Eingebracht am 18.04.2018
Dieser Text wurde elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

 

VERLANGEN

 

auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

gemäß § 33 Abs. 1 2. Satz GOG-NR

 

der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Drin Stephanie Krisper, Drin Alma Zadic, LLM, Kolleginnen und Kollegen

betreffend die politische Einflussnahme auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT-Untersuchungsausschuss)

 

Die unterzeichneten Abgeordneten verlangen gemäß § 33 Abs. 1 2. Satz GOG-NR die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

 

Untersuchungsgegenstand

Untersuchungsgegenstand ist der Verdacht der abgestimmten, politisch motivierten Einflussnahme durch OrganwalterInnen, sonstige (leitende) Bedienstete sowie MitarbeiterInnen politischer Büros des BMI auf die Aufgabenerfüllung des BVT samt damit in Zusammenhang stehender angeblicher Verletzung rechtlicher Bestimmungen im Zeitraum der ersten zwei Funktionsperioden des aktuellen BVT-Direktors vom 01. März 2008 bis zu seiner Suspendierung am 13. März 2018 im Bereich der Vollziehung des Bundes hinsichtlich

a.    des Verwendens von Daten und Informationen inkl. des Unterlassens der Löschung, des Sammelns und Auslagerns von Daten sowie deren Weitergabe an Dritte;

b.    der Vollziehung des § 6 PStSG und von Vorgängerregelungen (erweiterte Gefahrenerforschung und Ermittlungstätigkeit im Zusammenhang mit Extremismus, Terrorismus, Proliferation, nachrichtendienstlicher Tätigkeit und Spionage) inkl. der Ermittlungen zu rechtsextremen Aktivitäten durch das Extremismusreferat des BVT;

c.     der Ausübung der Dienstaufsicht und Ermittlungen gegen Bedienstete des BVT wie Suspendierungen des Direktors und weiterer ranghoher Bediensteter;

d.    der Zusammenarbeit mit den für den Verfassungsschutz zuständigen Organisationseinheiten der Landespolizeidirektionen bzw. ihren Vorgängerorganisationen hinsichtlich der lit. a bis c;

e.    der Zusammenarbeit mit anderen obersten Organen und Ermittlungsbehörden (wie der StA und der WKStA sowie dem Bundeskriminalamt, BAK, LKAs, EGS) im Hinblick auf die von diesen aus Anlass der oben genannten Rechtsverletzung geführten Ermittlungen und Hausdurchsuchungen; sowie

f.      der Besetzung leitender Funktionen und Personalauswahl (einschließlich Ernennung bzw. Betrauung von MitarbeiterInnen der jeweiligen Kabinette von BundesministerInnen auf in Verbindung zum BVT stehende Stellen bzw. Aufgaben).

 

Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands

1.       Datenverwendung
Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf die Datenverwendung durch das BVT, inklusive des Empfangens, Speicherns, Löschens, Weitergebens von Daten und Informationen sowie der Protokollierung. Dazu zählt die Aufklärung über die Beteiligung von Organwaltern, MitarbeiterInnen politischer Büros und (leitenden) Bediensteten des BMI (entweder zusammenwirkend oder jeweils für sich alleine) an Rechtsverletzungen durch BeamtInnen des BVT sowie die Einflussnahme auf das BVT aus parteipolitischen Motiven etwa durch Kabinettschef M. K. und anderer Kabinettschefs in Zusammenarbeit mit dem stv. Direktor und sonstigen leitenden Bediensteten des BVT insbesondere in den Fällen „Tierschützer“, „Lansky“, „Maurer“.

 

2.       Extremismus
Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf Ermittlungen des Extremismusreferats des BVT inklusive der Ermittlungen zu deutschnationalen Burschenschaften, der Identitären Bewegung und der Verwertung der Ermittlungsergebnisse (dazu zählt auch die Mitnahme von Daten und Informationen durch Unbefugte) sowie auf die (sachlich ungerechtfertigte) Zuordnung von Sachverhalten zu extremistischen Aktivitäten.

