Stellungnahme zu den Bürgerinitiativen „#FAIRÄNDERN“ (54/Bl) und „Abtreibungsverbot in Österreich“ (56/BI)

 

Als aktuelle schwangere Frau möchte ich zu den derzeit im Parlament behandelten Bürgerinitiativen „#FAIRändern“ und „Abtreibungsverbot in Österreich“ Stellung nehmen, da die Perspektive betroffener Frauen in den bisherigen Stellungnahmen meiner Meinung nach zu kurz kommt:

Meine Schwangerschaft war ungeplant und ungewollt, sie ist – wie bei sehr vielen anderen Menschen auch – durch einen Verhütungsunfall entstanden. In den ersten Wochen war ich von dieser Entwicklung schockiert, überfordert und verzweifelt. Ich habe viele Wochen damit verbracht, jeden Tag über meine Situation und meine Möglichkeiten nachzudenken, alle mir zur Verfügung stehenden Optionen zu recherchieren und abzuwägen und mit Menschen, die mir nahe stehen, über meine bevorstehende Entscheidung zu reflektieren. Ich habe mich schließlich dazu entschieden, das Kind zu bekommen. Diese Entscheidung fühlt sich jetzt richtig an, ich bin damit im Reinen.

Ich kann nicht stark genug betonen, wie wichtig es für mich dabei war, diese lebensveränderte Entscheidung in Ruhe und wirklich frei treffen zu können. Erst die Gewissheit, dass ich über meinen Körper und mein weiteres Leben selbst entscheiden kann und die Wahl habe, diese ungewollte Schwangerschaft zu beenden, hat es mir möglich gemacht, mich aktiv dafür zu entscheiden. Wenn ich mir vorstelle, wie diese Situation für mich gewesen wäre, wenn es von vornherein keine Möglichkeiten und keinen Entscheidungsspielraum gegeben hätte, wird mir klar, dass ich in dieser Situation meine Schwangerschaft niemals positiv erleben hätte können. Auch die Tatsache, dass ein Schwangerschaftsabbruch – zumindest für mich in Wien – ohne große Hürden oder Einflussnahme von außen (wie erzwungene Wartezeiten, Hinweispflichten der Ärztinnen/ Ärzte, …) möglich gewesen wäre, hat bei diesem Gefühl, wirklich frei eine Entscheidung treffen zu können, eine ausschlaggebende Rolle gespielt.

In einer Situation zu sein, in der ein Staat mich zwingt, eine ungewollte Schwangerschaft neun Monate lang fortzusetzen und ein Kind zu gebären, ist wohl der schlimmste Alptraum, den ein Mensch durchleben kann. Dies umso mehr, wenn es sich um ein Kind mit starken Beeinträchtigungen handelt, das zu einem eigenständigen Leben niemals fähig sein wird oder vielleicht sogar kurz nach der Geburt versterben wird. Betreffen wird dieser Alptraum immer nur Frauen. Einer Frau derart die Selbstbestimmung und Kontrolle über ihren eigenen Körper abzusprechen, ist  menschenverachtend und zutiefst diskriminierend.

Genau deshalb empfinde ich die Forderungen der beiden Bürgerinitiativen als so zynisch und perfide: Der Bürgerinitiative #FAIRändern geht es sicher nicht darum, die „Chancen von schwangeren Frauen und ihren Kindern“ zu verbessern, denn Forderungen zur tatsächlichen Verbesserung der Situation von Frauen/ Paaren, die ich für ein stark behindertes Kind entscheiden, finden sich im Text der Initiative an keiner Stelle. Worauf diese Bürgerinitiative, genau wie jene zum „Abtreibungsverbot in Österreich“ abzielt, sind Einschränkungen des Zugangs zum Schwangerschaftsabbruch und dessen Kriminalisierung.

Ich bin stark dafür, dass es bessere Unterstützung für Mütter/ Eltern von Kindern mit Behinderungen gibt, was vorgeblich das Ziel von #FAIRändern ist. Was #FAIRändern jedoch tatsächlich fordert, ist, Frauen zum Austragen stark behinderter Kinder zu zwingen, um sie danach wie bisher damit alleine zu lassen. Darüber hinaus soll nebenbei auch noch der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen innerhalb der 3-Monats-Frist eingeschränkt werden, indem Frauen durch erzwungene Wartefristen schikaniert werden und die öffentliche Meinung durch Kampagnen zu Adoption und Pflege weiter gegen Schwangerschaftsabbrüche gelenkt und das Stigma für Frauen, die sich dafür entscheiden, erhöht wird.

Ich bin davon überzeugt, dass die Initiative #FAIRändern, trotz ihres Aufhängers am hochemotionalen Thema der embryopathischen Indikation und ihrer moralischen Unterfütterung von Rechten von Menschen mit Behinderungen in Wirklichkeit langfristig auf das allgemeine Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen abzielt – genau so, wie das die Initiative „Abtreibungsverbot in Österreich“  bereits fordert.

Aus unzähligen Studien und Statistiken ist bekannt, dass die Anzahl von Schwangerschaftsabbrüchen durch dessen Kriminalisierung nicht sinkt – sondern nur das Leiden von Frauen und die Gefährdung ihrer Gesundheit durch unsichere Abbrüche erhöht wird.

Was mich bei der Debatte um Schwangerschaftsabbrüche besonders wütend macht, ist die Mär von „leichtfertigen Entscheidungen“, die Frauen angeblich über Schwangerschaftsabbrüche treffen. Wer wie ich jemals in dieser Situation war, weiß, dass diese Entscheidung in den allermeisten Fällen alles andere als leicht getroffen wird. Und auch wenn die Entscheidung einer Frau „leicht“ fällt, weil für sie von Anfang an klar ist, dass für sie nur eine bestimmte Möglichkeit infrage kommt, hat dies nichts mit „leichtfertig“ zu tun. Auch wenn es manchen Politikerinnen und vor allem Politikern noch immer schwer fällt zu akzeptieren, sind Frauen nämlich tatsächlich auch Menschen und damit vernunftbegabte Wesen, die zu eigenständiger Willensbildung und selbstverantwortlichen Entscheidungen befähigt sind und nicht durch Männer und/ oder den Staat vor sich selbst und ihrer „Leichtfertigkeit“ beschützt werden müssen.

Ich habe mich nach sehr gründlichem Abwägen und im Bewusstsein meiner Möglichkeiten für meine Schwangerschaft entschieden und freue mich jetzt auf dieses Kind. Die Möglichkeit, diese – oder eben eine andere – Entscheidung frei von staatlicher Einflussnahme oder Zwang selbstbestimmt zu treffen, wünsche ich jeder Frau.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Anna S., BSc