9.08

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Guten Morgen, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister Jabloner! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! In wenigen Tagen – Sie wissen es alle – wählen wir in Österreich. In wenigen Tagen entscheiden wir, in welche Richtung Österreich nach dem 29. September gehen wird. Ich will diese heutige letzte Nationalratssitzung vor der Wahl dazu nutzen, Klar­heit zu schaffen – Klarheit zu schaffen zu einem Thema, zu dem in den letzten 18 Mo­naten - - (Unruhe im Saal.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte um Ruhe!

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (fortsetzend): Das ist ein Thema, zu dem in den letzten 18 Monaten sehr, sehr wenig gesagt und noch weniger bis gar nichts getan wurde. Heute werden wir ein für alle Mal klären, welche Parteien leistba­res Wohnen in Österreich wirklich fördern wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Heute werden wir klären, welche Partei die Mieten für die Österreicherinnen und Öster­reicher tatsächlich senken will und welche Partei die Mieterinnen und Mieter tatsächlich entlasten will.

Da gab es in den letzten Wochen und Tagen eine Debatte im Wahlkampf; wir haben das genau verfolgt: Da war zum Beispiel ein plötzlicher Meinungsschwenk aufseiten der ÖVP. Ja, die ÖVP hat sich in den letzten Wochen offenbar doch dazu bereit erklärt, unserer Initiative zuzustimmen und die Maklerprovisionen für Mieterinnen und Mieter abzuschaffen, weil die Makler ja von den Vermietern beauftragt werden.

Ehrlich gesagt hatte ich kurz die Hoffnung, dass der Wahlkampf, entgegen eines an­derslautenden Zitats, vielleicht doch die Zeit der fokussierten Einsicht wäre. (Abg. Be­lakowitsch: Distanzieren Sie sich jetzt vom Herrn Bürgermeister?) Wir Sozialdemokra­tinnen und Sozialdemokraten haben das nicht erst im Wahlkampf gesagt und haben keinen Meinungsschwenk vollzogen, nein, wir haben diese Einsicht und diese Haltung seit vielen, vielen Jahren, wir sagen: Die Maklerprovision sollen jene zahlen, die den Makler beauftragen, nämlich die Vermieter und Vermieterinnen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Wie aber ist die Situation in Österreich? Schauen wir uns das an! Wer zahlt die Makler­provision in der Regel? – Es sind die Mieterinnen und die Mieter. Der Vermieter beauf­tragt, die Mieter zahlen. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Sehr geehrte Damen und Herren, das ist eine verkehrte Welt! Das ist nicht gerecht und deswegen werden wir das auch nicht weiter unterstützen. (Abg. Belakowitsch: Wirklich?)

Was Ihre Versprechungen der letzten Tage und Wochen wert sind, meine sehr geehr­ten Damen und Herren von der ÖVP, hat erst die letzte Woche hier im Hohen Haus einmal mehr bewiesen: ÖVP und FPÖ waren letzte Woche in diesem Hohen Haus nicht auf der Seite der Mieterinnen und der Mieter. Sie waren nicht auf der Seite junger Familien, die auf Wohnungssuche sind, weil ein Kind dazugekommen und die Woh­nung zu klein geworden ist, junger Studentinnen und Studenten oder auch der Men­schen in Lehre, die von zu Hause ausziehen, um sich ein neues, kleines Zuhause in der Stadt oder in der nächsten Gemeinde zu suchen. Offenbar ist die FPÖ hier nur auf der Seite eines einzigen Mieters, nämlich jener ihres ehemaligen Parteivorsitzenden H.-C. Strache (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Deimek), den sie durch 2 500 Euro bei seiner persönlichen Miete entlastet. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Sehr geehrte ÖVP und FPÖ, Sie scheinen hier ganz klar auf einer Seite zu stehen, nämlich auf jener der Vermieter und der Hauseigentümer. Ja, trotz aller Bekundungen und Versprechungen, auch seitens der Spitzenkandidaten, haben ÖVP, FPÖ und auch NEOS letzte Woche unserem Antrag auf Abschaffung der Maklerprovision für Mieterin­nen und Mieter nicht zugestimmt. (Abg. Haubner: ... zu kurz gegriffen!) Sie haben ihn abgelehnt, einfach abgelehnt. Vorher versprochen, dann gebrochen – einfach abge­lehnt oder auf die lange Bank geschoben, weil Sie einen Antrag eingebracht haben, der in einem Ausschuss behandelt werden muss, dem Sie aber auch nicht zugestimmt haben. Das ist nicht ehrlich, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Daher zeigt sich einmal mehr, dass in der Frage des leistbaren Wohnens wie immer die SPÖ der verlässliche Partner (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ – Abg. Be­lakowitsch: Ja, vor allem in Wien!) für die Bürgerinnen und Bürger in Österreich ist. Wir standen immer und wir werden immer auf der Seite der Mieterinnen und der Mieter in Österreich stehen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Schrangl und Wöginger.)

Ich sage Ihnen, bei meiner Tour, bei meinem Wahlkampf in den letzten achteinhalb Wochen durch neun Bundesländer, durch ganz Österreich habe ich vielen Menschen zugehört, und das Thema des leistbaren Wohnens ist eines, das immer wieder kommt. Es sind vor allem junge Familien in Tirol, in Innsbruck, die mir das vermehrt mitgeteilt haben; auch junge Frauen, die sagen, dass sie fast die Hälfte ihres gesamten Fami­lieneinkommens mittlerweile für ihre Wohnkosten und ihre Mietkosten benötigen (Abg. Belakowitsch: Ist das nicht eine Schande für die SPÖ?) und dass kaum mehr Geld fürs tägliche Leben bleibt. Das halbe Familieneinkommen (Zwischenruf des Abg. Wö­ginger) für ein Dach über dem Kopf im Jahre 2019! Sehr geehrte Damen und Herren, das ist inakzeptabel, weil leistbares Wohnen kein Luxus sein darf! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Es ist ein zentrales Thema. Es klingt technisch und es klingt vielleicht banal, aber es ist eines der zentralsten Dinge im Leben eines Menschen. Es ist nicht nur eine Kosten­frage, es ist eine Frage von Lebenschancen. Es ist eine Frage, die bestimmt, wie sicher ein Kind vom ersten Tag seines Lebens an aufwachsen kann, ob es ein sicheres Dach über dem Kopf hat, ob es eine warme Wohnung hat und ob es auch genügend Wohnraum für sich zur Verfügung hat, in dem es aufwachsen und sich seinem Kind­sein widmen kann. Dieses sichere Dach über dem Kopf entscheidet – und das sagen viele, viele Expertinnen und Experten – ganz wesentlich darüber, ob ein Kind erfolg­reich, selbstbestimmt und in Sicherheit aufwachsen kann.

Ich kann das aus eigener Erfahrung sagen, denn meine Ausgangssituation mit einer sehr jungen, 19-jährigen alleinerziehenden Mutter in den Siebzigerjahren war auch nicht die beste. Eines war aber essenziell: Es war das sichere Dach über dem Kopf, das ich in Favoriten durch eine Gemeindebauwohnung hatte. Sie war leistbar für meine Mutter, sie war warm, sie war groß genug und sie war sicher. Das war mein Nest, das war Geborgenheit, sehr geehrte Damen und Herren! Das war mein Start ins Leben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Und warum haben Sie’s abgeschafft, das Nest in Wien? Warum gibt’s das nicht mehr?)

Es geht darum, Wohnen nicht nur als Spekulationsgeschäft zu sehen, sondern eben als das, was es ist: ein sicherer Start ins Leben, eine Sicherheit und eine Chance, die wir allen Kindern in Österreich, nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in Zu­kunft, geben müssen, sehr geehrte Damen und Herren, damit sie sorgenfrei Kinder sein können und sich ihrem Kindsein widmen können.

Dafür haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten seit Langem und nicht erst in diesem Wahlkampf ein konkretes Programm vorgelegt. Wir sind für die Abschaf­fung der Mietensteuer, denn die Österreicherinnen und Österreicher können wir durch diese Abschaffung schnell und wirksam entlasten. Wir können ihnen eine Monatsmiete im Jahr dadurch ersparen. Streichen wir die Mietensteuer! (Beifall bei der SPÖ.)

Für Wohnungseigentümer, für Wohnungsbesitzer und Hausbesitzer soll es einen Wohnbonus von 500 Euro im Jahr als Entlastung geben. Auch das ist sicher und vor allem wirksam.

Drittens: Schaffen wir die Maklergebühren für die Mieterinnen und Mieter ab! Das habe ich am Anfang schon gesagt.

Selbst dann stellt es sich oft so dar, dass Vermieter viel zu hohe Betriebskosten und Mieten einstreifen, und das ist derzeit straffrei. Das sehe ich nicht ein. Führen wir Stra­fen für Mietwucher ein, sehr geehrte Damen und Herren, um diesem Spuk ein Ende zu setzen! (Beifall bei der SPÖ.)

Schaffen wir endlich ein zeitgemäßes, modernes Mietrecht mit klaren, transparenten Zu- und Abschlägen auf der Seite der Mieterinnen und der Mieter, ein Gesetz, in dem klar geregelt ist, wie Abschläge und Zuschläge funktionieren, ein modernes Mietrecht für alle Wohnungen und nicht nur für Altbauten!

Und: Fördern wir den öffentlichen Wohnbau, sehr geehrte Damen und Herren! Das ist ein Garant für leistbares Mieten, denn wir wissen, der größte Preistreiber im Bereich des Wohnens ist der private Wohnungsmarkt. Deswegen will ich eine Widmungskate­gorie, eine Flächenwidmungskategorie für leistbaren und sozialen Wohnbau verfas­sungsrechtlich absichern, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (fortsetzend): Es wird Sie nicht ver­wundern, die nächsten Rednerinnen und Redner werden sich vor allem um eines küm­mern, nämlich darum, die Stadt, die sowohl in Österreich als auch im internationalen Vergleich das leistbarste Wohnen für ihre Bürgerinnen und Bürger anbietet, zu bashen. Es wird Wien sein, das in den künftigen Reden der anderen Parteien gebasht wird.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (fortsetzend): Ich kann Ihnen nur sa­gen, das liegt mir am Herzen: Wohnen darf kein Luxus sein! (Beifall bei der SPÖ.) Sa­gen Sie den Österreicherinnen und Österreichern, sehr geehrte Damen und Herren, wofür Sie stehen! Zeigen Sie ihnen, dass Sie mit uns den Weg des leistbaren Woh­nens gemeinsam gehen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.18

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf den Vizekanzler der Republik recht herz­lich im Hohen Haus begrüßen und ihm sogleich das Wort erteilen. – Herr Vizekanzler, Sie haben das Wort.