408/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 02.04.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Leichtfried, Muchitsch, Matznetter, Krainer,

Genossinnen und Genossen

betreffend Maßnahmen zur Abfederung von sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise

 

Die größte Gesundheitskrise unserer Zeit fordert enormen Tribut. Nicht nur die gesundheitlichen Auswirkungen, sondern auch die wirtschaftlichen Folgen, sind derzeit noch gar nicht zu beurteilen. Daher braucht es ein Bündel an Maßnahmen um den sozialen Zusammenhalt zu erhalten und die wirtschaftlichen Folgen zu meistern.

 

1.    Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung

Die Auswirkungen der Covid-19-Krise („Corona-Krise“) auf den Arbeitsmarkt sind dramatisch. Die Arbeitslosenzahlen explodieren, allein vom 15. bis zum 31. März ist die Arbeitslosigkeit in Österreich um fast 194.000 Personen gestiegen. Und AMS (Arbeitsmarktservice)-Chef Kopf hat davor gewarnt, dass Anfang April eine weitere Kündigungswelle droht. Die Regierung darf nicht tatenlos zuschauen, wie die Arbeitslosigkeit im Land steigt und steigt und immer mehr Menschen in existenzbedrohende Situationen schlittern.

Die Aussage von Bundeskanzler Kurz: „Koste es was es wolle!“ darf nicht zur hohlen Phrase verkommen, sondern muss mit Leben erfüllt werden.

Arbeitslose Menschen und ihre Familien brauchen jetzt eine bessere finanzielle Absicherung, weil es in Zeiten wie diesen nahezu unmöglich ist, wieder Arbeit zu finden. Umso wichtiger sind jetzt rasche Hilfen, welche die wirtschaftlichen bzw. sozialen Bedrohungen durch Corona für die ArbeitnehmerInnen abfedern.

Zum einen ist es daher notwendig, dass die Dauer des Anspruches auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung um die Zeit der Krise verlängert wird. Es soll also in dieser Krisenzeit niemand z.B. vom Arbeitslosengeld in die Notstandshilfe abrutschen, damit eine geringere Leistung erhalten, obwohl zur Zeit niemand auf einen Job vermittelt werden kann.

Zum zweiten ist es notwendig, zu allen Leistungen der Arbeitslosenversicherung, also Arbeitslosengeld, Notstandshilfe inklusive der Familienzuschläge, einen Zuschlag in der Höhe von 30 Prozent auszuzahlen. Damit ist eine Nettoersatzrate in der Höhe von 70 Prozent des bisherigen Einkommens gesichert.

Es braucht einfach eine bessere finanzielle Absicherung der von Arbeitslosigkeit Betroffenen, unbürokratisch und ohne das AMS (Arbeitsmarktservice) noch mehr zu belasten, als es jetzt schon ist. Daher soll dieser Zuschlag aus einem Krisenüberbrückungsfonds geleistet und automatisch (ohne Antrag) über die Finanzämter abgewickelt werden.

Dieser Zuschlag ist auch für die Zeit nach Corona notwendig, denn auch nach der Corona-Krise wird die Arbeitslosigkeit hoch bleiben – es braucht ausreichend Binnennachfrage, damit insbesondere die kleinen Unternehmen wieder Aufträge bekommen.

Wichtig ist aber auch, dass alle Anträge auf Arbeitslosengeld und Kurzarbeit rasch bearbeitet werden können, damit die betroffenen ArbeitnehmerInnen und auch ArbeitgeberInnen rasch ihre Leistungen bekommen.

Es soll aber schon jetzt der Blick auf die Zeit nach der Gesundheitskrise gerichtet werden. Dann müssen die vielen hunderttausenden Arbeitslosen gut beraten und betreut werden, damit sie auch rasch wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Daher muss der von schwarz/blau eingeschlagene Weg des Abbaues von MitarbeiterInnen des AMS korrigiert werden. Es braucht jetzt mehr Personal in den AMS-Geschäftsstellen und nicht weniger.

 

2.    Errichtung eines Überbrückungsfonds für ArbeitnehmerInnen

Die ersten Quarantäne-Wochen brachten bereits rund 194.000 Arbeitslose mehr und tausende Firmen beantragen Kurzarbeit für ihre MitarbeiterInnen. Für Selbständige gibt es finanzielle Hilfe. Aber nicht nur UnternehmerInnen, auch ArbeitnehmerInnen haben jetzt, in der größten Gesundheitskrise unserer Zeit und in Folge wirtschaftlichen Krise, finanzielle Probleme.

·               ArbeitnehmerInnen, die z.B. geringfügig beschäftigt waren, haben derzeit weder Anspruch auf Kurzarbeit noch auf Arbeitslosengeld.

·               AlleinerzieherInnen müssen vielfach ihre Arbeitszeit – und damit ihr Entgelt – verringern, um ihre Kinder betreuen zu können. Damit werden aber Zahlungen wie Miete, Strom und Gas fast unleistbar.

