Parlament Österreich

 

 

 

V-5 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVI. GP

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten

der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

Mittwoch, 19. September 2018

 


Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXVI. Gesetzgebungsperiode     Mittwoch, 19. September 2018

 

 

 

Tagesordnung

 

 

1.    COM(2018) 225 final

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen

(22754/EU XXVI.GP)

 

2.    COM(2018) 226 final

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung einheitlicher Regeln für die Bestellung von Vertretern zu Zwecken der Beweiserhebung in Strafverfahren

(23050/EU XXVI.GP)

 

3.    COM(2017) 344 final

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung eines zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (TCN) vorliegen, sowie zur Ergänzung und Unterstützung des Europäischen Strafregisterinformationssystems (ECRIS) und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 (ECRIS-TCN)

(150743/EU XXV.GP)

 

4.    COM(2016) 7 final

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI des Rates im Hinblick auf den Austausch von Informationen über Drittstaatsangehörige und das Europäische Strafregisterinformationssystem (ECRIS) und zur Ersetzung des Beschlusses 2009/316/JI des Rates

(91053/EU XXV.GP)

 

5.    COM(2018) 239 final

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht (Text von Bedeutung für den EWR)

(19868/EU XXVI.GP)

 

 

 

 

 

6.    COM(2018) 241 final

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen (Text von Bedeutung für den EWR)

(21266/EU XXVI.GP)

 

7.    COM(2016) 411 final

Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen (Neufassung)

(110458/EU XXV.GP)

 

 

 

Die Tagesordnungspunkt 1 und 2, 3 und 4 sowie 5 und 6 wurden jeweils unter einem verhandelt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im EU-Unterausschuss wurden diesmal Materien aus dem Justizbereich verhandelt. Die Abgeordneten konnten mit dem Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, Josef Moser, diskutieren.

 

 

Elektronische Beweismittel in Strafsachen

 

 

Die neuen Kommunikationsmittel im digitalen Zeitalter bedeuten für Justiz und Strafverfolgung bei der Ermittlung von Beweismitteln in Strafsachen auch neue Handlungsfelder. Der EU-Unterausschuss des Nationalrats beschäftigte sich zu Beginn der Sitzung mit zwei EU-Vorlagen zu diesem Thema. Die EU-Verordnung zur Einführung von bindenden Herausgabe- und Sicherungsanordnungen zielt auf besseren grenzüberschreitenden Zugang zu elektronischen Beweismitteln in Strafsachen ab, die von Online-Diensten in einem anderen Staat gespeichert sind oder über die diese verfügen. Außerdem sollen zur Zustellung und Ausführung dieser Anordnungen die Behörden auf Vertreter bei allen in der Union tätigen Diensteanbietern zurückgreifen können. Umgesetzt werden soll das mit einem entsprechenden Richtlinienvorschlag für die Bestellung von Vertretern dieser Dienste zu Zwecken der Beweiserhebung in Strafsachen.

 

Insgesamt soll mit diesen europäischen Rahmenregelungen die Rechtssicherheit für Behörden, Online-Dienste und betroffene Menschen verbessert und zugleich dafür gesorgt werden, dass Ersuchen von Strafverfolgungsbehörden weiterhin hohen Standards genügen und somit der Schutz der Grundrechte, Transparenz und Rechenschaftspflicht gewährleistet werden, so die Kommission. Das Verfahren zur Sicherung und Einholung elektronischer Beweismittel, die in einem anderen Staat gespeichert wurden bzw. über die in einem anderen Staat niedergelassene Diensteanbieter verfügen, werde dadurch auch beschleunigt. Die Maßnahmen sollen neben den derzeitigen Instrumenten zur justiziellen Zusammenarbeit bestehen, die weiterhin relevant sind, und nach Bedarf von den zuständigen Behörden eingesetzt werden können.

