9.39

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Bür­gerinnen und Bürger! Ich möchte zu Beginn noch einmal die letzten Wochen Revue passieren lassen und auch erklären, warum sich heute im Hohen Haus eine Über­gangsregierung vorstellt.

Der 17. Mai 2019 hat Österreich verändert. Das unfassbare Ibizavideo hat Neuwahlen zur Notwendigkeit gemacht, denn für die Volkspartei war klar, dass es – aufgrund der ungeheuerlichen Aussagen im Video – einen parteiunabhängigen Innenminister zur voll­ständigen und lückenlosen Aufklärung aller Vorfälle braucht. Man kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, wenn beispielsweise vom damaligen Vizekanzler und FPÖ-Obmann gesagt wird, dass er unser Wasser verkaufen will, oder wenn er Aussa­gen tätigt, mit denen die Pressefreiheit mit Füßen getreten wird. (Abg. Schimanek: Mein Gott! Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Meine Damen und Herren, das geht sich für uns nicht aus, und deshalb waren Neuwahlen eine Notwendigkeit. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: So ein Schwachsinn! Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es muss alles auf den Tisch, es braucht eine lückenlose Aufklärung, und deshalb wur­den Neuwahlen ausgerufen. Infolgedessen hat sich dann aber ein rot-blauer Pakt ent­wickelt (Heiterkeit bei SPÖ und FPÖ), der in der Zweiten Republik einzigartig ist. (Abg. Hauser: Das glaubst ja selber nicht! – Zwischenrufe der Abgeordneten Linder und Schimanek.– Meine Damen und Herren, ich weiß ja nicht, was Ihnen die Menschen in den Wahlkreisen erzählen, aber dass Rot-Blau eine Bundesregierung abgewählt hat, die vom Herrn Bundespräsidenten eingesetzt wurde, das versteht die Mehrheit der Be­völkerung jedenfalls nicht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das müssen ohnedies Sie Ihren eigenen Wählerinnen und Wählern erklären.

Ich habe kürzlich eine Eisenbahnerwitwe getroffen, die zeit ihres Lebens die SPÖ ge­wählt hat, und die hat gesagt: Ich verstehe auch nicht, was unsere Parteivorsitzende mit dem Abwählen dieser Bundesregierung eigentlich wollte! Ich kenne mich nicht mehr aus in meiner Partei, und ich werde sie auch nicht mehr wählen! – Das ist etwas, das man in Tagen wie diesen nicht selten hört. (Beifall bei der ÖVP.)

Für uns war klar, dass das eine Aktion aus Emotionen heraus war. Wut und Hass sind schlechte Ratgeber, meine Damen und Herren, und bei der EU-Wahl hat Ihnen die Bevölkerung auch gezeigt, dass die Menschen in Österreich das anders sehen. (Abg. Schimanek: Das glauben Sie ja selber nicht!)

Nun sind wir aber bei dieser Übergangsregierung angelangt, die sich heute hier vor­stellt, und, meine Damen und Herren, wir von der Volkspartei werden diese Regierung im Sinne der Staatsverantwortung und auch der Stabilität unterstützen – das ist für uns keine Frage (Beifall bei der ÖVP) –, und zwar so lange, bis eine neue, vom Volk legiti­mierte Regierung angelobt wird.

Zuerst sind nämlich die Wählerinnen und Wähler am Wort, und betreffend den Wahltag haben wir zum zweiten Mal einen rot-blauen Pakt erlebt (Heiterkeit der Abg. Schima­nek), denn vom Bundespräsidenten abwärts – die Frau Bundeskanzlerin hat es bereits angesprochen – gab es den Wunsch nach einem möglichst frühen Wahltermin, näm­lich den 15. September. Ich habe dann in einer Verhandlungsrunde auch noch den 22. September angeboten – Vorarlberg hätte sich mit der Landtagswahl danach gerich­tet –; nein, es war nicht möglich. Rot und Blau wollen einen späteren Wahltermin, Ende September, gegen den Willen des Bundespräsidenten. Eine Wahl Ende September be­deutet einen längeren Stillstand und auch einen unnötig langen Wahlkampf. Das ist nicht im Sinne der Menschen in diesem Land, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Es geht darum, dass wir rasch wieder Handlungsfähigkeit und Stabilität herstellen. Was heißt das nun für die kommenden Wochen? Ich sage dazu, wir sind stolz auf das, was wir gemeinsam mit der FPÖ in den letzten eineinhalb Jahren hier verabschieden konnten – das ist keine Frage –, und wir sind auch bereit, die Projekte, die wir gemein­sam noch auf den Weg gebracht haben, die bereits den Ministerrat passiert haben, Projekte, die gemeinsam präsentiert wurden – wie zum Beispiel die Anhebung der Min­destpensionen, das Plastiksackerlverbot oder auch das Bildungsinvestitionsgesetz, bei dem es um den Ausbau der Ganztagsschulen in Österreich geht –, noch gemeinsam abzuarbeiten. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Was wir aber nicht wollen, meine Damen und Herren, ist eine Art Casinoparlamenta­rismus, wie wir ihn 2008 und 2017 zum Teil schon erlebt haben. Es ist unverantwortlich gegenüber den nachkommenden Generationen, wenn hier Steuergelder verschleudert werden und wir Österreich in eine Schuldensituation bringen; jetzt haben wir keine Schulden, wir können im Jahr 2019 einen Überschuss erzielen. Ich appelliere an alle im Parlament vertretenen Fraktionen, solche Vorhaben nicht einzubringen und schon gar nicht zuzustimmen! (Beifall bei der ÖVP.)

Unsere Vorhaben, die wir noch gemeinsam einbringen werden – davon gehe ich aus, und ich hoffe das auch, weil es gute Vorschläge sind –, sind in der mittelfristigen Haus­haltsplanung des Bundes, der Länder und der Gemeinden berücksichtigt. Wir ver­schleudern kein neues Geld, meine Damen und Herren! Im Sinne der Stabilität des Landes hoffe ich auch auf einen geordneten und vernünftigen Ablauf bei den kommen­den Sitzungen, und darauf, dass wir hier keine sündteuren Wahlzuckerl beschließen.

Wir haben die Verantwortung – und gerade in Zeiten wie diesen stehen der Nationalrat und der Bundesrat an der Spitze dieses Landes –, und wir sind vom Volk gewählt, um auch in herausfordernden Zeiten Verantwortung zu zeigen. Ich appelliere abschließend noch einmal an alle: Beschließen wir jene Projekte, die wir noch gemeinsam auf den Weg gebracht haben, verschleudern wir kein Geld und halten wir hier keine Wahlzu­ckerlreden für die Menschen! Wir sind in der Verantwortung und dürfen diesen Staat nicht wieder in eine Schuldensituation bringen; das sind wir den Österreicherinnen und Österreichern schuldig.

Wir werden diese Übergangsregierung unterstützen, und ich appelliere an Ihre Ver­nunft im Sinne der Stabilität in Österreich! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

9.46

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Rendi-Wag­ner. – Bitte.