12.06

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Bei dieser Fülle an Anträgen, die wir hier unter einem heute verhandeln, lege ich meinen Schwerpunkt ganz besonders auf einen sehr wichtigen Bereich, nämlich darauf, einen Schritt weiterzukommen, wenn es darum geht, Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Es kommt heute auch mein Antrag zur Aufwertung der persönlichen Assistenz zur Abstimmung. Da ihm im letzten Plenum schon einstimmig eine Frist gesetzt wurde, hoffe ich natürlich heute auch auf eine einstimmige Beschlussfassung dieses Antrages.

Schlafen gehen, wann ich will, die Toilette besuchen, wann ich muss, die Freizeit ge­stalten, wie ich mag – all das ist für mich und die meisten hier im Hohen Haus selbstverständlich. Daher sollten wir uns dafür einsetzen, dass es auch für Menschen mit Behinderung eine Selbstverständlichkeit wird, das eigene Leben selbstbestimmt führen zu können, und genau dafür braucht es die persönliche Assistenz. Ohne persönliche Assistenz müssen oft junge Menschen in betreuten Wohneinrichtungen leben oder sind rund um die Uhr von Familie und Freunden abhängig. Um diese Abhängigkeit zu beenden und betroffenen Menschen zu ermöglichen, aus dieser Abhängigkeit herauszutreten, genau aus diesem Grund haben wir, hat das Parlament 2008 die Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung beschlossen und sich dazu bekannt. Nur bei der Umsetzung – das ist wieder typisch österreichisch –, da hapert’s, denn es gibt neun verschiedene Bundes­länderlösungen, und jedes Bundesland kocht sein eigenes Süppchen.

Ich möchte Ihnen auch ein Beispiel geben. Es ist schlichtweg unverständlich und ein Chancenraub diesen Menschen gegenüber, wenn ein Mensch mit Behinderung in der Pflegestufe 4 zum Beispiel in Wien einen Anspruch auf eine persönliche Assistenz hat und dieselbe Person nur ein paar Kilometer weiter in einem anderen Bundesland, nämlich Niederösterreich, genau diese persönliche Assistenz nicht zur Verfügung hätte, weil sie von diesem Bundesland einfach nicht gewährt wird.

Aber auch die Situation in Wien hat sich drastisch verschärft, da die finanzierten Stundensätze, die für diese persönliche Assistenz bereitgestellt werden, seit 2008 – seit 2008, seit elf Jahren! – nicht mehr erhöht wurden und sich die Menschen dadurch für das ihnen zur Verfügung gestellte Geld immer weniger Assistenzstunden zukaufen können. Und dann kann man es sich aussuchen, um bei dem Beispiel zu bleiben, ob man sich eine persönliche Assistenz nimmt, um sich mit Freunden zu treffen oder um sich zu duschen beziehungsweise aufs WC zu gehen. Alles wird sich nicht mehr ausgehen, weil der Wert dieser Summe, die für die persönliche Assistenz zur Verfü­gung gestellt wird, einfach nicht mehr jener ist, der er vor elf Jahren gewesen ist.

Es ist unsere Aufgabe als Abgeordnete in diesem Hohen Haus, diese persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderung auch weiterhin zu gewährleisten und die Möglichkeiten auch noch auszubauen. Es gibt von Vorarlberg bis ins Burgenland gravierendste Unterschiede, und daher fordere ich auch in diesem Antrag – und ich bitte Sie da um Ihre Zustimmung – bundesweit einheitliche Lösungen. Kein Flickwerk, kein Fleckerlteppich über ganz Österreich: Ich will bundeseinheitliche Lösungen. Es braucht einen Rechtsanspruch auf persönliche Assistenz auch in der Freizeit und eine ausreichende Zahl an Betreuungsstunden sowie die dementsprechende Finanzierung.

Die persönliche Assistenz am Arbeitsplatz ist gewährleistet, das haben wir in Öster­reich umgesetzt, und diese kommt auch allen Menschen mit Behinderung zugute. Wir bräuchten diese Regelung nur eins zu eins zu übertragen und auf den Freizeitbereich auszudehnen, um da die vorherrschenden Chancenungerechtigkeiten entsprechend beseitigen zu können.

Daher ersuche ich Sie, Frau Sozialministerin Zarfl, sich dieses Beschlusses, den wir möglicherweise hier heute fassen werden, auch entsprechend anzunehmen und schnellstmöglich an die Arbeit zu gehen, damit diesen wichtigen und notwendigen Vorhaben nicht die Schubladisierung droht, wenn die neue Bundesregierung angelobt wird. Bitte setzen Sie die entsprechenden Schritte und Vorbereitungen schon vor der Angelobung einer neuen Bundesregierung!

Ich habe auch noch zwei weitere Punkte, die zu Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen beitragen können und auch werden, wenn wir sie heute gemeinsam beschließen. Es sind beides Abänderungsanträge zum Steuerreformgesetz, die wir gemeinsam mit dem Präsidenten des Österreichischen Behindertenrates Herbert Pichler ausgearbeitet haben.

Der erste Antrag handelt von steuerlichen Freibeträgen bei außergewöhnlichen Belas­tungen. Was sind außergewöhnliche Belastungen? – Unter anderem Kosten für Um­bauten am Pkw, damit man als mobilitätsbehinderter Mensch auch ohne öffentliche Verkehrsmittel – weil das oft nicht möglich ist – mit dem eigenen Pkw zur Arbeitsstätte kommen kann. Für diese außergewöhnlichen Belastungen hat es Freibeträge gege­ben. Nur sind diese Freibeträge seit 1988 – und das ist fast so lang, wie ich alt bin! – nicht mehr valorisiert worden, was de facto einen Wertverlust von 65 Prozent bedeutet. Um diesen Wertverlust zu beheben und für Menschen mit Beeinträchtigung und Behinderung genau diese Freibeträge für außergewöhnliche Belastungen anzupassen, bringe ich folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 984/A, Steuerreformgesetz 2020

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

In Artikel 1 („Änderung des Einkommensteuergesetzes 1988“) wird nach der Ziffer 14. folgende Ziffer 14a. eingefügt:

14a. § 35 Abs 3 lautet:

„(3) Es wird jährlich gewährt

bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von                      ein Freibetrag von Euro

25% bis 34% ............................................................            124

35% bis 44% ............................................................            164

45% bis 54% ............................................................            401

55% bis 64% ............................................................            486

65% bis 74% ............................................................            599

75% bis 84% ............................................................            718

85% bis 94% ............................................................            837

ab 95% ....................................................................             1.198.“

*****

Es ist eine trockene Materie, aber es hilft jedem Menschen mit Behinderung in unserem Land einen großen Schritt weiter.

Ein zweiter Antrag, den wir ebenfalls mit dem Präsidenten des Österreichischen Behin­dertenrates ausgearbeitet haben und der ebenfalls einen Abänderungsantrag zum Steuerreformgesetz darstellt – das heißt: mit dem Beschluss heute in Kraft treten könnte –, befasst sich mit der Streichung der Refundierung der NoVA. Im Jahr 2011 ist die Streichung der Refundierung der NoVA, leider wieder zulasten von Menschen mit Behinderung, durchgeführt worden. Das hat zu massiven finanziellen Mehrbelastungen dieser Gruppe geführt.

Norbert Hofer hat damals gesagt, dass das ein nächster Regierungsanschlag auf Behinderte sei, und genau deshalb ersuche ich heute speziell auch die Fraktion der Freiheitlichen, diesem Antrag zuzustimmen, um diese Verbesserung herbeiführen zu können. Ich möchte diesen Antrag jetzt ebenfalls verlesen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 984/A

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

In Artikel 12 („Änderung des Normverbrauchsabgabegesetzes“) wird nach der Ziffer 1. folgende Ziffer 1a. eingefügt:

1a. Nach § 3 Z 4 wird folgende Z 5 eingefügt:

„5. Vorgänge in Bezug auf Kraftfahrzeuge, die von Menschen mit Behinderungen zur persönlichen Fortbewegung verwendet werden, sofern der Mensch mit Behinderung eine eigene Lenkerberechtigung hat oder glaubhaft macht, dass das Kraftfahrzeug überwiegend für seine persönliche Beförderung benützt wird.

Die Behinderung ist durch die Eintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffent­licher Verkehrsmittel oder der Blindheit im Behindertenpass gemäß §§ 40 ff Bundes­behindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, in der geltenden Fassung, bzw. einen Ausweis gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960, in der geltenden Fassung, nachzuweisen.“

*****

Die Streichung der Refundierung der NoVA für Menschen mit Behinderung betrifft vor allem Menschen im ländlichen Bereich und sie betrifft vor allem NiedrigverdienerInnen. Für einen mobilitätsbehinderten Menschen ist ein eigener Pkw kein Luxusgut, sondern ganz einfach eine existenzsichernde Notwendigkeit. Deshalb bitte ich Sie: Gehen Sie bei diesen Anträgen mit! Die NoVA für diese Personengruppe als Luxussteuer zu be­handeln, ist nicht sachgerecht. Machen wir die Streichung der Refundierung gemein­sam rückgängig! – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)