 

 

Justizminister Josef Moser betonte, dass vom österreichischen Ratsvorsitz bis Ende des Jahres zahlreiche Dossiers behandelt werden, unter anderem auch die vorliegenden Vorschläge zur E-Evidence. Das Thema habe enorme Brisanz in Blickrichtung der US-Cloud Act, Europa wolle hier mit der E-Evidence nachziehen. Ziel der dazu vorliegenden EU-Vorschläge für die Herausgabe- und Sicherungsanordnungen sei die Bekämpfung etwa von Hasspostings und Kinderpornographie. Damit sollen Unternehmen direkt Beweismittel zur Verfügung stellen, wofür auch Vertreter namhaft gemacht werden müssten, denen die Anordnungen zugestellt werden können. Auch Sanktionen seien vorzusehen, so der Justizminister, der zugleich auf die hohe Komplexität der Materie in der internationalen Dimension mit unterschiedlichen Interessen und rechtlichen Rahmenbedingungen verwies. So finde derzeit gerade die Diskussion statt, die sich um die Fragen drehe, welche Regelungen – etwa mit den USA – im Anordnungsfall jeweils anzuwenden seien, und wer wo jeweils über deren Durchführung zu entscheiden habe, auch hinsichtlich unterschiedlicher Regelungen in Sitzstaat und Anordnungsstaat. Im November würden hier weitere Verhandlungen stattfinden. Der Minister hofft darauf, dass bis Ende des Vorsitzes weitere Annäherungen und eine allgemeine Ausrichtung erreicht werden können. Thema soll dabei auch sein, wie man etwa im Hinblick auf große Internetfirmen wie Facebook mit den USA zu Regelungen kommt. Hinsichtlich der Thematik geteilter bilateraler Abhandlungen mit Mitgliedstaaten sei hier Europa bereits in die Richtung gegangen, gesamthaft aufzutreten. Gerade beim wichtigen Thema Grundrechte und Datenschutz seien die Verhandlungen aber noch am Anfang, sagte der Justizminister. Es könne jedenfalls nicht sein, dass letztlich Unternehmer entscheiden, welche Regelungen zu berücksichtigen sind, das müsse sehr wohl eine staatliche Stelle prüfen. Insgesamt sei der Grundrechtsschutz als Kernthematik für diesen Bereich ein Riesenthema, unterstrich Moser.

 

Neben ÖVP-Abgeordneter Carmen Jeitler-Cincelli hatten sich zuvor auch Susanne Fürst (FPÖ), Johannes Jarolim (SPÖ) und Nikolaus Scherak (NEOS) über den konkreten Stand der Verhandlungen erkundigt und thematisierten den Grundrechtsschutz in diesem Zusammenhang.

 

Susanne Fürst von der FPÖ sieht hinsichtlich der Vorlagen auch immer mehr Bedarf an Zugang zu grenzüberschreitenden Ermittlungen und an einem europäischen Konzept dazu. Sie stellte auch in den Raum, ob unser hohes Rechtsschutzniveau durch amerikanische Internetriesen Gefahr laufe, online untergraben zu werden. Nikolaus Scherak (NEOS) äußerte seitens der NEOS massive Bedenken hinsichtlich Grundrechtsschutz, konkret hinsichtlich des Rechtsschutzprinzips der Territorialität.

 

Johannes Jarolim (SPÖ) sprach sich dafür aus, dass die USA im Unterschied zu bilateralen Vereinbarungen die EU als Ansprechpartner anerkennen solle. Österreich habe jetzt mit dem Ratsvorsitz die Chance, auch für die Zukunft in diese Richtung zu verhandeln. Darüber hinaus gab er zu bedenken, dass auch innerhalb Europas die Rechtskriterien unterschiedlich seien, Stichwort Harmonisierung. Aus Sicht der Terrorismusbekämpfung seien die EU-Vorlagen ein sinnvolles Anliegen, es dürfe aber nicht dazu kommen, etwa hinsichtlich des Datenschutzes unrechtstendierende Bestrebungen zu unterstützen, die einem hohen Grundrechtsverständnis nicht entsprechen. Hinsichtlich der Komplexität des Themas äußerte Jarolim den Vorschlag, dass sich eine europäische Behörde mit Schnittstellen in die Länder mit diesen Fragen auseinandersetzen könnte. Aus seiner Sicht könnte damit die Abstimmung rascher laufen, darüber hinaus Wissensaufbau stattfinden und auch die Rechtsharmonisierung weitergebracht werden.

 

 

Mit der Einführung der bindenden Herausgabe- und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen sollen der Justiz und der Strafverfolgung in den europäischen Mitgliedstaaten Instrumente für den Umgang mit den heutigen Kommunikationsmethoden von Straftätern an die Hand gegeben werden.