3.       Hausdurchsuchungen
Aufklärung über Planung und Durchführung der Hausdurchsuchungen sowie über den Umgang mit und die Herkunft von Vorwürfen, die zu diesen Hausdurchsuchungen geführt haben. Dazu zählen u.a.

a.       Ungereimtheiten bei den genannten Hausdurchsuchungen, insbesondere durch die Zuziehung der EGS anstelle der Zuziehung von Beamten des Bundeskriminalamtes (BKA), des Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) oder der Landeskriminalämter (LKA)

b.       die Mitwirkung des Generalsekretärs im BMI sowie von MitarbeiterInnen der politischen Büros im BMI.

4.       Kooperationen
Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf die Zusammenarbeit des BVT mit anderen inländischen Behörden, insbesondere mit den Landesämtern für Verfassungsschutz. Dazu zählt auch die Behinderung von Ermittlungen anderer Behörden.

5.      Schutz der Obersten Organe

Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf Tätigkeiten zum Schutz der Regierungsmitglieder und Abgeordneten, insbesondere der angebliche Einbruch und die angebliche Abhöranlage im Büro des Vizekanzlers.

6.      Organisation

Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf Organisationsstrukturen und Besetzung leitender Funktionen und dienstrechtlicher Maßnahmen samt Suspendierungen in Zusammenhang mit dem BVT zu Gunsten bestimmter politischer Netzwerke. Dies umfasst auch die Ernennung bzw. Betrauung von MitarbeiterInnen der jeweiligen Kabinette von BundesministerInnen auf in Verbindung zum BVT stehende Stellen bzw. Aufgaben.

7.       Auswirkungen

Aufklärung über die Folgen der abgestimmten, politisch motivierten Einflussnahme auf die Aufgabenerfüllung des BVT auf die öffentliche Sicherheit und den Staatsschutz sowie über die Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit Nachrichtendiensten anderer Staaten.

 


 

Begründung

Der Anschein grober Missstände und der abgestimmten, politisch motivierten Einflussnahme auf die Aufgabenerfüllung des BVT durch Organwalter und (leitende) Bedienstete des BMI ergibt sich für die verlangenden Abgeordneten unter anderem aus

 

·         bekannt gewordenen Fällen offenbar pflichtwidrigen Datenumgangs;

·         der Heranziehung des BVT außerhalb seines gesetzlichen Aufgabenbereichs;

·         anhängigen Ermittlungsverfahren gegen eine Reihe leitender Beamter des BVT, die auch zu Suspendierungen geführt haben;

·         den ungeklärten Umständen und Vorwürfen, die zu Hausdurchsuchungen im BVT und bei Bediensteten des BVT geführt haben;

·         daraus resultierenden Verunsicherungen der restlichen Bediensteten des BVT;

·         den negativen Auswirkungen dieser Hausdurchsuchungen auf die Aufgabenerfüllung des BVT;

·         der Gefährdung von aktuellen Ermittlungen des BVT im rechtsextremen Bereich;

·         der mehrfachen, nicht erforderlichen Beteiligung von KabinettsmitarbeiterInnen, ParteifunktionärInnen und sonst parteipolitisch eindeutig zuordenbaren Personen an den oben genannten Punkten;

·         dem öffentlich mehrfach geäußerten Verdacht, der Hintergrund der Ereignisse sei rein parteipolitisch motiviert;

·         der aus alledem resultierenden Skepsis anderer Geheim- und Nachrichtendienste, den Informationsaustausch mit dem BVT aufrechtzuerhalten.

Um das Vertrauen in den österreichischen Verfassungsschutz und dessen störungsfreie Aufgabenerfüllung wiederherzustellen und so die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher zu gewährleisten, ist neben der gerichtlichen auch eine politische Aufklärung des im Untersuchungsgegenstand genannten Vorgangs nicht nur geboten, sondern demokratiepolitisch notwendig.

 

Die Untersuchung betrifft nicht Quellen im Sinne des Art. 52a B-VG. Sollten in Akten und Unterlagen Quellen genannt sein, wären diese vor Übermittlung zu anonymisieren und darauf entsprechend hinzuweisen bzw. dies zu begründen.


 

Zu den rechtlichen Voraussetzungen

 

Zur Vollziehung des Bundes

Die Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung und Vollziehung bezüglich des BVT gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG („Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit“) und Z 14 leg.cit. („Organisation und Führung der Bundespolizei“). Gemäß § 22 PStSG ist mit dem Vollzug dieses Gesetzes der Bundesminister für Inneres betraut. Vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des PStSG war die primäre Rechtsgrundlage des BVT das SPG, welches gemäß § 98 SPG in die Vollziehung des Bundes fällt.

 

Zum Begriff des bestimmten Vorgangs

Ein Vorgang muss gemäß den Erläuterungen zur Novelle des Art. 53 Abs. 2 B-VG hinreichend bestimmbar sein, so dass daraus ein nicht ausufernd großer Teil der Vollziehung des Bundes als Untersuchungsgegenstand hervorgeht. Es hat sich beim Untersuchungsgegenstand um einen im inhaltlichen Zusammenhang stehenden Bereich der Vollziehung des Bundes zu handeln. Dieser kann ein Themenkomplex oder Prozess sein.

 

Dies führt so auch der Ausschussbericht zur Novelle des Art. 53 Abs. 2 B-VG aus:

 

„Ziel eines Untersuchungsausschusses ist es in der Regel, komplexe und umfassende Sachverhalte aufzuklären. Diese werden mit dem bereits in Art. 52b B-VG verwendeten Begriff des ‚Vorgangs‘ umschrieben. ‚Ein bestimmter Vorgang‘ im Sinne des Art. 53 Abs. 2 B-VG ist ein bestimmbarer und abgrenzbarer Vorgang in der Vollziehung des Bundes.“

 

Der Zusammenhang kann zeitlich, personell oder funktionell umschrieben werden. Der Untersuchungsgegenstand wurde nach dem Vorbild der Rechnungshof-Sonderprüfungen und der entsprechenden parlamentarischen Praxis gestaltet. So auch wiederum der Ausschussbericht:

 

 „Die Untersuchung kann mithin nur inhaltlich zusammenhängende Sachverhalte betreffen. Das Wort „ein“ wird hier als unbestimmter Artikel und nicht als Zahlwort verwendet. Die Forderung eines inhaltlichen, personellen oder zeitlichen Zusammenhangs schließt aus, dass mehrere, unterschiedliche Vorgänge oder Themen in einem Untersuchungsausschuss untersucht werden.“

 

Zur Abgeschlossenheit

Ein Untersuchungsgegenstand muss abgeschlossen sein. Er muss in der Vergangenheit liegen, was jedoch gemäß Erläuterungen zur B-VG-Novelle nicht ausschließt, das einzelne Vollzugsakte weiterhin offen sind. Der Ausschussbericht stellt klar:

 

„Als „abgeschlossen“ kann ein Vorgang jedenfalls dann angesehen werden, wenn sich die Untersuchung auf einen zeitlich klar abgegrenzten Bereich in der Vergangenheit bezieht.

 

Zum Untersuchungsgegenstand in concreto

Im Sommer 2017 kursierte erstmals ein anonymes Konvolut, das mehrere Jahre zurückreichen soll. Es enthält Vorwürfe zu Datenmissbrauch insb. in den Fällen Tierschützer, Lansky und Maurer sowie eine Reihe weiterer angeblicher Pflichtverletzungen im BVT. Darin enthaltene Vorwürfe wurden von Zeugen, deren Identität durch die WKStA mit Verweis auf deren Furcht um ihr Leben und ihre körperliche Integrität anonym gehalten wird, weiter begründet. Zumindest zwei dieser Zeugen erstatteten laut Medienberichten ihre Aussage in Begleitung eines Kabinettsmitarbeiters. Mit ihren Aussagen wurden offensichtlich die nachfolgenden Hausdurchsuchungen beim BVT und dessen Beamten begründet.

 

In diesem Zusammenhang wurden oder werden Ermittlungsverfahren geführt. Ein durch die Ermittlungen der WKStA mittlerweile begründete Verdacht lautet: Beamte des BVT hätten in Zusammenarbeit mit dem Kabinett des Innenministers Daten von Personen gesammelt, rechtswidrig gespeichert und weitergegeben, insbesondere solche aus dem Extremismusreferat des BVT.

