10.42

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundeskanzlerin! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren Regierungsmitglieder! Meine Damen und Her­ren! Heute war schon viel von Vertrauen die Rede – Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben das ganz ausdrücklich angesprochen – und auch von Verlässlichkeit. Das ist auch kein Wunder, denn Verlässlichkeit und Vertrauen in die Regierung, in die gesetzgebende Körperschaft, in die Verwaltung, das sind die Grundvoraussetzungen dafür, dass es ein friedliches Zusammenleben in einem Staat gibt.

Das Erfordernis des Vertrauens gilt ganz besonders für einen Bereich: Das ist die Ge­richtsbarkeit. Sie können sich vorstellen, dass ich mich natürlich besonders freue, dass damit, dass Sie beide (in Richtung Bundeskanzlerin Bierlein und Vizekanzler Jabloner) gefragt wurden, ein Amt in dieser Übergangsregierung zu übernehmen, auch Vertrau­en gegenüber der Gerichtsbarkeit ausgesprochen wurde, denn dieses Vertrauen ist wesentlich, ist essenziell.

Das Vertrauen in die Gerichtsbarkeit ist aber etwas Spezielles: Es unterscheidet sich vom Vertrauen in die Regierung, es unterscheidet sich vom Vertrauen in die Verwal­tung. Für die Gerichtsbarkeit gilt, was in englischen Entscheidungen das erste Mal aus­gesprochen wurde: Not only must justice be done; it must also be seen to be done. – Es genügt nicht, dass Gerechtigkeit hergestellt wird, die Gerechtigkeit muss auch sicht­bar sein. Das heißt, für die Gerichte ist es notwendig, dass nicht der Anschein einer un­sachlichen Einflussnahme besteht, dass der Eindruck besteht, dass Gerichte tatsäch­lich unabhängig sind, dass Richter unbestechlich sind, dass Richter unbefangen sind.

In Österreich ist auch die Staatsanwaltschaft Teil der Gerichtsbarkeit. Wenn man die Staatsanwaltschaft miteinbezieht, dann sind drei Erfordernisse für dieses Vertrauen in die Gerichtsbarkeit ganz besonders von Bedeutung: Das erste ist die institutionelle Un­abhängigkeit; das zweite ist eine ausreichende finanzielle Ausstattung; und das dritte – das betrifft nicht nur die Staatsanwaltschaft – ist eine Auswahl der Richterinnen, der Staatsanwälte allein nach objektiven, nach sachlichen Kriterien, ohne den Verdacht, dass es hier parteipolitischen Einfluss gibt.

Zur institutionellen Unabhängigkeit: Wir haben da eine ganz große Baustelle – und das ist die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft ist nach wie vor einem Regierungs­mitglied, dem Justizminister, als Weisungsspitze unterstellt. Das widerspricht nicht nur der Gewaltentrennung, das erweckt auch den Anschein, als sei es möglich, dass Re­gierungsmitglieder Einfluss nehmen, die Regierung Einfluss nimmt. Daher ist es not­wendig, die Staatsanwaltschaft herauszulösen. Im Nationalrat liegt ein Antrag auf Ein­setzung eines Bundesstaatsanwalts vor. Wir haben einen Fristsetzungsantrag dazu eingebracht, dass das tatsächlich umgesetzt wird.

Eine zweite Baustelle möchte ich noch erwähnen, sie betrifft die Personalauswahl: Es gibt einen Bereich in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, in dem es keinen Beschluss des Personalsenats geben muss, damit jemand für eine Position ernannt wird, das sind der Präsident des Obersten Gerichtshofes und die Vizepräsidenten. Auch da ist etwas zu tun.

Mein Appell an Sie, Herr Justizminister, der Sie ja die Situation hervorragend kennen, aber auch an Sie alle, ist, da etwas zu tun! Wir sind nämlich in der historisch einma­ligen Situation, dass keine Partei davon ausgehen kann, sie werde mit Sicherheit in der nächsten Regierung den Justizminister stellen. Da ist es vielleicht besser, es ist eine unabhängige Persönlichkeit an der Spitze der Staatsanwaltschaft. Man weiß ja nie, ob man es einmal mit ihr zu tun bekommt. In diesem Sinne hoffe ich, dass zugestimmt wird. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

10.47

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.