12.16

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 984/A der Abgeordneten Wöginger, Fuchs, KollegInnen, betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuer­gesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Ge­bührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungssteuer­ge­setz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, das Elektrizitätsabgabegesetz, das Erdgasabgabegesetz, das Energieabgabenvergütungsgesetz, das Normverbrauchs­abgabegesetz, die Bundesabgabenordnung, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Amtshilfe-Durchführungsgesetz, das Alkoholsteuergesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Tabakmonopolgesetz 1996, das Punzie­rungsgesetz 2000, das Wohnbauförderungsbeitragsgesetz 2018, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Finanz­aus­gleichsgesetz 2017 geändert werden (Steuerreformgesetz 2020 – StRefG 2020), in der Fassung des Berichts des Budgetausschusses (687 d.B.) (TOP 2)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

In Artikel 1 („Änderung des Einkommensteuergesetzes 1988“) wird nach der Ziffer 14. folgende Ziffer 14a. eingefügt:

14a. § 35 Abs 3 lautet:

„(3) Es wird jährlich gewährt

bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von                     ein Freibetrag von Euro

25% bis 34% ............................................................            124

35% bis 44% ............................................................            164

45% bis 54% ............................................................            401

55% bis 64% ............................................................            486

65% bis 74% ............................................................            599

75% bis 84% ............................................................            718

85% bis 94% ............................................................            837

ab 95% …………………………………………………          1.198.“

Begründung

Da die Freibeträge im Einkommenssteuergesetz seit 1988 nicht valorisiert wurden, haben sie mittlerweile 65% ihres Wertes eingebüßt. Daher sind die Freibeträge ent­sprechend dem Wertverlust anzuheben. Die hier angegeben Werte entsprechen den Berechnungen, die der Österreichische Behindertenrat durchgeführt hat.“

*****

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Daniel Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 984/A der Abgeordneten Wöginger, Fuchs, KollegInnen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuer­gesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Ge­bührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungssteuer­gesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, das Elektrizitätsabgabegesetz, das Erdgasabgabegesetz, das Energieabgabenvergütungsgesetz, das Normverbrauchs­ab­gabegesetz, die Bundesabgabenordnung, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Amts­hilfe-Durchführungsgesetz, das Alkoholsteuergesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Tabakmonopolgesetz 1996, das Punzierungs­ge­setz 2000, das Wohnbauförderungsbeitragsgesetz 2018, das Gewerbliche Sozialver­siche­rungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Finanzausgleichs­gesetz 2017 geändert werden (Steuerreformgesetz 2020 – StRefG 2020), in der Fassung des Berichts des Budgetausschusses (687 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

In Artikel 12 („Änderung des Normverbrauchsabgabegesetzes“) wird nach der Ziffer 1. folgende Ziffer 1a. eingefügt:

1a. Nach § 3 Z 4 wird folgende Z 5 eingefügt:

„5. Vorgänge in Bezug auf Kraftfahrzeuge, die von Menschen mit Behinderungen zur persönlichen Fortbewegung verwendet werden, sofern der Mensch mit Behinderung eine eigene Lenkerberechtigung hat oder glaubhaft macht, dass das Kraftfahrzeug überwiegend für seine persönliche Beförderung benützt wird.

Die Behinderung ist durch die Eintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffent­licher Verkehrsmittel oder der Blindheit im Behindertenpass gemäß §§ 40 ff Bundes­behindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, in der geltenden Fassung, bzw. einen Ausweis gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960, in der geltenden Fassung, nachzuweisen.“

Begründung

Die Streichung der Refundierung der NoVA für Menschen mit Behinderungen hat zu einer massiven finanziellen Mehrbelastung geführt, die teilweise die Selbstständigkeit von Menschen mit Behinderungen verunmöglicht hat. Dies betrifft vor allem den ländlichen Bereich und es betrifft NiedrigverdienerInnen. Das führt sogar dazu, dass mobilitätsbehinderte Menschen, welche öffentliche Verkehrsmittel nicht benützen kön­nen, sich Sorgen machen müssen, ob und wie sie in Zukunft ihren Arbeitsplatz (meist mit niedrigem Gehalt) erreichen können.

Für einen mobilitätsbehinderten Menschen ist ein eigener PKW kein Luxusgegenstand, sondern eine existenzerhaltende Notwendigkeit. Daher ist die NoVA als Luxussteuer für diese Personengruppe nicht sachgerecht.

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Die beiden Abänderungsanträge wurden ord­nungs­gemäß eingebracht, sind ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Angerer. – Bitte, Herr Abge­ordneter.