1/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 23.10.2019
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Entschließungsantrag

 

 

der Abgeordneten Dr.in Pamela Rendi-Wagner MSc

Genossinnen und Genossen

 

betreffend ein 7 Punkte-Sofortmaßnahmenpaket gegen Kinderarmut

 

Mehr als 300.000 Kinder und Jugendliche sind in Österreich armutsgefährdet. Fast jedes fünfte Kind (19 Prozent) lebt in von Armut betroffenen Familien. Kinder sind die am stärksten unter Armut leidende Bevölkerungsgruppe. Besonders betroffen sind AlleinerzieherInnen (fast 40 Prozent) und kinderreiche Familien. Die Kürzung der Mindestsicherung hat diese Situation zusätzlich verschärft. Aktuelle Zahlen der Statistik Austria belegen, dass über ein Drittel der Mindestsicherungsbezieher Kinder und Jugendliche sind. Familien mit Kindern sind überproportional häufig auf Mindestsicherung angewiesen, weshalb die Einschnitte bei der Sozialhilfe eine drastische Einkommensreduktion für die betroffenen Familien bedeuten und die Situation für viele Kinder und Jugendliche weiter verschärfen.

 

Diese Zahlen sind mehr als alarmierend, denn Kinder, die in Armut aufwachsen, haben wesentlich geringere Chancen auf ein gutes Leben. Von Armut betroffene Kinder sind die chronisch Kranken von morgen, oft mit schlechter Ausbildung und oft ohne Job. Daher müssen wir rasch handeln, denn Kinderarmut darf in einem wohlhabenden Land wie Österreich keinen Platz haben. Es braucht effektive Verbesserungen, um Kinderarmut zu bekämpfen und armutsgefährdete Familien und Alleinerziehende zu unterstützen.

Wir feiern in diesem November das 30-Jährige Jubiläum der "UN-Konvention über die Rechte des Kindes". Die UN-Konvention garantiert allen Mädchen und Buben politische, kulturelle, wirtschaftliche und soziale Rechte. Sie schützt sie vor Diskriminierung, Gewalt und Ausbeutung. Dieses Jubiläum ist auch ein Auftrag, für die Umsetzung der Kinderreche in Österreich zu sorgen und Kinderarmut offensiv zu bekämpfen. „Kinder haben Rechte!“ und daher soll im Zuge des nachstehenden 7 Punkte-Sofortmaßnahmenpakets gegen Kinderarmut Erste-Hilfe geleistet und die Situation der von Armut betroffenen Kinder in kurzer Zeit wesentlich verbessert werden:

1)    Rechtsanspruch auf einen ganztägigen kostenfreien Kindergarten- sowie Schulplatz: Qualitativ hochwertige, ganztägige Kinderbetreuung ist zentral für faire Bildungschancen aller Kinder und Voraussetzung für eine bestmögliche Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Bedeutung von Kinderbetreuung als elementare Bildungseinrichtung ist enorm und wird in Zukunft noch weiter steigen. Zudem reduziert eine Ganztagesbetreuung in der Schule die Notwendigkeit für Nachhilfe und sorgt für bessere Integration. Daher braucht es dringend einen Ausbau und Rechtsanspruch auf einen ganztägigen kostenlosen Kinderbetreuungsplatz ab dem 1. Lebensjahr sowie einen Schulplatz in einer ganztägigen Schule

 

2)    Gesunde Schulen: Gratis gesundes Essen und tägliche Turnstunde: Mit rund 700 Euro pro Jahr ist das Schul-Mittagessen für viele Familien eine finanzielle Belastung und oder gar nicht leistbar. Das wollen wir ändern. Jedes Kind hat ein Recht auf ein gesundes Schulmittagessen, unabhängig vom Einkommen der Eltern. Zudem soll die tägliche Bewegungs- und Sporteinheit in allen Kindergärten und Schultypen endlich umgesetzt werden.

 

3)    Chancenindex: 5000 LehrerInnen mehr, wo sie am meisten gebraucht werden: Nur 6 von 10 SchülerInnen in der 4. Volksschulklasse können sinnerfassend lesen – Schwierigkeiten haben hier sehr oft Kinder, deren Erstsprache nicht Deutsch ist.  Derzeit bekommen jene, die Hilfe beim Lernen brauchen, nicht die notwendige Unterstützung, das geht so nicht weiter! Hier braucht es mehr LehrerInnen. Wir wollen die Mittel nach dem tatsächlichen Bedarf verteilen und den „Chancenindex“ zur Anwendung bringen.

 

4)    Kostenfreier und ausreichender Zugang zu diagnostischen und therapeutischen Leistungen im Kindes- und Jugendalter: Kinder, die heute von Armut betroffen sind, sind die chronisch kranken Erwachsenen von morgen. Um das zu verhindern müssen ausreichend Therapieangebote wie Logopädie, Ergotherapie oder Psychotherapie vorhanden sein. Aktuell müssen Kinder auf Grund der mangelnden Verfügbarkeit ein dreiviertel Jahr bis ein Jahr auf einen Platz warten. Wir fordern daher den flächendeckenden Ausbau des Angebots von Therapieplätzen und die vollständige Kostenübernahme für Kinder durch die Krankenkassen.

5)    Jedes Kind ist gleich viel wert: Rücknahme der Kürzungen bei der Mindestsicherung und Familienbonus für alle: Die „Sozialhilfe Neu“ sieht vor, dass es für das zweite Kind künftig nur noch 4,3 Euro pro Tag gibt, Ab dem dritten Kind wird der Betrag sogar auf 1,50 Euro reduziert. Aktuelle Zahlen der Statistik Austria belegen, dass über ein Drittel der Mindestsicherungsbezieher Kinder und Jugendliche sind. Diese Situation ist untragbar, denn es geht um ihre Chancen und ihre Zukunft, die hier vorsätzlich gefährdet wird. Sogar in Deutschland werden armutsgefährdete Menschen mit Harz IV besser unterstützt.

All jene, die von der türkis-blauen Bundesregierung vom Familienbonus ausgeschlossen wurden, sollen in Form einer Negativsteuer ebenfalls vom Familienbonus profitieren. Rund zehn Prozent – das sind NiedrigverdienerInnen, vor allem AlleinerzieherInnen – profitieren derzeit nicht vom Familienbonus. Jedes Kind soll gleich viel wert sein, daher braucht es einen gleichwertigen Bonus für alle Familien mit Kindern, auch Familien mit kleinem Einkommen. Damit können wir 50.000 Kinder aus der Armut helfen, 30.000 AlleinerzieherInnen und 60.000 Paare mit Kindern müssten nicht mehr in Armut leben. Ein Beispiel: Ein alleinverdienender Vater mit einem Bruttoeinkommen von 1.800 Euro und zwei Kindern erhält heute einen Familienbonus von nur 1.500 Euro. Ein gut bezahlter leitender Angestellter mit einem Einkommen von 5.000 Euro erhält den vollen Bonus von 3.000 Euro für seine beiden Kinder.

 

Folgende Tabelle soll das näher erläutern (anhand eines Alleinverdieners mit unterschiedlichen Einkommen)

 

Brutto pro Monat

Bonus: Ein Kind (max. 1.500 €)

Bonus: Zwei Kinder (max. 3.000 €)

Bonus: Drei Kinder (max. 4.500 Euro)

1.200 Euro

257 €

257 €

257 €

1.800 Euro

1.500 €

1.731 €

1.731 €

2.500 Euro

1.500 €

3.000 €

3.980 €

3.000 Euro

1.500 €

3.000 €

4.500 €

Quelle: Brutto-Netto Rechner BMF


 

6)    Unterhaltsgarantie einführen: Das Ausbleiben von Unterhaltszahlungen stellt eine echte Armutsfalle für Kinder und Alleinerziehende dar. Bereits im Wahlkampf 2017 haben sich daher alle Parteien zur Unterhaltsgarantie bekannt. Ziel ist es, die Lücken im österreichischen Unterhaltsrecht zu schließen und Kinder, die keinen oder einen sehr geringen Unterhalt bzw. Unterhaltsvorschuss beziehen, finanziell abzusichern.

 

7)    Erhöhung des Schulstartgeldes: Eltern geben für den Schulbesuch ihres Kindes im Durchschnitt 855 Euro pro Jahr aus (ohne Mittagessen), allein zum Schulstart sind es rund 200 Euro. Das ist für viele Eltern eine enorme Belastung. Das 2011 eingeführte Schulstartgeld von 100 Euro wurde seither nicht erhöht. Damit jedes Kind einen sorgenfreien Start in die Schule hat, soll das Schulstartgeld auf 200 Euro erhöht werden.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein Sofortmaßnahmenpaket zur Bekämpfung von Kinderarmut vorzulegen, welches folgende sieben Schwerpunkte umfasst:

 

1)    Rechtsanspruch auf einen ganztägigen kostenfreien Kindergartenplatz ab dem 1. Lebensjahr- sowie auf einen Schulplatz in einer ganztägigen Schule;

 

2)    Gratis gesundes Essen und tägliche Turnstunden in Schulen (Projekt Gesunde Schule);

 

3)    5.000 LehrerInnen mehr, wo sie am meisten gebraucht werden (Chancenindex)

 

4)    Kostenfreier und ausreichender Zugang zu diagnostischen und therapeutischen Leistungen im Kindes- und Jugendalter;

 

5)    Jedes Kind ist gleich viel wert: Rücknahme der Kürzungen der Mindestsicherung und Familienbonus für alle;

 

6)    Unterhaltsgarantie einführen;

 

7)    Erhöhung des Schulstartgeldes.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Budgetausschuss