den Bericht des Rechnungshofes betreffend das Ticketvertriebssystem der ÖBB-Personen­ver­kehr AG eingehen.

Von März bis September 2017 überprüfte der Rechnungshof die Gebarung der ÖBB Holding AG und der ÖBB-Personenverkehr AG sowie das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie in Bezug auf den ÖBB-Ticketshop. Bis Mitte 2017 realisierte die ÖBB-Personenverkehr AG das umfangreichste Ticketvertriebssystem, welches in Österreich bislang für den Erwerb von Tickets im öffentlichen Verkehr angeboten wurde. Das Zusammentreffen verschiedener Tarifsysteme des öffentlichen Verkehrs im ÖBB-Ticketshop führte jedoch zu einer hohen Tarifkomplexität. Außerdem gibt es eine Fülle von Ermäßigungsvarianten und Zusatzfunktionen, was sich negativ auf die Bedienbarkeit auswirkt. Da sich viele Probleme direkt oder indirekt aus der Komplexität des Ticketshops ergeben, würde, so wie auch der Rechnungshof vor­schlägt, eine einfachere Tarifstruktur die Transparenz der Ticketpreise im Interesse der Fahrgäste erhöhen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einerseits sollte es unser Ziel sein, die Ticket­auto­maten benutzerfreundlicher zu gestalten, andererseits sollten wir an der Umsetzung eines österreichweit einheitlichen Tarifsystems arbeiten. Mir ist bewusst, dass diese Aufgabe sehr komplex und nicht einfach ist, aber unser Verkehrsminister Norbert Hofer ist bereits im Gespräch mit allen Verkehrsverbünden und Verkehrsbetrieben. Schluss­endlich ist es nämlich unerlässlich, ein einheitliches Ticketsystem zu forcieren, denn das wäre die Basis für die Umsetzung des von vielen geforderten Österreichtickets. Ich vertraue da auf die Arbeit unseres Verkehrsministers Hofer, der die Umsetzung eines Österreichtickets bis zum Ende der Legislaturperiode – 2022 – durchaus für realistisch hält.

So können wir mehr Transparenz im Bereich der Ticketpreise schaffen und in Summe das öffentliche Verkehrsnetz für Gäste vereinfachen und besser gestalten. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.40


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Griss. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.40.45

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass der Rechnungshof das Ticketvertriebssystem der ÖBB geprüft hat, denn der Rechnungshof hat auf jene


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Schwachstellen hingewiesen, die mich als jedenfalls gelegentliche Bahnfahrerin sehr stören: Dieses Ticketsystem der ÖBB ist sehr komplex und intransparent. Wenn ich eine Zugfahrt buche, ist nicht klar, ob ich wirklich das günstigste Ticket bekomme; das möchte ich aber haben, denn warum soll ich mehr zahlen, als notwendig ist? Das wird nicht deutlich gemacht. Es werden auch nicht immer alle Züge angezeigt. Dieses System hat also Schwachstellen, da müsste man noch draufschauen.

Was nun diese Kombination von Vorteilscardticket, Sparschienenticket, normalem Ticket betrifft, verstehe ich schon, dass die ÖBB daran interessiert sind, die Züge ent­sprechend auszulasten. Aber warum macht man es nicht so wie etwa in der Schweiz, wo Züge außerhalb der Stoßzeiten generell günstiger sind? (Abg. Haider: Das ist eh Sparschiene!) Dann wüsste ich sofort: Wenn ich am Abend nach 19 Uhr fahre, kostet es mich so viel, wenn ich früher fahre, kostet es mich mehr. Das wäre eine gute, übersichtliche Lösung, und ich hoffe, dass das ein Anstoß ist, sich das anzuschauen.

Das Zweite, das auch wichtig ist, das wir auch im Ausschuss gehört haben und das aus dem Bericht hervorgeht, ist, dass die ÖBB, die ja viele Jahre an der Entwicklung dieses Systems gearbeitet haben, davon überrascht wurden, dass sich das Smart­phone so durchgesetzt hat. (Heiterkeit des Abg. Drozda.) Das war halt eine rasche Entwicklung, da sind sie nicht ganz mitgekommen, und ich finde, da müsste man schon schauen, dass man auf der Höhe der Zeit ist.

Die Entwicklung geht jetzt in Richtung GPS-Ticket, wie es in der Schweiz schon möglich ist – es hat ja so gut wie jeder ein Smartphone –: Ich habe eine App, ich steige in den Zug oder in den Bus ein, und es wird automatisch registriert, dass ich diese Fahrt buche. Ich werde ausgebucht, wenn ich aussteige, und der Betrag wird abgebucht.

Natürlich hat dieses System, das ja in Vorarlberg schon erprobt wird, eine daten­schutzrechtliche Schattenseite (Abg. Neubauer: Nicht nur!), weil jede Fahrt, die ich mache, registriert ist. Denken wir aber daran, wie oft wir Google Maps verwenden oder etwas nachschauen, und dann steht da: Darf Google Ihren Standort feststellen?, oder wie immer das heißt.

Das heißt, es ist zu hoffen, dass die ÖBB zu einem System kommen, das transparent, praktisch und auf der Höhe der Zeit ist, denn der öffentliche Verkehr ist absolut notwendig und muss stark genutzt werden. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

19.43


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Rechnungshofpräsidentin Dr. Kraker. – Bitte, Frau Präsidentin.


19.43.53

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich will nur in aller Kürze ein paar Sätze zum vorliegenden Rechnungshofbericht sagen.

Wir haben das Ticketvertriebssystem der ÖBB-Personenverkehr AG geprüft. Der Ticketshop der ÖBB existiert seit Mitte 2017, er ist ein Vertriebssystem für nahezu alle Tickets öffentlicher Mobilitätsanbieter und er ist natürlich ein sehr umfangreiches System. Der Rechnungshof erachtet die „Vertriebsstrategie neu“ der ÖBB, die im Juni 2017 erarbeitet wurde und die sehr stark auf Kundenorientierung abstellt, für sehr zweckmäßig – denn auch der Rechnungshof hat einen Prüfschwerpunkt und dieser ist der Bürgernutzen. Bei dieser Kundenorientierung geht es um die Fragen: Wie einfach ist der Ticketshop nutzbar? Sind die Preise und die Tarife transparent und nachvollziehbar? Kann sich der Fahrgast darauf verlassen, dass ihm das beste und auch günstigste Angebot geliefert wird?


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Bei der Entwicklung dieses Ticketsystems haben wir bemerkt, dass es mehrere Herausforderungen gab, aber auch noch immer gibt. Erstens sind das die Tarif­komplexität und die Tarifkonkurrenz der unterschiedlichen Mobilitätsanbieter – das ist natürlich schwierig für die Entwicklung einer einheitlichen Vertriebsplattform – und zweitens die hohe Anzahl an Ermäßigungen, Ermäßigungsvarianten und Zusatzfunk­tionen. Das wirkt sich auf die Bedienlogik und auf die Funktionalität eines solchen Systems aus.

Die Frau Vorsitzende des Ausschusses hat es schon gesagt, es geht auch um die rasante technische Entwicklung, die man im Auge haben muss und die neue Mög­lichkeiten eröffnet. Weiters geht es um den internationalen Wettbewerb mit anderen Mobilitäts- und Reiseplattformen, und schließlich gibt es eben tatsächlich die Gefahr, dass andere Mobilitätsanbieter statt der Nutzung dieses nunmehr etablierten oder ausgearbeiteten ÖBB-Ticketshops parallel eigene, individuelle Vertriebslösungen entwickeln – das würden wir nicht für sinnvoll erachten.

Wir haben die Kosten geprüft, sie wurden schon genannt: in Summe 131 Millionen Euro. Wir haben geprüft: Wie schaut es mit Sicherheitsstandards, Netzwerksicherheit, Funktionalität aus? Wir haben erkannt, dass manchmal unterschiedliche Preisangebote geliefert werden, wenn man unterschiedliche Systeme benützt. Wir haben gesehen, es gibt oder gab Unklarheiten zum Beispiel bei der Einberechnung der Kernzone Wien.

Aus einer gesamtösterreichischen Perspektive wurde erst später an andere Mobilitäts­anbieter gedacht, sozusagen zu einem Zeitpunkt, als der ÖBB-Ticketshop schon weitgehend entwickelt war. Im Verkehrsministerium gibt es drei Arbeitsgruppen. Wir begrüßen es, dass man sich jetzt den Themen Abgeltungsmodelle, Tarifsystematik und Vertriebslandschaft widmen will. Wir glauben, dass es notwendig ist, dass die Tarifstrukturen entflochten werden, dass Ticketpreise transparent sind. Wenn es um ein einheitliches, gesamtstaatliches Ticketvertriebssystem geht, das nicht an Landes­grenzen haltmacht, dann bedarf es einer strategischen Ebene, die höher angesiedelt ist als die ÖBB-Personenverkehr AG. Das Thema Tarifsystematik ist natürlich auch für die neuen Verkehrsdiensteverträge wichtig.

Wie gesagt, der öffentliche Verkehr ist nur dann konkurrenzfähig, wenn er benut­zer­freundlich ist. Da könnten der ÖBB-Ticketshop und die Wegfinder-App eine gemein­same Vertriebsplattform sein. Wenn es Bedenken in Bezug auf die Neutralität gibt, nämlich faire Verkehrsmittelwahl und Tarifwahl, dann sollte man natürlich darüber nachdenken, wie es mit der Eigentümerstruktur dieses Ticketshops ausschaut.

Ich bedanke mich für die Debatte zu diesem Bericht. – Danke. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Frau Abgeordnete Baumgartner gelangt zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.48.13

Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Liebe Zuseherinnen! Liebe Zuseher! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Der Rechnungshof hat in gewohnter Art und Weise sehr gründlich angeschaut, wie man unser Steuergeld effizienter und zielgerichteter einsetzen könnte. Er hat sich bei dieser Prüfung das Ticketvertriebssystem der ÖBB angeschaut, vor allem die Entwicklung und Neueinführung des ÖBB-Ticketshops.

