16.59

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Justizminister! Bei allem Respekt vor Ihrem – nennen wir ihn akademi­schen – Zugang zur Fragestellung und zu den Dingen, die Gegenstand dieser Dring­lichen Anfrage sind: Es geht hier nicht um eine rechtstheoretische Vorlesung, und es geht hier nicht darum, uns zu erklären, wie sich die gesetzliche Lage in Österreich in welchen konkreten gesetzlichen Materien widerspiegelt.

Wie diese Regelungen ausschauen, wissen wir alle. Dass die Unschuldsvermutung ein hohes Gut ist, wissen wir alle. Dass Verfahren nicht in der Öffentlichkeit geführt wer­den – sollen, sage ich dazu –, wissen wir alle. Wir wissen alle, dass Details irgend­welcher Ermittlungshandlungen nicht Gegenstand des Plenums hier sein können und sollen. Ich würde mich im Übrigen sehr darüber freuen, wenn der Justiz- und der Er­mittlungsapparat insgesamt von sich behaupten könnten, derartig dicht und geschlos­sen zu sein, dass wir über diese Dinge gar nicht zu diskutieren bräuchten. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Nehammer.)

Worum es aber geht, ist aus meiner Sicht doch etwas ganz anderes: Es geht auch um eine Form von Problembewusstsein, Herr Justizminister, und da frage ich Sie schon: Stört Sie das nicht? Stört Sie das nicht, dass hier – und jetzt bin ich weit davon entfernt, ein Adorant des Peter Pilz zu sein; ich glaube, uns trennt viel, viel mehr, als uns verbindet – ganz klar und für jeden nachvollziehbar problematische personelle Ver­bindungen aufgezeigt werden, problematische Verbindungen zwischen Ermittlungsbe­hörden und dem Gegenstand der Ermittlung: der ÖVP? Stört Sie das nicht?

Das muss ich Sie fragen, und da hätte ich mir schon, abseits von Ermittlungsdetails, auch eine Auskunft von Ihnen erwartet. Da kann man doch nicht einfach zur Tages­ordnung übergehen! Selbst wenn sich alle Beamten dort drinnen hochgradig korrekt verhalten, so müssten Sie doch alles unternehmen, um das Restrisiko auszuschalten, um zu verhindern, dass überhaupt ein Anschein der Befangenheit im Zusammenhang mit so brisanten Ermittlungen entsteht. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Optik ist doch katastrophal, wenn man feststellt, dass Teile der Ermittlungs­be­hörden ausgerechnet jene Leute sind, die laut Ergebnis des Untersuchungs­ausschus­ses eindeutig ÖVP-Netzwerken zuzuordnen sind. Das heißt, die ÖVP ermittelt gegen sich selbst. Um in der Diktion der Volkspartei zu bleiben: Das reicht dafür, einen Minis­ter abzuservieren, auch wenn es dort nicht der Fall gewesen ist. (Abg. Neubauer: So ist es!) Da aber ist es eine Selbstverständlichkeit und niemanden in der Republik stört es. – Und auch Sie, Herr Justizminister, verlieren dazu kein Wort.

Ich kann mich nicht damit abfinden, dass man sagt: Da kann ich nichts machen, das geht mich nichts an, denn das ist die Zuständigkeit des Innenministers. Wenn der Innenminister hier gewesen wäre, hätte er gesagt, da kann ich nichts machen, das geht mich nichts an, denn das ist die Zuständigkeit des Justizministers. (Zwischenruf des Abg. Gerstl.) So drehen wir uns bei all diesen Dingen permanent im Kreis und erhalten damit eine problematische Struktur in diesem Land aufrecht, die man in Wahrheit im Interesse der politischen Hygiene und der Rechtsstaatlichkeit, die Ihnen so sehr am Herzen liegt, wie ich in Alpbach vernommen habe, zerschlagen müsste. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Gerstl: Unglaublich!)