 

Beide Anordnungen sind laut Kommissionsvorschlag gegebenenfalls von einer Justizbehörde eines Mitgliedstaats zu erlassen oder zu validieren. Sie können zur Sicherung und Herausgabe von Daten erlassen werden, die von einem Diensteanbieter in einem anderen Staat gespeichert wurden und als Beweismittel in strafrechtlichen Ermittlungen oder Strafverfahren erforderlich sind, wenn in einer vergleichbaren innerstaatlichen Situation im Anordnungsstaat eine ähnliche Maßnahme für dieselbe Straftat zur Verfügung steht. Beide Anordnungen können Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste, sozialer Netzwerke oder von Online-Marktplätzen, Anbietern anderer Hosting-Dienste und Anbietern von Internetinfrastruktur, oder – wo es diese gibt – ihren Vertretern zugestellt werden, so die Erläuterungen im Verordnungsvorschlag. Die Verordnung soll sowohl für Betreiber mit Sitz in der EU, als auch für all jene, die ihre Dienste in der EU anbieten, gelten.

 

Anders als Überwachungsmaßnahmen oder gesetzlich festgelegte Verpflichtungen zur Vorratsdatenspeicherung, die laut Kommission nicht in dieser Verordnung vorgesehen sind, sei die Europäische Sicherungsanordnung eine Anordnung, die von einer Justizbehörde im Rahmen eines konkreten Strafverfahrens erlassen oder validiert wird, nachdem die Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit im Einzelfall geprüft wurde, wird in der Vorlage festgehalten.

 

Die Anordnungen zur Herausgabe von Teilnehmer- und Zugangsdaten können laut Kommissionvorschlag für jede Art von Straftat erlassen werden, während die Anordnung zur Herausgabe von Transaktions- und Inhaltsdaten nur für Straftaten, die im Anordnungsstaat mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens drei Jahren geahndet werden oder bei denen eine bestimmte Verbindung zu elektronischen Tools und Straftaten besteht, die unter die Terrorismusbekämpfungs-Richtlinie fallen, veranlasst werden können soll. In Anbetracht der unterschiedlich starken Eingriffe im Verhältnis zu den erstrebten Daten werden laut Kommission in dem Vorschlag eine Reihe von Voraussetzungen und Garantien festgelegt, etwa die Erwirkung einer Ex-ante-Validierung der Anordnungen durch eine Justizbehörde. Unter anderem werde auch ein spezifisches Verfahren für Fälle eingerichtet, in denen die Pflicht zur Bereitstellung von Daten mit einer Verpflichtung kollidiert, die aus dem Recht eines Drittstaats erwächst.

 

 

Mit dem Richtlinienvorschlag für die Bestellung von Vertretern zu Zwecken der Beweiserhebung in Strafsachen sollen Online-Diensteanbieter darüber hinaus verpflichtet werden, zum Zweck der Zustellung einer solchen Herausgabe- oder Sicherungsanordnung einen Vertreter zu benennen. Die Mitgliedstaaten müssen dazu Regelungen und Sanktionen vorsehen, dass Betreiber, die ihre Dienste in der EU anbieten, einen solchen Vertreter benennen müssen. Gelten soll das für jene, die ihre Dienste in mehr als einem Mitgliedstaat anbieten bzw. die ihren Sitz in einem Drittstaat haben und ihre Dienste in der EU anbieten. Ausgenommen sollen Betreiber sein, die ihre Dienste nur in jenem Mitgliedstaat anbieten, in dem sie ihren Sitz haben. Darüber hinaus sieht der Vorschlag auch einen Koordinierungsmechanismus auf Grundlage zentraler Behörden vor, um ihnen zu ermöglichen, bei der Durchsetzung der Vorschriften zusammenzuarbeiten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Austausch von Strafregisterdaten

 

 

