INFORMATION: Inklusive Klassen an Sonderschulen

 

Seit mehr als 25 Jahren werden Inklusionsklassen an Sonderschulen an 11 Standorten in Oberösterreich geführt. In diesen Klassen werden Schüler mit und ohne Beeinträchtigung von einer Volksschul-/NMS- und einer Sonderschullehrerin gemeinsam unterrichtet.

Kinder mit erhöhtem Förderbedarf (= Schüler mit schwersten Beeinträchtigungen) werden in Kleingruppen (ca. 6 Schüler/Klasse) gefördert.

Für alle Schüler dieser Schulen stehen eine Vielzahl an Funktionsräumen (Sinnesraum, Matschraum, Psychomotorikraum, …) und ein umfangreiches therapeutisches Angebot (Physiotherapie, Hundetherapie, Hippotherapie …) zur Verfügung. Die Schulen verfügen über eine Ausstattung, die für die Beschulung von Kindern mit (schwersten) Beeinträchtigungen unbedingt notwendig, aber auch in dieser Form an den jeweiligen Schulstandorten einzigartig sind.

 

Das gemeinsame Miteinander von Kindern mit und ohne Beeinträchtigung wird einerseits in den Inklusionsklassen und andererseits Klassen übergreifend bei regelmäßigen gemeinsamen Aktivitäten und integrativen Projekten (Zirkus macht Schule, Theater und Musical für alle, Lesefeste, …) intensiv gelebt. Die Schulen verfolgen das Konzept der „Sanften Inklusion“. Dies bedeutet, dass schwerstbehinderte Kinder gemeinsam mit den Schülern einer I-Klasse unterrichtet werden. Dabei richtet sich das zeitliche Ausmaß der inklusiven Beschulung an den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Kinder.

 

Ab dem Schuljahr 2018/2019 darf laut Mitteilung des LSR (01.02.2018) „keine erste Schulstufe mehr im Rahmen des Schulversuchs beantragt werden“.

Als Grund für das Auslaufen des Schulversuchs wird angegeben, dass die Anzahl der Klassen an denen Schulversuche an öffentlichen Schulen in einem Bundesland durchgeführt werden dürfen, 5 % bei weitem überschritten hat (vgl. § 7 SchOG Schulversuche, Abs. 8).

 

Die Beendigung des Schulversuchs betrifft in Oberösterreich 11 Schulversuchsstandorte.

Die Aufregung und Empörung bei den betroffenen Eltern ist riesengroß. Viele Elternvereine der Sonderschulen setzen sich für den Erhalt der inklusiven Klassen ein und haben sich mittlerweile zur Elterninitiative „Rettet-die I-Klassen.at“ zusammengeschlossen.

 

Die Elterninitiative hat bei Aktionen anlässlich des Unterrichtsausschusses und Petitionsausschusses für große mediale Aufmerksamkeit in den Printmedien sowie im Radio gesorgt. Eine Delegation in Begleitung einer Schulklasse hat in der Sache „I-Klassen an Kompetenzzentren“ auch Bundespräsident Van der Bellen und seine Gattin Mag. Schmidauer getroffen. Dr. Van der Bellen hat sich deutlich für das Anliegen der Eltern ausgesprochen. Die Sprecherin der Elterninitiative wurde zu einer Podiumsdiskussion mit dem Thema „Inklusion – quo vadis?“ eingeladen und hat dort referiert. Das Thema I-Klassen an Sonderschulen hat die Diskussion dominiert.

 

Alle politischen Parteien des oberösterreichischen Landtages unterstützen die Weiterführung der Volksschulklassen an den 11 betroffenen Schulstandorten. Es wurde eine einstimmige Resolution zur Überführung des Schulversuches ins Regelschulsystem verabschiedet. In fast allen betroffenen Gemeinden wurden Resolutionen verabschiedet und Dringlichkeitsanträge gestellt, die eben dieses Ziel verfolgen.

 

Die Elterninitiative „Rettet die i-Klassen.at“ hat bei schuleigenen Petitionen über 34.000 Unterschriften für den Erhalt der I-Klassen gesammelt. Diese Unterschriften haben zur Einreichung einer parlamentarischen Petition auf Nationalratsebene geführt, die von Mitgliedern aller fünf Nationalratsparteien unterstützt wird. Die parlamentarische Petition wurde von Vertretern der Elterninitiative persönlich an Nationalratspräsident Mag. Sobotka übergeben.