Jetzt gebe ich Ihnen nur ein Beispiel dafür, wie man es machen könnte. Als ich als Minister gefragt wurde: Wie soll das mit Ermittlern im Zusammenhang mit der BVT-Affäre gehen?, habe ich zur Staatsanwaltschaft gesagt: Die Staatsanwaltschaft sucht sich diese Ermittler aus, der Minister bestimmt nicht und es wird jede Form von Weisungs- und Informationszusammenhang zum Ministerium gekappt, damit nicht der geringste Anschein entsteht, dass da in irgendeiner Art und Weise Einfluss genommen wird.

Warum wird dieser Weg in diesem Fall nicht beschritten? – Sie könnten das Restrisiko schon in hohem Maße ausschalten, wenn Sie so vorgehen würden. Das ist eine Frage der Hygiene im System, das ist eine Frage der rechtsstaatlichen Kultur, das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit der Ermittlungsbehörden insgesamt. Ich glaube, Herr Justizminister, dass es im Bereich der Ermittlungsbehörden so viele Baustellen gibt – ich denke nur an den Stellungskrieg der Staatsanwaltschaften gegeneinander –, dass es eigentlich unverantwortlich ist, wenn man so einfache Maßnahmen auslässt, mit denen man einen Beitrag zu mehr Sauberkeit leisten könnte. (Beifall bei der FPÖ.)

Dabei rede ich noch gar nicht von anderen Befangenheiten im Zusammenhang mit der Soko. Wir haben ja auch schon von anderen Befangenheiten gehört. Ein Ermittler ist wegen eines SMS im Zusammenhang mit H.-C. Strache abgezogen worden. Wenn ich aber Medienberichten glauben darf, gibt es ja noch andere Ermittler, zum Beispiel einen Ermittler, der in der Vergangenheit im Zusammenhang mit anderen Aktivitäten des Kriminalamtes quasi Führungsoffizier von einem der Herrschaften, der jetzt als Beschuldigter im Ibizaverfahren geführt wird, war, weil dieser nämlich dort tätig ge­wesen ist. Also da ermittelt ein ehemaliger Führungsoffizier gegen jemanden, den er in der Vergangenheit geführt hat. – Ja, wenn das keine Befangenheit ist, dann weiß ich nicht!

Nach meinem Wissensstand weiß das Innenressort darüber Bescheid. Warum passiert da nichts oder warum erfahren wir nicht, dass da Konsequenzen gezogen werden? – Also ehrlich gesagt, um die Rechtsstaatlichkeit sieht es in diesem Bereich nicht gut aus.

Jetzt noch etwas, und das ist ein wichtiger Hinweis, Kollege Lugar hat es gesagt: Bei der Frage, die wir heute diskutieren, müssen wir die Frage nach dem Inhalt: Ist dieser echt oder unecht?, von der Frage: Wie ist man zu diesen Inhalten gekommen?, tren­nen. Da sind wir dann beim berühmten Hacker, den es geben kann oder auch nicht, der in diesem oder in jenem Auftrag gearbeitet hat.

Das sind zwei Paar Schuhe! Das ist etwas ganz anderes. Jetzt nehmen Sie einfach eine kurze Parallelverschiebung vor und denken Sie an die Ibizaermittlungen. Ich habe heute gehört, diese Hackeraffäre sei ein großer Anschlag auf die Republik. – Ja, was ist es denn dann, wenn man auf Ibiza einen Lauschangriff auf zwei politische Re­präsentanten dieser Republik organisiert? Was ist das dann? – Ich glaube, auch das ist ein großer Angriff auf die Republik. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt wollen wir vergleichen, was dort und was da passiert ist: Im einen Fall stürzt sich der gesamte Ermittlungsapparat in Windeseile und mit allem, was man hat, auf die Hintermänner. Bei Ibiza waren die Hintermänner völlig wurscht. Bei Ibiza hat man gesagt: Es ist nur der Inhalt des Videos relevant, nämlich was Strache dort gesagt hat. Hat das stattgefunden? Da müssen wir die Untersuchungen hinlenken, das steht im Fokus der Ermittlungen.

