Österreichischer Gehörlosenbund

Waldgasse 13/2

1100 Wien

E-Mail: info@oeglb.at

Web: www.oeglb.at

Mitgliedschaft beim World Federation of the Deaf

European Union of the Deaf

Österreichischer Behindertenrat

Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern

 

 

 

 

                                                                                                                      Wien, 8. Mai 2019

 

An

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung

per e-mail: begutachtung@bmbwf.gv.at

und

Präsidium des Nationalrates 

per e-mail: begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

 

 

Betrifft: Bundesgesetz, mit dem das Bildungsinvestitionsgesetz geändert wird

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der Österreichische Gehörlosenbund (ÖGLB) möchte die Möglichkeit wahrnehmen, eine Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf abzugeben.

 

Allgemeines:

 

Der ÖGLB ist die Interessensvertretung der gehörlosen, hochgradig schwerhörigen und taubblinden Menschen in Österreich und setzt sich für deren Anliegen ein. Er verfolgt die Verwirklichung der vollen und wirksamen Teilhabe an der Gesamtgesellschaft, durch welche gehörlose, hörbehinderte und taubblinde Menschen Chancengleichheit wie alle anderen Menschen erfahren können.

Darüber hinaus setzt sich der ÖGLB im Rahmen der im Art. 8 (3) B-VG für die einfachgesetzliche Verankerung der Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS) ein.

Die meisten der gehörlosen, hochgradig schwerhörigen und taubblinden Menschen verwenden in Österreich die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS)  als Erstsprache. Für sie ist gesprochenes und geschriebenes Deutsch im Allgemeinen eine Fremdsprache. Etwa 75 % von ihnen sind funktionale Analphabeten, das bedeutet sie können geschriebenes Deutsch nicht sinnerfassend lesen und verstehen. Ein Grund dafür ist, dass die ÖGS bis Anfang der 1980er Jahre in den österreichischen Gehörlosenschulen de facto verboten war. Die ÖGS ist seit 2005 vom Nationalrat als eigenständige Sprache anerkannt. 2013 wurde die ÖGS vom österreichischen UNESCO-Büro in die nationale Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Es fehlt noch immer die Ausführungsgesetzgebung zu Art. 8 (3) B‑VG auf Bundes- und Länderebene.

 

Zum vorliegenden Gesetzesentwurf:

 

Österreich hat sich mit der Ratifikation der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2008 verpflichtet, umfassend barrierefreie Bildungsangebote zur Verfügung zu stellen.

 

Im Artikel 24 (Bildung) ist dieses Recht festgeschrieben:

„(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen (…)

(2)(…)

(3)(…)

(4) Um zur Verwirklichung dieses Rechts beizutragen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen zur Einstellung von Lehrkräften, einschließlich solcher mit Behinderungen, die in Gebärdensprache oder Brailleschrift ausgebildet sind, und zur Schulung von Fachkräften sowie Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auf allen Ebenen des Bildungswesens. (…)

 

 

Der Österreichische Gehörlosenbund begrüßt den Ausbau ganztägiger Schulformen im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ganztägige Schulformen haben auch eine wichtige bildungspolitische Funktion. Die Angebote der Nachmittagsbetreuung, egal ob in ganztägigen Schulformen oder in außerschulischen Betreuungseinrichtungen, müssen im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention inklusiv und im Sinne einer umfassenden Barrierefreiheit zur Verfügung stehen.  Für gehörlose und schwer hörbehinderte Kinder und Jugendliche ist kommunikative Barrierefreiheit sicherzustellen.

 

Derzeit gibt es keinen Rechtsanspruch auf Nachmittags- und Ferienbetreuung. Für Kinder mit Behinderungen gibt es sehr wenig Angebote.

Der Österreichische Gehörlosenbund fordert den Gesetzgeber auf, im Bildungsinvestitionsgesetz eindeutige gesetzliche Vorgaben für ein flächendeckendes inklusives und barrierefreies Angebot an Tagesbetreuung zu schaffen. Es ist sicherzustellen, dass Personen, die gehörlose oder schwer hörbehinderte Kinder und Jugendliche am Nachmittag betreuen, Österreichische Gebärdensprache auf Referenzniveau B2 beherrschen.

 

Ein großer Teil des Gesetzesentwurfes beschäftigt sich mit der Bereitstellung von Mitteln für den Ausbau ganztägiger Schulformen.

Der Österreichische Gehörlosenbund fordert den Gesetzgeber auf, die Gewährung von öffentlichen Fördermittel an die umfassende Barrierefreiheit  im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention zu binden. Dies sollte ausdrücklich im Bildungsinvestitionsgesetz festgeschrieben werden.

 

 

Wir sind mit der Veröffentlichung unserer Stellungnahme einverstanden.

 

Mag.a Helene Jarmer e.h.

Präsidentin

 

Ing. Lukas Huber

Generalsekretär