131/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 11.12.2019
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Schaffung eines Klimatransparenzgesetzes inklusive Klimabudget (THG-Budget)

 

Der Klimawandel ist eine globale, generationenübergreifende Herausforderung, der sich kein Land und keine Gesellschaft entziehen können wird. Da der vom Menschen verursachte unkontrollierte Ausstoß von CO2 in den letzten zwei Jahrhunderten Hauptursache dafür ist, hat sich die internationale Staatengemeinschaft im Zuge des Übereinkommens von Paris 2015 darauf geeinigt, Maßnahmen zu setzen, um Emissionen massiv einzuschränken und den globalen Temperaturanstieg auf unter 2°C zu begrenzen. Auch die Republik Österreich ist dementsprechend im Rahmen europäischer Vorgaben sowie eigener politischer Zielsetzungen dazu verpflichtet, die dazu notwendigen Emissionsreduktionen zu erzielen und ihren Beitrag zum Pariser Klimaabkommen zu leisten.

Eine signifikante Reduktion der Treibhausgasemissionen in Österreich blieb bisher leider aus. Im Gegenteil - laut Zahlen des Umweltbundesamtes stiegen die CO2(äq.)-Emissionen in den Jahren 2015 bis 2017 kontinuierlich an und gingen nur im Jahr 2018 aufgrund von Einmaleffekten geringfügig zurück. Österreich befindet sich derzeit weder für 2020 noch für 2030 auf Kurs zur Zielerreichung.

Laut Weltklimavertrag ergibt sich für Österreich für den Zeitraum 2018 bis 2050 ein CO2-Budget von unter 1.000 Millionen Tonnen CO2(äq.), das ohne jegliches Bewusstsein oder kohärente Planung viel zu rasch aufgebraucht sein wird. Vor allem die Entwicklung im Verkehrssektor ist problematisch: Seit 1990 kamen hier 9,9 Millionen Tonnen CO2(äq.) dazu. Auch in Bezug auf Maßnahmen im Bereich Energieeffizienz hat die zuständige Bundesministerin bereits im November 2018 eingestanden, dass das Ziel, den Endenergieverbrauch bis 2020 auf 1.050 PJ zu reduzieren, höchstwahrscheinlich nicht erreicht werden wird.

Nach wie vor ist es auf allen politischen Ebenen Usus, Maßnahmen ohne klare Gesamtstrategie zu setzen, Gesetze zu verabschieden oder Investitionen zu tätigen, die dem Klimaschutz schaden und die CO2-Bilanz Österreichs langfristig verschlechtern.

Der wissenschaftliche Konsens lautet ganz unmissverständlich, dass ein Verfehlen internationaler Klimaziele auch auf Österreich destabilisierende Auswirkungen haben wird. Während das gesellschaftliche Bewusstsein für die Problematik quer durch alle Generationen und Gesellschaftsschichten steigt und sich etwa in den FridaysForFuture Demonstrationen manifestiert, hinken Politik und Gesetzeslage hinterher. Es ist dringend notwendig, innovative neue Konzepte, Sichtweisen und Lösungen in Österreich zu finden, die uns endlich vom klimapolitischen Nachzügler zum europäischen Vorreiter machen. So wird auch die langfristige Planungssicherheit für Unternehmen erhöht und der Wirtschaftsstandort Österreich gestärkt.

Die österreichische Klimapolitik ist derzeit weder generationengerecht noch transparent. Außerdem fehlen dringend nötige, klare Verantwortlichkeiten. Das soll ein Klimatransparenzgesetz, das mehrere innovative Konzepte und Best-Practice Beispiele umfasst, ändern. Die österreichische Klimapolitik wird so ohne großen Verwaltungsaufwand handlungsfähig gemacht. Wir brauchen dringend eine Klimabudget-, statt einer Klimazieldebatte.

Das Klimatransparenzgesetz soll folgende Punkte beinhalten:

Jährliche Erstellung eines CO2-Budgets (Carbon Budgeting/Klimabudget) parallel zum Fiskalhaushalt auf allen Ebenen:

Auf Basis der Verpflichtungen Österreichs, die Emissionen bis 2050 zu reduzieren, wird parallel zu Voranschlag und Rechnungsabschluss ein nationales CO2-Budget geführt, das auf CO2-Landesbudgets heruntergebrochen werden kann. Diese CO2-Haushalte beinhalten unter anderem:

·        eine klare Übersicht über das bis 2050 nachweislich zur Verfügung stehende CO2-Budget

·        das im Fiskaljahr geplante CO2-Saldo

·        eine Vorschau auf die Folgejahre inklusive importierter CO2-Belastungen

·        im Konnex mit dem Fiskalhaushalt: Langfristige Maßnahmen zur Reduktion des CO2-Saldos und Finanzierung

·        Abschätzung der Auswirkungen politischer Beschlüsse auf die CO2-Salden

Verpflichtung zur CO2-Folgeabschätzung von Großprojekten, Maßnahmen und Gesetzen:

In Zusammenhang mit den CO2-Budgets auf Bundes- und Landesebene müssen sämtliche Gesetzesbeschlüsse, politische Maßnahmen sowie Infrastrukturprojekte ab einer gewissen Größe (etwa ab UVP-Pflicht) auf ihre direkten, langfristigen Auswirkungen in Bezug auf CO2(äq.)-Emissionen quantifiziert und gegebenenfalls unabhängig geprüft werden. So kann die direkte Auswirkung auf den aktuellen sowie kommende Haushalte errechnet werden und - wie beim Finanzhaushalt - gegen andere Maßnahmen abgewogen werden.

