399/A XXVII. GP

Eingebracht am 19.03.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

 

der Abgeordneten Jörg Leichtfried,

Genossinnen und Genossen

 

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Hemmung von gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Fristen im Zusammenhang mit Covid-19-Maßnahmen (COVID-19-Fristhemmungsgesetz) erlassen, das Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds (COVID-19-FondsG), das Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz) und das Epidemiegesetz 1950 geändert werden

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Hemmung von gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Fristen im Zusammenhang mit Covid-19-Maßnahmen erlassen und das Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz) und das Epidemiegesetz 1950 geändert werden

 

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel 1

Bundesgesetz über die Hemmung von gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Fristen im Zusammenhang mit Covid-19-Maßnahmen (COVID-19-Fristhemmungsgesetz)

§ 1. (1) Sämtliche gesetzliche Fristen in gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Verfahren, durch die die rechtliche Stellung von Personen verschlechtert wird, gelten für die Dauer der COVID-19-Krise als gehemmt, sofern nicht günstigere Regelungen gelten. Dies gilt gleichermaßen für zivilrechtliche Fristen.

(2) Auf die Hemmung kann durch die jeweils beschwerte Person verzichtet werden.

(3) Die Bundesregierung hat im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates durch Verordnung die Dauer der COVID-19-Krise festzustellen.

 

§ 2. Dieses Bundesgesetz tritt rückwirkend mit 12.3.2020 in Kraft und mit 31.12.2020 außer Kraft.

 

Artikel 2

Änderung des COVID-19-FondsG

 

Das Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds (COVID-19-FondsG) BGBL. I Nr.12/2020 wird wie folgt geändert:

 

§ 3 Abs. 1 Z  5 lautet:

 

„5. Maßnahmen zur Abfederung von Einnahmenausfällen in Folge der Krise, insbesondere für Einpersonen-, Kleinst- und Kleinbetriebe, mittlere Unternehmen, Kunst- und Kulturbetriebe, -institutionen und -vereine sowie Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) und gemeinnützige Organisationen;“

 

Artikel 3

Änderung des COVID-19-Maßnahmengesetz

 

Das Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz), BGBL. I Nr. 12/2020, wird wie folgt geändert:

In § 4 Abs. 2 wird nach der Wortfolge „betreffend die Schließung von Betriebsstätten“ folgende Wortfolge eingefügt:

 

„für Unternehmen mit mehr als 25 ArbeitnehmerInnen“

 

Aritkel 4

Änderung des Epidemiegesetzes 1950

Das Epidemiegesetz 1950, BGBL. Nr. 186/1950, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBL. I Nr 37/2018 wird wie folgt geändert:

 

            1. In § 1 Abs. 1 wird folgender Ausdruck angefügt:

 

„COVID-19,“

 

          2. In § 32 wird folgende Z 8 angefügt:

 

„8. sie durch Maßnahmen nach diesem Gesetz notwendig gewordenen Betreuungspflichten nachkommen.“


           3. In § 32 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

 

„(1a) Eine Betreuungspflicht nach Abs. 1 Z 8 ist ein Verhinderungsgrund im Sinne des § 8 Abs. 3 AngG und § 1154b Abs. 5 ABGB beziehungsweise § 16 UrlG und erstreckt sich auf die gesamte Dauer der behördlichen Maßnahmen nach diesem Gesetz.“

 

          4. Nach § 36 wird folgender § 36a eingefügt:

 

36a.  (1) Das Finanzamt hat auf Antrag einen Vorschuss auf Entschädigungen und Kostenbestreitungen gemäß diesem Hauptstück zu gewähren, sofern der Schaden zwischen 1.3.2020 und 31.12.2020 eingetreten ist.

 

(2) Der Bundesminister für Finanzen hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung die näheren Bestimmungen zum Verfahren, den Schätzmethoden und der Informationsübermittlung an die Bezirksverwaltungsbehörden festzulegen.“

 

          5. § 51 lautet:

㤠51. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist

1. hinsichtlich § 7 Abs. 1a – soweit er das gerichtliche Verfahren betrifft – und § 36 Abs. 3 der Bundesminister für Justiz,

2. hinsichtlich § 28a der Bundesminister für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres

3. hinsichtlich des § 36a der Bundesminister für Finanzen und

4. im Übrigen der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betraut.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Budgetausschuss

Begründung

 

Zu Artikel 1 (COVID-19-Fristhemmungsgesetz):

Durch dieses Bundesgesetz soll sichergestellt werden, dass niemand durch zur Bewältigung der COVID-19-Situation erforderliche Maßnahmen in seiner rechtlichen Stellung beeinträchtigt wird. Es bestehen viele, teils sehr kurze, Fristen, die zur Inanspruchnahme staatlicher Leistungen oder zur Absicherung der eigenen Rechte einzuhalten sind. Dazu zählen unter anderem:

