14.09

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Der Weg für Neuwahlen ist mit dem vorliegenden Antrag frei – einem Neuwahlantrag, den die wenigsten hier im Raum ursprünglich wollten, der aber auf­grund der Geschehnisse der letzten Wochen nicht zu verhindern war.

Ich bin angetreten, um in dieser Legislaturperiode im Sinne der österreichischen Bevöl­kerung, im Sinne der Menschen vor allem auch als Vertreterin meiner Region zu ar­beiten. Dieses Arbeiten wurde leider verunmöglicht, zunächst durch Verscherbelungs- und Korruptionsfantasien seitens der FPÖ-Spitze und anschließend durch Allmachts­fantasien eines Konzernkanzlers, der ernsthaft geglaubt hat, dass ein Fünftel der Wäh­lerstimmen genügt – ja, wenn man den Nichtwähleranteil dazurechnet, geht es hier um ein Fünftel der Stimmen (Ruf bei der ÖVP: Dann hat die SPÖ 10 Prozent! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP) –, um sich die gesamte Republik im Sinne seiner Groß­spender unter den Nagel zu reißen, ohne Dialogbereitschaft, ohne ein geringstes Ver­ständnis für Demokratie und vor allem ohne den Willen, eine breite Mehrheit für seine Ideen zu finden.

Politikerin zu sein bedeutet für mich, Dialog und Kompromisse zu suchen, Prozesse einzuleiten, die nicht immer einfach oder angenehm sind, und sich selbst auch ganz oft zurückzunehmen. Das ist eine Leitlinie, die bedeutet, sich als Dienerin des Volkes zu sehen und nicht den Souverän für eigene Zwecke zu missbrauchen.

Im türkisen Alphabet ist anscheinend das I der erste und der einzige Buchstabe, und da mussten wir als Parlament die Reißleine ziehen.

Das, was aber meiner demokratischen Seele besonders wehgetan hat, war das Igno­rieren und sogar der Versuch der Zerschlagung der Sozialpartnerschaft, das Verwei­gern von Kompromissen und die Überheblichkeit, mit der diese gescheiterte Regierung diesem Parlament, den gewählten Volksvertreterinnen und -vertretern, gegenüberge­treten ist.

Umso erfreulicher ist es, zu sehen, dass eben nicht jeder in Österreich so ist, dass es in diesem Land Menschen gibt, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, und daher war auch der erste Tagesordnungspunkt mit der Regierungserklärung und der Vorstellung der Ministerinnen und Minister so wohltuend.

Wir als SPÖ sind bereit, diese schwierige Ausgangslage in etwas umzuwandeln, was nicht nur jenen nutzt, die im Wahlkampf mittels Spenden eingezahlt haben. Eines der wichtigsten Themen in unserer Gesellschaft ist die Armutsbekämpfung: Wie geht man mit Menschen um, die nicht mit dem goldenen Löffel großgezogen worden sind? Auf diese wichtige Frage hat die gescheiterte Regierung nicht nur keine Antwort gegeben (Rufe bei der ÖVP: Steuerreform! Familienbonus!), sie hat dieses Problem sogar noch verschärft. Auch noch mit dem Familienbonus haben Sie bei den Ärmsten die Situation verschärft. (Abg. Wöginger: Verschärft? Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Abschaffung der Mindestsicherung, die drastischen Kürzungen bei Mehrkindfami­lien, das sind alles Projekte, auf die Sie sich nicht stolz zu sein brauchen. (Ruf bei der ÖVP: Deutsch ist schwer! Abg. Neubauer: Machen Sie sich bei Ihrer Abschiedsrede nicht lächerlich! Abg. Wöginger: Das ist ja nicht deutsch! Deutschunterricht!)

Und da bin ich auch schon bei der wesentlichen Frage: Wie gehen wir mit der Zukunft unseres Landes um? Wie garantieren wir jungen Familien einen Kinderbetreuungs­platz? Wie können wir die fehlende Finanzierung von Familienberatungsstellen wieder aufstellen? Wie können wir rasch die gesetzliche Verankerung der Anrechnung von Karenzzeiten oder die Unterhaltsgarantie für AlleinerzieherInnen umsetzen? (Ruf bei der ÖVP: ... Schulden machen!)

Nutzen wir die Situation und beseitigen wir endlich die größten Gefahren im Zusam­menhang mit Kinderarmut! Die entsprechenden Anträge gibt es, bringen wir sie zur Be­schlussfassung! Die Familien in diesem Land brauchen keine Inszenierungen oder teu­ren Familienfeste auf Steuerkosten. Unsere Familien brauchen Rechtssicherheit, finan­zielle Absicherungen und Maßnahmen, die Armut verhindern. (Abg. Schwarz: Und den Familienbonus!) Gehen wir die Fragen an, die die Menschen in ihrem täglichen Leben berühren: Arbeitsplätze, von deren Gehalt man noch leben kann, Wohnungen, die man sich auch in ein paar Jahren noch leisten kann, ein Gesundheitssystem, das allen die gleiche hervorragende Versorgung garantiert, ein Bildungssystem, das für jeden die gleichen Chancen bereitstellt, die Sicherung der Pensionen, damit ein Altwerden in Würde möglich ist – ebenso ein wichtiges Thema – und eine gerechte Verteilung von Vermögen sowie die wichtige soziale Frage des Klimaschutzes!

Ich freue mich sehr, dass es mit Frau Dr. Bierlein die erste Frau geschafft hat, diese gläserne Decke zu durchbrechen. Die Bevölkerung wird sich sehr schnell daran ge­wöhnen, dass es eine Frau Bundeskanzlerin gibt. Ich versichere Ihnen, geschätzte Zu­seherinnen und Zuseher: Unsere Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner ist bereit, sodass sich die Menschen nach den Neuwahlen nicht mehr umgewöhnen müssen. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haider: Das glaubst du aber selber nicht! Ruf bei der ÖVP: Da musst du aber zuerst sagen, dass die Frau Rendi-Wagner Spit­zenkandidatin ist!)

14.15

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Jarolim. – Bitte.