15.41

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Werte Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Erleichterung des Eigentumserwerbs geben wir natürlich im Bereich des gemeinnützigen Wohnens ein wichtiges sozial­politisches Instrument aus der Hand – ich denke da an Bundesländer wie Tirol, wo Baugrund sehr knapp ist, und an die Schwierigkeit der Kommunen, dort leistbares Wohnen zur Verfügung zu stellen –, daher sehe ich das eher kritisch.

Wir haben es bereits angesprochen, werte Kolleginnen und Kollegen: Das Ziel, leist­bares Wohnen für die Menschen in Österreich sicherzustellen, wird mit dieser Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes leider nicht erreicht. Für Mieterinnen und Mieter von Genossenschaftswohnungen wird das Wohnen mitunter massiv teurer werden.

Lassen Sie mich zwei Aspekte aus dieser Novelle, zu der wir auch einen Abände­rungs­antrag einbringen werden, aufgreifen:

Punkt eins sind die Grundstückskosten. Das trifft uns, wie gesagt, in Tirol besonders, denn in Tirol ist bebaubarer Grund und Boden knapp und daher ebenso wie in vielen anderen Gebieten in Österreich enorm teuer, und die Preise ziehen weiter stark an. Grund und Boden ist längst zu einem Spekulationsgut geworden. Der Druck aus dem Ausland ist groß, und der von der Nationalbank ausgewiesene Fundamentalpreisindex belegt, dass MieterInnen heute de facto 20 Prozent Spekulationsaufschlag bezahlen. Die steigenden Grundkosten betreffen ganz massiv auch die gemeinnützigen Wohn­bauträger.

Ohne bebaubaren Grund und Boden gibt es keinen Wohnbau. Im Wettbewerb um Grundstücke mit privaten Investoren gelingt es immer seltener, den notwendigen Grund zu erwerben. Würden nicht die Kommunen Grundstücke für den sozialen Wohn­bau zur Verfügung stellen, käme der soziale Wohnbau überhaupt zum Erliegen. Die Möglichkeiten der Kommunen sind dabei enden wollend. Eine zukunftsweisende Lösung wäre die verfassungsrechtliche Absicherung der Flächenwidmung gemein­nütziger Wohnbau. Manche Gemeinden agieren diesbezüglich in letzter Zeit bereits progressiv, viele üben sich aber nach wie vor in vornehmer Zurückhaltung.

Letzteres löst aber keine Probleme. Der Druck auf die Wohnbaugenossenschaften darf nämlich im Ergebnis nicht dazu führen, dass diese ihre höheren Kosten an die Miete­rinnen und Mieter weitergeben müssen. Das würde dem Ziel, leistbaren Wohnraum zu ermöglichen, diametral entgegenstehen.

Dahin gehend ist die vorliegende Reform eine Verschlechterung. Durch den mit diesem Gesetz ermöglichten Ansatz des Verkehrswertes oder der tatsächlichen Grundkosten ohne Obergrenze für die Abrechnung (Abg. Schrangl: Das stimmt nicht! Sie müssen genau lesen!) würden die gemeinnützigen Wohnbauträger zwar mehr Grundstücke erwerben können, die Mietkosten aber je nach Gebiet enorm steigen. (Abg. Schrangl: Das stimmt nicht!) Leistbares Wohnen – Fehlanzeige!

Der zweite Punkt betrifft die im vorgeschlagenen Gesetzestext als vorrangige Wohn­versorgung der österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sowie diesen gleichgestellter Personen deklarierte Maßnahme. – Populismus pur! Ein Relikt der türkis-blauen PR- und Spaltungspolitik und eine Maßnahme, gegen die es massive verfassungs- und unionsrechtliche Bedenken gibt!

