429/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 22.04.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

 

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerhard Kaniak, Peter Wurm und weiterer Abgeordneter

betreffend interventionspolitischen Fußabdruck durch ÖVP-Netzwerke            gegenüber Gesundheitsbehörden auf Landes- und Bundesebene

 

Eine uns vorliegende Zeitleiste aus aktuell an die Öffentlichkeit gespielten Unterlagen aus dem Krisenstab des Gesundheitsministeriums lässt eine Involvierung von Minister Rudi Anschober und seines Ministerkabinetts in die "Causa Ischgl" wahrscheinlich erscheinen:

 

      Bereits am  24.  Februar  2020  stimmten  sich  der  Tiroler  Landeshauptmann

Günther Platter und sein Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (beide ÖVP) mit Gesundheitsminister Rudi Anschober und Innenminister Karl Nehammer bei einem Termin in Wien zur Bekämpfung des Coronavirus in Tirol ab.

 

      LH  Platter  damals  nach  dieser  Abstimmung  mit  Gesundheitsminister  und

Innenminister: Die  Abstimmung  mit  dem  Bund,  den  Behörden und weiteren

beteiligten Stellen funktioniert sehr gut. Wir sind mit dem Innenminister und dem Gesundheitsminister im ständigen Austausch. Bei den heutigen  Besprechungen habe man unterschiedliche Szenarien durchbesprochen und diskutiert.

 

·        Am 25. Februar 2020 gab es weitere Abstimmungen mit Innenminister Karl Nehammer und Bundeskanzler Sebastian Kurz zur aktuellen Lage der Ausbreitung des Coronavirus im Bundesland Tirol.

 

·        Ebenfalls am 25. Februar 2020 kam es zu einer Abstimmungssitzung von LH Platter, Südtirols LH Arno Kompatscher und Trentinos LH Maurizio Fugatti im Zusammenhang mit der stetig ansteigenden Gefahr durch die Ausbreitung des Coronavirus über deren Ergebnis ebenfalls die Bundesregierung, namentlich Gesundheitsminister Anschober und Innenminister Nehammer informiert wurden.

 

·        Am 26. Februar 2020 setzte Landessanitätsdirektor Dr. Franz Katzgraber nach Rücksprache mit dem Gesundheitsministerium und auf Anordnung von LH Platter bzw. Gesundheitslandesrat Tilg erste Anordnungen für Quarantänemaßnahmen gegenüber Personen in der Landeshauptstadt Innsbruck.

 

·        Am  26.   Februar  2020   tauchte   zum  ersten   Mal  ein   Verdachtsfall   einer

großräumigen Ansteckung durch zwei Coronavirus-Infizierten gegenüber Dritten im Zusammenhang mit einer Feier bei einer Wintersportparty auf der Innsbrucker Seegrube auf. Die beiden Infizierten hatten an dieser Wintersportparty bereits am 22. Februar teilgenommen und für den Transfer die durch Fahrgäste stark frequentierte Hungerburgbahn benutzt. Damals äußerte der zuständige Landessanitätsdirektor Dr. Katzgraber folgende dokumentierte

Beurteilung der Lage, die sowohl den politisch Verantwortlichen in Tirol als auch den zuständigen Stellen in Wien kommuniziert wurden:  "Eine  Ansteckung  mit

dem Coronavirus für die weiteren Fahrgäste ist aus medizinischer Sicht sehr unwahrscheinlich".

 

·        Ebenfalls am 26. Februar 2020 fand unter Vorsitz von LH Platter und LR Tilg eine Sitzung der Landeseinsatzleitung zur Bekämpfung des Coronavirus im Tiroler Landhaus statt. Platter nach der Sitzung in einer Stellungnahme, die auch an das Gesundheits- und Innenministerium nach Wien und die dort verantwortlichen Ressortchefs kommuniziert wurde: Angesichts der aktuellen Coronavirus-Entwicklungen ist es unerlässlich, dass wir - die Behörden sowie Einsatz- und Partnerorganisationen - uns eng vernetzen. Es braucht einen reibungslosen Informationsfluss sowie bestens funktionierende Abstimmungsketten. Deswegen habe ich mit dem heutigen Tag offiziell die Landeseinsatzleitung aktiviert. Sämtliche Hebel sind in Bewegung und es wird professionell und verlässlich gearbeitet - darauf kann sich die Bevölkerung verlassen, es besteht kein Grund zur Beunruhigung".

