Bundesministerium für Finanzen

Johannesgasse 5

1010 Wien

 

Wien, am 11.4.2018

MM

Betrifft: GZ BMF-010200/0004-IV/1/2018; Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Einkommensgesetz 1988 geändert wird, Stellungnahme (Familienbonus Plus)

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Die Österreichischen Kinderfreunde danken für die Übermittlung des vorliegenden Entwurfes und nehmen dazu wie folgt Stellung:

Die Österreichischen Kinderfreunde verstehen sich als Lobby für Kinder und Interessensvertretung von Familien in all ihrer Vielfalt. Die Ratifizierung der Kinderrechtskonvention und die damit folgende teilweise Verankerung der UN-Kinderrechtskonvention in der Österreichischen Bundesverfassung im Jahre 2011 war eine wesentliche Forderung der Kinderfreunde. Die Kinderrechte stehen daher im Zentrum unserer politischen Aktivitäten und stellen die Grundlage für unsere Empfehlungen und Bewertungen dar.

Der vorliegende Gesetzesentwurf widerspricht in mehreren Punkten der Kinderrechtskonvention und somit auch der österreichischen Verfassung.  Darüber hinaus bricht dieser Vorschlag mit dem bisher geltenden familienpolitischen Grundsatz, da nicht der Bedarf des Kindes, sondern das Einkommen der Eltern ausschlaggebend für die Höhe der Förderung ist. „Jedes Kind ist gleich viel wert“ stimmt nicht mehr, weil eine eventuelle Entlastung vom Einkommen der Eltern abhängig ist und eine Negativsteuerwirkung oder der Ausbau von Sachleistungen nicht vorgesehen sind.

 

Der Familienbonus im Kontext der Kinderrechtekonvention

Im Artikel 1 der Kinderrechtekonvention (KRK) wird klar definiert, dass jedes Kind Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge hat, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit.“  Ebenso unmissverständlich wird festgehalten, dass bei allen Maßnahmen öffentlicher (und privater) Einrichtungen das Wohl des Kindes vorrangige Erwägung sei. Familienpolitische Leistungen sollen daher den Mehraufwand durch Kinder kompensieren und allen Kindern die besten Chancen ermöglichen. Einem besonderen Aspekt der Kinderrechtskonvention wird in diesem Gesetzesentwurf zu wenig Beachtung geschenkt: der Nicht-Diskriminierungsgrundsatz. Kinder mit Behinderungen brauchen besondere Unterstützung, um die Chancengleichheit zu wahren. Gerade Eltern dieser Kinder gehen aufgrund von Pflegeleistungen oft keiner vollen Erwerbstätigkeit nach und können daher nicht in den vollen Genuss dieser Förderung kommen. Die geplante Indexierung von Familienbonus Plus, Kindermehrbetrag, Unterhaltabsetzbetrag sowie Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrags hat zu Folge, dass es für Kinder aus bestimmten Ländern weniger Unterstützung geben wird. Dieser Gesetzesentwurf widerspricht daher der Kinderrechtskonvention, da nicht der Bedarf der Kinder sondern das Einkommen der Eltern für die geplante Begünstigung ausschlaggebend ist und diese Maßnahmen darüber hinaus nicht für alle Kinder im gleichen Ausmaß zur Verfügung stehen.

Aus Sicht der Kinderfreunde wäre der Ausbau von Sachleistungen, etwa der Ausbau von kostenlosen Ganztagesschulen bzw. Nachmittagsbetreuungsplätzen an Schulen und der beitragsfreie Kindergarten wesentlich zielführender und mit den Zielen der KRK vereinbar, da diese Leistungen allen Kindern offen stehen.  Allerdings ist aufgrund dieser Maßnahmen das Gegenteil zu befürchten, da den Gemeinden Steuereinnahmen wegfallen werden. Österreichs Gemeinden sind der größte Betreiber von Kindergärten und Nachmittagsbetreuungseinrichtungen.

 

Was bedeutet der Familienbonus für Familien in Österreich?

