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Behindertenberatungszentrum

Zentrum für Selbstbestimmtes Leben

Schönngasse 15-17/4, 1020 Wien

 

 

Bundesministerium

für Arbeit, Soziales, Gesundheit

und Konsumentenschutz

 

Per e-Mail an begutachtungen@bmgf.gv.at sowie an

begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

 

 

Stellungnahme

 

Entwurf

Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz – ErwSchAG BMASGK;

 

Wien, 4. Juni 2018

 

 

 

Sehr geehrter Herr Sektionschef!

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

 

Wir danken für die Möglichkeit der Stellungnahme zum Entwurf des Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetzes für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz – ErwSchAG BMASGK.[1]

Allgemein

Die Umsetzung des 2. Erwachsenschutzgesetzes stellt einen wichtigen Schritt hin zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen dar.

 

Wir begrüßen die Intention des Entwurfs, bestehende Bestimmungen dem 2. Erwachsenenschutz­gesetzes anzupassen.


 

Voraussetzung für die Berufsausübung

Wir entnehmen dem Entwurf, dass statt des bisher notwenigen Erfordernisses der „Eigen­berechtigung“ nun Geschäftsfähigkeit sowie das Nichtvorliegen einer gesetzlichen Vertretung vorgesehen ist.

 

Dies hätte zur Folge, dass genau das Gegenteil des im 2. Erwachsenenschutzgesetz vorgesehen Zieles erreicht wird. Durch dieses wurde § 242 ABGB wie folgt geändert: „Die Handlungsfähigkeit einer vertretenen Person wird durch eine Vorsorgevollmacht oder eine Erwachsenenvertretung nicht eingeschränkt.

 

Diese Aspekt findet sich in der vorliegenden Novelle im Artikel 1 Z 2, Artikel 2 Z 1, Artikel 3 Z 1, Artikel 4 Z 1, Artikel 5 Z 2 und 3, Artikel 6 Z 2, Artikel 8 Z 1, Artikel 19 Z 1, Artikel 20 Z 1, Artikel 21 Z 1, Artikel 22 Z 1, Artikel 23 Z 1, Artikel 24 Z 1, Artikel 26 Z 1 (§ 27 Abs. 1 Z 1 GuKG, § 10 Z 1 HebG, § 9 Abs. 1 Z 1 KTG, § 3 Abs. 1 Z 1 MTD-Gesetz, § 28 Abs. 1 Z 1, 1a und 2 MABG, § 36 Z 1 MMHmG, § 6 Abs. 1 Z 1 ZÄG, § 4 Abs. 2 Z 1 ÄrzteG 1998, §§ 12 Abs. 2 Z 1, 13 Abs. 2 Z 1, 36 Abs. 1 Z 3 und 37 Abs. 1 Z 4 MuthG, §§ 16 Abs. 1 Z 3 und 25 Abs. 1 Z 3 Psychologengesetz 2013, § 5 Abs. 3 Z 1 EWR-Psychologengesetz, §§ 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 1, 11 Z 2 und 26 Abs. 1 Z 4 und Abs. 2 Z 5 Psychotherapiegesetz, § 5 Abs. 3 Z 1 EWR-Psychotherapiegesetz, § 3 Abs. 2 Z 1 Tierärztegesetz).

 

Wir lehnen daher das Ersetzen des Erfordernisses der Eigenberechtigung durch jenes der Geschäftsfähigkeit einschließlich des Nichtvorliegens einer gesetzlichen Vertretung ab.

 

Wir geben zu bedenken, dass in Österreich seit vielen Jahren versucht wird, diskriminierende Zugangsbestimmungen zur Berufsausbildung und -ausübung für Menschen mit Behinderungen in Gesetzen und Verordnungen zu beseitigen.

 

Wir verweisen auf die gesetzlichen Änderungen beginnend mit dem Bundes-Behindertengleich­stellungs-Begleitgesetz, dem Bundesgesetz und dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, über das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richterdienstgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Aus­schreibungsgesetz 1989, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Bundesbahn-Pensions­gesetz, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, das Apothekengesetz, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz, das MTF-SHD-Gesetz sowie das Sanitätergesetz bis hin zur erst jüngst auf Anregung der Volksanwaltschaft erwirkten Dienstrechts-Novelle 2016.

