An die Parlamentsdirektion des Nationalrates

 

NR-AUS-PETBI.Stellungnahme@parlament.gv.at

 

 

Stellungnahme der Leiterinnen und Leiter der betroffenen Schulen in Oberösterreich

(Martin-Boos-Landesschule in Gallneukirchen, Nikolaus-Lenau-Schule in Gmunden, Martin-Buber-Landesschule Hartheim, Michael-Reitter-Landesschule Linz, Schule für Alle am Teistlergut in Linz, Adalbert-Stifterschule in Ried, Johann-Eisterer-Landesschule in Steegen, Steyrdorfschule in Steyr, Pestalozzischule in Vöcklabruck, Integratives Schulzentrum in Wels)

      zur Petition „2/PET/XXVI.GP, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, ehest möglich alle notwendigen Schritte einzuleiten, um die Möglichkeit, Integrationsklassen an Sonderschulen zu führen, in das Regelschulwesen zu überführen.“

 

 

Vor mehr als 25 Jahren entwickelten Lehrerinnen und Lehrer, Leiterinnen und Leiter an Sonderschulen  gemeinsam mit der zuständigen Landesschulinspektorin Dr. Anna Würleitner ein Modell einer „Schule für ALLE“.

 

Dieses Modell entstand aus dem Bedürfnis von Lehrerinnen und Lehrern und ihren Leitern,  gemeinsam die Situation an der Schule, den Unterricht sowie das Angebot für die damaligen Sonderschülerinnen und Sonderschüler zu verbessern.

 

So entwickelten sich an mehreren Sonderschulstandorten in OÖ  innovative, pädagogische Konzepte (z.B:  individuelle Förderung, wertschätzender Umgang mit Personen und Materialien, Anpassung der räumlichen und zeitlichen Strukturen an die Bedürfnisse der Schüler, Förderung der Eigenständigkeit und der Selbstwirksamkeit von Schülerinnen und Schüler, Stärkung der emotionalen, sozialen und kognitiven Kompetenzen, Öffnung des Lernortes nach außen, ….).

Ein Ergebnis vieler Jahre Entwicklung ist der Unterricht in altersgemischten Gruppen (6-10-jährige).

 

Nur durch die Hereinnahme von Volksschulklassen - und an einem Standort auch von Hauptschulklassen (nun NMS-Klassen) -  war es uns möglich,  allen Kindern ein gutes emotional-soziales Lernumfeld zu bieten und alle bestmöglich zu fördern. Lehrerinnen und Lehrer machten mit Eltern vielfach gemeinsame Zusatz-ausbildungen  mit reformpägagogischen Ansätzen wie Montessoripädagogik.

Diese innovativen Schulentwicklungen waren von Beginn an für viele Eltern von Kindern mit und ohne Beeinträchtigung so interessant, dass sie ihre Kinder in den Schulversuchsklassen anmeldeten; meist schon mehrere Jahre vor der Einschulung.

 

Über die lange Zeitspanne hinweg wurden Integrationsklassen an Sonderschulen zu einem regelrechten Erfolgsmodell, das regional und auch international noch immer auf großes Interesse stößt.

 

Die Klassen sind in den Bildungsregionen ein nicht mehr wegzudenkender Teil der sonderpädagogischen Landschaft und dienen als Modellklassen, wie gemeinsamer Unterricht und Integration gut umgesetzt werden kann.

 

Als Sonderschulen mit einem bezirks- bzw. landesweiten Berechtigungssprengel und mit unterstützenden Schulerhaltern,  konnten sich unsere Schulen zu gut ausgestatteten, modernen Häusern des Lernens entwickeln. Spezielle Räume, Materialien und Hilfsmittel, die gerade schwer beeinträchtigte oder sinnesbehinderte Kinder dringend brauchen, sind meist auch für alle Kinder interessant und förderlich (z. B. Schwimmbad oder Psychomotorikraum).

 

Diese Art von Schule ist ein erster Schritt zu einer inklusiven Schule.

Durch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2008 hat sich Österreich verpflichtet, Menschen mit Behinderung inklusive Bildung zu ermöglichen.

Diese Konvention sieht die volle gleichberechtigte und gleichwertige Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Bildungssystem und in der Gesellschaft vor.

 

Eltern von Kindern mit Beeinträchtigung haben in Österreich schon seit der Einführung der schulischen Integration 1993 das Recht, die Schulform für ihr Kind zu wählen. Ausgenommen sind nach §8b SchPflG Kinder mit sehr schweren Behinderungen (kognitiv, physisch oder auch sozial emotional) sowie Kinder ohne Behinderung.

An unseren Standorten entscheiden sich jedes Jahr weiterhin viele Eltern für die Beschulung ihres Kindes in einer Sonderschulklasse.

Wenn an einer Schule von 115 Schülerinnen und Schülern mehr als die Hälfte nach dem Lehrplan der Volksschule unterrichtet werden, dann gibt es an dieser Schule viele Gelegenheiten, gemeinsam zu lernen, zu spielen, zu lachen, zu feiern, oder einfach nur dabei zu sein.

Schulgemeinschaften, wo Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen ganz selbstverständlich dazu gehören, teilhaben an Projekten und Aktivitäten, sind in unseren Schulen lang umgesetzter und gut gelebter Alltag.

 

Die Rücknahme dieser positiven Schulentwicklung widerspricht eigentlich der UN-Behindertenrechtskonvention.

 

Und für uns Leiterinnen und Leiter ist es nicht vorstellbar, den Paradigmenwechsel in der Pädagogik, den wir in den letzten Jahrzehnten mitgestaltet haben, nun in die verkehrte Richtung erleben zu müssen. Wir wollen nicht wieder zurückfallen in die Pädagogik der 80-erJahre des vergangenen Jahrhunderts.

Wir wollen nicht erleben, wie an den Schulen nur mehr eingeschränkte soziale Interaktionen stattfinden können.

 

Wir möchten auch noch auf das starke Engagement von Eltern hinweisen, die seit einem knappen Jahr regelmäßig Aktionen setzen und innerhalb kürzester Zeit ca. 34.000 Unterschriften sammelten.

Sie haben es geschafft, diese Petition einzureichen und politische Vertreter aller Parteien als Unterstützer zu gewinnen.

 

Als Leiterinnen und Leiter der betroffenen Schulen  ersuchen wir Sie dringend und zeitnah, die gesetzlichen Grundlagen für die Führung von Volksschulklassen und Klassen einer Neuen Mittelschule an Sonderschulen zu schaffen.

 

05.10.2018