 

·        Am 28.Februar 2020 trifft LH Platter in Wien Bundeskanzler Sebastian Kurz, Innenminister Karl Nehammer, Sozialminister Rudolf Anschober sowie die anderen Landeshauptmänner. Platlers Bericht an Kanzler Kurz, den Gesundheits- und den Innenminister: In Tirol ist die Lage derzeit stabil, wir haben aktuell keine Neuinfektionen und haben in den letzten Tagen gezeigt, dass wir gut vorbereitet sind. Unser Ziel ist es, den größtmöglichen Schutz für die Tiroler Bevölkerung zu gewährleisten.

 

·        Damit nicht genug bietet der Tiroler Landeshauptmann die Hilfe der Tiroler Behörden im Umgang mit dem Coronavirus an. Platter wörtlich zu seinem Mitarbeiterstab in Tirol nach seiner Rückkehr: Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass das Coronavirus auch vor anderen Bundesländern vermutlich nicht Halt machen. Deshalb habe ich beim heutigen Treffen jene Erfahrungen, die wir in Tirol in den vergangenen Tagen machen konnten, mit den Kolleginnen und Kollegen geteilt. Daraus lassen sich Schritte und Maßnahmen für die anderen Bundesländer ableiten, damit wir eine bestmögliche gemeinsame Vorgangsweise gewährleisten können und auch die kommenden Tage in der Form funktionieren wie bisher.

 

·        Am 28. Februar und am 2. März 2020 kündigt LH Platter den Einsatz von "Mobilen Sreening-Teams" in allen Tiroler Bezirken an: „Als Ergänzung zu den bereits getroffenen Maßnahmen und zum Schutz der Tiroler Bevölkerung können nun die für eine Coronavirus-Testung notwendigen Abstriche tirolweit zuhause durchgeführt werden. Damit wollen wir einmal mehr gegebenenfalls die Zahl der möglichen Kontakte senken und verhindern, dass sich das Coronavirus in Tirol ausbreiten kann".

 

·        Am 3.  März  2020  kündigen  LH  Platter  und  seine  ÖVP-Bildungslandesrätin           Beate  Palfrader   an,   dass   ein  regionaler   Musikwettbewerb  nach  Prüfung                lediglich vom 3. -12. März 2020 auf 22.-29.März verschoben werden  müsste.

 

·        Erst am 4. März 2020 und das nach einer bundesweiten Regelung durch das Gesundheitsministerium in Wien, wendet sich LH Platter an die Tiroler Gemeinden, um Veranstaltungen, unter anderem auch im Tourismus und Wintersport zu beschränken, betont aber gleichzeitig, dass das öffentliche Leben nicht stillstehen solle, und es keine pauschale Absage von Veranstaltungen geben solle. Vielmehr solle dies nur ein Orientierungsrahmen sein: „Es geht darum, das richtige Augenmaß zu finden. Wir wollen nicht, dass das öffentliche Leben stillsteht und von vornherein Veranstaltungen pauschal abgesagt werden. Mit den Empfehlungen des Bundes steht den Gemeinden sowie Veranstalterinnen und Veranstaltern nun jedenfalls ein österreichweit einheitlicher Orientierungsrahmen zur Verfügung, um das Coronavirus-Risiko bestmöglich zu minimieren".

 

·        Am 5. März 2020 kommt es zu medialen Berichten, wonach sich 14 Isländer in Tirol    mit    dem     Coronavirus     angesteckt      hätten.      Dies      wird     von

Landessanitätsdirektor Katzgraber, - dem engsten medizinischen Berater in der Causa Coronavirus für LH Platter und LR Tilg relativiert: "Unter dieser Annahme

erscheint es aus medizinischer Sicht wenig wahrscheinlich, dass es in Tirol zu Ansteckungen gekommen ist. "

 

·        Am 7.  März 2020 und nach  einem  täglichen  Anstieg  der  Erkrankungs-  und

Verdachtsfälle im gesamten Land relativiert LH Platter die Gefahrensituation nach einer Sitzung der Landeseinsatzleitung in Anwesenheit von  LR Tilg  und

Landessanitätsdirektor Katzgraber neuerlich: „Wir haben die Lage aktuell im Griff, es gibt keinen Grund zur Beunruhigung. Unser Ziel bleibt, das Coronavirus so lange und gut wie möglich einzudämmen, um weitere Erkrankungen zu verhindern und dadurch Zeit zu gewinnen, bis es eine erfolgreiche Therapie gegen das Virus gibt.

