123/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 11.12.2019
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Entschließungsantrag

 

 

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend entschlossenes Auftreten Österreichs gegen die Einschränkung von Pressefreiheit und Einschüchterung von Journalist_innen in Serbien und Montenegro

 

Die Regierung Serbiens stellte am 22. Dezember 2009 einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU). Anfang 2014 begannen die Beitrittsverhandlungen. Noch im selben Jahr übernahm der heute amtierende Präsident Aleksandar Vučić die Macht im Land, damals als Ministerpräsident. Seitdem er die Politik Serbiens nachhaltig bestimmt, sind demokratiepolitische Rückschritte zu beobachten, die im Widerspruch mit den Zielen der Beitrittsverhandlungen stehen. Deutlich werden diese insbesondere im Bereich der Meinungs- und Pressefreiheit.

Laut einem aktuellen Bericht der NGO Reporter ohne Grenzen können sich Journalist_innen bei der Ausführung ihrer Arbeit nicht mehr auf Schutz durch den Staat verlassen: „Anschläge auf Medien und Todesdrohungen gegen Journalist_innen haben zugenommen, doch die Täter werden nicht verfolgt. Regierungstreue Medien verunglimpfen Investigativreporter_innen. Selbst Regierungsvertreter_innen hetzen gegen Journalist_innen.“ Wer dennoch zu brisanten und heiklen Thematiken wie organisierter Kriminalität und Korruption recherchiert, könne Berichte meist nur in Publikationen mit begrenzter Reichweite veröffentlichen. Der Medienmarkt ist sehr stark konzentriert, und der Staat übt als größter Geldgeber und Werbekunde erheblichen Einfluss auf die Berichterstattung aus.

Reporter ohne Grenzen hat den EU-Beitrittskandidaten am Westbalkan inzwischen als "unsicher" eingestuft. „Serbien ist ein unsicheres Land für Journalisten. Und nicht nur das: Journalismus ist hier sogar unerwünscht“, so die mehrfach preisgekrönte Journalistin Andjela Milivojevic im April 2019 der Deutschen Welle. Kritischer, investigativer Journalismus war auch bei früheren Regierungen nicht unbedingt gerne gesehen, doch unter Vučić habe sich die Situation drastisch verschlimmert. Journalist_innen berichten von immer aggressiverem Vorgehen gegen die freie Presse und von Kampagnen gegen individuelle Journalist_innen.

Erst im November 2019 gab es ein solche Verunglimpfungskampagne gegen Miodrag Sovilj, einem Journalisten des unabhängigen serbischen Fernsehsenders N1, den Reporter ohne Grenzen sowie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Berichten beide als den "einzig großen unabhängigen TV-Kanal" im Land bezeichnen. Als Sovilj im November 2019 während eines Krankenhausaufenthalts von Vučić kritische Fragen zu Korruptionsvorwürfen gegen Minister in dessen Regierung gestellt hatte, warfen regierungstreue Medienvertreter_innen und Vertraute des Premiers dem Journalisten vor, er habe mit seinem Interview gezielt Vučićs Gesundheit verschlechtern wollen.

Auch Morddrohungen gegen Journalist_innen sind keine Seltenheit. Im April 2019 berichtete die „Plattform für Sicherheit von Journalist_innen“ des Europarats, dass die Redaktion von N1 mehrere Briefe mit Morddrohungen gegen Journalist_innen und ihre Familien erhalten hatten. Die OSZE verurteilte wiederum im Dezember 2018 eine Attacke gegen Milan Jovanović, einen Korrespondenten der Nachrichtenplattform Žig info. Jovanovićs Haus war infolge eines Brandanschlags zur Gänze niedergebrannt, er selbst überlebte mit leichten Verletzungen. Nur wenige Wochen zuvor, im Oktober 2018, kam es zu einer körperlichen Attacke gegen Željko Matorčević, dem Chefredakteur des besagten Nachrichtenportals.

Ähnlich sieht die Situation im Nachbarland Montenegro aus. Im Mai 2018 wurde dort der investigativen Reporterin Olivera Lakić von unbekannten Männern ins Bein geschossen. Sie ist auf Korruption und Organisierte Kriminalität spezialisiert und arbeitet für die unabhängige Tageszeitung Vijesti, an der die österreichische Styria Medien AG seit Mai 2009 25 Prozent der Anteile hält. Der Anschlag war nicht der erste dieser Art: Lakić war bereits im März 2012 nach monatelangen Drohungen zusammengeschlagen worden. Damals hatte sie Artikel über den Schmuggel gefälschter Zigarettenmarken verfasst. Zuletzt beschäftigte sie sich mit Enthüllungen über den frühzeitig aus deutscher Haft entlassenen Drogenbaron Safet Kalić.

Vijesti-Geschäftsführer und Herausgeber Željko Ivanović war im Jahr 2007 selbst nur mit Glück einem Attentat entkommen. Für den jüngsten Anschlag auf Lakić sieht er neben Vertretern der organisierten Kriminalität den einflussreichsten Politiker Montenegros, Milo Ðukanović, verantwortlich. Schon seit Jahren habe der Dauerregent – Ðukanović ist praktisch seit 1991 als Premierminister oder Präsident an der Macht – eine Atmosphäre geschaffen, in der missliebige Journalist_innen zum Freiwild erklärt würden, so Ivanović gegenüber der Tageszeitung Die Presse am 9. Mai 2018: "Zu dem Anschlag auf Lakić hat er die Täter zumindest indirekt eingeladen."

Seit dem 17. Dezember 2010 ist Montenegro offizieller EU-Beitrittskandidat, seit Dezember 2012 laufen die Verhandlungen. Sinn und Zweck dieser ist es, dass Land an die politischen Eckpfeiler und Grundwerte der EU heranzuführen und es zu jenen Reformen zu bewegen, die für einen Beitritt unabdingbar sind.

Die Grundwerte der EU (Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte) sind unverhandelbar, Meinungs- und Pressefreiheit miteingeschlossen. In der Westbalkan-Region ist es jedoch um kritische Journalist_innen sehr schlecht bestellt: Im aktuellen Pressefreiheitsranking stuft Reporter ohne Grenzen Serbien auf Platz 90 und Montenegro nur auf Platz 104 von insgesamt 180 Ländern ein. Ein wesentliches Ziel der EU ist es, das Leben aller Europäer_innen nachhaltig zu verbessern und dazu gehört auch, die Sicherheit von Journalist_innen zu gewährleisten, sodass diese ihrer Arbeit unbehelligt nachgehen können. Österreich wird hierbei als wichtiger Partnerstaat in der Westbalkan-Region eine große Verantwortung zuteil.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG




Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundeskanzlerin und der Außenminister, wird aufgefordert mit der serbischen beziehungsweise der montenegrinischen Regierung ins Gespräch zu treten, entschlossen gegen die Einschränkung von Pressefreiheit und Einschüchterung von Journalist_innen in Serbien und Montenegro aufzutreten und im Sinne der jeweiligen Bevölkerung dahingehend den beiden Regierungen Druck zu machen, damit serbische und montenegrinische Journalist_innen ihrer Arbeit gewissenhaft nachgehen können, ohne sich vor Drohungen, Einschüchterungen und Verunglimpfungen durch politische Akteure oder ihre Verbündeten fürchten zu müssen."




In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Außenpolitischen Ausschuss vorgeschlagen.