-    Anträge auf Arbeitslosengeld, die binnen eines Werktags zu stellen wären;

-    Anträge auf Kurzarbeit

-    Anträge auf weitere Leistungen aus der Sozialversicherung wie Pensionen, Krankengeld, Wochengeld, etc.;

-    Verfallsfristen für Lohnforderungen etc;

-    Anfechtung von Kündigungen;

-    Entschädigungen gemäß Epidemiegesetz;

-    Leistungsverluste bei nicht erfolgten Nachweisen über Untersuchungen, Prüfungen, usw. wie etwa im Falle des Kinderbetreuungsgelds (Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen), der Studienförderung, Familienbeihilfe, Weiterbildungsgeld, Mitversicherung in der Krankenversicherung, etc.;

-    Rechtsmittelfristen in sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten;

-    Zahlungsfristen in Angelegenheiten der Steuern und Abgaben sowie Beiträge zur Sozialversicherung und weitere Lohnnebenkosten;

-    Anträge gemäß Insolvenzordnung;

-    Abgabenrechtliche Meldefristen;

-    Anträge gemäß Isolvenz-Entgelt-Sicherungsgesetz;

-    Regelmäßig vorgeschriebene Überprüfungen von Anlagen, Heizungen, Kraftfahrzeugen, usw.;

-    Meldungen nach dem MeldeG;

-    Gewährleistungsansprüche;

-    Fristen von Wahlen zu beruflichen Vertretungen nach dem ArbVG.

 

Auch wenn viele dieser Amtswege online durchführbar sind, stehen diese Möglichkeiten nicht allen Menschen gleichermaßen zur Verfügung. Auf Grund des großen Andrangs kann es unmöglich sein, selbst bei entsprechendem Bemühen Anträge einzubringen. Um zusätzlich Menschenansammlungen auf Ämtern und Behörden zu verhindern, sollten alle Fristen, durch die BürgerInnen einen Nachteil erleiden können, gehemmt werden. Die Bundesregierung hat durch Verordnung rückwirkend festzulegen, welche Fristen von der Hemmung erfasst sind.

 

Gleichzeitig soll auf die Hemmung verzichtet werden können, um eine rasche Rechtskraft von Entscheidungen und Leistungszusprüchen sicherzustellen.

 

Sofern besondere gesetzliche Regelungen (etwa für Gerichtsverfahren, Verjährungsfristen, usw.) geschaffen werden oder andere, Arten von rechtlichen Regelungen bestehen, die für BürgerInnen günstiger sind, sollen diese der allgemeinen Hemmung vorgehen.

 

Die Verordnung ist zu befristen.

 

Zu Artikel 2 (COVID-19-FondsG):

Es muss sichergestellt werden, dass die Mittel des Fonds auch für Einpersonen-, Kleinst- und Kleinbetriebe, mittlere Unternehmen, Kunst- und Kulturbetriebe, -institutionen und -vereine sowie Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) und gemeinnützige Organisationen zur Verfügung stehen.

 

Die Corona-Pandemie betrifft auch ganz besonders Kulturinstitutionen. Veranstaltungen sind abgesagt, Filmprojekte auf Eis gelegt, Kinos, Konzertsäle, Museen und Theater geschlossen. Die Existenzgrundlage für sehr viele Kunstschaffende, Kulturvereine und im Kulturbereich Tätige bricht weg. Es braucht daher rasch einen umfassenden Rettungsschirm für die Kultur.

 

Österreichs gemeinnützige Vereine sind zum überwiegenden Teil im Dienstleistungsbereich tätig. Dieser ist durch die notwendigen und drastischen Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 stark betroffen. Der Fundraising Verband Austria, Dachverband der Spendenorganisationen, rechnet mit massiven Auswirkungen auf den gesamten Sektor. Während zahlreiche Hilfsorganisationen im In- und Ausland massiv gefordert sind, stellen andere, wie die Ausbildungs-und Weiterbildungszentren, ihr Programm ab Montag ein. Kleinere Einrichtungen sind besonders betroffen. Durch gesetzliche Vorgaben fehlt es ihnen oft an Liquidität und Reserven.

 

Zu Artikel 3 (COVID-19-Maßnahmengesetz):

§ 32 des seit 1950 geltenden Epidemiegesetzes wurde mit Beschlussfassung des COVID-19-Maßnahmengesetz für den Geltungsbereich dieses Gestzes außerkraft gesetzt. Damit erhalten vor allem Klein- und Kleinstbetriebe keine entsprechenden Entschädigungen undsehen sich gezwungen ihre ArbeitnehmerInnen zu kündigen. Daher soll das Epidemiegesetz für Betriebe mit bis zu 25 Mitarbeiterinnen weiter in Geltung bleiben. Das schafft Rechtsicherheit für ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen und sichert das Fortbestehen der für die österreichische Wirtschaft so wichtigen Klein- und Mittelbetriebe.