Ferner wurde im EU-Unterausschuss des Nationalrats eine Richtlinie und eine ergänzende Verordnung diskutiert, mit der ein Austausch von Strafregisterdaten auf EU-Ebene in Bezug auf Drittstaatsangehörige und Staatenlose ermöglicht werden soll. Justizminister Josef Moser legte dar, dass mit dem europäischen Strafregisterinformationssystem ECRIS den Strafverfolgungsbehörden in der EU ein probates Mittel zur Verfügung stehe, um rasch und effizient zu erheben, ob ein Staatsbürger bzw. eine Staatsbürgerin eines EU-Landes innerhalb der EU vorbestraft ist. Die Herkunftsländer der EU sind verpflichtet, entsprechende Daten in Bezug auf ihre StaatsbürgerInnen über ECRIS bekannt zu geben. Das erspart den Mitgliedsländern langwierige Rechtshilfeverfahren auf zwischenstaatlicher Ebene. ECRIS wurde im April 2012 eingerichtet. Derzeit nehmen 25 EU-Mitgliedstaaten daran teil.

 

Das System funktioniert allerdings nicht, wenn es um Drittstaatsangehörige und Staatenlose geht, weil sie über keine "Herkunftsländer" innerhalb der EU verfügen. Derzeit behelfen sich die Behörden in der EU, indem sie "generelle Anfragen" an alle EU-Mitglieder stellen. Das ist aber verwaltungsaufwendig und kostet pro Jahr insgesamt etwa 78 Mio. €. Angesichts dieses Aufwands werden solche Anfragen nur in fünf Prozent der Fälle gestellt. Im Jahr 2014 beispielsweise wurden in der EU 558.000 Drittstaatsangehörige in 19 Mitgliedstaaten verurteilt. In dieser Zeit wurden jedoch nur 23.000 Auskunftsersuchen über Vorstrafen von Nicht-EU-BürgerInnen gestellt.

 

Auslöser für ein Umdenken in der EU waren die Terroranschläge der letzten Jahre, beginnend mit jenem auf die Redaktion des Satiremagazins "Charlie Hebdo" in Paris im Jänner 2015. Anfang 2016 legte die Europäische Kommission einen Richtlinienentwurf vor, durch den Abhilfe geschaffen werden sollte. In dieser Richtlinie war eine dezentrale Lösung vorgesehen: Die nationalen Strafregisterbehörden sollten die Identitätsdaten der in ihrem Land verurteilten Drittstaatsangehörigen in einem "Index-Filter" anderen EU-Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen. Im Rat fand sich jedoch eine breite Mehrheit von Mitgliedstaaten, die die dezentrale Lösung als schwer umsetzbar erachteten.

 

 

Die Europäische Kommission legte daher im Juli 2017 eine Verordnung vor, mit der die Richtlinie um eine zentrale Lösung ergänzt werden soll. Das zentrale ECRIS-Netz, bezogen auf Strafregisterauskünfte über EU-BürgerInnen, soll um ein zentrales ECRIS-TCN-Netz ("Third Country Nationals") erweitert werden, bezogen auf Strafregisterauskünfte über Nicht-EU-BürgerInnen. Auskünfte aus dem ECRIS-TCN erfolgen in einem zweistufigen Verfahren: Im ersten Schritt stellt das anfragende Mitgliedsland fest, ob Drittstaatsangehörige oder  Staatenlose in einem EU-Mitgliedsland eine Verurteilung haben; da im ECRIS-TCN-Netz nur Daten (z. B. Name, Geburtsdaten), Fingerabdrücke und Gesichtsdaten der oder des Betroffenen zur Verfügung stehen, tauschen das anfragende und das Auskunft gebende Mitgliedsland im zweiten Schritt Daten über die Verurteilung(en) aus. Mit dem Aufbau und der Wartung des ECRIS-TCN-Netzwerks wurde die EU-Agentur euLISA beauftragt. Sie zeichnete auch für die Entwicklung und Wartung des ECRIS verantwortlich.

 

Laut Justizministerium bestehen hinsichtlich Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität keine Bedenken. Voraussichtlich wird es auf nationaler Ebene in Österreich Änderungen in drei Gesetzesmaterien geben müssen: im Strafregistergesetz, im Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der EU und möglicherweise in jenen Normen, die den rechtlichen Rahmen für die Verwendung erkennungsdienstlicher Daten bilden, insbesondere Fingerabdrücke.

