10.47

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Herr Präsident! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ja, wir schreiben dieser Tage Geschichte: Zum ersten Mal erklärt sich eine Bundeskanzlerin diesem Parlament. Zum ersten Mal besteht auch eine Regierung zu gleichen Teilen aus Männern und aus Frauen. (Ruf bei der ÖVP: Nein! Falsch!) Zum ersten Mal in der Geschichte kann man auch von einer echten Trennung der Staatsgewalten sprechen, so, wie es in unserer Verfassung auch vorgesehen ist, denn diese Regierung kann frei und unabhängig von parteipolitischen Zwängen und frei und unabhängig von wahltaktischen Überlegungen agieren.

Das ist wichtig. Das ist deshalb wichtig, weil wir gesehen haben, wohin uns Parteiregie­rungen führen, weil wir gesehen haben, wie Parteiregierungen den Staat und unser Steu­ergeld wie ihr Eigentum behandeln (Abg. Zarits: Was ist das für eine Rede? – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), wie sie auf der einen Seite versuchen, beliebig Steuergeld und Staatsmacht an russische Oligarchen zu verscherbeln, und auf der anderen Seite durch türkise Wahlversprechen die Parteispender bedient werden, die im Wahlkampf kräftig in den Parteiapparat hineinfinanziert haben.

Genauso wichtig ist es übrigens, dass der Regierung eine effektive Kontrolle in Form eines Parlaments aus demokratisch gewählten VolksvertreterInnen gegenübersteht, die genau diese Regierung auch kontrollieren können. Genau so ein demokratisch ge­wähltes Parlament sehe ich hier vor mir: Ja, wir sind da, und ja, wir sind handlungsfä­hig, nämlich mehr als je zuvor – jetzt erst recht, meine Damen und Herren!

Mein Appell richtet sich an die Kolleginnen und Kollegen von SPÖ und ÖVP, natürlich auch an die Kollegen von den Freiheitlichen: Seien Sie doch froh, dass Sie den schwarz-türkisen Knebel losgeworden sind! Seien Sie doch froh, dass Sie Ihre Ideen endlich ohne Bevormundung und ohne Knebel umsetzen können, dass wir gemeinsam im freien Spiel der Kräfte Entscheidungen treffen können, die wichtiger sind, die dem Wohl der Bevölkerung weit mehr dienen und hinter denen die Bevölkerung weit mehr stehen kann, als dies bei irgendeinem Fünfjahresplan auch nur irgendwie ansatzweise der Fall sein könnte!

Ich bin sicher, wir finden diese Mehrheiten. Es wurden heute bereits eine Reihe von Anträgen eingebracht, und wir werden auch eine Reihe von Anträgen einbringen. (Abg. Zarits: Die letzten!) Es werden wechselnde Mehrheiten sein, es wird ein freies Spiel der Kräfte sein, aber es wird schlussendlich die Bevölkerung sein, die profitieren wird. Die Krise, die hier vonseiten der ÖVP und aus dem Kampagnenbüro von Sebastian Kurz großgeredet und hochgeschrieben wird, ist keine Krise. Nein, es ist eine gewalti­ge Chance, dass dieses Parlament mit Leben erfüllt wird und dass wir Entscheidungen im Sinne der Bevölkerung treffen können. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Lausch.)

Wir werden nicht zulassen, dass diese amtierende Bundesregierung als Übergangsre­gierung mit Sesselwärmerfunktion dargestellt und abgestempelt wird. Nein, wir werden das nicht zulassen! (Zwischenrufe der Abgeordneten Gerstl und Steinacker.) Dieses Parlament darf die Stunde der Wahrheit nicht irgendwie im Dämmerschlaf verbringen und die Zeit bis zur Wahl nur irgendwie rüberbringen. Nein, dieses Parlament muss ge­nau diese Monate nützen! Wir sind gewählt worden, und wir haben die Möglichkeiten, im Sinne der Bevölkerung Entscheidungen zu treffen.

Da draußen gibt es zig Probleme, Sie hätten sich sonst kein Koalitionsabkommen ge­geben, es würden sonst nicht tagtäglich Probleme aufgezeigt. Es gibt Probleme: Es gibt noch immer Hunderttausende Menschen, die in Armut leben. Das Pflegesystem ist wirklich an der Grenze, Menschen können sich keine Betreuung mehr leisten. Die Ar­beitsbedingungen sind miserabel. Warum sollen diese Probleme bis zum nächsten Wahltermin aufgeschoben werden? Ich sehe es nicht ein, und die Menschen da drau­ßen sehen es auch nicht ein. (Zwischenrufe der Abgeordneten Fürlinger, Steinacker und Winzig.)

Sich dann auf der anderen Seite noch – wie Kollege Nehammer im Fernsehen in einer Diskussionsrunde meinte – per Verfassungsgesetz selbst aufzuerlegen, sich als Parla­ment zu entmachten, das entbehrt jedweder Grundlage, und das werden wir in keiner Weise mittragen. Wir werden deshalb heute eine Reihe von Anträgen einbringen und bitten natürlich die Fraktionen – je nachdem, ob das ihren Programmen entspricht, ob das ihrem Idealismus, ihrer Vorstellung von einer Gesellschaft entspricht –, diese auch mitzutragen.

Wie ich schon angesprochen habe: Beenden wir endlich die schleichende Entwertung des Pflegegeldes! Die Leute da draußen haben nicht mehr die Möglichkeit, sich mit dem Pflegegeld, das sie zur Verfügung haben, überhaupt die nötige Pflege zu leisten. Beenden wir die schleichende Entwertung in allen Pflegestufen!

Setzen wir endlich die versprochene Unterhaltssicherung um! Wenn hier so ein Trubel ist: Ja, ich mag Ihnen mit dieser Idee schon auf die Nerven gehen, aber das war das Wahlversprechen aller Fraktionen in diesem Haus. Setzen wir eine Unterhaltssiche­rung um, die dafür sorgt, dass keine Kinder mehr in Armut leben müssen! Das können wir hier herinnen tun, wir müssen es nur endlich erledigen und dafürstimmen.

Schreiben wir soziale Gerechtigkeit in unserer Verfassung als Ziel fest! Neuseeland hat es als eines der ersten Länder vorgemacht und erntet dafür international Anerkennung. Warum schaffen wir so etwas nicht?

Schauen wir, dass wir in einem Bereich, der in diesem Land immer sehr kleingehalten worden ist, nämlich beim Tierschutz und bei der Frage, wie wir mit unseren Nutztieren umgehen, endlich Verbesserungen schaffen! Ich habe dazu ebenfalls drei Anträge ein­gebracht und hoffe da auf Unterstützung, nämlich: Beenden wir endlich die Kastration von Ferkeln ohne Betäubung! Schauen wir, dass das millionenfache Schreddern und Vergasen von frischgeschlüpften männlichen Küken – einfach, weil deren Aufzucht nicht gewinnbringend ist – sofort abgestellt wird! Und der dritte große Punkt: Es muss endlich Schluss sein mit Vollspaltenböden in der Agrarindustrie, in der Schweinemast, das ist Tierqual!

Wir hier herinnen haben die Chancen, etwas zu tun. Ihr seid alle gewählt und ich bin ge­wählt, also nützen wir diese Chance bis zur Wahl und setzen wir das auch entsprechend um! – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT sowie der Abgeordneten Jarolim und Dönmez.)

10.54

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Minister Starlinger. – Bitte.