Die ÖBB haben im Prozess der Entwicklung des Ticketshops das Neuaufsetzen der Ticketautomaten auf den Bahnhöfen und im Webshop in den Fokus gestellt. Den rasanten Anstieg der Zahl der Smartphonenutzer und auch die Fülle der neuen Mög-


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lichkeiten für den öffentlichen Verkehr und die Angebote im Rahmen dieser Medien hat man unterschätzt. Daher ist es notwendig, dieses Projekt neu aufzusetzen und professioneller zu machen.

Der Rechnungshof kritisiert auch die Komplexität der Tarife. Diese Unübersichtlichkeit kommt durch die vielen Tarifangebote der ÖBB zustande, zusätzlich durch die innerstädtischen Verkehrsanbieter und die sieben Verkehrsverbünde; aber auch die Anforderungen für bargeldloses Bezahlen führen zu einer aufwendigen Bedienung der Ticketshops.

Der Rechnungshof stellt das fest, was sich die Bundesregierung im Regierungs­programm vorgenommen hat und was das BMVIT und die ÖBB bereits in Arbeit haben: Der Erwerb von Tickets für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel muss für alle Fahrgäste einfacher, intuitiver und transparenter werden.

Was meine ich damit? – Intuitiver: Es muss möglich sein, dass vom Schulkind bis zum Pensionisten alle ohne Schulungen Tickets kaufen können. Es gibt dazu Kurse für Senioren: Wie kaufe ich ein Öffiticket? – Das sollte eigentlich nicht nötig sein. Es muss auch so gelingen, binnen kürzester Zeit ein Ticket zu kaufen.

Einfacher: Abgesehen von der Bedienung der Automaten muss es auch einfacher sein, mit dem Smartphone über die App ein Ticket zu kaufen, bargeldlos und sicher.

Transparenter: Die Tarife und Ticketpreise müssen nachvollziehbar sein – ohne ein Überangebot an Zusatzoptionen und Unterebenen bei Ticketautomaten.

Der Rechnungshofbericht hat die Diskussion über die Weiterentwicklung sowie die Möglichkeiten der Verbesserung der Nutzung und der Bedienerfreundlichkeit, aber auch die dringend notwendige Entflechtung des Tarifdschungels mit dem vorliegenden Bericht wieder auf die Tagesordnung gebracht.

All jene, die tagtäglich mit Öffis unterwegs sind, wissen, dass es da Verbesserungs­potenzial gibt. Die Vielnutzer trifft diese Komplexität vielleicht nicht in dem Ausmaß wie diejenigen, die nur hin und wieder mit dem Zug oder Bus unterwegs sind, und speziell für diese Menschen muss die Einfachheit siegen, damit sie beim nächsten Mal wieder die Öffis nutzen.

Wir wollen die Menschen dazu bringen, die Angebote noch mehr zu nutzen, und die Infrastruktur weiter ausbauen. Im Sinne des Klimaschutzes ist es unsere Aufgabe, die öffentlichen Verkehrsmittel auszuweiten und attraktiver zu machen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.51

19.51.39


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Da dazu niemand mehr zu Wort gemeldet ist, schließe ich die Debatte.

Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er ein Schlusswort wünscht. – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-225 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig, angenommen.

19.52.1413. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petition Nr. 6 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 43, 55 und 57 (602 d.B.)



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 214

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tages­ord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hofinger. – Bitte.


19.52.40

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wir diskutieren heute den Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürger­initiativen, und ich möchte berichten, dass wir im letzten Petitionsausschuss 17 Petitio­nen und 17 Bürgerinitiativen besprochen haben, zugewiesen haben, Stellungnahmen eingefordert haben.

Ich möchte auch berichten, dass wir auch mit den deutschen Kollegen in Verbindung sind. Ich habe mich rein aus Interesse mit dem Bundestagsabgeordneten Gero Storjohann getroffen, der Mitglied des Petitionsausschusses des Bundestages ist. Nur zum Vergleich: Im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages werden 13 000 Petitionen behandelt, aber die haben nicht die Volksanwaltschaft, wie wir sie haben, an die ja auch pro Jahr 18 000 Anliegen herangetragen werden. Somit relativiert sich die Zahl, aber das ist, glaube ich, doch ganz interessant.

Ich möchte auf eine Petition genauer eingehen, weil sie sehr aktuell ist und wir sie zur Kenntnis genommen haben beziehungsweise nehmen, nämlich jene Petition, in der es um die Holzkraftwerke und die Übergangsfinanzierung geht. Wir haben hier im Ple­narsaal die dreijährige Übergangsfrist beschlossen, aber im Bundesrat haben wir das leider nicht durchbekommen; die SPÖ hat das leider verhindert.

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Holzkraftwerke und die Biogasanlagen ebenso ganz wichtige Puzzleteile für unsere Energie- und Klimastrategie 2030 sind. Es muss uns schon bewusst sein, dass mit genau dieser Bioenergie nicht kostendeckend produziert werden kann – gegenüber Atomstrom zum Beispiel – und dass diese För­derungen daher unbedingt notwendig sind. Gott sei Dank ist es unserer Bundes­minis­terin Köstinger gelungen, eine Möglichkeit zu schaffen, dass die Länder da eingreifen können, um die Finanzierung dieser KWK-Anlagen auf die Beine zu stellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Da wir gerade bei der Bioenergie sind, möchte ich eine Petition erwähnen, in der es um Atomstrom geht – bei der Einlaufbesprechung haben wir sie dabeigehabt. Ich möchte auch eine weitere Onlinepetition erwähnen, und zwar geht es bei dieser um ein regio­nales Thema in Oberösterreich: um die Verhinderung eines Atommüllendlagers. Diese Petition wird von unserer Kollegin Angelika Winzig sehr stark unterstützt.

Ich glaube, das ist auch ein europäisches Thema, und im Hinblick auf die kommende Wahl ist es besonders wichtig, dass wir uns hier grenzübergreifend engagieren. Alle, die jetzt zusehen, können diese Petition gerne online unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben ja am Nachmittag schon über die Petitionen betreffend Wölfe gesprochen, die ich noch einmal kurz aufgreifen möchte, weil mir zwei Dinge dabei aufgestoßen sind: Sehr viele Kolleginnen und Kollegen haben davon gesprochen, dass es Ängste und Befürchtungen in der Bevölkerung gibt, und es hat mich sehr verwundert, muss ich ganz ehrlich sagen, dass da Zwischenrufe gekommen sind wie: Das sind Raubers­geschichten! – Das sollte hier in diesem Haus keinen Platz haben!

Ich möchte auch auf Philip Kucher ganz kurz reagieren, der gesagt hat, dass die ÖVP gegen den Tierschutz ist. – Bitte, mir fehlt da eine Antwort von der SPÖ auf die Frage,


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welches Land in Europa die höchsten Tierschutzstandards in der Nutztierhaltung hat. Das wäre schon ganz interessant, und darauf hätte ich doch noch gerne eine Antwort.

In diesem Sinne haben wir viele Petitionen und Bürgerinitiativen inhaltlich gut besprochen und zugewiesen, vier Petitionen haben wir zur Kenntnis genommen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.57


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Knes. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.57.13

Abgeordneter Wolfgang Knes (SPÖ): Frau Präsidentin! Ich weiß nicht, Frau Kollegin (in Richtung Abg. Schimanek), gibt es etwas zu lachen oder was? (Abg. Schimanek: Nichts! Ich habe nur gesagt, der Herr Knes kommt jetzt!) – Okay, ja, ist ja schön, nicht? (Ruf: Wir freuen uns!) Guten Morgen, am späten Abend!

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde von Petitionen gesprochen, aber so salopp kann man das nicht behandeln, Herr Kollege Hofinger. Wir haben in diesem Ausschuss immerhin 34 Petitionen und Bürgerinitiativen bearbeitet, und von diesen 34 haben es leider Gottes nur vier in diesen Plenarsaal geschafft.

Natürlich ist das ein Grundrecht. Für dieses Instrument der Bürgerinnen und Bürger – und ich glaube, darin sind wir uns alle über die Parteigrenzen hinweg einig – haben wir jahrzehntelang gekämpft, dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Petitionen und Bürgerinitiativen hier im Nationalrat einbringen dürfen. Von der FPÖ wurde das immer als Teil der direkten Demokratie gefordert, aber kaum in der Regierung, hat sie das vergessen – ich komme dann noch zu Beispielen.

Kollege Hofinger, du hast die Holzkraftwerke angesprochen. Warum war die SPÖ dagegen? – Weil es die ÖVP, und das muss man auch sagen, nie der Mühe wert gefunden hat, über wirkliche Strategien zu sprechen, über nachhaltige Energie, statt­dessen einen Blödsinn fördert, der 17 Jahre lang schon gefördert worden ist, bei dem aber kein Geld herauskommt. Es wird lediglich das Sterben um drei Jahre verlängert. Da sind wir nicht dabei, das haben wir schon einmal gesagt! (Beifall bei der SPÖ.)

Interessant ist auch, Herr Kollege Hofinger, dass sich die ÖVP hierherstellt und sagt: Notstand für unsere Holzbauern! – Dafür habe ich sogar noch Verständnis, aber für einen Blankoscheck von 150 Millionen Euro für eine Ministerin, ohne ein dahinter­stehendes Konzept, wie der Umgang mit der Energie in Zukunft ausschauen soll, wird es von der SPÖ nie die Zustimmung geben. (Zwischenruf des Abg. Nehammer.) 3 Stunden später, Herr Generalsekretär – auch von Ihrer Partei betrieben –: Kürzung der Mindestsicherung, Abschaffung der Notstandshilfe für Menschen – aber dazu fällt Ihnen nichts mehr ein, für die Zukunft! Das ist ja interessant! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Zarits.)

Ein Beispiel auch noch für die ÖVP, was die Bürgerinitiativen betrifft: Wir auf Oppo­sitionsseite nehmen die Demokratie sehr ernst. Es soll jetzt der Ausschussbericht hinsichtlich der Bürgerinitiative Nr. 55, Keine Ehe für alle!, zur Kenntnis genommen werden. Das ist ein Beispiel dafür, dass wir, wenn da eine Bürgerinitiative hereinflattert, nicht alle drei Wochen oder alle paar Monate hier ein neues Gesetz schaffen, da wir uns ja jahrzehntelang darüber unterhalten haben, wie Gleichbehandlung hinsichtlich gleichgeschlechtlicher Beziehungen aussehen soll, und letztendlich ein Gesetz aufgrund eines EuGH-Urteils beschlossen haben. Dann – auch wenn hier Petitionen oder Bürgerinitiativen hereinflattern – sagen wir, wir nehmen das zur Kenntnis, und das ist damit abgeschmettert. Das ist auch gut. (Beifall bei der SPÖ.)