 

Zu Artikel 4 (Epidemiegesetz 1950):

 

Zu Z 1 bis 3:

Die Sonderbetreuungszeitregelung des COVID-19-Maßnahmengesetzes bedeutet enorme Unsicherheit für ArbeitnehmerInnen, die notwendige Betreuungspflichten wahrnehmen müssen.

Das Epidemiegesetz aus dem Jahr 1950 hat für die Notwendigkeit der Betreuung von Kindern oder anderen erforderlichen Betreuungsszenarien keine Vorsorge getroffen, weil die familiären Gegebenheiten damals andere waren. Die Berufstätigkeit der Frauen war viel geringer, Kindergärten wurden kaum in Anspruch genommen und die Pflege von Kranken und/oder alten Menschen ist ebenfalls von nicht berufstätigen Personen (auch meistens Frauen) zu Hause erfolgt.

Nunmehr ist es aber unabdingbar, dass für berufstätige Personen im Falle einer Epidemie/Pandemie die Möglichkeit geschaffen werden muss, sich um Betreuungspflichten zu kümmern. Schulen werden geschlossen, Unterricht wird ausgesetzt, Kindergartenkinder aber auch Schulkinder der Unterstufe sollen zu Hause bleiben. Großeltern, sofern überhaupt vorhanden, können in diesem konreten Pandemifall von Covid 19 nicht einspringen, da sie die Hauptrisikogruppe darstellen.

 

Es geht aber nicht nur um Kinderbetreuung. Auch der gemeinsame Haushalt mit einem schwererkrankten Angehörigen (zB Krebserkrankter) oder der Ausfall von Betreuungskräften für betreuungsbedürftige Angehörige stellt eine Herausforderung in diesem Pandemiefall dar.

Um das Epidemiegesetz auf diese besonderen Herausforderungen anwendbar zu machen, müssen daher diese Ergänzungen vorgenommen werden.

 

Da die Entgeltfortzahlung und die zulässige arbeitsrechtliche Dienstverhinderung nach AngG nur für eine verhältnismäßige kurze Zeit (§ 8 Abs. 3 AngG) währt, die Schließung von Kinderbetreuungseinrichtungen und ähnlichen nach Epidemiegesetz aber viel länger dauern kann, braucht es hier eine eigene arbeitsrechtliche Dienstverhinderungsnorm sowie den entsprechenden Vergütungsanspruch. Abs. 1 Z 8 ist dann anzuwenden, wenn die Betreuung nach Alter oder Reifegrad des zu Betreuenden, familiären Verhältnisses und Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von alternativen Betreuungspersonen tatsächlich notwendig ist.

 

Zu Z 4 und 5:

Für Verfahren über Entschädigungen und Kostenersätze gemäß dem III. Hauptstück ist die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde berufen. Gerade in der aktuellen Situation sind die Bezirksverwaltungsbehörden jedoch bereits mit der Ausführung von Akutmaßnahmen zur Epidemiebekämpfung stark beansprucht. Es ist daher nicht damit zu rechnen, dass Verfahren über Entschädigungen und Kostenersätze binnen kurzer Zeit abgehandelt werden können. Gerade dies ist aus volkswirtschaftlichen Gründen jedoch erforderlich, um mittel- und langfristige Folgen der COVID-19-Epidemie abzumildern.

 

Der neue § 36a ordnet daher eine Zuständigkeit der Finanzämter in Hinblick auf die Bevorschussung solcher Entschädigungen an. Solche Vorschüsse sind zu gewähren, wenn der Schaden innerhalb des COVID-19-Zeitraumes aufgetreten ist. Damit soll eine rasche und unbürokratische Hilfestellung für betroffene Personen und Unternehmen sichergestellt werden. Die nachträgliche Durchführung der eigentlichen Verfahren soll nach erfolgreicher Eindämmung der Epidemie wieder durch die Bezirksverwaltungsbehörden erfolgen, denen von den Finanzämtern die notwendigen Informationen bereitzustellen sind. Für die näheren Bestimmungen insbesonder ein Hinblick auf die Auszahlungsmodalitäten, die vereinfachten Schätzverfahren für den Schaden sowie die weitere Abwicklung und Rückverrechnung der Vorschüsse, hat der Bundesminister für Finanzen durch Verordnung Vorkehrung zu treffen. Aus der Zielsetzung der Bestimmung ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Anträgen auf Vorschüsse nicht zu hoch gegriffen, sondern vielmehr auf eine Plausibilitätsprüfung beschränkt sein sollen.