Ich erinnere an meine Ausführungen in diesem Hohen Haus zur Indexierung der Familienbeihilfe. Diese ist unionsrechtswidrig. Das EuGH-Urteil zur geplanten deut­schen Autobahnmaut, aufgrund der unter der Federführung eines sozialdemokra­ti­schen Verkehrsministers eingebrachten Klage, wurde mit Wohlwollen und Zustimmung zur Kenntnis genommen. Ich bin schon gespannt, wie Türkis-Blau reagiert, wenn der EuGH die Unionsrechtswidrigkeit türkis-blauer Prestigeprojekte feststellt und dieser reinen PR-Politik eine Absage erteilt. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe folgenden Antrag gemäß § 53 Abs. 3 GOG-NR ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Bautenausschusses betreffend den Antrag 907/A der Abgeordneten Johann Singer, Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (Wohnungs­gemeinnützigkeitsgesetz), zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 69/2018, geändert wird.

Der Nationalrat möge in Zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert.

1. Nach Z 16 wird folgende Z 16a eingefügt.

„16a. § 13 Abs. 2c lautet:

„(2c) Abweichend von Abs. 2 ist anstelle des Verkehrswertes im Zeitpunkt des Grund­erwerbs ein niedrigerer Betrag mit der tatsächlichen Höhe des Grundwertes anzu­setzen, wenn dies der Veräußerer zur Senkung des Entgelts (Preis) vertraglich ausbe­dungen hat oder das Grundstück von einer anderen gemeinnützigen Bauvereinigung veräußert bzw. getauscht wird. Können die tatsächlichen Kosten eines Grunderwerbs nicht mehr festgestellt werden, dann kann die gemeinnützige Bauvereinigung höchs­tens 50% des Verkehrswertes als Grundkosten ansetzten.““

2. Z 17 lautet:

„17. § 13 Abs. 7 wird die Wortfolge „angemessene Kosten für baubedingte Leerstände als Grundkosten“ ersetzt durch die Wortfolge „die tatsächlich angefallenen Entgelt­ausfälle für baubedingte Leerstände als Grundkosten“.“

*****

Ich bringe einen zweiten Antrag gemäß § 53 Abs. 3 GOG-NR ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Bau­tenausschusses betreffend den Antrag 907/A der Abgeordneten Johann Singer, Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (Wohnungs­gemeinnützigkeitsgesetz), zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 69/2018, geändert wird

Der Nationalrat möge in Zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert.

1. Z 11: § 8 Abs. 4, 5 und 6 entfallen

*****

Ich danke ganz herzlich. (Beifall bei der SPÖ.)

15.48

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

§ 53 Abs. 3 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Mag. Selma Yildirim

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Bautenausschusses (653 d. B.) betreffend den Antrag 907/A der Abgeordneten Johann Singer, Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gemeinnützigkeit im Woh­nungswesen (Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz - WGG), BGBl Nr. 139/1979, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 69/2018, geändert wird

Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Nach Z 16 wird folgende Z 16a. eingefügt:

„16a. § 13 Abs. 2c lautet:

„(2c) Abweichend von Abs. 2 ist anstelle des Verkehrswertes im Zeitpunkt des Grund­erwerbs ein niedrigerer Betrag mit der tatsächlichen Höhe des Grundwertes anzu­setzen, wenn dies der Veräußerer zur Senkung des Entgelts (Preis) vertraglich aus­bedungen hat oder das Grundstück von einer anderen gemeinnützigen Bauvereinigung veräußert bzw. getauscht wird. Können die tatsächlichen Kosten eines Grunderwerbs nicht mehr festgestellt werden, dann kann die gemeinnützige Bauvereinigung höchs­tens 50% des Verkehrswertes als Grundkosten ansetzten.““

2. Z 17 lautet:

„17. § 13 Abs. 7 wird die Wortfolge „angemessene Kosten für baubedingte Leerstände als Grundkosten“ ersetzt durch die Wortfolge „die tatsächlich angefallenen Entgelt­ausfälle für baubedingte Leerstände als Grundkosten“.“

Begründung

Zu Z 1:

Die Anrechnung der Grundkosten in der Baukostenendabrechnung bzw. welche Grund­kosten den Mietern in Rechnung gestellt werden dürfen, darf keine „kann“- Bestimmung sein, denn hier lässt man der Bauvereinigung die Wahl, ob sie den Verkehrswert oder die tatsächlichen Grundkosten ansetzt.