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So, die ÖVP glaubt aber, wie der Bezirksvorsteher von Ottakring in der Presse schreibt, die SPÖ im Bund ist für ihren Vorschlag, wenn die SPÖ beim Einholen von Stellungnahmen mitgeht. – Ja, spüren Sie sich noch richtig? Haben Sie vom Parla­men­tarismus überhaupt noch eine Ahnung? (Beifall des Abg. Lindner. – Abg. Neubauer: Das wissen wir eh ...! Das ist nichts Neues! Erzähl uns was Neues!)

Man kann hier eine Stellungnahme einholen, das heißt aber noch lange nicht, dass wir dafür sind. Stellungnahmen sind nämlich dazu da, Herr Abgeordneter Obernosterer – auch für Sie, Herr Oberlehrer –, damit man ein Bild von jenem Land bekommt und damit das dann eventuell auch einem Ausschuss zugeteilt werden kann; aber Sie feiern ja schon frohlockend ab: Wir haben hier gewonnen und das ist durchgesetzt! – Ich weiß nicht. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) – Ja, Herr Kollege, Parla­mentarismus schaut ein bissl anders aus – und Demokratie schon überhaupt. Also da habt ihr noch viel zu lernen!

Auch die FPÖ möchte ich für die Zukunft aufrufen: Wir werden ja sehen, wir haben heuer noch zwei Ausschusssitzungen geplant, und wir lassen auch nicht locker; das habe ich immer versprochen. Wir werden hier die Möglichkeiten für Bürgerinitiativen ausbauen, damit die Bevölkerung noch mehr Rechte bekommt, ihre Initiativen auch entsprechend leichter einbringen kann, die dann hier in unseren Ausschüssen debattiert und diskutiert werden und das letztendlich zu einem Ziel geführt wird – aber nicht so, wie Sie es machen: abschasseln, wegwischen und, wenn es um Menschen geht, wegschauen. Das lassen wir nicht zu. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Ruf: Nur heiße Luft!)

20.01


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Frau Abgeordnete Wagner gelangt nun zu Wort. – Bitte schön.


20.01.34

Abgeordnete Petra Wagner (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Tierschutz und die Rechte der Tiere waren und sind ein großes Anliegen der FPÖ. Wir stehen für den Tierschutz, und wir setzen uns seit Jahren für dessen Stärkung auf nationaler Ebene und auf EU-Ebene ein. Wir sind nicht alleine, meine Damen und Herren: Wir erfahren eine große und breite Unterstützung beim Einsatz für das Wohl der Tiere, denn bei den Österreicherinnen und Österreichern hat Tierschutz einen hohen Stellenwert. Das freut mich sehr, und darauf können wir alle zu Recht stolz.

Diesem hohen Stellenwert ist es letztlich auch zu verdanken, dass wir uns bei Tier­versuchen freiwillig sehr hohe rechtliche Standards und ethische Schranken auferlegt haben. Nach dem Grundsatz: vermeiden, vermindern, verbessern werden in Österreich Tierversuche auf das unbedingt notwendige, unerlässliche Maß mit einer strengen gesetzlichen Vorgabe als Richtschnur beschränkt.

Wir brauchen kein neues Konzept, meine Damen und Herren, wir haben längst gehandelt und dabei nicht nur unsere Hausaufgaben gemacht, sondern weitaus mehr. Unsere Vorbildwirkung ist anerkannt. So hat außer uns kein anderer Mitgliedstaat der EU einen rechtsverbindlichen Kriterienkatalog für die Schaden-Nutzen-Analyse bei Tierversuchen. – Ja, wir können auf das, was wir bisher erreicht haben, zu Recht stolz sein, aber wir werden uns nicht darauf ausruhen. Wir werden unseren Weg weiter­gehen, nämlich mit Sachlichkeit, mit Transparenz und mit Ehrlichkeit, aber auch im Dialog und mit Empathie, weil das Thema Tierversuche einfach Emotionen auslöst.

Das alles gehört zum Weg, den unsere Bundesregierung gehen wird, um Rahmen­bedingungen zu gewährleisten, die den Rechten der Tiere auch wirklich gerecht wer-


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den – aus Verantwortung von uns Menschen für unsere Tiere. Tierversuche werden auf Dauer nicht alternativlos bleiben und sind es großteils jetzt schon nicht, und deshalb nehmen wir die vorliegende Bürgerinitiative zur Kenntnis. – Vielen Dank und einen schönen Abend. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.03


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter Bernhard ist zu Wort gemel­det. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.03.54

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben im letzten Petitions­ausschuss 34 Petitionen und Bürgerinitiativen behandelt, und davon haben es vier Petitionen und Bürgerinitiativen heute in das Plenum geschafft. Ich möchte dann über etwas anderes sprechen, aber ich möchte noch ganz kurz diese vier Anliegen an­sprechen, damit Sie sich vorstellen können, welche Inhalte wir besprochen haben.

Wir haben über eine Übergangsfinanzierung für Holzkraftwerke gesprochen, das ist als Petition von Regierungsabgeordneten eingebracht worden, und über drei Bürger­initia­tiven, bei denen Bürgerinnen und Bürger zumindest 500 Unterschriften – meistens deutlich mehr – gesammelt haben. Das war erstens eine Bürgerinitiative, die sich für tierversuchsfreie Forschung ausgesprochen hat, zweitens eine Bürgerinitiative, die „Keine Ehe für Alle!“ gefordert hat, und drittens eine Bürgerinitiative, die sich um das ORG-Gesetz und die Sicherung der Zukunftsfähigkeit des ORF bemüht hat.

Was man daran sieht, ist, dass die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger inhaltlich politische Anliegen sind, über die man auch vortrefflich streiten kann. Das Problem des Petitionsausschusses – und das ist es jetzt auch wirklich schon sehr lange; ich selbst bin seit 2014 im Petitionsausschuss als Obmann tätig – ist, dass wir die Funktion eines echten Bürgerausschusses bis heute nicht erfüllen. Ich bin heute Morgen in Vor­be­reitung für diesen Tagesordnungspunkt bei Tisch gesessen und habe darüber nach­gedacht, was wir heute diskutieren sollten. – Natürlich ist es der Inhalt, dass man sagt, jedes Bürgeranliegen soll auch im Plenum Gehör finden; viel mehr noch ist es aber die in der Vergangenheit vergebene Chance und die künftige Chance, die noch vor uns liegt, was man aus diesem Ausschuss machen kann.

Die inhaltlichen Themen, die führen zu Konflikt, die führen zu Diskussion, die führen zu genau dem, wozu das Parlament auch da ist: zum inhaltlichen Austausch und zum Wettbewerb der besten Ideen. Betreffend die Funktionalität des Parlaments, nämlich dass man sagt: Es gibt einen Ort, an dem Bürger- und Bürgerinnenanliegen debattiert werden!, sind wir noch in der Steinzeit. Mein Vorredner von der ÖVP hat angesprochen, dass er sich mit Kollegen aus dem Deutschen Bundestag ausgetauscht hat – ich kann Ihnen versichern, die Mehrheit der europäischen Parlamente ist weiter als wir.

Ein Ausschuss für Bürgerinnen und Bürger, der nicht öffentlich ist, an dem Bürger und Bürgerinnen nicht teilnehmen können, ist kein Ausschuss für Bürger und Bürgerinnen. Ein Ausschuss, in den Bürgerinitiativen eingebracht werden, aber jene, die die Bürgerinitiativen einbringen, nicht vor den Abgeordneten sprechen können, ist auch kein Ausschuss für Bürgerinnen und Bürger.

Ich habe 2014 das erste Mal einen Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung ein­gebracht, dass man versucht, die Spielregeln so zu ändern, dass er tatsächlich, wenn Sie so wollen, ein Experimentierfeld der direkteren Bürgerbeteiligung – direktere Demokratie ist es gar nicht – wäre und Menschen in Österreich, die ein Anliegen haben und 500 Unterschriften sammeln, wirklich in einen geordneten Dialog mit Abgeord­ne-


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ten treten können. Das Parlament hätte ausreichend Ressourcen – sowohl personell als auch von den Räumen her –, wir haben auch ausreichend Abgeordnete, glaube ich, die zuhören wollen; und ich verstehe nicht, warum wir bis heute keine Lösung gefun­den haben. Wir hatten ursprünglich die Sozialdemokraten und die Konservativen in der Regierung – und da muss ich jetzt auch Richtung SPÖ schauen –: Auch mit SPÖ-Regierungsbeteiligung gab es nicht dieses Mehr an Bürgerbeteiligung.

Ich weiß, die ÖVP hat das damals aus verschiedenen Gründen hintangestellt; es war immer die Sorge, dass möglicherweise gewerkschaftlich organisierter Protest im Pe­titionsausschuss Einzug halten kann – das kann er auch so. Jetzt sind die Frei­heit­lichen in der Regierung, die in der Vergangenheit ein Bündnispartner für mehr Bürger­beteiligung waren. Zum Antrag, den ich jetzt wieder eingebracht habe, habe ich bis jetzt aber wieder nichts gehört.

Es gäbe viele Chancen, und ich weiß, Politik ist das Bohren harter Bretter – aber es ist kein Marmor, es sollte Holz sein, in das man bohrt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Bei dem, was wir hier an Möglichkeiten haben, nimmt keine Regierung Schaden, nimmt kein Parlament Schaden. Die Einzigen, die Schaden nehmen, wenn wir nichts tun, sind die Bürgerinnen und Bürger, weil wir die Chance, Parlament und Parlamentarismus wirklich aktiver zu leben, und die Chance, dass Menschen wahrnehmen, dass das Parlament sich um ihre Anliegen bemüht, in jedem Plenum aufs Neue vergeben, wenn wir nichts ändern.