·               ArbeitnehmerInnen verlieren oftmals ihren Arbeitsplatz, weil sie die Betreuung ihrer pflegebedürftigen Angehörigen oder Angehörigen mit Behinderungen übernehmen müssen, weil die bisherigen Betreuungspersonen ausfallen. Dabei reicht dann das vorhandene Geld oftmals nicht aus, um alle Verbindlichkeiten zu zahlen.

·               Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit bedeuten Einkommensverluste, möglicherweise können zur Zeit Kredite oder Leasingraten nicht bedient werden.

All das sind finanzielle Belastungen, die zu den gesundheitlichen Problemen und Ängsten hinzukommen.

Ein Überbrückungsfonds über 1 Milliarde Euro, der bei höherem Bedarf aufzustocken ist, könnte einen Großteil dieser Belastungen abdecken. Antragstellung und Abwicklung müssen unbürokratisch und rasch erfolgen können, die Auszahlungen sollten über die Finanzämter erfolgen. Bei der Antragstellung soll eine kurze Darstellung der finanziellen Probleme erfolgen (Jobverlust, drohende Delogierung, Exekutionen etc.) und daraufhin sollen rasch nicht rückzahlbare Zuschüsse für z.B. Mieten, Strom- und/oder Gasrechnungen oder Kredit- und Leasingraten gewährt werden.

Aus den Mitteln des Fonds soll aber auch eine temporäre Einkommensersatzleistung für geringfügig Beschäftigte und ArbeitnehmerInnen, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben (zu wenig Vordienstzeiten) und die seit Anfang März gekündigt wurden, ausbezahlt werden.

 

3.    Keine Preistreiberei beim täglichen Einkauf

In Zeiten der Corona-Krise, die zu Recht als Pandemie bezeichnet wird, sollte es in der Gesellschaft um ein koordiniertes Vorgehen aller gehen, in der jede oder jeder jenen Beitrag leistet, der ihr oder ihm zur Bewältigung der Krise möglich und zumutbar ist.

Gerade in solchen Zeiten sollte es mit allen rechtlich gebotenen Mitteln verhindert werden, dass verantwortungslose Personen oder Organisationen die Notlage oder Zwangslage Anderer dazu ausnützen, um ganz überproportional hohe Gewinne zu lukrieren und Menschen im eklatanten Ausmaß auszubeuten (zum Beispiel durch willkürliche drastische Steigerungen der Gewinnspannen bei Arzneien und Medikamenten, durch Wucher bei Atemschutzmasken oder Toilettenpapier etc.).

Insbesondere in Bereichen des täglichen Bedarfs, beim täglichen Lebensmitteleinkauf etwa, aber ebenso bei dem Kauf von Arzneien oder Hygieneartikeln, dürfen in der jetzigen Situation keine zusätzlichen Belastungen entstehen.

In Italien gibt es Medienberichte, wonach Atemmasken dort zum sündteuren Luxusartikel werden. In der Zeitung „Österreich“ wurde berichtet, dass in einer Salzburger Apotheke Desinfektionsmittel zum Wucherpreis verkauft wird.

Die Regierung muss rasch handeln, damit es nicht zu einer breiten Verunsicherung der Bevölkerung kommt.

 

4.    Maßnahmen gegen wirtschaftliche Folgen verstärken

Die Wirtschaftshilfen der Bundesregierung sind leider aus vielerlei Gründen misslungen. Zunächst hat man ohne Not kurz vor der Zwangsschließung von Geschäften und Lokalen die vorgesehenen Entschädigungszahlungen nach dem Epidemiegesetz ausgehebelt. Das hatte einen Anstieg der Arbeitslosigkeit binnen zwei Wochen von fast 200.000 Personen zur Folge. Die Opposition hat vor diesem Vorgehen gewarnt. Danach hat man die Betriebe zwei Wochen im Unklaren gelassen über Fragen wie: Bekomme ich überhaupt eine Entschädigung? Mit wie viel Geld kann ich rechnen? Man hat sich dann entschieden hunderttausende Betriebe in Österreich zur Bittstellern bei der Wirtschaftskammer zu machen, wo man sich zunächst für 1.000 Euro anstellen konnte. Darüber hinaus waren viele Betriebe zunächst von der Regelung ausgenommen, etwa Betriebe, die sich erst Anfang 2020 gegründet hatten oder auch Menschen mit Mehrfachversicherung, wie Künstlerinnen und Künstler. Schließlich hat es zwei Wochen gedauert, bis eine entsprechende Verordnung erlassen wurde. Da die Aufregung darüber groß war, musste die Regierung bereits einen Tag später Verbesserungen ankündigen.

Wir stehen vor der größten Wirtschaftskrise seit den 1930-iger Jahren. Die Betriebe bräuchten Klarheit sowie eine rasche, unbürokratische Hilfe und das in einer Größenordnung, die es ihnen möglich macht, wieder aufzusperren sobald wir das Virus wieder halbwegs im Griff haben.

Zudem wird von Seiten der Bundesregierung behauptet, dass Österreich – im Vergleich zu anderen Ländern – die größten Wirtschaftspakete schnürt. Allerdings ist diese Behauptung nicht richtig. Man muss dazu nur den Blick nach Deutschland richten. In Deutschland wurde ebenfalls einen Härtefallfonds für Betriebe bis 10 MitarbeiterInnen (die gleiche Gruppe wie in Österreich) geschaffen. Dieser Fonds ist aber in Deutschland mit 50 Mrd. Euro dotiert. Das ist das 50-fache vom österreichischen Wert. In Deutschland erhalten Unternehmen aus diesem Fonds maximal 15.000 Euro für drei Monate. In Österreich erhalten die Unternehmen maximal lediglich 6.000 Euro für drei Monate. Die Entschädigung in Deutschland ist also 2,5-mal so hoch wie in Österreich.

Auch der Nothilfefonds für größere Unternehmen (Haftungen, Liquidität) ist in Österreich mit 15 Mrd. Euro vergleichsweise gering dotiert. Deutschland hat einen Rettungsschirm von 600 Milliarden Euro für seine größeren Betriebe aufgespannt. Auch hier handelt Deutschland viel entschlossener.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung wird aufgefordert,

1.         umgehend dafür Sorge zu tragen, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen, der Bezug der aktuellen Leistung um die Dauer der Krise, mindestens jedoch bis 31. Dezember 2020 verlängert wird

 

2.         zusätzlich ein „COVID-19-Ausgleich“ für Arbeitslose in Form eines 30-%igen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversicherungsleistungen (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe inklusive der Familienzuschläge) rückwirkend mit 1. April 2020 gewährt wird. Dieser Zuschlag soll über die Finanzämter, bei denen alle Daten aller Erwerbstätigen vorhanden sind, automatisch, also ohne formale Antragstellung ausgezahlt werden

 

3.         den Personalstand beim Arbeitsmarktservice rasch um bis zu 500 Planstellen aufzustocken, damit diese außerordentlichen Belastungen bewältigt werden können


4.         umgehend einen Krisenüberbrückungsfonds für ArbeitnehmerInnen zu schaffen, der mit mindestens einer Milliarde Euro dotiert ist, bei höherem Bedarf aufgestockt werden kann und aus dem nicht rückzahlbare Leistungen gewährt werden sollen. Unter anderem:

a.         Zuschüsse für, durch die Corona-Krise in finanzielle Bedrängnis geratene, ArbeitnehmerInnen z.B. zur Zahlung von Mietrückständen, Kreditraten, Strom- oder Gasrechnungen usw. sowie

b.         temporäre Einkommensersatzleistung für geringfügig Beschäftigte, die keinen Arbeitslosengeldanspruch haben und ArbeitnehmerInnen, die aus anderen Gründen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben (z.B. aufgrund von zu wenig Vordienstzeiten) und die seit Anfang März gekündigt wurden.

 

5.         dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zur Festlegung von temporären Preisobergrenzen für Endverkaufspreise von Grundnahrungsmitteln, Hygieneartikeln (z.B.: Desinfektionsmittel, Seife) sowie Arzneimitteln und Heilbehelfen (inkl. Atemschutzmasken) vorzulegen

 

6.         dem Nationalrat umgehend einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, in dem die Bestimmungen des StGB gegen Wucher für Fälle einer allgemeinen Notsituation, wie es eine Zwangslage durch Pandemie darstellt, adaptiert werden und dafür ein qualifizierter Tatbestand, der strengere Strafen vorsieht, geschaffen wird

 

7.         bei den Wirtschaftshilfen vorzusehen, dass:

a.         alle KMUs bis 25 MitarbeiterInnen, die von den behördlichen Schließungen betroffen sind, die volle Entschädigungszahlung nach dem Epidemiegesetz erhalten

b.         für indirekt betroffene EPUs und Kleinstunternehmen (Betriebe bis zu 10 MitarbeiterInnen) der Härtefallfonds – nach dem deutschen Modell – auf Fünf Mrd. Euro aufgestockt wird. Wie in Deutschland soll eine Maximalauszahlung von 15.000 Euro (statt dzt. 6.000 Euro) pro Betrieb für drei Monate vorgesehen werden

c.         für größere Betriebe, die Unterstützung aus dem Nothilfefonds beantragen, drei zentrale Voraussetzungen für eine Unterstützungsleistung gegeben sein müssen:

i)          Kurzarbeit statt Kündigungen

ii)        ein Managerboni-Verbot für 2020 und 2021

iii)       ein Verbot von Gewinn-/Dividendenausschüttungen im Jahr 2020

 

8.         für Geschäftslokalmieten gesetzlich klarzustellen, dass gemäß § 1104 ABGB für den Zeitraum der behördlichen Schließungen (Betretungsverbot) für die betroffenen Flächen kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten ist

 

9.         ein zinsenloses Moratorium zumindest bis Ende des Jahres für Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, Strom-/Gaslieferungen und Versicherungsprämien vorzusehen.“

 

 

Zuweisungsvorschlag: Budgetausschuss