·        Am 8. März 2020, als sich die Lage in Tirol weiter dramatisiert hat, kündigt LH Platter "punktuelle Gesundheitschecks" an, relativiert aber den Ernst der Lage neuerlich. Bei LH Platter und seinem Umfeld steht weiterhin nicht die Gefahr einer Binnenansteckung in den Tiroler Schigebieten im Fokus, sondern ausschließlich  der  Grenzschutz: „Die  Reisetätigkeiten  aus  den  betroffenen

 

norditalienischen Krisengebieten sollen insgesamt überdacht und bestmöglich vermieden werden. Die Gesundheitschecks in den Grenzbereichen vom Brenner, Reschenpass und Sillian betreffen sowohl den Straßenverkehr auf Autobahn und Landesstraßen, als auch den Zugverkehr. Unser Ziel bleibt, das Coronavirus so lange und gut wie möglich einzudämmen, um weitere Erkrankungen zu verhindern und dadurch Zeit zu gewinnen, bis es eine erfolgreiche Therapie gegen das Virus gibt. "

 

·        Nachdem weitere, zahlreiche Fälle vor allem in den Tiroler Wintersportregionen aufgetreten sind, wenden sich LH Platter, seine Stellvertreterin Ingrid Felipe, Gesundheitslandesrat Tilg, Landessanitätsdirektor Katzgraber und Landespolizeidirektor Edelbert Kohler am 10. März 2020 neuerlich an die Öffentlichkeit, um den Fokus auf eine primäre Einschleppung des Virus aus

Südtirol und Italien zu lenken, nicht aber um auf die Situation in den Fremdenverkehrsgemeinden einzugehen: „Die Lage in Italien hat sich in letzten Stunden massiv zugespitzt. Wir müssen hier von einer dramatischen Situation sprechen, die sich direkt vor unserer Haustüre abspielt. Gerade jetzt ist aber keine Zeit zur Beunruhigung, sondern Zeit für Ruhe und Besonnenheit. Die Landesregierung und Landeseinsatzleitung arbeiten rund um die Uhr daran, die richtigen Maßnahmen zu setzen, um eine Ausbreitung dieses Virus zu vermindern und die Tiroler Bevölkerung und Gäste zu schützen"

 

·        Und die grüne LH-Stellvertreterin Felipe assistiert ihrem Koalitionspartner LH Platter am 10. März 2020 wortreich, indem sie folgende Stellungnahme zur aktuellen Situation abgibt: „Wir haben Expertinnen und Expertinnen, die auf alle Szenarien vorbereitet sind und können versichern, dass wir bei gesicherten Informationen die Bevölkerung schnell und transparent informieren. Es wird hier professionell und mit Umsicht gearbeitet. Ich möchte auch an die Eigenverantwortung jeder und jedes einzelnen appellieren: die Hygiene- und Sicherheitsempfehlungen sollten jedenfalls eingehalten werden. So können Einzelne einfach und gleichzeitig wirksam zum Schutz und der Sicherheit aller beitragen. "

 

·        Weiterhin  setzen  LH  Platter  und  seine  Landesregierung  inklusive Landessanitätsdirektion und Landespolizeidirektion auf Grenzkontrollen, um das Virus an den Grenzen, nicht aber im Landesinneren zu bekämpfen. Diese Maßnahmen im Verkehr sieht LH Platter in engster Abstimmung mit den Bundesstellen getroffen: „Diese Maßnahmen müssen nicht zuletzt aufgrund der verschärften Situation in Italien getroffen werden. Ich befinde mich stets in engstem Austausch mit Südtirol sowie dem Trentino als auch dem Bund".

 

·        Am 11. März 2020 stellt LH Platter neuerlich Grenzmaßnahmen ins Zentrum der Tiroler Strategie der Coronavirus-Bekämpfung: „Prinzipiell gibt es ab sofort einen Einreisestopp von Italien nach Österreich. Davon ausgenommen sind ausschließlich Personen, die ein gültiges ärztliches Attest aufweisen können. Dem beruflichen Pendlerinnenverkehr und dem Güterverkehr ist ein Grenzübertritt gestattet, jedoch können von der Behörde Gesundheitschecks

vorgenommen werden. Mit diesen Maßnahmen möchten wir die Weiterverbreitung des Coronavirus bestmöglich vermindern".

 

·        Am 11. März 2020 dramatisiert sich die Tiroler Situation weiter, so dass sich LH Platter neuerlich zu einer Stellungnahme veranlasst sieht: „Die Gesamtsituation hat sich weiter zugespitzt. Der heutige Mittwoch brachte den stärksten Anstieg von bestätigten Coronavirus-Erkrankungen seit den ersten beiden positiv getesteten Fällen vor über zwei Wochen. Die Zahl hat sich im Verlauf des heutigen Tages von 30 auf nun 57 positive Fälle erhöht. Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation, die unser tägliches Leben maßgeblich beeinträchtigt. Wichtig ist nun, dass wir in Tirol zusammenstehen und diese Krise gemeinsam meistern."