Daher mein Plädoyer: Lassen Sie uns gemeinsam den Petitionsausschuss refor­mieren! Lassen Sie uns Chancen für Bürgerinnen und Bürger, die aktiv am Parla­mentarismus teilnehmen wollen, schaffen! Ich bitte um Ihre Unterstützung. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.08


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter Rosenberger ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


20.08.56

Abgeordneter Dipl.-Ing. Alois Rosenberger (ÖVP): Frau Präsidentin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ich darf auf ein Anliegen, eine Bürgerinitiative eingehen, in der angeregt wird, einen „Fahrplan zum Umstieg auf tierversuchsfreie Forschung, Testung und Ausbildung“ auszuarbeiten – am Beispiel einer Initiative der niederländischen Regierung, die sich das Ziel gesetzt hat, bis 2025 tierversuchsfrei zu sein.

Lieber Kollege Bernhard, genau das, was Sie angeregt haben, dass wir diese Anliegen hier sachlich diskutieren, Für und Wider abzuwägen, möchte ich hier machen. Es wurden Stellungnahmen des Wissenschaftsministeriums, der Universitätenkonferenz und des Österreichischen Wissenschaftsrates eingeholt, diese liegen vor. Grund­sätz­lich ist das Ziel, denke ich, zu befürworten. Wir werden Konsens haben, dass das Ziel sein muss und auch sein wird, dass wir tierversuchsfrei unterwegs sind.

Ich möchte die Situation in Österreich kurz beleuchten: Der grundsätzliche Zugang ist eine Interessenabwägung hinsichtlich des Schadens, der Tieren zugefügt werden muss, um einen gewissen Nutzen für Mensch oder – was man meistens nicht be­achtet – auch für andere Tiere generieren zu können; ich denke etwa an die Veteri­närmedizin. Der schon erwähnte Kriterienkatalog zur Objektivierung und Transparenz dieser Schaden-Nutzen-Analyse ist im Gesetz vorgeschrieben. Die Kritik, dass das manches Mal nicht so genau oder so gut durchgeführt wird, halte ich für überzogen, denn es ist bei diesem Formular, das da ausgefüllt werden muss, jeweils eine verbale Begründung notwendig.


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Wenn wir die drei Grundsätze – das unerlässliche Ausmaß im Verhältnis zum Nutzen, die geringstmögliche Belastung für die Tiere und die kleinstmögliche Anzahl an Versuchstieren im Verhältnis zum Erkenntnisgewinn – konsequent umsetzen, minimie­ren wir die Zahl der Tierversuche auf eine Art und Weise, die in der jetzigen Situation, denke ich, bestmöglich ist. Vom Wissenschaftsministerium werden auch Forschungs­projekte gefördert, mit dem Ziel, dass Tierversuche nicht mehr notwendig sind. Wenn ein Ersatz für Tierversuche aufgrund des wissenschaftlichen Forschungsstandes möglich ist, dürfen Tierversuche auch nicht durchgeführt werden.

Zur Statistik, zur steigenden Zahl der Tierversuche, die angeführt wurde: Das ist eher auf die Tendenz zurückzuführen, dass man mehr in die Grundlagenforschung geht. Die Forschung bewegt sich nicht linear. In der Grundlagenforschung, die allgemeinen Erkenntnisgewinn nach sich zieht, gibt es eine Steigerung der Tierversuche; und das andere ist ein statistisches Element, das dem Tierversuchsgesetz geschuldet ist, dass insbesondere transgene Tiere, die in den Zuchten gehalten werden, zur Statistik dazugezählt werden – daher haben wir statistisch eine steigende Zahl an Tier­ver­suchen. Tatsächlich ist das zu relativieren. Auch im niederländischen Papier steht, dass man es in der Grundlagenforschung bis 2025 nicht schafft, sondern sieht einen längeren Horizont vor.

Grundsätzlich ist auch zu bemerken, dass wir aufgrund des wissenschaftlichen Fort­schritts der Biotechnologie in Verbindung mit Digitalisierung und Informatik auf dem Weg zu einer tierversuchsfreien Wissenschaft sind. Das ist eine Frage der Zeit; grundsätzlich ist dieses Ziel absolut zu befürworten. Das ist ein positiver Aspekt, durch den wissenschaftlichen Fortschritt werden wir tierversuchsfrei werden.

Unsere gesetzlichen Regelungen sind an sich ausreichend, wenn sie konsequent und richtig umgesetzt werden, und in diesem Sinn ist diese Bürgerinitiative auch zur Kenntnis genommen worden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der NEOS.)

20.13


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Erasim. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Jarolim: Wo ist der Herr Bundes­kanzler eigentlich? – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)


20.13.33

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss Abgeordnetem Jarolim recht geben: Das wären jetzt wirklich Themen, die die Bürgerinnen und Bürger interessieren, und ein Ansatz für das nächste Mal wäre vielleicht, dass sich auch Kanzler und Vizekanzler einmal um die echten Anliegen der Menschen kümmern könnten. – Danke, Herr Abgeordneter Jarolim, für den guten Vorschlag. (Beifall bei der SPÖ.)

Zurück zum Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen: Ich möchte zunächst meine Freude darüber kundtun, dass wir uns betreffend die Petition, die ich einreichen konnte, „Für Verbesserungen auf der Nordwestbahnstrecke zwi­schen Stockerau und Retz“, einstimmig einigen konnten, Stellungnahmen seitens des BMVIT, des Verkehrsclubs Österreich, des Amtes der Niederösterreichischen Landes­regierung und der Bundesarbeitskammer einzuholen. Es freut mich sehr, dass dieser nächste wichtige Schritt zur Verbesserung der Lebenssituation der Pendlerinnen und Pendler im Weinviertel gesetzt wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiteres wichtiges Thema, mit dem für mich sehr beklemmenden Titel „Keine Ehe für Alle!“, wird im Sammelbericht auch behandelt. Ich bin sehr glücklich darüber, dass wir diesen hier enderledigen können, denn bei aller Wertschätzung für Interessen, für


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BürgerInneninitiativen und Petitionen gibt es für uns als Sozialdemokratie schon rote Linien. Betreffend diese Bürgerinitiative ist die rote Linie, dass es ein verfassungs­ge­richtliches Urteil gibt, und deshalb sind meines Erachtens keine weiteren Schritte notwendig.

Ein weiteres großes Thema, das im Ausschuss behandelt wurde, sind die zwei Bürgerinitiativen, die in unterschiedlichen Abstufungen das Abtreibungsverbot zum Inhalt hatten. Wenn man in den Medien sieht – Stichwort Alabama –, wie weit es gehen kann, wenn man da nur kleine Türen öffnet, dann muss ich aus sozialdemokratischer Sicht schon sagen, dass wir hier keinen Millimeter weichen werden, wenn es um das Selbstbestimmungsrecht der Frauen geht (Beifall bei der SPÖ), wenn es darum geht, dass Frauen entscheiden können, was mit ihrem Körper passiert. Ich weiß, dass lediglich noch Stellungnahmen eingeholt werden, aber auch bei diesem Thema sehen wir als sozialdemokratische Partei es so, dass alles auf dem Tisch liegt. So, wie die momentane Gesetzeslage ist, ist es gut, und es soll im Sinne unserer Töchter und Enkeltöchter nicht mehr daran gerüttelt werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Schimanek.)

20.16


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Lausch. – Bitte schön.


20.16.42

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ganz kurz ein paar Sätze zur Rede der Kollegin Erasim: Betreffend die Petition „Für Verbesserungen auf der Nordwestbahnstrecke zwischen Stockerau und Retz“ ist noch einiges einzuholen, einiges zu erledigen. Das ist eine langjährige überparteiliche Forderung betreffend eine Pendlerstrecke. Ich denke, wir werden uns das ganz genau anschauen und dann schauen, was wir umsetzen können. Das ist eine sehr gute Sache, wäre eventuell auch für eine Bürgerinitiative interessant gewesen, aber wir nehmen das auch als Petition von Kollegin Erasim sehr ernst. (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ, ÖVP und SPÖ sowie des Abg. Bernhard.)

Mein eigentliches Anliegen ist die Bürgerinitiative 57/BI betreffend „ORF-Gesetz – Sicherung der Zukunftsfähigkeit, Unabhängigkeit, Überparteilichkeit und wirtschaft­lichen Eigenständigkeit des ORF“. Das ist dieser Bundesregierung sehr, sehr wichtig. Wir haben das auch im Regierungsprogramm schon so festgeschrieben. Es muss sich beim ORF einiges ändern, man muss da für die Bürgerinnen und Bürger einiges umstrukturieren, verbessern, denn wenn man draußen mit den Menschen spricht, dann hört man, der ORF ist den Bürgern schon jahrelang ein Dorn im Auge – nur die Vorgängerregierung unter der SPÖ hat sich da nie drübergetraut –, seien es die ORF-Gebühren, sei es aber auch die Berichterstattung, oft einseitige Berichterstattung des ORF. Wenn man mit den Menschen draußen redet, dann hört man oft, dass man mit der Berichterstattung des ORF sehr unzufrieden ist.

Es muss sich auch in den Strukturen einiges ändern. Natürlich muss der ORF – das erwartet man sich von einem modernen, innovativen Unternehmen im Jahr 2019 – ver­suchen, im eigenen Wirkungsbereich zu sparen und trotzdem die Leistung aufrecht­zuhalten: die Berichterstattung, die Sportübertragungen. Ich meine, es ist immer einfach, dass man, wenn es heißt: sparen!, hinsichtlich Programmvielfalt spart, also beim Angebot. Das muss aber nicht sein. Ein innovatives Unternehmen, ein gut geführtes Unternehmen, kann auch im eigenen Wirkungsbereich, in der Verwaltung und bei sich selbst sparen. Das erwartet sich diese Bundesregierung, und wir werden das umsetzen. Ich glaube, dass wir da auf einem guten Weg sind. Wir werden auch


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das eine oder andere aus dieser Bürgerinitiative aufnehmen, nicht alles, aber einen Teil werden wir aufnehmen.

Wir bedanken uns bei den Initiatoren der Bürgerinitiative, die das gemacht haben. Man weiß ja, zum ORF gab es schon einige Bürgerinitiativen, weil, wie schon gesagt, der ORF sehr polarisiert.

Da gehört daher etwas geändert, und das wird diese Bundesregierung, so wie schon vieles andere bisher, in nächster Zeit ebenfalls umsetzen. Das neue ORF-Gesetz ist im Regierungsprogramm verankert, ist so weit auf Schiene und wird, so denke ich, dem­nächst auch präsentiert werden.