 

All diese erfolgreich umgesetzten Gesetzes­initiativen beseitigten behindertendiskriminierende Zugangsbestimmungen für Menschen mit Behinderungen im Arbeitsbereich.

 

Wenn der Entwurf in der vorliegenden Form umgesetzt würde, wäre dies ein großer Rückschlag im Bereich der Nicht-Diskriminierung. Weiters würde es den automatischen Verlust der Berufsfähigkeit für die betroffene Personengruppe bedeuten.

 

Warum soll jemand, der beispielsweise bei einzelnen Vermögensangelegenheiten eine Vertretung benötigt, grundsätzliche seine Berufsfähigkeit verlieren?


 

Wir schlagen daher vor, von einer Umsetzung in dieser Form Abstand zu nehmen. Stattdessen regen wir eine Einzelfallbeurteilung vor, um festzustellen, inwieweit eine mangelnde Geschäftsfähigkeit auch konkret eine mangelnde Berufsausübungsfähigkeit nach sich zieht.

 

Ein pauschaler Ausschluss widerspräche den Grundsätzen der von Österreich vor 10 Jahren ratifizierten UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in mehreren Punkten (Art. 3, 5, 12 sowie 27). Mangels für uns erkennbarer sachlicher Rechtfertigung sehen wir darin auch einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Artikels 7 B-VG. Ergänzend sei noch erwähnt, dass dieser Entwurf nicht dazu geeignet ist, die Zielsetzungen (5.1.2) des Nationalen Aktionsplans Behinderung 2012-2020[2] zu ermöglichen.

Verständigungspflicht

Im Sinne der oben erwähnten Grundsätze lehnen wir auch eine Verständigungsverpflichtung bei Eintragung einer Erwachsenenvertretung ab.

 

Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf eine Stellungnahme des Justizministeriums[3] zu einem ähnlichen Gesetzesvorhaben, der wir uns vollinhaltlich anschließen:

 

„Die im Entwurf in zahlreichen Gesetzen vorgeschlagene Verständigungspflicht der Gerichte von der Einleitung, Fortsetzung und dem Ausgang von Verfahren über die Bestellung einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung begegnet grundsätzlichen Bedenken. Diese Pflicht findet sich zwar vereinzelt bereits im geltenden Recht zum Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters und ist daher in diesen Fällen nur eine terminologische Änderung. Allerdings gebietet insbesondere die UN-Behindertenkonvention eine einschränkende Regelung. So ist es aus Sicht des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz – Sektion I bis IV nicht geboten, dass bereits über die Einleitung oder die Fortsetzung des Verfahrens informiert wird. Schließlich soll im Erwachsenen­schutzverfahren erst geklärt werden, ob die volljährige Person der Unterstützung eines Erwachsenen­vertreters bedarf oder nicht. Alleine die Einleitung eines solchen Verfahrens ist nicht sehr aussage­kräftig, weil jede Person die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters anregen und damit ein solches Verfahren einleiten kann. Vielfach werden die Einleitung eines Strafverfahrens und die Einleitung eines Erwachsenenschutzverfahrens gleich behandelt. Diese Gleichbehandlung ist äußerst problematisch. Eine Person mit psychischer Krankheit oder vergleichbarer Beeinträchtigung ist nicht notwendiger Weise vertrauensunwürdig. In der Praxis gibt es Fälle, in denen zB ein Arzt einen Sach­walter zur Vertretung im Scheidungsverfahren beigegeben erhält, weil sich hier seine psychische Krankheit als für ihn nachteilig erweist. Es führt eindeutig zu weit, ihn deshalb von Vornherein in seinem Berufsverband zu diskreditieren.“

Wir lehnen daher die geplante Verständigungspflicht ab.

Wir danken abschließend nochmals für die Möglichkeit der Stellungnahme und hoffen auf Über­arbeitung der angesprochenen Punkte.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Martin Ladstätter, Magdalena Scharl



[1] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/ME/ME_00055/

[2] https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=165

[3] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/SNME/SNME_00533/imfname_687587.pdf