Abschätzung der direkten/indirekten CO2(äq.)-Emissionen bis 2030/2050:

Ein derartiges Klimatransparenzgesetz würde die langfristige Abschätzung von CO2(äq.)-Emissionen massiv erleichtern und langfristige klimapolitische Planung ermöglichen.

Schaffung einer transparenten klimapolitischen Entscheidungsgrundlage ohne komplizierte Vorgaben oder Verbote:

Ein derartiges CO2-Budget ermöglicht bewusste Entscheidungen, wofür wir CO2(äq.)-Emissionen einsetzen sollen. Im Gegensatz zu fixen sektoralen Vorgaben kann bei der Klimabudget-Erstellung ausgehandelt werden, in welchen Bereichen/Sektoren welche Zielwerte vorgegeben werden. Das erleichtert auch eine „klimapolitische" Sektorkopplung. Das Klimabudget ist, wie das Finanzbudget, ein politischer (gesellschaftlicher) Aushandlungs-/Entscheidungsprozess, wofür politische (und administrative) Entscheidungsträger_innen verantwortlich sind und jährlich Rechenschaft ablegen müssen. Diese Transparenz und klare Verantwortlichkeit ist nicht nur die Grundlage für klare und verbindliche klimapolitische Maßnahmen, sondern schafft auch Planungssicherheit und Handlungsspielraum für langfristige Projekte, Innovationen sowie für wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Akteur_innen.

Klare rechtliche Bestimmungen für Allokationen und Ausgleichsmaßnahmen:

Werden die vorgesehenen „Klimaausgaben" überschritten, ist das ein Vorgriff auf das verbleibende Budget und muss durch entsprechende „Rücklagenauflösung“ abgedeckt werden. Umgekehrt kann eine Übererfüllung der Budgetansätze (höhere Einsparungen) den Rücklagen zugewiesen werden. Gleichzeitig kann etwa zwischen Bundesländern - z.B. aufgrund des gemeinsamen wirtschaftlichen Nutzens eines Großprojektes - ein Transfer von CO2(äq.)-Emissionen stattfinden.

Klare politische Verantwortung, Berichtspflichten und Sanktionen:

Wie beim Finanzhaushalt schafft der CO2-Haushalt einen Rahmen für verantwortliches, generationengerechtes Handeln. Durch klar definierte Berichtspflichten können alle politischen Maßnahmen transparent von Entscheidungsträger_innen, Kontrollinstanzen sowie der Zivilgesellschaft verfolgt und nachvollzogen werden. Klimaschädigende Maßnahmen bzw. auch das Ausbleiben von Maßnahmen müssen so im Kontext eines langfristigen, jährlich abnehmenden Budgets nicht nur vor den Wähler_innen, sondern auch vor zukünftigen Generationen gerechtfertigt werden. Somit werden externe CO2-Kosten transparent internalisiert.

Bewusstseinswandel auf allen politischen Ebenen:

Langfristig kann so auch ein grundsätzlicher Wandel im politischen Denken („New Climate Governance") ermöglicht werden, der eine finanzpolitische Verantwortlichkeit mit einer klimapolitischen ergänzt. Somit wird es auch bei Emissionen untragbar werden, Maßnahmen zu setzen, die für spätere Generationen Schulden anhäufen bzw. muss dafür ein Preis bezahlt und die Kosten bilanziert werden. 

Wenig Verwaltungsaufwand für hohe Ersparnis bei Strafzahlungen sowie bei den Folgen des Klimawandels:

So wie Beispiele aus Europa wie Oslo zeigen, ermöglicht ein Klimabudget transparente und evidenzorientierte Klimapolitik. Damit kann die Effektivität von Maßnahmen rechtzeitig bewertet und gegebenenfalls frühzeitig gegengesteuert werden, um Strafzahlungen in Milliardenhöhe zu vermeiden. Ein Klimatransparenzgesetz schafft Planungssicherheit für die Wirtschaft und Verwaltung. Äußerst bemerkenswert sind auch Entwicklungen in anderen Städten weltweit. New York City hat im April den „The Climate Mobilization Act in New York City" beschlossen (A Local Law to amend the New York city charter and the administrative code of the city of New York, in relation to the commitment to achieve certain reductions in greenhouse gas emissions by 2050). Ein Gesetz mit enormer Tragweite. Die Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) sollen bezogen auf das Referenzjahr 2005 bis 2030 um 40 Prozent reduziert werden (nicht relativ, sondern absolut). Dieser Gesetzesbeschluss entspricht de facto einer Klimabudget-Vorgabe.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG



Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, wird aufgefordert, ein Klimatransparenzgesetz zu erstellen, das folgende Punkte beinhaltet:

·        Schaffung jährlicher, verbindlicher CO2-Budgets (Klimabudgets) parallel zu den Fiskalhaushalten auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene, die alle relevanten Bereiche umfassen (Verkehr, Gebäude, Energieaufbringung, etc.) und klare Verantwortlichkeiten, Berichtspflichten und Sanktionsmöglichkeiten bei Nichteinhaltung beinhalten.

·        Schaffung eines langjährigen CO2(äq.)-Emissionsbudgetrahmens, in dem die zulässigen Emissionsmengen entsprechend der Reduktionsziele Österreichs für 2050 kontinuierlich abnehmen.

·        Verpflichtende Erstellung langfristiger Folgeabschätzungen von CO2(äq.)-Emissionen bis 2050 bei Großprojekten, Maßnahmen, Verordnungen und Gesetzen durch unabhängige Expert_innen bzw. Prüfer_innen.

·        Verbindliche Vorgabe, der Öffentlichkeit die Ergebnisse derartiger Folgenabschätzungen transparent zu kommunizieren.

·        Klare rechtliche Bestimmungen für Allokationen und Ausgleichsmaßnahmen."

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Umweltausschuss vorgeschlagen.