Also diese Bundesregierung tut etwas, macht etwas, spart und arbeitet gut. In diesem Sinne alles Gute! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.20


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Gerstl. – Bitte.


20.20.39

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Ich darf gleich bei meinem Vorredner anknüpfen und etwas zur Bürgerinitiative betreffend den ORF sagen. Das ist uns auch ein ganz wichtiges Anliegen, ich danke auch den Initiatoren dafür.

Ich würde einfach sagen, es geht uns darum: Entfärben statt umfärben! Das ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt im ORF. Es ist aber auch notwendig, dass wir nicht nur eine innere Strukturreform durchführen, sondern dass wir österreichischen Content erhal­ten, also dass wir in unserem ORF österreichische Inhalte präsentieren können, dass wir den Bildungsauftrag erfüllen können und dass das, was Österreich ausmacht, wirklich auch über den Äther kommt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich glaube, viele Menschen in Österreich sind diesbezüglich sehr, sehr unzufrieden, und daher bin ich unserem Medienminister Gernot Blümel auch sehr dankbar dafür, dass er sich dieser Sache so intensiv annimmt und dass er danach trachtet, dass Österreich weiterhin einen wichtigen Platz in der internationalen Medienlandschaft hat und dass unsere Informationssendungen nicht aus Deutschland oder aus Groß­britan­nien kommen.

Damit darf ich zu einer weiteren Bürgerinitiative kommen, und zwar zur Bürgerinitiative „Keine Ehe für Alle!“. Das ist im Ausschuss auch ein schwieriges Thema gewesen. Viele haben hier nicht die gleiche Meinung, und schlussendlich mussten wir die Ent­scheidung des Verfassungsgerichtshofes zur Kenntnis nehmen, die meines Erachtens jetzt auch keine gesellschaftspolitische Entscheidung ist, sondern eine sehr formal­juridische, die sich aus vielen gesetzlichen Änderungen in den vergangenen Jahren, wenn nicht fast Jahrzehnten, ergeben hat.

Ich möchte aber auch da den Initiatoren sehr, sehr danken. Ich habe gespürt, wie viel Herzblut sie hineingelegt haben, wie wichtig es ihnen ist, und ich glaube, wir alle können ihnen versichern, dass für uns ganz klar ist: Die Familie ist die Keimzelle des Staates, und wir werden immer versuchen, sie zu unterstützen und dabei auch alle Möglichkeiten für sie zu eröffnen. (Abg. Heinisch-Hosek: Es gibt unterschiedliche Arten von Familien!)

Damit darf ich zu einer Petition kommen, die jetzt noch nicht ganz abgeschlossen ist, aber ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, nochmals dazu aufzurufen, diese Initiative zu unterstützen. Sie betrifft das Weltkulturerbe für Steinhof.


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Ich möchte auch da auf der einen Seite einen Dank besonders an die Bürgerinitiative, die seit vielen Jahren darum kämpft, aussprechen, aber auf der anderen Seite auch im Besonderen unserem Kulturminister danken, der nun auch einen Brief an die Unesco in Paris geschrieben hat. Wir dürfen erwarten, dass wir im Herbst eine klare Ent­scheidung bekommen, und mit dieser klaren Entscheidung aus Paris haben wir dann eine sehr starke Handhabe, die Stadt Wien unter Druck zu setzen, damit sie wirklich endlich einmal den Antrag stellt, das Otto-Wagner-Spital in das Weltkulturerbe aufzunehmen, und damit den Verfall, der einzelne Pavillons betrifft, zu stoppen.

In diesem Sinne danke ich ihnen allen – allen Initiatoren, allen Bürgerinitiativen – und freue mich auf viele, viele weitere Unterstützungserklärungen auf den Petitionen. Ich darf allen Zuseherinnen und Zusehern versichern: Wir bleiben dran! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

20.24


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Laimer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.24.17

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin den Genossen Vogl und Kollross in ihrer Funktion als aufrechte und engagierte Konsumentenschützer sehr dankbar für die Einbringung der Bürgerinitiative gegen Bankomatgebühren. In kürzester Zeit wurde diese Initiative von mehr als 4 000 Menschen unterstützt – in dem Bewusstsein, dass Bankomatgebühren endgültig das Fass zum Überlaufen bringen.

Warum? – Nach der Bankenrettung durch Steuerzahlerinnen und Steuerzahler weisen Österreichs Banken im ersten Halbjahr Gewinne von mehr als 3,5 Milliarden Euro aus, aber jetzt gibt es Geldinstitute, die ihre Bankgebühren über Gebühr anheben und an Bankomatgebühren denken. Teilweise betragen die Erhöhungen mehr als 10 Prozent. Kosten für beleghafte Buchungen steigen um bis zu 169 Prozent. – Auch interessant: Das kommt aus Niederösterreich. Vielleicht kann sich da Herr Bürgermeister Schnee­berger, ein Multifunktionär, einmal darum kümmern. – Pro Auszahlung vom eigenen Konto werden 2,50 Euro in Rechnung gestellt. Es gibt Hausbanken, die verrechnen für eine Buchung auf ein Konto einer anderen Bank überhaupt gleich 7,50 Euro.

In Zeiten der Digitalisierung treiben die Banken viele Österreicherinnen und Öster­reicher wieder zum Nachtkastlsparen. Das ist einfach unfair und eine Schande gegen­über den Kunden. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! Die hohen Spareinlagen von 10 000 Euro – für einen Durchschnittsösterreicher ist das sehr viel Geld – bringen Zinsen im Centbereich. Dieser Zinsendienst für das hart verdiente Geld der arbeitenden Menschen ist gera­dezu eine Verhöhnung.

Dazu ist anzumerken, dass mehr als ein Viertel der Österreicherinnen und Österreicher über genau null Spareinlagen verfügen und keine Reserven haben. Eine kaputte Waschmaschine bedeutet für sie bereits eine mittlere Katastrophe.

Gleichzeitig wird das Service der Banken massiv heruntergefahren. In vielen Ge­meinden Österreichs gibt es weder Banken noch Bankomat vor Ort.

Daher ist die Bürgerinitiative der Genossen Vogl und Antoni ein besonders wichtiger Beitrag für die Bankeninfrastruktur im ländlichen Raum, insbesondere für die ältere Generation und für Menschen, die nicht allzeit mobil sein können.


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Die Österreicher sind aus guten Gründen vorsichtig geworden und gehen beim Sparen kein Risiko mehr ein. Durch die Finanzkatastrophe 2008 sind viele Menschen nach­haltig geschädigt geworden, und das Misstrauen gegenüber den Instituten steigt.

Wir als SPÖ sagen Nein zur Abzocke der Bankkunden! Mit dem hart verdienten Geld unserer Österreicherinnen und Österreicher haben auch Kreditinstitute sorgsam umzugehen, und es ist auch bei Banken auf das Gemeinwohl zu achten.

Ein klares, ein entschiedenes Nein zu Bankomatgebühren! (Beifall bei der SPÖ.)

20.27


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Frau Abgeordnete Wassermann gelangt zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.27.39

Abgeordnete Sandra Wassermann (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Tiere sind fühlende Lebe­wesen, sie sind von uns zu respektieren, aber auch zu schützen. Genau deshalb sind Tierversuche, die unnötiges Leid verursachen, auf das Schärfste abzulehnen. Man muss nicht erst einem Hasen ein paar Tropfen Säure oder Ähnliches in die Augen schütten, wenn man wissen will, wie schnell das Auge rot wird. Genau dafür gibt es bereits Computerprogramme, die das simulieren.

Gleichfalls löst das Hundetötungsgesetz der SPÖ Wien bei mir blankes Entsetzen und Betroffenheit aus. (Beifall bei der FPÖ.)

Die SPÖ Wien ignoriert veterinärmedizinische Gutachten der Bundesministerin. Meine Damen und Herren von der SPÖ, was für eine weltfremde Politik machen Sie eigent­lich? Was für eine unsoziale Politik machen Sie eigentlich? (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Auf der einen Seite gibt es das Hundetötungsgesetz (Zwischenruf des Abg. Plessl), und auf der anderen Seite gibt es von Ihnen immer noch Funktionäre, die nicht wissen, wie ein Tierschutzhaus von innen ausschaut – und das ist eine traurige Sozialpolitik, die Sie, meine Damen Herren von der SPÖ, machen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir Freiheitliche haben uns aber schon lange einen Namen im Tierschutzbereich gemacht. Wir haben uns überdurchschnittlich engagiert und wir haben auch europaweit eine Vorreiterrolle eingenommen. Wir setzen Zeichen und wir setzen Taten, einerseits durch unsere FPÖ-Bundestierschutzbeauftragte Philippa Strache und andererseits durch unsere Bundesministerin Beate Hartinger-Klein, die in den letzten Monaten auch schon vieles aus dem aktuellen Tierschutzvolksbegehren umsetzen konnte.

Abschließend möchte ich auch noch einen Blick nach Europa werfen: Jährlich finden 360 Millionen Tiertransporte statt, bei denen Rinder, Schafe, Schweine transportiert werden, vier Millionen Tiertransporte erfolgen in Drittstaaten. Wir alle haben diese schrecklichen Bilder vor unserem geistigen Auge, dass Tiere unter Qualen transportiert werden, da sie zu wenig Wasser oder zu wenig Licht bekommen, aber auch weil sie sehr lange Stehzeiten und sehr lange Fahrtzeiten auf sich nehmen müssen und auch dadurch unnötigem Leid ausgesetzt sind. (Abg. Vogl: ... da habt ihr zuerst dagegen gestimmt, Sandra!)

Unser Ziel muss es sein, auch auf europäischer Ebene das Leid auf den Straßen zu lindern. Gerade dafür ist auch der Europaparlamentarier Harald Vilimsky, der sich für den Tierschutz sehr stark einsetzt, wofür ich sehr dankbar bin, ein Garant. (Beifall bei der FPÖ.)


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Harald Vilimsky will, dass die Transportzeiten der Tiere auf maximal 8 Stunden redu­ziert und begrenzt werden. (Abg. Heinisch-Hosek: Ihr wollt das gar nicht!) Er will auch ein striktes Verbot des Exports von Schlachtvieh in Drittstaaten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Gemeinsam mit unserem Koalitionspartner werden wir uns auch in Zukunft für den vorbildlichen Umgang mit unseren Tieren einsetzen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Nehammer.)