 

Justizminister Moser berichtete, dass derzeit noch nationale Regelungen bezüglich der Fingerabdrücke von Doppelstaatsbürgern diskutiert würden; auch der Umgang mit DoppelstaatsbürgerInnen im Zusammenhang mit der Speicherung im ECRIS-TCN-Netz sei noch offen. Außerdem sei eine Konsultationsmöglichkeit vorgesehen, um zu prüfen, ob Betroffene bereits vor Verleihung einer EU-Staatsbürgerschaft in einem EU-Land verurteilt worden sind.

 

 

ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl betonte, die Lösung bedeute einen Vorteil für die EU-BürgerInnen. Auch für die Betroffenen sei es ein Vorteil, weil sie nachweisen könnten, ob Vorverurteilungen über sie vorliegen. FPÖ-Abgeordneter David Lasar unterstrich diesen Punkt ebenfalls. Wichtig ist laut Gerstl jedoch auch zu bestimmen, welche Verurteilungen in das ECRIS-TCN-Netz eingespeist werden sollten. Diesen Punkt unterstrich auch Johannes Jarolim (SPÖ). Er wies darauf hin, dass Straftatbestände innerhalb der EU äußerst unterschiedlich seien. Beispielsweise gebe es in Schweden im Sexualstrafrecht Delikte, die anderswo bei weitem nicht strafbar seien. Jarolim unterstrich, dass eine zentrale gemeinsame Wertewelt nicht festgelegt sei und sich damit die Frage eröffne, ob alle Delikte zu melden seien oder ob nicht doch Wertgrenzen festgelegt werden sollten. Wichtig sei das vor allem für den niederschwelligen Bereich, nicht für schwere Delikte oder wenn es darum gehe, Terrorismus zu verhindern. Auch für Doris Margreiter (SPÖ) ist die Frage zentral, wie die unterschiedlichen Werte der einzelnen EU-Länder in Einklang zu bringen sind. Sie wollte zudem die Einmeldepraxis der Mitgliedstaaten hinterfragt wissen. Ihrer Meinung nach sollte klar geregelt werden, welcher Zeitrahmen den EU-Ländern zur Verfügung steht, um Eintragungen vorzunehmen.

 

Justizminister Moser verwies darauf, dass das Europäische Parlament ursprünglich dem Vorhaben ablehnend gegenüber gestanden sei. In Anbetracht der Terrorlage jedoch habe es ein Umdenken gegeben und die Pattstellung habe sich aufgelöst. Wie mit Fingerabdrücken umgegangen werde, sei nach wie vor in nationalstaatlicher Hand. Da die Täter oft mit unterschiedlichen Alias-Namen und -Daten auftreten, sei es wichtig, Verwechslungen vorzubeugen. Das sei am besten mit Fingerabdrücken und künftig auch mit Gesichtserkennungsdaten möglich. Wenn künftig Drittstaatsangehörige und Staatenlose vom ECRIS-TCN-Netz umfasst seien, sei das sehr positiv für die BürgerInnen – und im Hinblick auf den Verwechslungsausschluss auch für Betroffene. Nun müsse alles daran gesetzt werden, um die neuen Vorschläge fit zu machen, sodass die Regelung zu einem positiven Abschluss gebracht werden könne.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gesellschaftsrecht  –  Online-Anmeldungen, Mobilität

 

 

Das von der EU-Kommission am 25. April 2018 vorgelegte Gesellschaftsrechts-Paket wurde im EU-Unterausschuss des Nationalrats grundsätzlich positiv bewertet - mit der Einschränkung, dass Missbrauch wie die Gründung von Briefkastenfirmen oder Steuervermeidung unbedingt verhindert werden müsse. In den beiden Gesetzesentwürfen geht es insbesondere um eine (weitere) Digitalisierung im Gesellschaftsrecht, vor allem um Gründungen zu erleichtern. Zum anderen betreffen die Bestimmungen die grenzüberschreitende Mobilität. So sollen verbesserte und zum Teil neue Regeln für grenzüberschreitende Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel eingeführt werden. Justizminister Josef Moser machte auch von seiner Seite klar, dass man mit den neuen Regelungen in keinem Fall Missbrauch Vorschub leisten dürfe. Die österreichische Ratspräsidentschaft achte darauf, Schutzbestimmungen für ArbeitnehmerInnen, Gläubiger und Mitgesellschafter nicht zu beschneiden. In diesem Sinne werde man in den nächsten Verhandlungsrunden Kompromissvorschläge auf den Tisch legen. Einen Abschluss der Materie noch während des Ratsvorsitzes hält er nicht für wahrscheinlich, er erhofft sich aber wesentliche Fortschritte.