Eine Genossenschaft darf im Rahmen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweck­mäßigkeit im Sinne des § 23 WGG und nach dem Günstigkeitsprinzip immer nur die niedrigeren Kosten ansetzten.

Wird das Grundstück im Wege des Tausches von einer anderen gemeinnützigen Bauvereinigung erworben und ist der tatsächliche Wert nicht mehr ermittelbar, dann dürfen die Grundkosten mit der Hälfte des Verkehrswertes angesetzt werden.

Wird keine Obergrenze geschaffen, können Bauvereinigungen Grundkosten nach dem Verkehrswert berechnen und die Kosten für Wohnungen von gemeinnützigen Bau­vereinigungen würden stark ansteigen, die Wohnungen wären nicht mehr leistbar. Es würde zu einer Verzerrung des Wohnungsmarktes und zu einer Erhöhung der Mieten kommen, da sich nur mehr Personen mit einem hohen Einkommen eine Genossen­schaftswohnung leisten können.

Zu Z 2:

Tatsächlich angefallene Kosten für Wohnungen, die aufgrund von Baumaßnahmen leer stehen können in die Herstellungskosten bei einer Nachverdichtung mit einbezogen wer­den, angemessene Kosten übersteigen die Herstellungskosten. Der Schaden für nicht ver­mietet Wohnungen begrenzt sich entweder mit dem kostendeckenden Entgelt oder auch mit dem Entgelt nach § 13 Abs. 6 bzw. 13 Abs. 7a WGG. Wird ein angemessenes Entgelt im Sinne des § 13 Abs. 4 WGG für die leerstehende Wohnung verrechnet, so entspricht dieses Entgelt ohnehin den tatsächlich angefallenen Kosten.  Diese entgangenen Kosten sind der tatsächliche Schaden, der durch Aufstockungen bzw. Sanierungsmaßnahmen entsteht und nur dieser darf als Leerstehungskosten in Rechnung gestellt werden.

Die Angemessenheit von baubedingten leerstehenden Wohnungen ist ein unbe­stimmter Gesetzesbegriff und kann daher keine Anwendung im Wohnungsgemeinnützigkeits­gesetz finden.

*****

Abänderungsantrag

§ 53 Abs. 3 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Mag. Selma Yildirim

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Bautenausschusses (653 d. B.) betreffend den Antrag 907/A der Abgeordneten Johann Singer, Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz - WGG), BGBI Nr. 139/1979, zuletzt geändert mit BGBI. I Nr. 69/2018, geändert wird

Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Z 11: § 8 Abs. 4, 5 und 6 entfallen

Begründung

Die im vorgeschlagenen Gesetzestext als vorrangige Wohnversorgung der österreichi­schen Staatsbürger sowie diesen gleichgestellten Staatsbürgern aus EU- und EWR-Staaten und gleichgestellten Drittstaatsangehörigen deklarierte Maßnahme ist rein symbolischer Natur. Weder die ehemalige Regierung noch die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ konnten fundierte Zahlen vorweisen, wie viele Personen von diesem Gesetz überhaupt betroffen sind.

Die Einschränkung des zugangsberechtigten Personenkreises stellt aber auch einen unnötigen Verwaltungsaufwand für die gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften dar. Ebenso führt die Maßnahme zu Diskriminierung von Drittstaatsangehörigen, die nicht unter die EU-Assoziationsabkommen fallen, dar, da diese als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer monatlich ihren Beitrag zur steuerlichen Finanzierung der staatlichen Wohnbauförderung leisten. Verfassungs- und europarechtliche Bedenken werden da­her von vielen Experten im Stellungnahmeverfahren ins Treffen geführt.

Diese Maßnahme stellt damit einen weiteren Mosaikstein türkis-blauer Politik gezielter irreführender „Symbol- und Inszenierungspolitik dar.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Anträge sind ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und erläutert und stehen somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Steinacker. Ich darf ihr das Wort erteilen.