20.30


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Höfinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.31.01

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Es gibt im ländlichen Raum durchaus große Sorgen. Es gibt Regio­nen, die es momentan aufgrund der verschiedensten Entwicklungen und Einflüsse, die sie erleben müssen, wahrlich nicht leicht haben.

Einiges ist heute im Laufe dieser Debatte ja schon zur Sprache gekommen und dis­kutiert worden, und ich muss ehrlich sagen, ich war sehr entsetzt vor allem über die Haltung mancher SPÖ-Vertreter, die heute, egal, ob es beim Thema Wolf oder bei anderen Themen, die den ländlichen Raum berührt haben, war, hier herausgekommen sind und argumentiert haben, ja in Wirklichkeit diese Sorgen belächelt haben, sie manchmal sogar ins Lächerliche gezogen haben. Liebe Freunde, ihr habt euch damit wirklich von der Politik für den ländlichen Raum weit, weit entfernt! Ich war entsetzt darüber, denn vor kurzer Zeit war das doch in manchen Bereichen noch etwas anders.

Wenn es Regionen gibt, wo Bürgermeister damit kämpfen, Infrastruktur aufrecht­zu­erhalten, wo die Wirtschaft sich Sorgen macht, wie sie Standorte erhalten kann, um Arbeitsplätze zu sichern, damit die Wertschöpfung in der Region bleibt, damit auch Kinder eine Zukunft in diesen ländlichen Räumen sehen können, dann sind das Themen, die man ernst nehmen muss – und nicht ins Lächerliche ziehen, so wie Sie das heute durch die Art und Weise, wie Sie argumentiert haben, manchmal getan haben. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Eines dieser Themen ist auch – und davor sollte man die Augen nicht verschließen – die große Sorge, die Waldbesitzer momentan aufgrund der Trockenheit und aufgrund der Borkenkäferproblematik haben, die sie in den letzten Jahren durchmachen mussten und in deren Folge Hunderttausende Festmeter Holz geschlägert werden mussten und ein enormer Schaden für einzelne Forst- und Waldbesitzer entstanden ist. Dabei ist es parallel dazu auch für die Holzkraftwerksbetreiber zu enormen Sorgen gekommen, weil diese ja das Auslaufen der Verträge vor sich hatten. Auch das wurde heute schon von Kollegen Knes mehr oder weniger angeprangert und ins Lächerliche gezogen, und ich bin ganz entsetzt, dass sich mein Kollege Klaus Feichtinger, mit dem ich in seiner Funktion als Umweltsprecher – ich war auch Umweltsprecher – lange Jahre gut zusammengearbeitet habe und der damals noch einen ganz anderen Zugang hatte, heute nicht zu Wort meldet (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger), wenn Herr Knes so abfällig über die Holzwirtschaft, über die Verarbeitung in diesen Holzkraftwerken spricht.

Wir wissen doch, dass diese Holzkraftwerke im ländlichen Raum und für die Energie­versorgung eine große Rolle spielen, denn sie liefern Strom und Wärme in die Regionen (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger sowie Zwischen­ruf des Abg. Vogl), sie sichern Arbeitsplätze und Wertschöpfung in der Region und sie leisten einen enorm wertvollen Beitrag in der aktuellen Diskussion, was die Klimapolitik betrifft. Und sie sind eben auch in Zeiten des Schadholzes Hilfe und wichtige Partner


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für die Waldbesitzer, damit der ohnehin darniederliegende Markt halbwegs stabilisiert werden kann.

Aus diesem Grund bin ich sehr dankbar dafür, dass sich auch meine Kollegin Diesner-Wais diesem Thema intensiv gewidmet hat, mit vielen Bürgern und für viele Bürger diese Petition zur Erhaltung der Holzkraftwerke eingebracht hat und dass in der Zwi­schenzeit durch den Beschluss des Biomasseförderung-Grundsatzgesetzes eine gute Antwort vonseiten der Regierungsparteien, gemeinsam mit vielen draußen, gegeben wurde; auch die Länder unterstützen in dieser Sache.

Herr Knes und liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, ich bin ja nur gespannt, wie die Länder draußen, die von euch geführt werden, reagieren werden, wie Gemeinden, die Holzkraftwerke haben, reagieren werden und wie auch die Stadt Wien auf dieses Gesetz reagieren wird. Dann wird sich zeigen, ob ein Unterschied zwischen eurer Politik hier herinnen und der Politik, wie sie vielleicht draußen funktioniert, besteht, denn ich bin mir sicher, dass viele Bürgermeister draußen froh und dankbar sind, dass wir dieses Gesetz beschlossen haben.

In diesem Sinne würde ich euch darum ersuchen und bitten, die Problematiken im ländlichen Raum – und davon gibt es viele – wirklich ernst zu nehmen und in diesem Bereich in Zukunft Seite an Seite und in engerem Zusammenwirken mit uns vorzugehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.35


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Hochstetter-Lackner. – Bitte.


20.35.21

Abgeordnete Irene Hochstetter-Lackner (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Herr Höfinger – ich glaube, Sie haben als Redner der ÖVP vor mir ge­sprochen –, wenn soziale Themen bei der ÖVP auch so viel Emotion und Engagement wecken würden wie das Thema des Wolfes, dann könnten wir uns hier herinnen sehr glücklich schätzen und dann wäre ich eigentlich ganz froh, denn dann könnten wir oft besser diskutieren und bessere Dinge für die Menschen erreichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte aber zur Sache kommen und einem meiner Vorredner, und zwar Herrn Abgeordnetem Bernhard, in vielen Bereichen recht geben. Es gibt einfach noch viel zu tun, wenn es um die Basisdemokratie, wenn es um die direkte Bürgerbeteiligung im Parlament geht. Ich würde mir in diesem Zusammenhang wünschen, dass alle Parteien eine gewisse Reife erlangen, dass wir hier noch viel ändern können und viel Gutes für die Menschen umsetzen können.

Wenn wir von Petitionen und Bürgerinitiativen sprechen, so geht es dabei um gelebte Basisdemokratie. Sie bieten jedem Menschen die Möglichkeit, sich in die Politik ein­zumischen, tätig zu werden und einfach etwas zu tun. Ich bin wirklich tief beeindruckt, wie viele Menschen davon Gebrauch machen, sich mit viel Engagement in das politi­sche Geschehen einbringen, sich einfach dahintersetzen und andere Menschen von Ideen begeistern. Dafür möchte ich mich als Abgeordnete der SPÖ herzlich bedanken. (Beifall bei der SPÖ.)

Unsere Aufgabe als Politiker ist es, dass wir genau diese Anliegen sehr ernst nehmen, dass wir darüber sprechen und dass wir ihnen auch den entsprechenden politischen Rahmen geben. Das erwarte ich mir in diesem Bereich auch ganz klar von den Regie­rungsparteien. Es darf hier kein Drüberfahren geben, sondern man muss Anliegen ernst nehmen, sie abarbeiten und darüber diskutieren.


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Deshalb bin ich heute schon gespannt, wie die FPÖ und ihr Minister Kickl mit der Bür­gerinitiative für die Erhöhung der Polizeiplanstellen und die Wiedereröffnung der Polizeiinspektion am Villacher Bahnhof umgehen werden. Hier gilt es nicht, Ausreden zu suchen, warum etwas nicht geht – wie es halt so gerne gemacht wird –, sondern hier gilt es, Antworten zu finden, die wir gemeinsam umsetzen können, denn viele Menschen haben schon jetzt dafür unterschrieben. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sogar die FPÖ hat das gefordert, aber nur solange sie nicht selber den Minister im Bereich Inneres gestellt hat. Ich erwarte mir da, dass der Innenminister die Anliegen der Menschen ernst nimmt und entsprechende Gespräche dazu führt, denn ich glaube, das ist das Mindeste, was man von einem Minister in diesem Bereich verlangen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

20.37


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Jarolim zu Wort gemeldet. – Bitte.


20.38.08

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Sandra Wassermann hat vorhin vermeint beziehungsweise gesagt, dass Wien ein Tiertötungsgesetz hat, das sie nicht als positiv empfindet.

Ich stelle richtig: Es gibt in Wien eine Regelung, wonach Hunde, die etwa, wie in einem Fall, ein dreijähriges Kind totgebissen haben oder die sich in den Kopf von Kindern verbissen haben – und die jeweils durch die Tierhalter offensichtlich nicht ordnungs­ge­mäß erzogen wurden –, abgenommen und im Notfall eingeschläfert werden.

Ich wundere mich (Abg. Kassegger: Das ist jetzt keine tatsächliche Berichtigung mehr!), in welchen Wertekontext Sie Ihre Haltung in diesem Zusammenhang stellen. Ich halte das für beschämend. (Beifall bei der SPÖ.)

20.38


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter Schmiedlechner gelangt zu Wort. – Bitte.


20.39.00

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Frau Präsident! Geschätzte Zuhörer! Hauptgegenstand der Petition Nr. 6 ist die rasche Umsetzung einer Übergangsfinan­zierung für Holzkraftwerke zur Bewältigung der im Zuge der aktuellen Borkenkäfer­katastrophe anfallenden Schadholzmengen. Mit der Blockadehaltung der SPÖ wurde einmal mehr offensichtlich, dass den Genossen weder Klimaschutz noch die Biomas­seanlagen noch die vielen Waldbesitzer wichtig sind.

Der Klimawandel traf die österreichischen Land- und Forstwirte in den vergangenen Jahren mit voller Härte. Die elf wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen wurden von 2000 bis 2017 gemessen.

Das Jahr 2018 reiht sich da nahtlos ein und geht in die Geschichte der heimischen Forstwirtschaft als Katastrophenjahr ungeahnten Ausmaßes ein. Der Borkenkäfer, der durch dieses warme und wasserarme Wetter in seiner Population explodiert ist, hat bereits Wälder im Flächenausmaß von halb Wien vernichtet. Wertverluste in Millionen­höhe machen den heimischen Waldbauern zu schaffen.