Bei der ÖVP dagegen ist der Inhalt völlig wurscht. Dabei geht es darum, ob da sozu­sagen zum wiederholten Male ein Anlauf genommen worden ist, um diese Wahlkampf­kostenbegrenzung zu überschreiten. Warum ist das eine Mal der Inhalt so wichtig und das andere Mal vollkommen wurscht? – Da merkt man schon, dass es in dieser Republik eine Schieflage gibt. (Beifall bei der FPÖ.)

Da fällt dann doch auf, dass die ÖVP in diesem Wahlkampf seit Beginn an einer Immunisierungsstrategie arbeitet. Als Sebastian Kurz, um nur ein Beispiel zu nennen, aus dem Silicon Valley zurückgekommen ist, hat er nichts Besseres zu tun gehabt, als in den Medien lang und breit zu erklären, was er dort darüber gelernt hat, was man alles fälschen und manipulieren kann: Alle Fotos kann man bearbeiten, Videos kann man bearbeiten, E-Mails kann man fälschen, alles kann man fälschen. – Das ist der Teil, den ich als Immunisierungsstrategie bezeichnen würde.

Da immunisiert man sich vorab, falls etwas von den Dingen, die einem selbst unan­genehm sind, auffliegen sollte. Da dürfen Sie sich nicht wundern, wenn es nach diesen Aussagen des Sebastian Kurz eine ausgeprägte Skepsis gibt. Auch nach der Schred­derei, als sie wiederholte Male die Unwahrheit gesagt haben und dann erst Stück für Stück mit der Wahrheit herausgekommen sind, oder nach den Spendenlisten, die sie erst dann der Öffentlichkeit präsentiert haben, als die Medien schon hinter ihnen her gewesen sind, dürfen Sie sich nicht wundern. All das sind keine Beiträge zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann fällt mir noch eine Sache ein: die berühmte E-Mail-Affäre. Die ist mir wieder eingefallen, als ich mir diese Causa mit dem Hacker angesehen habe. Da hat es im Juni 2019 Berichte eines investigativen Mediums gegeben, dass offenbar im Frühjahr Mails von ÖVP-Spitzenpolitikern möglicherweise durch einen Hacker, auf jeden Fall durch jemanden, der nicht dazu befugt war, abgesaugt worden sind.

Abgesaugt worden sind sie, diesem investigativen Medium zufolge, offenbar aus dem Bereich der Agentur zur Modernisierung der Ukraine. Das ist ein interessanter Verein: Da spielt Herr Spindelegger eine Rolle, da gibt es Verbindungslinien zu einem ge­wissen Herrn Firtasch – so viel zu den wirklichen Verbindungen zu irgendwelchen Oligarchen. Die sind nicht dahererzählt, die gibt es wirklich. Aus diesen Mails könnte man ein Wissen über das Ibizavideo von ÖVP-Spitzenpolitikern zumindest zum Zeit­punkt Beginn des Jahres 2018 ableiten.

Ich finde das ausgesprochen interessant, weil diesem Medium zufolge am 14.6. eine entsprechende Anfrage an die betroffenen ÖVP-Politiker gestellt wurde. Das war am 14.6. Und siehe da, was zwei, drei Tage später passiert: Die übliche Vorwärts­be­we­gung: eine Fälschung!, wird in die Öffentlichkeit hinausgetragen. Eine Fälschung. Das war dann das berühmte Gutachten über die gefälschten Mails, aus dem im Übrigen nicht hervorgeht, dass sie gefälscht sind – das sage ich nur dazu.

Deswegen meine Frage an den nächsten Redner der ÖVP – das kann nur die ÖVP beantworten –: Können Sie ausschließen, dass jemals zu irgendeinem Zeitpunkt Teile der ÖVP-Kommunikation über einen Server oder über die Infrastruktur der Agentur zur Modernisierung der Ukraine gelaufen sind? Können Sie das ausschließen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Sie können ja geglaubt haben, dass das möglicherweise ein sicherer Kommunikationskanal ist. Und wenn Sie das ausschließen können, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann sagen Sie mir bitte, wer von Ihnen oder wer in der Parteispitze zurücktritt, falls sich diese Ihre Aussage als unwahr erweist! (Beifall bei der FPÖ.)

17.10

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Griss. – Bitte.