10.38

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute gedenken wir eines großen Menschen, Politikers, aber auch eines großen Gewerkschafters, der weit über alle Parteigrenzen hinweg immer sehr geschätzt wurde und noch immer – das haben wir heute einmal mehr gehört – geschätzt wird. Warum? – Weil er dem Wesen der Politik durch sein Handeln, durch sein Sein eine große Portion Menschlichkeit eingehaucht hat. Er stand wie kaum ein anderer für das, was Österreich stark gemacht hat, und das, was Österreich heute noch stark macht, nämlich den Dialog, den Ausgleich, das Miteinander und die Sozialpartnerschaft.

Österreich, sehr geehrte Damen und Herren, war immer dann am stärksten, wenn wir zusammengehalten haben. Österreich war immer dann am stärksten, wenn wir gemeinsam an einem Projekt für die Zukunft gearbeitet haben, und Österreich war immer dann am stärksten, wenn wir alle Menschen in Österreich, unabhängig von Alter, Herkunft, Religion oder Geldbörsl, mitgenommen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch wenn wir heute über die Steuerreform diskutieren, geht es genau darum: Wie schaffen wir es, alle Menschen in Österreich in eine gute, in eine gerechte und lebens­werte Zukunft mitzunehmen? Das ist keine technische Frage, das ist keine Frage von Rechenbeispielen, nein, das ist eine hochpolitische Frage.

Sehr geehrte Damen und Herren! Bei diesem Thema haben wir eine Schieflage in Österreich, denn es sind die Arbeitnehmerinnen und die Arbeitnehmer, die derzeit in Österreich 80 Prozent der gesamten Steuerlast schultern. Als Ärztin kann ich Ihnen sagen: Wenn im Körper etwas aus dem Gleichgewicht ist, dann wird der Körper krank. (Abg. Kickl: Sehr biologistisch!) So ist es nicht nur mit einem Organismus, so ist es auch mit einer Gesellschaft. Genau deswegen ist es notwendig, für einen gerechten und fairen Ausgleich zu sorgen, der ein Gleichgewicht herstellt; aber das, was heute vorliegt, ist das eben nicht. (Abg. Kickl: Das war jetzt der Volkskörper!)

Einen Teil dieser Steuerreform, der uns besonders wichtig ist, bringen wir auch als Antrag ein, Stichwort Sozialversicherungsbonus. Ist es fair, dass es nur eine Gruppe betrifft, nämlich die Selbstständigen und die Bäuerinnen und Bauern, die ein Jahr früher als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unseres Landes eine Entlastung über ihre Sozialversicherungsbeiträge bekommen? – Nein, das ist nicht fair. (Abg. Haubner: Sagen Sie die Wahrheit!)

Wir machen genau heute einen konkreten Vorschlag, von dem nicht nur die genannten Gruppen, sondern alle in Österreich profitieren, alle Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer in Österreich (Beifall bei der SPÖ), und zwar nicht irgendwann, in einigen Jahren, sondern jetzt. Es geht aber noch weiter: Ein Kernpunkt unserer Steuerreform ist die Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Höhe von 5 Milliar­den Euro.

Wir wissen, dass unser Wirtschaftswachstum das Ergebnis der harten Arbeit der Österreicherinnen und Österreicher ist, und die Österreicher sollen auch von ihrer Arbeit gut leben können. Wir wissen auch Folgendes: Alles wird immer teurer, die Wohn- und Mietpreise verdoppeln sich, der Einkauf wird teurer, zum Leben bleibt immer weniger. Deshalb schlagen wir Maßnahmen vor, mit denen sich Arbeiten in Zukunft wieder mehr lohnen soll: mit einem Mindestlohn von 1 700 Euro österreichweit; und die ersten 1 700 Euro steuerfrei für alle, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Haubner.)

Was heißt das? Was heißt das für den einzelnen Arbeitnehmer? – Das bedeutet für alle Menschen in Österreich mehr als 1 100 Euro mehr in der Tasche im Jahr. Dieses Maßnahmenpaket soll nicht irgendwann kommen, sondern es soll schnell kommen und es soll treffsicher sein, denn die Prognosen der Wirtschaftsforscher sind eindeutig. Sie besagen eindeutig, dass unser Wirtschaftswachstum abflaut, und sie besagen, dass die Arbeitslosigkeit möglicherweise zum Ende des Jahres wieder steigen wird bezie­hungsweise in gewissen Altersgruppen wie den über 50-Jährigen schon wieder ge­stiegen ist. Ja, es war die Sozialdemokratie, sehr geehrte Damen und Herren, die bereits im März dieses Jahres genau auf diese ersten Prognosen aufmerksam ge­macht und vor dieser Entwicklung gewarnt hat.

Was haben Sie gemacht, sehr geehrte ÖVP und FPÖ? – Sie haben es ignoriert. Sie haben von Panikmache gesprochen, als wir im März dieses Jahres die ersten Wirt­schaftsforschungsprognosen herangezogen und gesagt haben, man muss jetzt gegen­steuern. Heute geben uns die Experten recht, und auch Sie geben uns recht, dass die Entwicklung eine ist, der wir gegensteuern müssen.

Nicht nur das: Wir wollen auch in die Wirtschaft investieren, wir wollen in jene Wirt­schaft investieren, die ganz gezielt Arbeitsplätze schafft, und wir wollen mit einer steuerlichen Entlastung von 1 Milliarde Euro genau jene Wirtschaftsbereiche stützen. Wir wollen die Wirtschaft stützen und die Beschäftigung dadurch stärken, dass der Konsum durch 1 700 Euro steuerfreie Mehreinnahmen angekurbelt wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Schaffen wir mehr Gerechtigkeit, und vor allem: Stärken wir unseren Zusammenhalt! Stärken wir unseren sozialen Frieden in Öster­reich, so wie es Rudolf Hundstorfer immer getan hat – aber nicht nur er, sondern auch viele seiner Kollegen auf Arbeitgeberseite, sehr geehrte ÖVP! Sie alle haben trotz aller politischen Unterschiede gemeinsam immer ein Ziel verfolgt: den sozialen Ausgleich in Österreich, den sozialen Frieden in Österreich und den gemeinsamen Fortschritt für ein gemeinsames, starkes Österreich. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.44

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Klubob­mann Wöginger. – Bitte.