120/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 11.12.2019
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Mehr Treffsicherheit bei Bildungskarenz

 

 

Die Bildungskarenz stellt eine potenzialstarke aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahme dar, die bereits frühzeitig den Zugang zu Qualifizierungsmaßnahmen erleichtert und präventiv vor Arbeitslosigkeit schützen kann. Sie erfreut sich in Österreich großer Beliebtheit: Laut einer Sonderauswertung des österreichischen Arbeitsmarktservice (AMS) stieg die Zahl der Weiterbildungsgeldbezieher_innen österreichweit von 2009 bis 2018 um mehr als 34 Prozent. Im ersten Halbjahr 2019 haben laut AMS schon knapp 11.000 Personen das Weiterbildungsgeld in Anspruch genommen: 

Zugang Weiterbildungsgeldbezieher_innen im Jahr 2018 und Veränderung zum Jahr 2009 nach Bundesländern absolut und in %

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Quelle: AMS: Spezialthema zum Arbeitsmarkt

Von der Bildungskarenz (und der monetären Förderung durch das Weiterbildungsgeld) sollen Personen profitieren, die ausbildungsbedingt Probleme haben, sich vor Arbeitslosigkeit abzusichern. Zu diesen Gruppen gehören überdurchschnittlich stark ältere Arbeitnehmer_innen, Arbeitnehmer_innen mit niedrigen Bildungsabschlüssen und Arbeitnehmer_innen in Branchen, die besonders häufig von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Es zeigt sich aber, dass diese Gruppen nur bedingt tatsächlich gefördert werden.

Während sich der Anteil jener, die eine akademische Ausbildung haben und Weiterbildungsgeld in Anspruch genommen haben, zwischen 2010 und 2018 von 17% auf 21% gesteigert hat, ist der Anteil derjenigen mit Pflichtschulabschluss gesunken: 2018 waren lediglich knapp 12% aller Weiterbildungsgeldbezieher_innen mit Pflichtschulabschluss - im Jahr 2010 immerhin noch 16% (vgl. 1484/AB, XXVI.GP). 

Und auch 2019 ist die Bildungskarenz jung, weiblich und akademisch: Am häufigsten wird sie (und damit einhergehend der Bezug von Weiterbildungsgeld) von akademisch ausgebildeten Frauen zwischen 20 und 44 Jahren in Anspruch genommen. Von 10.688 Personen, die im Schnitt zwischen Jänner und Juli 2019 Bildungskarenz in Anspruch nahmen, waren 88% der Personen zwischen 20 und 44 Jahre alt. 44% hatten eine höhere oder akademische Ausbildung (AMS Spezialthema 11/2019). 

Das aktive arbeitsmarktpolitische Instrument der Bildungskarenz wird also von jener Gruppe am häufigsten in Anspruch genommen, die - verglichen mit anderen Gruppen - am wenigsten Probleme am Arbeitsmarkt hat. Denn während die durchschnittliche Gesamt-Arbeitslosenquote 2018 bei 7,7% lag, betrug die Arbeitslosenquote von Akademiker_innen nur 3,3% . 

Aufgrund des Anstieges der Weiterbildungsgeldbezieher_innen, haben sich auch die Ausgaben für die Bildungskarenz massiv erhöht:

Zahlungen

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

2017

2018

 

74,7

108,1

110,6

131,8

157,0

149,9

156,4

165,3

179,1

190,5

Quelle: BMASGK: Aktive Arbeitsmarktpolitik in Österreich 1994-2013 bzw. 2014 bis 2019; Gesamtausgaben für Leistungsbezieher_innen von Weiterbildungsgeld inkl. Sozialversicherung. Angaben in Mio. Euro.  

Vor dem Hintergrund der Steigerung der Ausgaben wäre es umso wichtiger, dass das Steuergeld der Österreicher_innen an der richtigen Stelle eingesetzt wird. Denn die Rückkehrrate nach einer Bildungskarenz zum selben Dienstgeber beträgt lt. Arbeitsmarktservice lediglich 45%. Damit wird ein verfolgtes Ziel der Maßnahme, nämlich "sich fachliche Qualifikationen für die Laufbahnplanung beim/bei der gegenwärtigen ArbeitgeberIn anzueignen und damit das Beschäftigungsverhältnis abzusichern" (AMS Spezialthema 11/2019) klar verfehlt. Es besteht der Verdacht, dass Unternehmen Dienstverhältnisse mit "unliebsamen" Arbeitnehmer_innen durch Bildungskarenzen beenden können und die Kosten dafür eigentlich an die Steuerzahler_innen auslagern. Das kann weder im Sinn des Gesetzgebers noch der österreichischen Steuerzahler_innen sein.

Die Treffsicherheit der Bildungskarenz hat sich in den letzten Jahren nicht verbessert. Sogar im Gegenteil: Sie wird sogar immer häufiger von Personen in Anspruch genommen, die bereits gut am Arbeitsmarkt integriert und unterdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Im Sinne zielgerichteter, aktiver Arbeitsmarktpolitik und einer effektiven Mittelverwendung soll die Treffsicherheit der Maßnahme überprüft und verbessert werden. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG




Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz wird beauftragt, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die konkrete Anpassungen der Vorschriften zur Bildungskarenz vorsieht, mit denen die Treffsicherheit der Bildungskarenz im Hinblick auf branchen-, alters- und vor allem aus ausbildungsspezifische Aspekte erhöht wird."

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen.