10.21

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Herr Präsident! Geschätzte Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates! Hohes Haus! Wir feiern heute das 70-jährige Bestehen des Europarates. Der Europarat wurde am 5. Mai 1949 als Reaktion auf den Holocaust und auf die unfassbaren Gräueltaten des Zweiten Welt­kriegs mit dem primären Ziel gegründet, den Menschen in Europa wieder Freiheit und Sicherheit zu geben. Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs haben die Menschen in diesem gemeinsamen Ziel geeint. Sie alle wussten, dass es Freiheit und Sicherheit nur dann geben kann, wenn wir uns alle auf Rechte verständigen und auf Rechte einigen, die für alle gelten, die unabhängig von Staatsgrenzen gelten, die supranational gelten.

Die Nazischreckensherrschaft hat uns eindrücklich gezeigt, wie ein Staat und seine Akteure die eigenen Staatsbürger massenweise verfolgen, vertreiben, misshandeln und ermorden können. Diese Zeit der Tyrannei hat gezeigt, dass es nicht ausreicht, auf den Staat allein als Beschützer zu setzen, sondern dass es Gesetze und allgemein geltende Rechte braucht, welche Staaten und ihre Akteure daran hindern, die größte Gefahr für ihre eigenen Staatsbürger zu werden.

Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, wurde vor 70 Jahren der Europarat geschaffen, mit dem Ziel, sich auf gemeinsame europäische Werte zu verständigen: auf die Menschenrechte, den Rechtsstaat und die pluralistische Demokratie. Diese Werte sind drei Meilensteine der europäischen Geschichte, die uns allen ein Leben in Frieden und Sicherheit gebracht haben.

Diese drei Meilensteine, meine Damen und Herren, werden aber immer wieder von gewissen Gruppierungen infrage gestellt. Ich erinnere auch an den ehemaligen Innen­minister, der wortwörtlich gesagt hat, man müsse sich mit der Menschenrechts­kon­vention anlegen. Diese Menschenrechtskonvention und ihre Rechte seien seiner Ansicht nach irgendwelche – und ich zitiere – „seltsamen rechtlichen Konstruktionen“, die „teilweise viele, viele Jahre alt, aus ganz anderen Situationen heraus entstanden“ seien und die uns daran hindern, „das zu tun, was notwendig ist“. – Zitatende.

Meine Damen und Herren, Frieden, Wohlstand, Sicherheit, Demokratie und Rechts­staatlichkeit sowie der Schutz der Würde des Menschen sind keine unnötigen, selt­samen, überholten Konstruktionen, sondern Errungenschaften, die wir hochhalten müssen und auf die wir stolz sein dürfen! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der Schutz der Menschenrechte, des Rechtsstaates und der Demokratie bildet das Fundament für die europäische Zusammenarbeit und für ein friedliches Zusam­men­leben. Heute ist der Europarat mit seiner eigenen Menschenrechtskonvention und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein Garant für ein friedliches Miteinan­der. Die umfassende Arbeit des Europarates zeigt, dass Menschenrechte nicht die Rechte einiger weniger sind, sondern die Rechte von uns allen.

Menschenrechte, meine Damen und Herren, haben kein Parteibuch. Sie unterscheiden nicht nach ethnischer Herkunft, religiöser Überzeugung oder sexueller Orientierung, und es geht auch nicht darum, wie viel Geld man oder frau auf dem Konto hat. Was zählt, ist, dass wir alle Menschen sind, die mit gleicher Würde und gleichen Rechten ausgestattet sind. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.) Daran müssen wir Parlamentarier uns regelmäßig erinnern.

Meine Damen und Herren, die Arbeit des Europarates ist vielfältig, davon zeugen auch die 200 Abkommen, die in den letzten 70 Jahren ins Leben gerufen wurden. Die Palette reicht von der Abschaffung der Todesstrafe und Folter über die Kooperation von Justiz und Polizei bis zum Schutz von Regionalsprachen und vielen Maßnahmen gegen sexuelle und häusliche Gewalt. Das sind Rechte, die nicht nur Minderheiten, sondern uns alle schützen und die für uns alle gelten.

Meine Damen und Herren, es wird Zeit, diese Zusammenarbeit und die Menschen­rechte zu vertiefen, und daher plädiere ich auch dafür, dass wir Österreicher der  Entwicklungsbank des Europarates beitreten, weil nämlich das Ziel verfolgt werden soll, nicht nur die Freiheit vom Staat, sondern auch die soziale Integration zu fördern. Halten wir die Menschenrechte hoch, denn sie schützen uns alle! – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.26

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön für die erste Rednerrunde.

Frau Präsidentin, ich darf Sie zur Stellungnahme und Beantwortung einladen. – Bitte.