 

Die Ermittlungsgruppe Straßenkriminalität (EGS) wurde als zuständige Polizeieinheit für die Durchführung der Hausdurchsuchung im BVT und den Wohnungen der verdächtigen Beamten des BVT bestimmt. Im Zuge der Hausdurchsuchung am 28.2.2018 beim BVT wurden durch die EGS Ermittlungsdaten zur rechtsextremen Szene, die in keinem sachlichen Zusammenhang zum Gegenstand der Hausdurchsuchung stehen, sichergestellt. Die angesprochenen Daten wurden dabei unter anderem in Form von Floppy Disks sichergestellt, was die technische Ausstattung des BVT zweifelhaft erscheinen lässt. Die Auswahl der EGS als durchführende Einheit weckt insbesondere auf Grund ihres eindeutig parteipolitisch zuordenbaren Leiters zusätzlich den Anschein, dass dies nur Teil eines abgestimmten, politisch motivierten Versuchs der Einflussnahme auf das BVT ist. Darauf deuten auch mehrere Stellenbesetzungen mit eindeutig parteipolitisch zuordenbaren Personen hin. All dies bedarf unverzüglich der politischen Aufklärung.

 

Im Übrigen ist es den verlangenden Abgeordneten nicht möglich, über die Nennung der Verdachtsmomente und der Wiedergabe ihres aktuellen Informationsstandes hinaus konkretere Angaben zu machen, da diese erst im Zuge der Untersuchungen festgestellt werden können. Zu eben diesem Zweck besteht das Instrument des Untersuchungsausschusses. Ein Untersuchungsausschuss, der ex-ante seine Ergebnisse kennen muss, nähme ebendiese Ergebnisse vorweg und führte sich selbst ad absurdum.

 

Das Bundesministerium für Inneres ist in vier Sektionen organisiert, es beschäftigt 34.215 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wobei 29.311 dem Exekutivdienst, 191 der ADV und 4.713 dem Allgemeinen Verwaltungsdienst zuzuordnen sind. Das BVT ist eine der Stellen des BMI und ebenso wie die Sondereinheit Einsatzkommando Cobra/Direktion für Spezialeinheiten (DSE), die Abteilung II/8 Grundsatz und Strategie, die Sondereinheit für Observation (SEO) und das Bundeskriminalamt bei der Sektion II, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit angesiedelt. Es ist eine von 50 im Organigramm des BMI ausgewiesenen Untereinheiten.

 

Bei der Aufgabenerfüllung des BVT, auf die Einfluss genommen werden sollte, handelt es sich daher um einen budgetär und personell äußerst kleinen sowie klar abgrenzbaren Bereich der Vollziehung des Bundesministeriums für Inneres.

 

 

 

Zum Zeitraum der Untersuchung

Mit 1. März 2008 erfolgte die Bestellung des aktuellen Direktors des BVT, am 13.03.2018 wurde er suspendiert. Die Suspendierung und sonstige Maßnahmen, die vom Bundesminister für Inneres im Zusammenhang mit dem BVT getroffen wurden, begründete dieser insbesondere mit der Person des Direktors und dessen Handlungen in Zusammenhang mit dem oben genannten anonymen Konvolut und den darin enthaltenen, teilweise mehrere Jahre zurückreichenden Vorwürfen. Gleichzeitig ist der Direktor des BVT auf Grund seiner Kompetenzen logischer Ansatzpunkt für politisch motivierte Einflussnahme, die nur in Zusammenhang mit dessen persönlichen Verbindungen und Interessenslagen verstanden werden kann. Zur politischen Aufklärung ist daher eine Gesamtbetrachtung der Amtszeiten des aktuellen BVT-Direktors notwendig.

Es handelt sich aus all diesen Gründen beim Untersuchungsgegenstand um einen bestimmten abgeschlossenen Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes.


Beilage zum VERLANGEN auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 Abs. 1 2. Satz GOG-NR

der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Drin Stephanie Krisper, Drin Alma Zadic, LLM, Kolleginnen und Kollegen

betreffend die politische Einflussnahme auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT-Untersuchungsausschuss)


 


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Beilage zum VERLANGEN auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 Abs. 1 2. Satz GOG-NR

der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Drin Stephanie Krisper, Drin Alma Zadic, LLM, Kolleginnen und Kollegen

betreffend die politische Einflussnahme auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT-Untersuchungsausschuss)


 


Beilage zum VERLANGEN gemäß § 33 Abs. 1 2. Satz GOG-NR auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

der Abgeordneten Kai Jan Kramer, Drin Stephanie Krisper, Drin Alma Zadic, LLM, Kolleginnen und Kollegen

betreffend die politische Einflussnahme auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT-Untersuchungsausschuss)