 

Folgende Kriterien beschreiben die hohe Qualität und Praktikabilität des Konzeptes „Inklusive Klassen an Sonderschulen/Kompetenzzentren“:

 

·        Nicht beeinträchtigte und beeinträchtigte Schüler profitieren von einander:

 

Bei nicht beeinträchtigte Kinder werden die „Soft Skills“ gestärkt – Persönlichkeitsmerkmale, die auch von der Wirtschaft bei Mitarbeitern immer mehr geschätzt werden:

o   Soziale Sensibilität durch den selbstverständlichen Umgang mit mehrfach und schwerstbeeinträchtigten Kindern

o   Kreativität, Innovationsfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit durch zahlreiche gemeinsame Kunstprojekte

o   Veränderungsbereitschaft, flexibles Denken und Konfliktlösungsfähigkeit, weil das der Alltag an diesen Schulen lehrt

o   Kinder aus I-Klassen offener, teamfähiger, kooperationsfähiger und zeigen große Eigeninitiative

 

Beeinträchtigte Kinder wachsen auch im Schulalltag mit gleichaltrigen Kindern auf. Vorteile die das Konzept „I-Klassen an Kompetenzzentren“ sind:

o   Kinder mit schwerer körperlichen Behinderung OHNE geistige Beeinträchtigung können eine VS/NMS-Klasse besuchen. Bauliche Barrieren oder therapeutische Notwendigkeiten stellen kein Hindernis dar.

o   Beeinträchtigte Kinder lernen durch das „Beisammensein“ mit nicht beeinträchtigten Kindern. („Was der andere kann, möchte ich auch können“). Sie werden spielerisch gefordert und gefördert.

o   Kinder mit Beeinträchtigung lernen durch den Kontakt mit VS-/NMS-Klassen, sich an Strukturen im Bereich der Normalität zu gewöhnen.

o   Einzelne beeinträchtigte Kinder im Klassenverband sind oftmals Außenseiter. In I-Klassen an Sonderschulen ist Beeinträchtigung kein Unikum, sondern „Normalität“. Es werden bis zu 7 Kinder mit SPF in einer Klasse von 18-25 Schülern unterrichtet

o   Auch schwerst-/mehrfach beeinträchtigte Kinder die den geschützten Rahmen einer Kleingruppe im Schulalltag oder spezielle Räumlichkeiten benötigten, haben durch gemeinsame Projekte, stundenweisen gemeinsam Unterricht oder gemeinsame Nachmittagsbetreuung die Möglichkeit Zeit mit nicht beeinträchtigten Kindern zu verbringen.

o   Der gemeinsame Unterricht kann bei Bedarf zeitlich nach den Bedürfnissen der Kinder angepasst werden: stundenweise oder tageweise Unterricht in der I-Klasse oder auch eine sukzessive Steigerung ist möglich. Die Kinder mit Beeinträchtigung haben aber zusätzlich stets die Möglichkeit, Ruhe- und Entspannungsphasen in der Kleingruppe und in den Funktionsräumen zu erleben. Gerade für Kinder mit „emotionalen“ Beeinträchtigungen stellt dies eine große Chance dar.

 

In Sonderschulen/ Kompetenzzentren mit I-Klassen haben alle Kinder die Möglichkeit von Inklusion zu profitieren. Das Spektrum der Beeinträchtigungen ist sehr groß. Gerade dem hohen Prozentsatz der „geistig beeinträchtigten“ Schüler ist ein Besuch an regulären VS bisher noch oftmals verwehrt geblieben.

 

·        Schulleitungen mit sonderpädagogischer Ausbildung

 

Durch den sonderpädagogischen Background der Schulleiter ist es ihnen möglich nicht nur auf die Bedürfnisse der nicht beeinträchtigten Kinder, sondern auch auf die der beeinträchtigten Kinder auf bestmögliche Weise einzugehen. Durch die noch überschaubare Schulgröße ist es dem/der Schulleiter_in möglich jedes einzelne Kind zu kennen und dadurch für eine Erstellung bestmöglicher Förderpläne und Therapiepläne zu sorgen und für eine auf die Bedürfnisse der Kinder zugeschnittene Einteilung des Lehrpersonals zu sorgen. (Bei einer Clusterlösung nicht umsetzbar)

·        Engagiertes, sehr gut ausgebildetes Lehrpersonal, das gut vernetzt ist.