Die in der Petition angesprochene Problematik bezüglich der Bewältigung der anfallen­den Holzmassen im Zuge der aktuellen Borkenkäferkatastrophe und die damit einher­gehende Dringlichkeit, verstärkt durch das drohende Auslaufen von Förderverträgen,


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war - - (Der Redner unterbricht aufgrund eines Mikrofonausfalles seine Rede. – Abg. Vogl: Die Frau Präsidentin hat das Mikro abgeschaltet! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Weiter!)

Ein Weiterbestehen von Holz-Heizkraft- und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen und damit die Schaffung von Nachfolgetarifen ist von großer Bedeutung für die Erreichung der ambitionierten Energie- und Klimaziele. Daher ist es auf nationaler Ebene not­wendig, Biotechnologien weiter zu unterstützen (Beifall bei FPÖ und ÖVP), so auch die Anlagen auf Basis von Biomasse, denn diese helfen als natürliche Energiespeicher, das Energieangebot zu flexibilisieren und den Ausgleich zwischen Angebot und Nach­frage herzustellen. Aus Biomasse können bedarfsgerecht sowohl Wärme, Kälte als auch Strom und nachhaltige Biokraftstoffe bereitgestellt werden. Gerade feste Bio­masse leistet augenblicklich einen substanziellen Beitrag zum österreichischen Ener­gieträgermix, dessen Fortbestand es bestmöglich sicherzustellen gilt.

Es war daher wichtig, eine Übergangslösung für hocheffiziente Biomasseanlagen zu finden. Dies beweist einmal mehr, wir greifen die Probleme auf und schaffen Lösun­gen. Gott sei Dank konnten wir als Regierungsparteien eine Schadensbegrenzung erwirken, wofür ich mich im Namen der vielen Beteiligten, der vielen betroffenen Waldbesitzer und aller Mitwirkenden bedanken möchte. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.42

20.42.17


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht 602 der Beilagen hinsichtlich der Petition Nr. 6 sowie der Bürgerinitiativen Nr. 43, 55 und 57 zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

20.42.5514. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 1./8. Bezirk, vom 3. April 2019 um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Gerald Loacker (622 d.B.)

20.42.56


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Es gibt dazu keine Wortmeldungen.

Somit kommen wir gleich zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsaus­schus­ses in 622 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

„In Behandlung des Ersuchens des Magistrats der Stadt Wien vom 3. April 2019 um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Gerald Loacker wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 22 Abs. 1 Melde­gesetz 1991 – MeldeG, BGBl. Nr. 9/1992, wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der von der Behörde behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat


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Mag. Gerald Loacker besteht; einer behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Gerald Loacker wird nicht zugestimmt.“

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein ent­sprechen­des Zeichen. (Abg. Loacker erhebt sich als Einziger nicht von seinem Platz. – Allge­meine Heiterkeit.) – Das ist mehrheitlich angenommen.

20.44.4815. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird (773/A)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Schließlich gelangen wir zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich erteile dem Antragsteller, Herrn Abgeordnetem Noll, das Wort. – Bitte, Herr Abge­ordneter.


20.45.17

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (JETZT): Es entspricht einer menschlichen Regung, dass man versucht, sich an Menschen, die erfolgreich sind, ein Beispiel zu nehmen. Darum versuche ich seit 18 Monaten, die Geschichte der FPÖ als erfolgreicher Partei zu eruieren. Ich bin auch tatsächlich auf etwas gestoßen, was ich mir zum Vorbild nehmen kann.

Ich erlaube mir deshalb zunächst einmal, H.-C. Strache zu zitieren. Wir sind im November 2015; H.-C. Strache hat im Parlament laut Parlamentskorrespondenz Folgendes gesagt: „Klubobmann Heinz-Christian Strache sieht es als ein Manko, dass Minister derzeit nur dann wegen schuldhafter Rechtsverletzungen beim Verfassungs­gerichtshof (VfGH) angeklagt werden können, wenn der Nationalrat es mit Mehrheit beschließt. Die Ministeranklage sei totes Recht und endlich mit Leben zu erfüllen, bekräftigte Gernot Darmann (F) die Forderung seiner Fraktion.“

Entsprechend dieser klaren Diktion und der auch für mich leicht fasslichen Nach­vollziehbarkeit kam es dann zum Antrag 1417/A der XXV. Gesetzgebungsperiode der Abgeordneten Strache und weiterer Abgeordneter. Damals wollte man vom National­rat, er solle beschließen, dass das Bundes-Verfassungsgesetz in seinem Art. 142 Abs. 2 lit.b dahin gehend geändert wird, dass schon mit 46 Stimmen die Anklage beim VfGH gegen ein Mitglied der Regierung erhoben werden könne.

Das habe ich mir natürlich, um ähnlich erfolgreich wie die FPÖ zu werden, zum Vorbild genommen. Wir haben deshalb diesen Initiativantrag eingebracht, mit dem wir eine Änderung des Art. 142 Abs. 2 lit.b wollen, allerdings schien es mir gar etwas verwegen, das mit einem Viertel zu versuchen, daher sagen wir, ein Drittel wäre die solidere Art und Weise.

Ich zähle nun natürlich sehr auf die bewährten Kräfte der FPÖ: ein Mann, ein Wort! Kollege Lausch, Kollege Schrangl (Abg. Belakowitsch: Der ist ja nicht da!) – Ent­schuldigung! –, die werden das alle natürlich einhalten, was sie damals schon gefordert haben. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.)

Wir werden ja sehen, wie sehr das hält, was die FPÖ damals lautstark hier gefordert hat. Nur nebenbei: Die SPÖ, glaube ich, können wir auch noch überzeugen, die ist gescheiter geworden. (Abg. Drozda: Noch gescheiter!) – Ungern würde ich sehen,


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dass die FPÖ weniger gescheit geworden ist. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Schauen wir einmal. (Beifall bei JETZT.)

20.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Frau Abgeordnete Pfurtscheller gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.)


20.48.26

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Ich darf vielleicht ein bisschen genauer auf das eingehen, was Herr Kollege Noll gerade gemeint hat. Er hat sich da nämlich sehr allgemein gehalten. Jemand, der die Vorlage nicht hat, hat, glaube ich, nicht nachvollziehen können, worum es eigentlich geht. In aller Ehrlichkeit hätte er aber auch einfach zugeben können, dass er der FPÖ nur eines auswischen will – aber gut.

Ich möchte das sehr seriös begründen. Es gibt im Grunde zwei Möglichkeiten für den Nationalrat, einen Minister zur Verantwortung zu ziehen, und zwar einerseits den Miss­trauensantrag als politische Möglichkeit und andererseits die Ministeranklage als rechtliches Mittel bei einem vermuteten Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Auf­gaben eines Ministers.

Mit dem Instrument der Ministeranklage muss man sehr vorsichtig und sparsam umgehen – das hat sogar Herr Kollege Noll in seinem Antrag festgehalten –, weil mit dieser Ministeranklage innerhalb ganz kurzer Zeit ein wirklich sehr großer politischer Schaden verursacht werden kann. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Bis jetzt ist dieses Mittel noch nie gegen einen Minister angewendet worden, nur einmal, 1985, gegen den damaligen Landeshauptmann von Salzburg. 

Möglicherweise steht uns so etwas in nächster Zeit ins Haus. Diesmal würde es auch keinen Minister treffen, sondern eventuell wieder einen Landeshauptmann, nämlich den Landeshauptmann von Wien, Herrn Ludwig. Da geht es dann um das Projekt Heumarkt und den drohenden Verlust des Status als Weltkulturerbe.

Jetzt ist es aber so, dass unser zuständiger Minister, Herr Bundesminister Blümel, sehr sensibel vorgeht – wie vorhin schon erwähnt – und zuerst versucht, alle anderen Mittel auszuschöpfen, um Kollegen Ludwig dazu zu bringen, das zu tun, was er tun sollte, um diesen wichtigen Status des Heumarktes als Weltkulturerbe zu erhalten.

Insgesamt muss man sich unabhängig von irgendwelchen Landeshauptleuten und ihren Problemen ganz genau überlegen, ob es wirklich ratsam ist, für diesen ganz speziellen Bereich ein rechtliches Mittel mit weniger Quorum als das politische Mittel auszustatten. Ob es wirklich gescheit ist? Es könnte ganz schnell das rechtliche Mittel als politisches Mittel oder für politische Zwecke ausgenutzt werden.

Die Kollegen und Kolleginnen werden es im Ausschuss gerne diskutieren. Ich bin mir ganz sicher, dass sie sensibel mit diesem Thema umgehen werden und Herr Kollege Noll noch einmal seinen Vorhalt anbringen kann. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

20.51


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wittmann. – Bitte.


20.51.46

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Mich würde auch interessieren, wie die FPÖ sich da jetzt herausredet aus dieser


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ganzen Sache (Zwischenrufe bei der FPÖ), weil wir damals natürlich dafür waren, das zu machen (Uh-Rufe bei der FPÖ), konnten aber aufgrund der Koalitionsvereinbarung mit der ÖVP nur dagegen stimmen, sonst hätten wir damals schon dafür gestimmt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin ja jetzt gespannt, ob Sie zu Ihrem Wort stehen können. (Unruhe im Saal.) Ich bin ja jetzt wirklich nur gespannt, wie Sie sich da herauswinden, denn Sie haben ja den Antrag eingebracht. Wir haben ihn nicht aktiv angeregt. Es war immerhin Abgeordneter Strache damals, der diesen Antrag eingebracht hat. Ich gehe einmal davon aus, dass Sie Abgeordneten Strache nicht in den Rücken fallen wollen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich bin sehr neugierig auf Ihre Art der Abstimmung und fordere Sie oder zumindest die Abgeordneten, die damals schon dafür gestimmt haben, auf, das Herz in die Hand zu nehmen und sich zu entscheiden, wieder dafür zu stimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich halte es für ein vernünftiges Instrumentarium, weil es um ein schuldhaftes Fehl­verhalten geht und nicht um eine politische Verantwortung. Schuldhaftes Fehlverhalten würde erst danach vom Verfassungsgerichtshof beurteilt werden. Sie brauchen also keine Angst zu haben, da ist noch die Schuld davor. (Ruf bei der FPÖ: Wir haben eh keine Angst!) Das heißt, nur wenn man vorsätzlich oder grob fahrlässig etwas macht, kommt man überhaupt in die Situation, dass das passieren könnte. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sie haben das damals richtig erkannt. Ich hoffe, dass Sie diese damalige Weisheit beibehalten und dafür stimmen. Es wäre schade, wenn Sie in der Zwischenzeit leider durch Umstände, die jetzt irgendwie eingetreten sind, von Ihrer Überzeugung abrücken und gegen Ihren eigenen Antrag stimmen müssten. Wir sind natürlich dafür. (Beifall bei der SPÖ.)