Die Kinderfreunde begreifen sich auch als Familienorganisation. Als solche bewerten wir sämtliche Maßnahmen auch auf ihre Auswirkungen für die österreichischen Familien in all ihrer Vielfalt:

Die Kinderfreunde begrüßen jede Förderung von Familien. Jedoch sehen wir bei dem geplanten Gesetzesentwurf doch viele Punkte, die unter bestimmten Voraussetzungen sogar zu finanziellen Verschlechterungen oder zumindest für eheblichen bürokratischen Aufwand für Familien bzw. den Dienstgeber*innen der Eltern führen. Das hier angeführte Familienbild  (Vater, Mutter, Kind leben zusammen) entspricht nicht (mehr) der Lebensrealität vieler Kinder.

Benachteiligung getrennt lebender Eltern

Getrennt lebende Eltern werden stark benachteiligt. Hier ist die Aufteilung des Bonus verpflichtend vorgesehen. Der Bezugswechsel ist nur einmal im Jahr möglich. Auch diese Vorgabe entspricht nicht der Lebensrealität, da sich die Voraussetzungen viel öfter ändern können. Die bürokratische Abwicklung ist für getrennt lebende Paare unübersichtlich und wird kompliziert. Es wird zu Verwerfungen und in weiterer Folge zu Rückzahlungen von bereits bezogenen Geldern kommen, wenn sich beispielsweise die Lebensumstände einzelner oder beider Elternteile  (Einkommen, Familienstand, weitere Kinder, …) während des Jahres ändern. 

 

 

 

Benachteiligungen für Frauen im Allgemeinen und Alleinerzieherinnen im Besonderen

Laut Statistik Austria arbeiten drei Viertel der Frauen mit schulpflichtigen und jüngeren Kindern in Teilzeit und haben daher kein ausreichendes Einkommen um den Bonus in voller Höhe zu beziehen. Es werden daher weit mehr Männer als Frauen von dem Familienbonus profitieren. Durch eine generelle Erhöhung der Kinderbeihilfe könnte man diese Schieflage verhindern.

Die Problematik verschärft sich bei Alleinerzieherinnen mit mehreren Kindern. Da keine Negativbesteuerung möglich ist, wird die Unterstützung nicht zwingend mehr, wenn es mehr Kinder zu versorgen gibt.

Benachteiligung von Familien, deren Kinder nicht in Österreich leben

Die geplante Indexierung des Familienbonus für Unions- bzw. EWR-Bürger*innen, deren Kinder nicht in Österreich, sondern in einem anderen EU/EWR Mitgliedstaaten leben, stellt meist eine Benachteiligung für diese Familien dar und verstößt gegen das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Die Arbeitnehmer*innen tragen die gleiche Höhe zu den Steuern, den Abgaben und der Sozialversicherung bei und würden dann für die gleichen Beiträge nicht die gleichen Leistungen erhalten.

Oft keine Entlastung, sondern Belastung

Durch den Wegfall des Kinderfreibetrages und der Möglichkeit Sachleistungen (etwa Kosten für die Kinderbetreuung) abzuschreiben erhöht sich die steuerliche Bemessungsgrundlage der Lohnsteuer. Somit kommt es bei kleineren Einkommen sehr oft zu keiner Verbesserung, sondern sogar zu einer finanziellen Mehrbelastung. Auch das wird vor allem Alleinverdiener*innenhaushalte treffen und jene, die bisher Kinderbetreuungskosten bei der Arbeitnehmer*innenveranlagung geltend gemacht haben.

Die Kinderfreunde lehnen daher den Familienbonus Plus ab und ersuchen die Bundesregierung, das geplante Investitionsvolumen einer echten Familienförderung im Sinne des Ausbaus von Sachleistungen (v.a. Kinderbetreuungsplätze) und einer Erhöhung der Kinderbeihilfe vorzunehmen. Insbesondere ersuchen wir die Bundesregierung, die Bedürfnisse von behinderten Kindern bei dieser Förderung zu berücksichtigen und entsprechend finanzielle Unterstützung anzubieten.

Das politische Ziel, den „Mittelstand“ steuerlich zu entlasten sollte nicht mit familienpolitischen Grundsätzen vermischt werden. Hierzu gäbe es genügend andere Möglichkeiten, etwa im Bereich der Lohnsteuer. Hier sehen wir einen Widerspruch zur Kinderrechtekonvention und somit zur Verfassung, weil nicht die Bedürfnisse der Kinder im Mittelpunkt der Überlegungen stehen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Daniel Bohmann                                                                                                                           Christian Oxonitsch
Bundesgeschäftsführer                                                                                                                             Bundesvorsitzender