Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22“

Sehr geehrter Herr Bundesminister Univ.-Prof. Dr. Heinz Faßmann,
sehr geehrte Frau Bundesministerin Dr. in Juliane Bogner-Strauß,

Nachdem die Plattform EduCare (Vertreter*innen aus Praxis und Wissenschaft) die „Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22“ gesichtet hat, erlauben wir uns Ihnen folgende Stellungnahme zu übermitteln.

Zunächst freuen wir uns darüber, dass eine erneute Vereinbarung über die Fördersummen und deren Zweckwidmung für den Ausbau und den beitragsfreien Kindergartenbesuch, zustande gekommen ist. Wir betrachten aber auf Dauer eine gesetzlich verankerte Bundesfinanzierung als zielführender, wenn der Kindergarten langfristig als erste Bildungseinrichtung etabliert und somit ein bestmöglicher Start in die Bildungslaufbahn sichergestellt werden soll.

Zu folgenden Punkte möchten wir kritisch Stellung nehmen:

Der Kindergarten ist nun im Bildungsministerium (Artikel 1 (2) Punkt 3) angelangt. Dadurch sollte ein klares Übergangsmanagement möglich sein. Allerdings fehlen Strukturen und dienstrechtliche relevante Rahmenbedingungen für Kooperation auf Augenhöhe mit unseren Bildungspartner*innen in der Schule.

ZumThema Sprachförderung

(Artikel 1 (3) Punkt 1; § 3 Punkt 1; § 6 / Absatz 6c; § 7; § 8, Abschnitt II, Artikel 4; Artikel 9; Artikel 10)

Zum viel umfassenden Thema Sprache und Sprachförderung möchten wir folgendes anmerken:
Neuste wissenschaftliche Erkenntnisse weisen darauf hin, dass der Fokus im Kindergarten auf die Gesamtsprachentwicklung (Muttersprache und Deutsch als Bildungssprache) gelegt werden soll. Vor allem ein verbesserter Fachkraft-Kind Schlüssel würde eine positive Verstärkung der deutschen Sprache möglich machen. Rahmenbedingungen müssen angepasst werden (zu hohe Kinderanzahl in den Gruppen, Aus- und Weiterbildung von Elementarpädagog*innen, einheitliche Regelungen für die Zeit der mittelbaren pädagogischen Arbeit (Zeit für Planung, Reflexion und Vorbereitung), Anhebung der Qualität).
Die Kompetenzbeschreibung „Mündliches Sprachhandeln“ ist Teil der Grundschulreform „Schüler*inneneinschreibung NEU“. Diese Beschreibung haben die Elementarpädagog*innen durch die fehlenden Strukturen nicht erhalten.

Irritierend empfinden wir die Beurteilung von Sprachkenntnissen durch die Landesbehörde. Das widerspricht einem Handeln auf Beziehungsebene. Spracherwerb geschieht im Alltag, beim Spiel und vor allem durch die Beziehung mit der Pädagog*in.

Zur Sprachstandsfeststellung: Momentan ist die Sprachstandsfeststellung mit viel administrativem Aufwand für die Pädagog*innen verbunden. Die verabsäumte professionelle Implementierung des BESK und BESK-DaZ sowie eine noch ausständige Evaluierung der Ergebnisse wären dringend notwendig, um Schlüsse über die weitere Vorgangsweise zu ziehen. Derzeit setzt jedes Bundesland notwendige Fördermaßnahmen individuell um.

Werte und Orientierungsleitfaden

(Artikel 1 (3) Punt 4; § 3 Punkt 4., Artikel 3, Absatz 1, Artikel 12, 4.)

Der Werte- und Orientierungsleitfaden enthält einige Punkte, die auch im bundesländerübergreifenden Bildungsrahmenplan abgebildet sind.

Der Leitfaden widerspricht sich selbst und in einigen Teilbereichen dem Bildungsrahmenplan: Der bestmöglichen Entwicklung und Entfaltung aller Kinder kann grundsätzlich kein Verbot vorangestellt sein: Beispiel Kopftuchverbot!

Aus der Praxis wissen wir, dass der Anteil von Mädchen mit Kopftuch sehr gering ist. Viel mehr beschäftigen uns zum Beispiel sexualisierende Werbeplakate/Spots/Sendungen und Kinder die diese Themen in die Gruppe mitnehmen und im Spiel verarbeiten.

Anmerken möchten wir, dass für uns nicht ersichtlich ist, wie die verpflichtende Umsetzung (in den einzelnen Bundesländern) aussieht? Ist eine Kontrolle über den Bund vorgesehen? Exekutieren Pädagog*innen vor Ort das Kopftuchverbot?

Kinder mit Behinderung

(Artikel 5, Absatz 7)

Kindern mit besonderen Bedürfnissen und Behinderung wird generell zu wenig Beachtung in dieser Vereinbarung geschenkt. Es kann nicht die Intention des Bundes sein, Kinder von der Besuchspflicht zu befreien. Vielmehr sollten adäquate und ausreichende Plätze geschaffen werden.

Fachkraft-Kind Schlüssel

(Artikel 7 (2) )

Die erwähnte Verbesserung ist zu begrüßen. Allerdings braucht es eine klarere Definition, sonst bleibt es den Ländern überlassen die ihnen wesentlichen Schwerpunkte umzusetzen und andere Vereinbarungen zu übergehen. Aktuell gibt es in jedem Bundesland andere Regelungen und Rahmenbedingungen.


 

Unser Resümee

Es braucht ein Bundesrahmengesetz und die Finanzierung des elementaren Bildungsbereichs auf einer stabilen gesetzlichen Grundlage. Die aktuelle Vereinbarung ist ein Versuch, der zur kurz greift. Es ist keine langfristige und stabile Lösung für den Kindergarten als erste Bildungsinstitution.

Wir bieten unser Wissen aus Praxis, Forschung und Theorie an und stellen unsere Expertise zur Entwicklung eines notwendigen Reformprozesses gerne zu Verfügung.

Rückfragen gerne an:

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Bettina Wachter
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