264/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 22.01.2020
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Verena Nußbaum

Genossinnen und Genossen

 

betreffend Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Menschen mit Behinderungen

 

 

Haben MitarbeiterInnen des AMS Zweifel über die Arbeitsfähigkeit eines arbeitsuchenden Menschen mit Behinderung, wird die PVA ersucht, ein (bindendes) Gutachten darüber zu erstellen. Bei jungen Menschen mit Behinderung, deren Wunsch dahingeht, nachhaltig am Erwerbsleben am offenen Arbeitsmarkt teilzuhaben, wird oft sehr rasch, ohne Erprobungsphase und nach rein medizinischen Kriterien originäre Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Dies geschieht in einzelnen Fällen sogar dann, wenn davor bereits mehrjährige reguläre Berufstätigkeit vorlag. Als Folge dieser Feststellung, die kaum wirksam bekämpft werden kann, dürfen weder das AMS noch das Sozialministeriumservice Leistungen gewähren, da die Gesetze für die Leistungserbringung (inklusive der Vermittlung) Arbeitsfähigkeit voraussetzen. Der betroffene Mensch ist auf das Angebot der Tagesstruktur durch das jeweilige Land beschränkt.

Zur Verbesserung dieser menschenrechtlich und ökonomisch unvertretbaren Rechtslage müssen die gesetzlichen Vorschriften im ASVG dahingehend angepasst werden, dass für die Feststellung originärer Arbeitsunfähigkeit nicht rein medizinische Kriterien angewandt werden dürfen, sondern etwa auch berufskundliche Expertise beizuziehen ist. Außerdem muss eine Erprobungsphase von mindestens einem Jahr eingezogen werden, in der die Stärken und Fähigkeiten des Menschen mit Behinderung abgeklärt und entsprechende Beschäftigungsmöglichkeiten aufgezeigt werden sollen.

 

Derzeit sind etwa 24.000 Menschen mit Behinderung in Einrichtungen der Tagesstruktur (Beschäftigungstherapie) tätig. Nach der Judikatur sind das keine Arbeitsverhältnisse, weshalb die betroffenen Menschen nicht eigenständig kranken- und pensionsversichert sind und statt eines Lohns lediglich Taschengeld erhalten. Damit bleiben diese Menschen mit Behinderung rechtlich betrachtet auch als Erwachsene im Status von Kindern. Sie bekommen in der Regel erhöhte Familienbeihilfe, beim Tod der Eltern Waisenpension, können aber nie eine eigene Pension erwerben.

Diese Konstruktion widerspricht klar Art. 27 der UN-Behindertenrechtskonvention. Menschenrechtlich geboten ist die Einbeziehung dieser Menschen mit Behinderung in die gesetzliche Kranken- und Pensionsversicherung (Unfallversicherung besteht seit 2011), die in einem ersten Schritt durch eine ex lege-Vorschrift im ASVG erfolgen könnte. Mittelfristig ist die Einordnung als Arbeitsverhältnis mit einer angepassten Lohn- oder Gehaltsgestaltung anzustreben.

 

Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz ist für Menschen mit schwerer Behinderung bundesweit einheitlich geregelt und wird über das Sozialministeriumservice den Betroffenen zur Verfügung gestellt. Im Freizeitbereich sind die Länder zuständig. Dort gibt es sehr unterschiedliche Regelungen, das Angebot reicht von relativ zufriedenstellend bis zu praktisch nicht vorhanden.

Um in ganz Österreich nach einheitlichen Kriterien und einem gleichen Leistungsniveau Persönliche Assistenz in Beschäftigung und Freizeit sicherzustellen und damit die vollwertige Teilhabe von Menschen mit Behinderung an unserer Gesellschaft zu ermöglichen, muss in einer bundesgesetzlichen Regelung im Wege einer Selbstbindung eine Fördermöglichkeit für alle Lebensbereiche vorgesehen werden. Für die Finanzierung wäre jedenfalls eine Vereinbarung nach Art 5a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern zweckmäßig. Die Schaffung eines Inklusionsfonds analog zum Pflegefonds für die gemeinsame Dotierung behindertenpolitischer Notwendigkeiten in Richtung Inklusion über die Grenzen der Gebietskörperschaften hinweg, ist unbedingt anzustreben.

 

Die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung ist – dies wurde dieser Tage auf einer Konferenz der Ombudsstellen für Menschen mit Behinderung erneut untermauert – zwar geringfügig besser als im EU-Durchschnitt, aber bei einer Quote von 54 % beschäftigten Menschen mit Behinderung versus 73 % beschäftigten Menschen ohne Behinderung (jeweils im erwerbfähigen Alter) ist die Situation alles andere als zufriedenstellend.

Das klassische Instrument der Beschäftigungspflicht für Unternehmen ab 25 ArbeitnehmerInnen mit der Ausgleichstaxe bei Nichterfüllung der primären Pflicht scheint an Wirksamkeit stark eingebüßt zu haben. Auf der einen Seite erfasst die Beschäftigungspflicht lediglich 3 % aller Unternehmen in Österreich, anderseits wird die Ausgleichstaxe immer stärker als Strafe empfunden.

Ein neues System, das den Anreiz in den Vordergrund stellt, ist dringend geboten. Unter dem Motto „weg von der Strafe, hin zum Anreiz“ müsste allen ArbeitgeberInnen unabhängig von der Zahl der MitarbeiterInnen ein kleiner Beitrag abverlangt werden; aus den dadurch zweckgebundenen eingehenden Mitteln sollten ArbeitgeberInnen, die tatsächlich Menschen mit Behinderung beschäftigen, einen ohne hohen bürokratischen Aufwand zu lukrierenden Bonus erhalten. Die Entwicklung eines solchen Modells muss unter Einbindung jedenfalls auch der Menschen mit Behinderung und ihrer Interessenvertretungen geschehen.

 

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Entschließungsantrag:

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regierungsvorlage zur Verbesserung der Arbeitssituation von Menschen mit Behinderungen mit folgenden Maßnahmen zu übermitteln:

 

·               Feststellung der Arbeitsunfähigkeit von Menschen mit Behinderungen erst nach längerer Erprobungsphase unter Berücksichtigung der vielfältigen Unterstützungsangebote von AMS und Sozialministeriumsservice und unter Beiziehung einer berufskundigen Expertise.

·               Einbeziehung der in Tagesstrukturen (Beschäftigungstherapien) tätigen Menschen mit Behinderungen in die gesetzliche Kranken- und Pensionsversicherung.

·               Errichtung eines Inklusionsfonds, der nach dem Vorbild des Pflegefonds von Bund und Ländern gespeist wird und aus dem eine einheitliche Förderung der persönlichen Assistenz nach österreichweit gleichen Kriterien erfolgt.

·               Abschaffung der Ausgleichstaxe und stattdessen Errichtung eines neuen Anreizsystems für Unternehmen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen, bei der alle Unternehmen einen Beitrag leisten und jene, die diese Menschen beschäftigen, einen Bonus erhalten.“

 

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales