10.15

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Frau Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung! Zuerst einmal vielen Dank für Ihre sehr klaren Worte einerseits im Zusammenhang mit der Gleichstellung von Mann und Frau und Ihren klaren Aufruf sowie Ihren Einsatz gegen Gewalt an Frauen, egal, wo und egal, wie, und andererseits Ihren klaren Aufruf im Zusammenhang mit dem notwendigen Ende von Diskriminierungen.

Mich freut es sehr, dass ich heute hier zwar nur als ehemaliges Mitglied der Parla­mentarischen Versammlung, gleichzeitig aber als Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte dieses Hauses reden darf.

Wir haben es schon gehört: Die größte Errungenschaft des Europarates ist und bleibt bis heute die Unterzeichnung, die Verwirklichung der Menschenrechtskonvention, die­ses Menschenrechtsdokuments, das nach den unfassbaren Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs in einem einmaligen Akt der Versöhnung dazu geführt hat, dass wir uns auf fundamentale gemeinsame Rechte und Freiheiten geeinigt haben. Umso wichtiger ist es, dass wir das 70 Jahre nach der Gründung der Europarates immer wieder betonen.

Wir wissen, dass wir mit dem Europarat die wichtigste Institution zur Verteidigung der Menschenrechte in Europa geschaffen haben und dass wir insbesondere mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte etwas ganz Einzigartiges haben, nämlich dass 830 Millionen Menschen, die innerhalb der Mitgliedstaaten des Euro­pa­rates leben, die Möglichkeit haben, sich in letzter Instanz immer an ein übergeordnetes internationales Gericht zu wenden, um ihre fundamentalen Grund- und Freiheitsrechte einzuklagen. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Es ist gerade 70 Jahre nach Gründung des Europarates so wichtig, seine Bedeutung hervorzuheben, weil es offensichtlich in vielen Bereichen selbstverständlich geworden ist, dass man diese Rechte zwar wahrnimmt, aber nicht mehr genau weiß, was sie bedeuten, und weil wir leider Gottes auch mitbekommen haben, wie einfach es ist, dass diese Rechte infrage gestellt werden.

Es ist ganz egal, ob es politische Parteien innerhalb Europas sind, die unsere fun­damentalen Grund- und Freiheitsrechte infrage stellen, oder ob es fundamentale Grup­pierungen, fundamentale Strömungen im Zusammenhang mit Religionen sind: Es gibt immer wieder Feinde und Gegner unserer Grund- und Freiheitsrechte, die diese angreifen.

Deshalb ist es genau der Europarat, ist es die Europäische Menschenrechts­kon­vention, die für ein klares Bekenntnis zur liberalen Demokratie, für eine wehrhafte Demokratie stehen, die ganz klar sagen: Egal, woher die Feinde, die Gegner unserer liberalen Demokratie kommen, wir müssen uns gegen diese wehren. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Deshalb ist es bei aller berechtigten Kritik im Zusammenhang mit der Parlamen­ta­rischen Versammlung des Europarates – und es gibt da immer wieder Probleme – doch irritierend, Herr Kollege Haider, wenn Sie sich hierherstellen und sagen, man muss den Menschen klarmachen, was denn dieser Europarat macht. Der Europarat ist der Garant dafür, dass unsere fundamentalen Grund- und Freiheitsrechte vor allen ihren Gegnern geschützt werden, und es sollte an uns allen liegen, das auch ent­sprechend klarzumachen und der Bevölkerung ganz klar zu sagen, wer die Grund- und Freiheitsrechte schützt.

Das ist deshalb so wichtig, weil wir in vielen Bereichen – Frau Präsidentin, Sie haben den Umgang mit der Medien- und Pressefreiheit angesprochen – merken, wie schnell es gehen kann; wie schnell es einerseits in Österreich gehen kann, dass die Dis­kussion über Pressefreiheit eine andere wird, wie schnell es gehen kann, wenn man nur ein paar Hundert Kilometer weiter in unsere Nachbarländer schaut, dass die Pressefreiheit mit Füßen getreten wird, wie schnell es gehen kann, dass die Rechts­staatlichkeit in Mitgliedstaaten der Europäischen Union infrage gestellt wird.

Frau Präsidentin, Sie haben die Rolle Österreichs angesprochen und den ehemaligen Bundeskanzler Klaus in Bezug auf die Frage zitiert, wie man sozusagen hinsichtlich eines gemeinsamen Gefüges weitermacht. Deshalb ist auch dieses Einmahnen der fundamentalen Grund- und Freiheitsrechte für uns als Österreich, für uns als Europäische Union nicht nur innerhalb der Europäischen Union so wichtig, sondern auch gegenüber möglichen neuen Mitgliedern. Wir merken, dass wir nicht nur inner­halb der Europäischen Union in Mitgliedstaaten Probleme mit Grund- und Freiheits­rechten haben, sondern dass auch Staaten, die Mitglied der Europäischen Union wer­den wollen, teilweise Defizite haben.

Es ist deshalb so wichtig, weil wir wissen, dass der Europarat diese unfassbare Vor­arbeit geleistet hat, dass wir uns in der Europäischen Union auf gemeinsame Grund­sätze wie Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit geeinigt haben.

Diese Grundsätze sind das Fundament der liberalen und der wehrhaften Demokratie. Wenn wir merken, wie das immer wieder zur Diskussion gestellt wird, wie Anhänger der sogenannten illiberalen Demokratie – die faktisch ja schon gar nicht möglich ist, weil eine Demokratie per se liberal ist und die illiberale Demokratie gar nicht existieren kann – kommen und ebendiese grundlegenden Grund- und Freiheitsrechte, die wir über Jahrzehnte erstritten haben, für deren Schaffung viele Menschen sterben muss­ten, infrage stellen, dann bin ich mehr denn je froh, dass wir uns nach 70 Jahren Europarat über dessen Erfolgsgeschichte freuen können, über die Erfolgsgeschichte der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und der Europäischen Men­schen­rechtskonvention.

Ich freue mich auf die nächsten 70 Jahre und auf viele darauf folgende, denn der ultimative Garant, dass wir in Europa so leben können, wie wir leben, ist neben der Europäischen Union der Europarat und die Parlamentarische Versammlung des Europarates. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

10.21

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Zadić. – Bitte.