20.53


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schrangl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.54.07

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Ich muss jetzt wirklich - - (Unruhe im Saal) – Nicht so laut schreien, bitte! Ich muss jetzt wirklich Herrn Kollegen Wittmann ein großes Kompliment machen. Herr Kollege, Sie sind ein ausgezeichneter Rheto­riker, wie Sie die Position der SPÖ von jener der Regierungsfraktion zu jener der Op­position total umgekehrt haben. – Ein wirklich großes Lob! (Der Redner applaudiert.) – Einmal Applaus vom Rednerpult. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Zur damaligen Zeit – das muss man dazusagen – war der Untersuchungsausschuss noch kein Minderheitsrecht. Das haben wir, Gott sei Dank, umgesetzt. Derzeit befinden wir uns in einer großen Geschäftsordnungsdebatte. Wir wollen die Geschäftsordnung modernisieren und anpassen. Ich glaube, dass wir nicht nur einzelne Regelungen herausnehmen sollten, sondern den Entwurf des Kollegen Noll aufnehmen und ihn in dieser großen Geschäftsordnungsdebatte behandeln. Damals übrigens, als wir den An­trag eingebracht haben, waren die Meinungen sehr gespalten. Der damalige Justiz­minister Brandstetter hat gemeint, es ist überhaupt totes Recht, das wir abschaffen könnten. Die SPÖ-Präsidentin des Nationalrates, Gott hab sie selig, Barbara Prammer, hat übrigens, Herr Kollege Wittmann, das dazu gesagt: „Ich halte gar nichts davon.“

Außerdem muss ich ehrlich zugeben, wir hätten den Vorschlag damals natürlich unterstützt und auch gerne durchgesetzt, dann hätte die letzte von der SPÖ geführte Regierung aber keinen einzigen Tag arbeiten können, denn wir hätten jeden Tag eine Ministeranklage einbracht. (Beifall bei der FPÖ.)


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Ich denke, vor allem wegen des Rechtsbruchs im Jahr 2015 wäre das beim Ver­fassungsgerichtshof sogar durchgegangen. Damals war es leider nicht möglich. Jetzt werden wir uns im Geschäftsordnungsausschuss damit befassen und eine gute Lösung finden, die irgendwo zwischen Abschaffen und Beibehalten liegen wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.56


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Noll. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.56.31

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (JETZT): Ich könnte jetzt das schärfste Geschütz einer Oppositionspartei auspacken und wirklich 13 Minuten reden. – Das tue ich nicht. Trotzdem will ich den Damen und Herren der FPÖ schon noch einmal zu Gemüte führen, damit sie das auch mit nach Hause nehmen können, was Abgeordneter Strache und die weiteren Abgeordneten damals als Begründung für den sinnvollen Antrag gebracht haben.

„Seit 1920 steht die Ministeranklage in der Verfassung.“ – Na, das wissen wir alle. Sie steht schon länger in der Verfassung, aber es war ein anderes Staatsgebilde.

„Bis dato hat sich kein Mitglied der Bundesregierung deswegen vor dem Verfas­sungs­gerichtshof (VfGH) rechtfertigen müssen.“ – Ja, Kollege Atzwanger hat das im Jahr 1983 in den JBl als „Damoklesschwert aus Papier“ schön beschrieben.

„Minister können nach geltender Rechtslage“ – so die FPÖ damals ganz richtig – „nur dann wegen schuldhafter Rechtsverletzungen vor den VfGH gestellt werden, wenn der Nationalrat sie per Mehrheitsbeschluss anklagt.“

Dazu kommt es nie, und es ist ja auch ganz augenfällig, warum es nicht dazu kommt. Von Kollegen Schambeck angefangen bis zu Kollegen Pernthaler, von Kollegen Atzwanger bis zu Kollegen Welan, alle Welt sieht das, dass hier totes Recht vorliegt und das Instrument der Ministeranklage, das in der Monarchie noch als Schutz vor der Exekutive eingeführt wurde und das Parlament wahrnimmt, keine effektive Wirkung mehr in diesem Land hat.

Jetzt kann man sich zwei Dinge überlegen: Entweder wir machen es so wie bei den Untersuchungsausschüssen und gestalten es als ein Minderheitsrecht – dann bekommt das Parlament Sinn und Zweck –, oder man schafft das tote Recht ab. Kollegen Moser muss man wahrscheinlich nur ganz kurz etwas zurufen und er dereguliert sofort auch unsere Verfassung.

Weiter hat es damals in diesem Antrag geheißen:

„In aller Regel hat die Regierungskoalition im Nationalrat die Mehrheit.“ – Na ja, no na, sonst hätte sie nicht lange Bestand.

„Keine Regierungsfraktion im Nationalrat ist interessiert daran, die eigenen Minister einer Verhandlung vor dem VfGH auszusetzen.“ – Ich glaube nicht, dass sich die Damen und Herren der FPÖ nachsagen lassen wollen, dass Sie heute über weniger Scharfsinn als damals verfügen.

Dann hat die FPÖ noch ein Argument gebracht, das ganz gut ist. Sie haben sich nämlich auf die Meinung des ehemaligen Präsidenten des VfGH Holzinger berufen und geschrieben: „Der VfGH-Präsident forderte in einem Interview in der Tageszeitung ‚Die Presse‘ am 11. Mai 2015, dass es auch der Opposition möglich sein soll, Regierungs­mitglieder beim VfGH anklagen zu können. Was er damit meint ist“ – so H.-C. Strache


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wohl mit Billigung des gesamten Klubs der FPÖ –, „dass das tote Recht der Minis­teranklage durch ein Minderheitsrecht zum Leben erweckt werden müsse.“

Ich bin gespannt, ob Sie zu Ihrem Wort stehen. Ich glaube nämlich nicht, dass Sie sich gerne – auch auf die Gefahr eines Ordnungsrufes hin –, wenn Sie zu dem nicht mehr stehen, von mir nachsagen lassen wollten, dass Sie feig und opportunistisch geworden sind. (Beifall bei JETZT und SPÖ. – Abg. Rosenkranz – in Richtung des sich zum Sitzplatz begebenden Abg. Noll –: Und Sie haben damals, glaube ich, die FPÖ gewählt, aufgrund dieser Rede heute!)

20.59


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter Scherak ist zu Wort gemel­det. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.00.04

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Kollege Noll hat es schon richtig angesprochen: Ja, es ist momentan totes Recht aufgrund der Tatsache, dass die Rechtslage so absurd ist, denn wenn man als Regierungskoalition logischerweise die Mehrheit hier drinnen hat, wird man nicht einen Minister anklagen. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Der Punkt ist aber folgender – und das ist ja die wesentliche Frage, die wir eigentlich diskutieren müssen; Kollege Wittmann hat es schon richtig angesprochen –: Die Frage ist, wie der Parlamentarismus in Österreich gelebt wird. Tatsache ist, dass ÖVP und FPÖ ein Regierungsabkommen haben, in dem steht: Wir dürfen einander nicht über­stimmen, deswegen machen wir auch etwas gegen unsere Überzeugung. – So steht es, glaube ich, nicht wörtlich drinnen, aber das ist genau das, was sie unterschrieben haben.

Im Übrigen ist es genau das Gleiche, was die SPÖ früher auch gemacht hat, die darf man da ja nicht außen vor lassen. Auch Kollege Wittmann hat leider Gottes früher Dinge nicht vertreten, die er jetzt richtig findet. Es wäre aber alles so einfach. (Abg. Haubner: Er hat jetzt eine andere Rolle!) – Ja, er hat eine andere Rolle, aber schauen Sie, Herr Kollege Haubner, das ist eben das Problem, die Frage der Rolle. Ich sage Ihnen etwas: Ich bin überzeugt davon, dass die Ministeranklage ein Minderheitsrecht sein sollte, und falls ich einmal Abgeordneter einer Partei bin, die in der Regierung ist, werde ich die gleiche Meinung vertreten. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Haider: Keine Sorge! – Oh-Ruf des Abg. Taschner.)

Das ist total faszinierend: Das ist etwas, was offensichtlich selbst die neuen Kollegen in der ÖVP, wie Herr Kollege Taschner, der sich ja, wie ich glaube, mit hehren Motiven hier ins Parlament hat wählen lassen, sehr schnell verlernt haben. Das ist das grund­legende Problem des Parlamentarismus (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ), dass Sie Ihre Überzeugung an der Türschwelle hier abgeben und das machen, was Ihnen Ihr Parteiobmann vorsagt oder was die Koalitionsräson offensicht­lich vorsieht.

Das ist nicht mein Verständnis von Parlamentarismus, Herr Kollege Taschner (Abg. Rosenkranz: Aber Kollege Taschner weiß, was ein Drittel ist und was 25 Prozent sind!), wenn das Ihres ist, dann viel Spaß in den nächsten paar Jahren! Sie verdienen hier sehr viel Geld dafür, dass Sie Ihre Gesinnung offensichtlich vorne an der Tür­schwelle abgegeben haben. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

21.02



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung, 16. Mai 2019 / Seite 233

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Taschner. – Bitte. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


21.02.12

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Lieber Herr Kollege Scherak! Mein „Oh!“ bezieht sich nur auf meine Bewunderung Ihnen gegenüber. Ich werde eine Wette abschließen: Sobald Sie in die Regierung kommen, geht es um eine Flasche Moët & Chandon. Ich werde sehen, ob es stimmt oder nicht. (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der Abgeordneten Hoyos-Trauttmansdorff und Loacker. – Abg. Scherak: Ich bin ein Biertrinker!)

21.02

21.02.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich darf den Antrag 773/A dem Verfassungsausschuss zuweisen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

21.02.58Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 814/A(E) bis 826/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates findet unmittelbar nach dieser statt, das heißt um 21.03 Uhr.

Diese Sitzung ist geschlossen.

21.03.21Schluss der Sitzung: 21.03 Uhr

 

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