359/A XXVII. GP

Eingebracht am 27.02.2020
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Antrag



der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 57/2019, wird wie folgt geändert:

 

1. Art. 148g Abs. 2 lautet:

"(2) Die Mitglieder der Volksanwaltschaft werden vom Nationalrat bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen auf Grund eines Gesamtvorschlages des Hauptausschusses gewählt. Der Hauptausschuss erstellt seinen Gesamtvorschlag bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen. Dem Gesamtvorschlag hat ein öffentliches Ausschreibungsverfahren voranzugehen, wobei die Reihung der Bewerber nach Qualifikation durch eine Auswahlkommission erfolgt. Diese Auswahlkommission setzt sich aus Experten im Bereich Verfassung, Menschenrechte und Verwaltung sowie Repräsentanten der Verwaltung und der Zivilgesellschaft zusammen. Die Bewerber stellen sich einer öffentlichen Anhörung im Hauptausschuss. Diesbezüglich nähere Bestimmungen werden in der Geschäftsordnung des Nationalrates und im Volksanwaltschaftsgesetz getroffen. Die Mitglieder der Volksanwaltschaft leisten vor Antritt ihres Amtes dem Bundespräsidenten die Angelobung."

2. Art. 148g Abs. 3 lautet:

"(3) Der Vorsitz in der Volksanwaltschaft wechselt jährlich zwischen den Mitgliedern in der Reihenfolge, die sich aus dem Lebensalter ergibt, beginnend mit dem ältesten Mitglied. Diese Reihenfolge wird während der Funktionsperiode der Volksanwaltschaft unverändert beibehalten."

3. Art. 148g Abs. 4 lautet:

"(4) Im Falle des vorzeitigen Ausscheidens eines Mitgliedes der Volksanwaltschaft ist die Wahl des neuen Mitglieds gemäß Abs. 2 durchzuführen."

 

Begründung

Neuregelung des Bestellmodus der Volksanwaltschaft

Art 148g Abs 2 B-VG sieht vor: "Die Mitglieder der Volksanwaltschaft werden vom Nationalrat auf Grund eines Gesamtvorschlages des Hauptausschusses gewählt. Der Hauptausschuss erstellt seinen Gesamtvorschlag bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner Mitglieder, wobei die drei mandatsstärksten Parteien des Nationalrates das Recht haben, je ein Mitglied für diesen Gesamtvorschlag namhaft zu machen. Bei Mandatsgleichheit gibt die Zahl der bei der letzten Nationalratswahl abgegebenen Stimmen den Ausschlag. Die Mitglieder der Volksanwaltschaft leisten vor Antritt ihres Amtes dem Bundespräsidenten die Angelobung."

Von vielen Seiten wurde dieser Bestellvorgang bislang kritisiert, u.a. von namhaften Verfassungs- und Verwaltungsjurist_innen:

"In Wahrheit handelt es sich nicht um eine Wahl, sondern um ein Entsendungsrecht der drei mandatsstärksten Parteien, das auch durch Einschaltung des Hauptausschusses nicht zu einer Wahl wird. Die Art der Bestellung und die Bestellungsvoraussetzungen sind für die Effektivität der Kontrolle keineswegs optimal (Personen des Vertrauens der politischen Parteien die ihrerseits - zumindest zum Teil - die zu kontrollierenden Stellen politisch tragen, werden zu deren Kontrolle berufen)." (vgl Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 11. Auflage, 2015, 628 Rz 1256).

"Die besondere Art der Bestellung wird von Abs 2 zu Unrecht als "Wahl" bezeichnet; es handelt sich um ein Entsendungsrecht der politischen Parteien. Dieses soll offenkundig sicherstellen, dass nur Personen, die das Vertrauen der drei stärksten politischen Parteien genießen, in die Funktion eines VA berufen werden. Da die großen politischen Parteien auch die oberste Bundesverwaltung dominieren, ist durch diesen Bestellungsmodus eine objektive, neutrale Kontrolle nicht ausreichend sichergestellt." (vgl. Mayer, B-VG, 5. Auflage, 2015, Art 148g B-VG I.)

Die Volksanwaltschaft ist seit dem 1. Juli 2012 auch für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in der Republik Österreich zuständig. Der verfassungsgesetzliche Auftrag der Volksanwaltschaft zum Schutz der Menschenrechte als „Nationaler Präventionsmechanismus“ (NPM) gründet sich auf zwei bedeutende Rechtsakte der Vereinten Nationen: einerseits das UN-Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT) und andererseits die UN-Behindertenrechtskonvention. Zur Gewährleistung der Effektivität des präventiven Besuchssystems stellt Art 18 OPCAT Minimalanforderungen an den NPM, darunter die Garantie seiner personellen und funktionellen Unabhängigkeit, insbesondere durch ein geeignetes, transparentes Bestellverfahren. Gemäß Art 18 Abs 4 OPCAT berücksichtigen die Vertragsstaaten bei der Schaffung von NPMs weiters die Grundsätze, welche die Stellung nationaler Menschenrechtsinstitutionen (NMRI) betreffen. Das bedeutet, dass die von der Menschenrechtskommission und der UNO-Generalversammlung in den Jahren 1991 bzw. 1993 erlassenen Pariser Prinzipien kraft völkervertragsrechtlicher Anordnung auf die NPMs Anwendung finden. NPMs sollen daher vor allem unabhängig, professionell und pluralistisch zusammengesetzt sein.

Neben mangelnder Expertise und Mandat im Bereich des Schutzes und der Förderung der Menschenrechte war die mangelnde Unabhängigkeit aufgrund des besonderen und parteipolitischen Bestellmodus der Grund dafür, dass der Volksanwaltschaft bei der letzten Prüfung durch das Akkreditierungskomitee der Global Alliance of National Human Rights Institutions (GANHRI) - ehemals International Coordinating Committee of NHRIs (ICC) - im Mai 2011 die Anerkennung als vollwertige nationale Menschenrechtsinstitution nicht gelang. Infolgedessen hat die Volksanwaltschaft im Unterschied zu vielen anderen Ombuds-Einrichtungen in Europa und Lateinamerika bisher von GANHRI nicht den gewünschten A-Status erhalten, der ihr auch z.B. eine aktive Rolle im UNO-Menschenrechtsrat gewähren würde, sondern nur einen B-Status. Dies bedeutet, dass die Voraussetzungen der Pariser Prinzipien noch nicht erfüllt sind und die Volksanwaltschaft kein vollwertiges nationales Menschenrechtsinstitut ist.

Es bedarf daher eines transparenten, parteipolitisch unabhängigen Bestellverfahrens, das eine öffentliche Ausschreibung und ein öffentliches Hearing beinhaltet. Die Bewerber_innen sind aufgrund fachlicher Qualifikationskriterien vom Hauptausschuss dem Nationalrat vorzuschlagen. Die Wahl im Nationalrat hat mit qualifizierter Mehrheit zu erfolgen.

 

In formeller Hinsicht wird vorgeschlagen‚ diesen Antrag unter Verzicht auf die erste Lesung dem Verfassungsausschuss zuzuweisen.