 

 

Was die Digitalisierung betrifft, so sollen während des gesamten "Lebenszyklus" einer Gesellschaft im Verhältnis zum jeweiligen nationalen Unternehmensregister (Firmenbuch) soweit wie möglich digitale Kommunikationsmittel zum Einsatz kommen können, wie das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz dazu ausführt. Unter anderem schlägt die Kommission die Möglichkeit einer reinen Online-Registrierung von "kleinen" Kapitalgesellschaften (GmbHs) unter Verwendung von Mustern für die Gründungsurkunden vor, sofern im Einzelfall kein "konkreter Betrugsverdacht" besteht. Zudem enthält der Vorschlag Vorgaben hinsichtlich der Höhe der Gebühren, die für die Registereintragung verlangt werden dürfen, sowie maximale Entscheidungsfristen für das Registergericht bei der Eintragung.

 

Im Hinblick auf die grenzüberschreitende Mobilität weist das Ministerium darauf hin, dass derzeit nur für die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften eine ausdrückliche sekundärrechtliche Grundlage vorhanden ist. Der nunmehrige Vorschlag der EU-Kommission würde demgegenüber auch eine vom Verwaltungssitz isolierte grenzüberschreitende Verlegung des Registersitzes sowie eine grenzüberschreitende Spaltung ermöglichen. Damit kommt die EU einem Urteil des EuGH nach. In diesem Zusammenhang bekräftigt die Kommission, dass dabei dem Minderheits-, Gläubiger- und auch dem Arbeitnehmerschutz Rechnung getragen werde und auch "künstliche Konstrukte, durch die ungebührliche Steuervorteile erlangt" werden könnten, untersagt seien. Darüber hinaus schlägt die Kommission eine weitergehende Harmonisierung bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung vor.

 

 

Die Frage der Schutzbestimmungen für ArbeitnehmerInnen, Gläubiger und Mitgesellschaftern sowie die Gefahr der vermehrten Gründung von Scheinfirmen prägte dann auch die Debatte im Ausschuss. Wir sollten uns in der digitalen Dynamik positionieren, unterstrich Carmen Jeitler-Cincelli (ÖPV), stellte aber gleichzeitig klar, dass die neuen Regelungen keinesfalls Tore für kriminelle Zwecke öffnen dürfen. Ähnlich Doris Margreiter und Johannes Jarolim (beide SPÖ). Es sollte weniger darum gehen, dass etwas schnell erledigt wird, vielmehr sei darauf zu achten, dass die Regelungen nicht zur Grünung von Briefkastenfirmen und zur Steuervermeidung missbraucht werden, sagte Margreiter. Auf alle Fälle sei darauf zu achten, dass kein unfairer Wettbewerb entsteht und der Firmensitz dort eingetragen wird, wo tatsächlich eine unternehmerische Tätigkeit erfolgt. Die 5-Tage-Frist hält sie für zu kurz, um realistisch die notwendigen Prüfungen vornehmen zu können.

 

Ebenso wenig leugnete Jarolim die Sinnhaftigkeit des EU-Vorschlags. Er ersuchte den Minister jedoch eindringlich, bei den Verhandlungen darauf zu bestehen, dass Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht ausgehöhlt werden. Jarolim bedauerte grundsätzlich, dass auf dem Weg der Harmonisierung die Rechtssysteme nicht angepasst werden, wodurch Missbrauch möglich sei. Es sei daher sicherzustellen, dass Unternehmensgründungen durchgeführt werden und nicht "Unternehmensgeldwäschegründungen", wie er sagte. Auch Robert Lugar (FPÖ) hält es für unabdinglich, ein Auge auf den Arbeitnehmerschutz zu werfen.

 

Justizminister Moser pflichtete dem bei und wies darauf hin, dass laut vorliegenden Texten jeder Staat bei Verdacht verlangen kann, dass die Gesellschaft voll anwesend ist. Zudem seien zusätzliche Überprüfungen möglich. Die Beiziehung eines Notars bleibe Sache der Nationalstaaten. Verschmelzungen seien derzeit schon möglich, sagte Moser, nun würden Arbeitnehmerrechte implementiert. Im Bereich der Umwandlung, dem Herzstück des Entwurfs, sieht der Justizminister durchaus die Gefahr von Missbrauch und unrechtmäßiger Erlangung von Steuervorteilen. Daher gebe es hier noch Diskussionsbedarf. Außerdem sei die Frage offen, welche Informationen kostenlos zur Verfügung stehen sollen, auch das Gebührenlimit werde noch diskutiert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kindesentführungen

 

 

Der letzte Tagesordnungspunkt im EU-Unterausschuss des Nationalrats betraf einen Verordnungsentwurf, der auf eine effiziente Verfahrensabwicklung bei Kindesentführungen abzielt (Änderung der Brüssel-IIa-Verordnung - Verordnung über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen).

 

Die Verfahrensbeschleunigung soll im Wesentlichen durch zwei Maßnahmen erreicht werden. Zum einen soll eine Höchstfrist von 18 Wochen eingeführt werden, wobei jeweils sechs Wochen für die Bearbeitung durch die zentrale Behörde sowie die Verfahren erster und zweiter Instanz vorgesehen sind. Zum anderen soll das sogenannte "Exequaturverfahren" abgeschafft werden. Darunter versteht man jenes Verfahren, wodurch ein ausländischer Vollstreckungstitel erst zur Exekution im Inland zugelassen wird. Die Kommission nennt dieses in ihren Erläuterungen ein Hindernis für den freien Verkehr von gerichtlichen Entscheidungen, das mit unnötigen Kosten und Fristen für Eltern und ihre Kindern einhergehe. Zudem sollen auch Äußerungsmöglichkeiten des betroffenen Kindes (je nach Reife) unionsweit eingeführt und die Zusammenarbeit der zentralen Behörden verbessert werden.

 

Die Brüssel-IIa-Verordnung, die seit 1. März 2005 in allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks gilt, ist laut Kommission ein Eckpfeiler der justiziellen Zusammenarbeit in Familiensachen. Sie soll nun weiterentwickelt werden, mit dem Fokus, das Kindeswohl besser zu schützen, indem Verfahren vereinfacht und effizienter abgewickelt werden sollen.

 

 

Wie Justizminister Josef Moser dazu ausführte, liegt der Fokus der Novellierung auf der Anhörung der Kinder, der Grundrechte und der Mediation. Gegenüber den Abgeordneten Wolfgang Gerstl (ÖVP), Gertraud Salzmann (ÖVP), Klaudia Friedl (SPÖ) und Jessi Lintl (FPÖ) betonte er, alle Länder würden im Grunde genommen die Vorlage befürworten, dennoch seien einzelne Fragen auch aufgrund unterschiedlicher Kulturen noch zu diskutieren. Er sei jedenfalls "mit Leidenschaft dahinter", noch während der österreichischen Ratspräsidentschaft dieses Dossier trotz der dafür notwendigen Einstimmigkeit im Rat abschließen zu können, da es um den Schutz der Schwächsten, nämlich der Kinder gehe. Rechtsstaatlichkeit sei auch ein Schwerpunkt der Ratspräsidentschaft und es sei notwendig, in Europa bei grenzüberschreitenden Fragen Rechtssicherheit zu gewährleisten.

 

Die Frage des klassischen Ehebegriffs hab man in diesem Papier nicht aufgegriffen, da hier die Meinungsunterschiede viel zu groß seien um weiterzukommen, informierte er Klaudia Friedl (SPÖ). Man habe sich im Interesse der Kinder auf das Thema Kindesentführung konzentriert, weil hier eine Einigung leichter zu erzielen sei.

 

Moser war sich mit Pilz-Abgeordnetem Alfred Noll einig, dass die Brüssel-IIa-Verordnung ein EU-Erfolgsprogramm darstellt, bei dem in der Sache viel weitergehe. Noll hatte in seiner Wortmeldung vor allem die laufenden Evaluierungen begrüßt und hervorgehoben, dass in diesem Bereich die EU auch die entsprechenden Konsequenzen ziehe. Noll würde sich ein solches REFIT-Programm für eine bessere Rechtsetzung auch für Österreich wünschen.