Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) leistet der Einladung des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen gerne Folge und gibt zur Bürgerinitiative zum „Schutz der europäischen Stahlindustrie & Industriearbeitsplätze“ folgende Stellungnahme ab:

Bereits vor Einbringung in den Nationalrat am 11. Oktober 2016 unterstützten über 23.000 BürgerInnen diese Initiative mit ihrer Unterschrift, damit gehörte diese Bürgerinitiative zu den erfolgreichsten der letzten Legislaturperiode. Die erstmalige Behandlung im zuständigen parlamentarischen Ausschuss erfolgte am

18. Jänner 2017. Bei der Beurteilung der konkreten Forderungen sind daher die seither eingetretenen Entwicklungen zu berücksichtigen.

Nach wie vor sind hunderttausende Arbeitsplätze in der EU durch unfaire Handelspraktiken in Drittstaaten bedroht. Um diese Arbeitsplätze zu erhalten, einen fairen Handel und Wettbewerb zu gewährleisten sowie den Industriestandort Europa zu sichern und zu stärken, bedarf es effektiver handelspolitischer Schutzinstrumente.

Wirksame Antidumping-Instrumente sind für den Weiterbestand und die Weiterentwicklung des europäischen Stahlsektors und anderer Grundstoffindustrien (z.B. Kunststoff, Aluminium, Papier) sowie einer großen Anzahl weiterer Branchen (z.B. Automobil-, Textil- und Elektroindustrie, Maschinen- und Anlagenbau, Umwelttechnologie) und der damit zusammenhängenden Wertschöpfungsketten (Zulieferbetriebe, industrienahe Dienstleistungen und Forschung) essenziell.

Aus diesen Gründen unterstützt der ÖGB die in dieser Bürgerinitiative formulierten Anliegen.

Zur 1. Forderung

Im Hinblick auf die Frage, ob der Volksrepublik China im Rahmen der WTO der Status einer Marktwirtschaft zuerkannt wird, hat die Europäische Union mit der im Dezember 2017 verabschiedeten Neufassung der Antidumping-Grundverordnung reagiert.

Auf den Punkt gebracht, ist für Antidumping-Verfahren nun nicht mehr entscheidend, ob ein Drittland als Marktwirtschaft im Rahmen der WTO gilt oder nicht. Die neue Antidumping-Grundverordnung definiert nun Prüfkriterien für marktverzerrende Mechanismen, die für alle Drittländer gleichermaßen gelten.

Aus Sicht des ÖGB ist es ein schwerwiegendes Versäumnis, dass die Missachtung von ILO-Kernarbeitsnormen oder internationaler Umweltübereinkommen nicht verpflichtend zur Beurteilung von Marktverzerrungen herangezogen wird. Gerade die Missachtung von Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards ermöglicht jenes Preisdumping, das Arbeitsplätze in der europäischen Industrie, den Zulieferbetrieben und den industrienahen Dienstleistungen bedroht.

Zur 2. Forderung

Der Sinn von Antidumping-Maßnahmen ist es, faire Wettbewerbsbedingungen herzustellen. Während in Europa und insbesondere in Österreich Stahl, Aluminium und viele weitere Produkte von gut bezahlten MitarbeiterInnen klima- und energieeffizient hergestellt werden, sind anderswo Umwelt- und arbeitsrechtliche Standards auf einem weit niedrigeren Niveau, dazu kommen Preisverzerrungen aufgrund staatlicher Subventionen.

In den auf Basis eines Kommissionsvorschlages aus dem Jahr 2013 auf europäischer Ebene laufenden Verhandlungen zur Modernisierung der handelspolitischen Schutzinstrumente („trade defense instruments“, TDI) spielt das Thema „Lesser Duty Rule“ („Regel des niedrigeren Zolls“) eine zentrale Rolle.

Aus Sicht des ÖGB führt die defacto nur von der Europäischen Union angewandte (und im Rahmen der WTO nicht einmal verpflichtende!) Regel des niedrigeren Zolls dazu, dass – wie der Name schon sagt – Schutzzölle gegen Dumpingimporte aus Drittländern im Vergleich zu anderen WTO-Ländern deutlich niedriger sind. Daher können diese Maßnahmen ihre volle Wirkung nicht entfalten, da die festgestellte Dumpingmarge nicht zur Gänze ausgeglichen wird.

Um einen fairen Welthandel voranzutreiben, braucht es zielgerichtete Antidumping-Maßnahmen in entsprechender Höhe, um die durch unfairen Wettbewerb hervorgerufenen Preisdifferenzen auszugleichen. Die Anwendung der „Regel des niedrigeren Zolls“ steht diesem Ziel entgegen.

Der ÖGB fordert daher mit Nachdruck, die Anwendung der „Regel des niedrigeren Zolls“ maximal einzuschränken, um europäische Industriearbeitsplätze zu schützen.

 

Mit besten Grüßen

 

Erich Foglar                Mag. Bernhard Achitz

Präsident                    Leitender Sekretär


Österreichischer Gewerkschaftsbund

A-1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1

U2 und 77A, Station Donaumarina

Tel.  Nr.: + 43 1 534 44-39006

E-mail: bernhard.achitz@oegb.at

URL: http://www.oegb.at

www.facebook.at/oegb

ZVR-Nr.: 576439352