 

Pädagogen_innen die an Sonderschulen/Kompetenzzentren unterrichten entscheiden sich bewusst für diesen sehr vielfältigen Aufgabenbereich. Die Pädagogen_innen haben zusätzliche Ausbildungen – auch alternativpädagogischen Ansätzen wird Raum gegeben. Das Lehrpersonal zeichnet aber nicht nur eine hohe Flexibilität und hohes Fachwissen aus, sondern auch die Bereitschaft sich mit den zahlreichen unterschiedlichen Krankheitsbildern zu beschäftigen.

 

In den Sonderschulen/Kompetenzzentren gibt es oft für spezielle Beeinträchtigungen sogenannte „Spezialisten“ (Pädagogen_innen die zu einem Thema alle Fortbildungen absolvieren, Beispiel: Autismus, Gebärden) die ihr Wissen schulintern weitergeben und bei Fragen oder Problemen als Ansprechpartner fungieren.

 

Die Möglichkeit der Vernetzung und Supervision ist in den Sonderschulen/ Kompetenzzentren durch die langjährige Erfahrung und das bestehende Knowhow ungleich größer als an VS/NMS mit einzelnen beeinträchtigten Kindern.

 

·        Eltern und Schüler die sich bewusst für dieses Schulkonzept entscheiden

 

Nicht nur Pädagogen_innen entscheiden sich bewusst für das Schulkonzept „I-Klassen an Sonderschulen“, sondern auch Schüler und ihre Eltern. Dadurch kommt es kaum zu Konflikten bezüglich Klassenzusammensetzung oder Lehrplan. Eltern von beeinträchtigten aber auch von nichtbeeinträchtigten Kindern entscheiden sich bewusst ihre Kinder von den Vorteilen dieser Schulform profitieren zu lassen. Im Falle der NMS-Stufe entscheiden die Schüler bereits selbst! Diese bewusste Entscheidung fördert auch die Bereitschaft der Eltern engagiert bei Schulprojekten oder im Elternverein mitzuarbeiten – kurz, sich an der schulischen Ausbildung ihrer Kinder zu beteiligen.

 

Aufgrund der hohen Anmeldezahlen (2-3-fache Zahl an Anmeldungen als Kinder aufgenommen werden!)  lässt sich auch die hohe Qualität des Schulkonzeptes ableiten.

 

·        Therapien und Nachmittagsbetreuung am Schulstandort

 

An Sonderschulen/ Kompetenzzentren finden Therapien großteils vor Ort statt. Dadurch werden den Kindern und Eltern sehr viele Wege nach der Schule erspart und die Familien entlastet. Von Vorteil ist auch, dass sich die Therapeuten untereinander über die Fortschritte der Kinder austauschen und gemeinsam therapeutische Maßnahmen geplant werden können.

 

Der Besuch einer Nachmittagsbetreuung am Schulstandort ist für ALLE Kinder möglich. In Österreich ist an vielen Regelschulen mit I-Klassen für beeinträchtigte Kinder der Besuch der Nachmittagsbetreuung nicht möglich.

 

·        Spezielle Materialen und Räumlichkeiten sind vorhanden

 

An Sonderschulen/Kompetenzzentren sind Materialien für den regulären VS-/NMS-Unterricht und für die speziellen Bedürfnisse beeinträchtigter Kinder vorhanden. Viele Materialien konnten durch Sponsoring oder Aktionen von Elternvereinen angeschafft werden um das Konzept „I-Klassen an Kompetenzzentren“ zu fördern.

Barrierefreiheit ist an Sonderschulen/Kompetenzzentren auf jeden Fall gegeben.

 

 

Der Landesschulrat möchte den Sonderschulstandorten/ Kompetenzzentren ermöglichen, ab dem Schuljahr 2018/19 dislozierte Klassen zu führen. Diese dislozierten Volksschulklassen sind „in organisatorischen, dienst- und schulrechtlichen Belangen Klassen der kooperierenden Volksschule“ (LSR). Die Führung einer dislozierten Klasse stellt allerdings eine große Herausforderung im Sinne einer gesetzeskonformen Umsetzung dar. Die Dauer ist sogar bei einigen Standorten auf 1 Jahr begrenzt, bei anderen gilt sie nur für 1 Klasse bis zu deren Abgang aus der VS-Stufe.

 

Es ist für alle betroffenen Schulen nicht nachvollziehbar, dass ein sehr erfolgreicher Schulversuch, der regelmäßig einer kritischen Evaluation unterzogen wurde, ohne Einbeziehung der betroffenen Schulen und Eltern eingestellt wird.

 

Unser Lösungsvorschlag: Überführung des Schulversuches ins Regelschulwesen und somit eine Umwandlung der Sonderschulen in Kompetenzzentren für Inklusion und Sonderpädagogik.