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Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Minister! Geschätzte Frau Ministerin! Hohes Haus! Geschätzte Zusehe­rinnen und Zuseher! Dieses Gewaltschutzpaket, das hier im Schnelldurchlauf durchge­peitscht werden soll, spricht Bände über diese zynische Politik der ÖVP und der FPÖ der letzten zwei Jahre. Es ist für alle Frauen, die von Gewalt betroffen sind, sprichwört­lich ein Schlag ins Gesicht.

Meine Damen und Herren! Sie ignorieren ExpertInnen, Sie ignorieren Wissenschaft­lerInnen, Sie ignorieren all jene, die sich mit Opfern beschäftigen; viele von ihnen warnen vor diesem Gewaltschutzpaket. Es warnen auch erfahrene RichterInnen, es warnen RechtsanwältInnen, ja sogar der Präsident der Rechtsanwaltskammer, Herr Dr. Wolff, hat von einem massiven, gefährlichen Rückschritt in vergangene Zeiten ge­sprochen. Sogar unser Justizminister spricht hinsichtlich von Teilen dieses Gesetzent­wurfes von einem zivilisatorischen Rückschritt.

Meine Damen und Herren! Diese geplanten Straferhöhungen werden nicht dazu führen (Abg. Deimek: Was sollen wir sonst machen ...?), dass mehr Personen verurteilt wer­den. Sie werden auch nicht dazu führen, dass an unseren strukturellen gesellschaftli­chen Problemen etwas verändert wird. Sie werden auch nicht dazu führen, dass die Täter von Verbrechen abgeschreckt werden, denn es gibt zig Studien, die belegen, dass sich der Vergewaltiger zum Zeitpunkt der Vergewaltigung nicht die Frage stellt: Kriege ich jetzt ein halbes Jahr oder ein Jahr dafür? – Ganz im Gegenteil, sehr oft passiert es, dass Täter und Opfer in einer Nahebeziehung stehen. Das heißt, wenn die Frau, die von Gewalt betroffen ist, das Gefühl hat, dass ihr Mann oder ihr Vater für lange Zeit eingesperrt wird, wird das auch dazu führen, dass sie unter Druck gesetzt wird und letzten Endes nicht Anzeige erstattet.

Unterhalten wir uns einmal kurz über diese Verurteilungsraten. Wir wissen, dass die Verurteilungsraten in Österreich für alle strafbaren Formen von Gewalt gegen Frauen zu niedrig sind. In den letzten Jahren sind diese Verurteilungsraten sogar zurückge­gangen. Woran liegt das? – Es liegt nicht daran, dass Gesetze fehlen oder dass wir zu laxe Gesetze haben, sondern es hapert sehr oft an der Umsetzung.

Die bereits existierenden Strafrahmen werden bei Weitem nicht ausgenutzt, und wir wissen auch, woran das liegt. Es liegt an zwei Sachen: Es liegt letzten Endes an der Ressourcenknappheit in der Justiz – wir wissen, dass Beweismittel nicht rechtzeitig aufgenommen werden können, dass ZeugInnen nicht vernommen werden können – und wir wissen auch, es liegt daran, dass es zu wenig Sensibilisierungsmaßnahmen und zu wenig Schulungen in diesem Bereich gibt. Viele Verfahren, meine Damen und Herren, werden eingestellt, und genau deswegen gibt es keine Verurteilungen.

Unterhalten wir uns aber auch noch ganz kurz über die Anzeigepflicht, die in diesem Paket vorgesehen ist. Wir wissen auch, dass viele dieser Frauen oft die Arztpraxis oder das Krankenhaus als erste Anlaufstelle haben. Wir wissen, dass sie dort Schutz su­chen, dass sie dort medizinische Hilfe bekommen, und wir wissen, dass sie dort auch eine kurze Auszeit bekommen. Wenn sie jetzt fürchten müssen, dass bei jeder medi­zinisch notwendigen Untersuchung auch gleichzeitig eine Anzeige erstattet wird, dann besteht natürlich die Gefahr, dass diese Frauen unter Druck gesetzt werden und letz­ten Endes nicht die medizinisch notwendige Hilfe in Anspruch nehmen.

Meine Damen und Herren! Wenn wir tatsächlich etwas ändern wollen, wenn wir uns tatsächlich der Gewalt an Frauen annehmen wollen, dann müssen wir über die Macht­verhältnisse sprechen. Wir müssen über Sexismus reden, wir müssen über die gefähr­lichen Folgen patriarchaler Strukturen sprechen, wir müssen also diese gesellschaftli­chen Ursachen für Gewalt an Frauen ansprechen. Letzten Endes müssen wir auch über die soziale Frage reden, denn die Freiheit und Sicherheit von Frauen ist immer auch eine soziale Frage. Die Befreiung von Frauen aus ökonomischen Abhängigkeiten ist auch eine Aufgabe, derer sich der Staat annehmen sollte. (Beifall bei der SPÖ so­wie der Abg. Cox.)

Meine Damen und Herren! Eine Politik, die Gewaltschutz konsequent ernst nimmt, muss gesamtgesellschaftlich gedacht werden. Wir brauchen ganz dringend eine finan­zielle Aufstockung im Frauenministerium, eine finanzielle Aufstockung in der Justiz, aber wir müssen uns auch darüber unterhalten, dass Täterarbeit und Opferschutz fi­nanziell ausreichend ausgestattet werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Griss und Cox.)

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