 

·        Am 12. März 2020 und nach einer weiteren Dramatisierung der Situation in den Wintersportregionen aufgrund gehäuft auftretender Coronavirusfälle bei Gästen und Mitarbeitern, kommt es zu einer Krisensitzung mit ÖVP-Vertretern der Tiroler Tourismus- und Seilbahnwirtschaft. LH Platter, der auch für den Tourismus in der Tiroler Landesregierung verantwortlich ist, gibt folgende Entscheidung bekannt: „Nach einer Besprechung mit Vertreterinnen des Tiroler Tourismus wurde heute entschieden, dass die Seilbahnen mit Ablauf Sonntag, 15. März 2020, auf Basis des Epidemiegesetzes geschlossen werden. Ebenso werden alle Beherbergungsbetriebe mit Ablauf Montag, 16. März 2020, behördlich geschlossen. Hierfür wurde deshalb der Montag gewählt, damit eine geordnete Rückreise der Gäste aus den Skigebieten erfolgen kann."

 

·        LH Platter zu dieser Entscheidung, die offensichtlich längst überfällig gewesen ist und mutmaßlich nur unter Druck aus dem ÖVP-Wirtschaftsflügel erst so spät getroffen  werden   konnte:   „Für  uns   steht   die   Gesundheit   unserer  Gäste,

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Tiroler Bevölkerung an erster Stelle. Diese Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen, aber wir übernehmen Verantwortung für alle Tiroler und Tirolerinnen und für alle, die sich in Tirol aufhalten".

 

Wie wir wissen sind seit Ende Februar die Handys von LH Platter und LR Platter, aber auch einzelner Bezirkshauptleute in ganz Tirol mit Interventionsanrufen und Interventions-SMS "heiß" gelaufen. Einen ersten Hohepunkt haben diese Interventionsversuche bereits in der Woche vor den Wirtschaftskammerwahlen vom 2.-5. März erreicht, wo einzelne Wirtschaftsbundfunktionäre auf die Landespolitik und die Verantwortungsträger in den Gesundheitsbehörden massiv eingewirkt haben.

Mit diesen Interventionsversuchen und der fortgesetzten partei- und interessenspolitisch gesteuerten Untätigkeit von LH Platter und Co und seiner ÖVP­ Truppe hat man mehr als 14 Tage in der konsequenten Eindämmung des Coronavirus im Bundesland Tirol verloren. Das geschah unter den Augen und letztendlich mit Wissen und Willen des grünen Gesundheitsministers Rudi Anschober in der österreichischen Bundesregierung.

 

Sein Krisenstab und seine Pressereferentin waren in den Informationsfluss spätestens seit dem 28. Februar in allen Details eingeweiht. Mitwisser dieses Tiroler Skandals sind aber auch mehrere ÖVP-Regierungsmitglieder wie etwa Innenminister Karl Nehammer und Bundeskanzler Sebastian Kurz. Sie waren über die Bundeskrisenkoordination über die tatsächlich ernste Lage in Gesamtösterreich und insbesondere im Bundesland Tirol immer genauestens informiert.

 

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, gegenüber dem Nationalrat und der Öffentlichkeit umgehend offenzulegen ,

 

-                     ab welchem Zeitpunkt das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz bzw. einzelne Organwalter und Verantwortliche (Bundesminister, Kabinettsmitarbeiter, Generalsekretariat und dessen Mitarbeiter,   Mitglieder   der     Taskforce,     Mitglieder     der       Einsatzstäbe, Sektionschefs, Gruppenleiter,  Abteilungsleiter  und  Sachbearbeiter)  Kenntnis

vom Ausbruch von COVID-19 im  Tiroler  Wintersportort  Ischgl  bzw.  anderen Gemeinden erlangt haben.

-          welche Maßnahmen in diesem Zusammenhang wann gesetzt worden sind.

-          welche Interventionen bzw. Interventionsversuche durch Mitglieder von ÖVP-Netzwerken (Nationalratsabgeordnete, Landtagsabgeordnete, Mitglieder der Landesregierung, Wirtschaftskammerfunktionäre, Bürgermeister) wann stattgefunden haben.

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Gesundheitsausschuss zuzuweisen.